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Morgenstern
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eBook236 Seiten3 Stunden

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Über dieses E-Book

Nichts ist so lästig wie ein Computer, der in der S-Bahn vergessen wurde. Besonders lästig, wenn der ehrliche Finder für seine Ehrlichkeit auch noch mit dem Tode bestraft wird. Abgemurkst zu werden, nur weil du versucht hast, die Wahrheit aufzudecken ist auch nicht viel besser. Da könnte es schon sinnvoll sein, herauszufinden, wer dahinter steckt. Ob allerdings ausgerechnet Kriminaloberrat Günther Rogge der richtige Mann hierfür ist, musst du letztlich selbst entscheiden. Zuvor aber wirst du dich dazu durchringen müssen, dieses Büchlein zu kaufen. Damit es dir leichter fällt: 20 Cent von jedem verkauften Exemplar gehen an die Deutsche Stiftung für herzkranke Kinder. Ab 10000 verkaufter Exemplare erhöht sich der Betrag auf 30 Cent.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum5. Sept. 2015
ISBN9783738042801
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    Buchvorschau

    Morgenstern - Ekkehard Wolf

    Kapitel 1

    Morgenstern

    von Ekkehard Wolf

    „Sie haben das Gerät in der Bahn gefunden? Der Beamte machte eine kleine Pause und warf seiner Kollegin einen vielsagenden Blick zu. Er hatte das Alter des Besuchers auf etwas über 70 geschätzt und war nach Vorlage des Personalausweises sehr mit sich zufrieden, weil er feststellen konnte sich nicht geirrt zu haben. „So ist es. Der ältere Herr zeigte wenig Bereitschaft, sich auf das Spielchen des Polizisten einzulassen. „Und Sie sind sicher, dass ...? Der junge Diensthabende schaffte es nicht, seine Frage zu Ende zu bringen. „Ich bin mir sicher. Der gereizte Zwischenruf des älteren Herren irritierte den jungen Beamten ein wenig; aber eben auch nur ein wenig. „Na gut, dann wollen wir das einmal zu Protokoll nehmen. Darf ich Sie zur Klärung des Sachverhalts bitten, sich für einen Moment hierher zu setzen? Die ebenfalls noch recht junge Kollegin des Wachhabenden hatte sich entschlossen, die Situation nicht eskalieren zu lassen. „Und haben Sie vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit – und für die Mühe, die Sie sich gemacht haben. „Warum überschlägt die sich so? Polizeioberwachtmeister Gerhard Zielkowski war eigentlich eher danach zumute, dem alten Mann hier einmal gehörig die Meinung zu sagen, anstatt der albernen Sache auch noch lange auf den Grund zu gehen. Der Abend war für die Beamten der Spätschicht auf dem Polizeirevier der kleinen Stadt im Süden von München bisher nicht gerade ereignisreich verlaufen. Bis zu dem Moment, als der alte Mann die Wache betreten hatte. Zielkowski kam die kleine Abwechslung daher anfangs durchaus nicht ungelegen. Der Grauhaarige in dem etwas altertümlichen Lammpelzmantel versprach immerhin ein wenig Ablenkung, erwies sich aber von Anfang an als schwierig. Er tischte dem Diensthabenden die Geschichte von dem in der S-Bahn gefundenen Laptop auf und bestand darauf, damit den Beweis für ein ungeheuerliches Kapitalverbrechen in Händen zu halten. Obwohl er zugeben musste, inhaltlich nicht ganz verstanden zu haben, worum genau es dabei gehen sollte und der dubiose Rechner sich zu allem Überfluss auch noch nicht einmal einschalten ließ, hatte er wichtigtuerisch auf seiner Verschwörungstheorie bestanden und verlangt, dass der Wachhabende den Fund „unverzüglich seinen Vorgesetzten zur Kenntnis zu bringen habe. Polizeioberwachtmeister Gerhard Zielkowski nervte diese geschraubte Ausdrucksweise und er hätte dem alten Herrn das zu gern auch klar gemacht. Doch in Gegenwart der zweiten diensthabenden Person verkniff er sich jede Unhöflichkeit. Die Kollegin war schließlich neu. Da konnte man nie wissen. „Wie geht das jetzt weiter? Nach Abfassen des Protokolls wandte sich der Alte mit noch immer herrischem Tonfall direkt an die Uniformierte. „Wir werden das Fundstück an die zuständigen Stellen weiterleiten. Wenn sich der Eigentümer dort nicht innerhalb der nächsten Monate meldet, wird der Apparat versteigert. Die Beamtin lächelte den älteren Mann gewinnend an. „Hören Sie, ich habe den Eindruck, dass Sie nicht verstehen, was ich Ihnen gerade gesagt habe. Das hier ist kein Fundstück. Das ist das Dokument eines Verbrechens! Die Stimme des älteren Herren drohte sich zu überschlagen. Der zuvor schon anmaßende Tonfall hatte sich urplötzlich in ein scharfes Bellen verwandelt. Dem diensthabenden Beamten waren solche wichtigtuerischen Choleriker trotz der geringen Zahl von Dienstjahren nicht fremd. Es verging kaum eine Schicht, ohne dass er mit einem solchen „Kunden in irgendeiner Weise zu tun hatte. Mit diesen ‚Typen’ wurde man am besten fertig, wenn man ihnen klar machte, dass jedes weitere Wort schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen würde. Mit einem Ruck hatte sich der Polizist erhoben. „Wir lassen das untersuchen. Seine Kollegin war ihm erneut zuvor gekommen. Sie lächelte noch immer ihr gewinnendes Lächeln. Zur Überraschung des Oberwachtmeisters gab sich der ältere Herr dann doch mit dieser Auskunft zufrieden. „Na gut, Sie werden schon einen Weg finden, um diesen Apparat wieder zu reaktivieren. Dann sehen Sie ja selbst, was ich meine. Er setzte seinen Namen unter das Protokoll, zögerte noch einen kurzen Moment, wandte sich dann aber zur Tür und verließ ohne einen Gruß des Abschieds die Wache. „Was war jetzt das? Polizeioberwachtmeister Gerhard Zielkowski gab sich belustigt, nahm wieder Platz und lehnte sich zurück. „Keine Ahnung; wird sich ja zeigen. Auch seine Kollegin gab sich genervt, und der Beamte hatte nicht den Eindruck, als ob sie vorhatte, dem Vorfall größere Aufmerksamkeit zu schenken. Zielkowski aber wollte sicher gehen und vergewisserte sich daher. „Du glaubst diesem alten Spinner doch wohl nicht, oder? Angelika Schwarz zögerte mit einer Antwort, blickte ihm direkt in die Augen und versuchte es dann mit ein wenig Ironie, die ihr Kollege jedoch nicht verstand und auf die er deshalb gereizt reagierte: „Na klar, der alte Trottel findet rein zufällig ein Notebook in der Bahn auf dem rein zufällig der Plan einer miesen Verschwörung aufgezeichnet ist. Er schaut sich das ausführlich an, versteht nicht, worum es da eigentlich genau geht, bringt uns die Kiste her und rein zufällig ist der Scheißapparat kaputt, als er ihn einschalten will. Sehr, sehr witzig. Gerhard Zielkowski war offenkundig nicht in der Laune, die gesamte Angelegenheit mit Ruhe anzugehen. Angelika Schwarz zog es vor, die Stimmung nicht noch weiter aufzuheizen. „Kann ich mir auch nicht vorstellen, gab sie beschwichtigend zu verstehen. Sie hatte nicht die Absicht, hier wegen so etwas anzuecken. Schließlich wollte sie weiterkommen. Trotzdem fügte sie abermals mit leicht ironischem Unterton hinzu: „Ich räum’ das jetzt mal weg. Wenn Du das schon so witzig findest, dann sollen die Kollegen schließlich auch noch ihren Spaß damit haben. Wir haben den Vorgang jedenfalls ordnungsgemäß erfasst. Absichtliche eine Nuance zu theatralisch klappte sie den Deckel des Corpus Delicti zu und entschwand damit in die „Asservatenkammer, wie der Aufbewahrungsraum für abgegebene Fundstücke intern gerne genannt wurde. In diesem Augenblick klingelte zum Glück das Telephon. „Polizeiinspektion Wolfratshausen, meldete sich der junge Diensthabende, erfreut darüber, sich nach dem Vorfall von eben wieder mit einer anderen Sache beschäftigen zu können. Doch das nachfolgende Gespräch nahm einen anderen Verlauf, als von dem jungen Beamten erhofft.

    „Kollege Zielkowski, kannst Du gerade mal eben zum Chef ins Büro kommen? Die Frage des Diensthabenden erreichte den Oberwachtmeister genau in dem Moment, als er den Kaffeebecher zum Mund führte. Erstaunt blickte er auf und sah seinen Schichtleiter fragend an. Polizeihauptmeister Volker Ritter hatte sich direkt vor ihm aufgebaut und sah seinerseits ihm forschend ins Gesicht. Zielkowski setzte den Kaffee ab. Beinahe hätte er sich verschluckt. „Äh klar, natürlich, jetzt gleich? Es gelang ihm nicht, seine Irritation zu verbergen. „Jetzt gleich, bestätigte Ritter und machte eine einladende Handbewegung in Richtung Tür. „Geh’ nur, ich vertret’ dich hier so lange. Ohne weitere Fragen zu stellen, erhob sich Zielkowski von seinem Platz und verließ samt Kaffee den Raum. Den Becher hielt er noch immer in der Hand, als er wenige Augenblicke später an der Tür von Polizeihauptkommissar Jens Jensen klopfte. Beim Betreten des Zimmers stutze er. Er hatte erwartet, seinen Chef allein anzutreffen. Tatsächlich befand sich neben Jensen auch seine junge Kollegin Angelika Schwarz in dem Raum und zudem noch zwei Personen in zivil, die er hier noch nie gesehen hatte. Der Vorfall mit dem abgegebenen Computer lag inzwischen drei Tage zurück. Nach seiner damaligen Spätschicht hatte Zielkowski schichtfrei gehabt. Heute war er erstmals wieder zum Dienst erschienen. Dabei hatte er bisher keine Gelegenheit gehabt, sich mit dem ominösen Computer zu befassen. Jetzt fiel sein Blick sofort auf das Gerät. Es stand im laufenden Betrieb allein auf dem Besprechungstischchen. Zielkowski erkannte den Apparat aufgrund der merkwürdigen Aufschrift, die unten am Monitor in kyrillischer Schrift aufgeklebt war: „САЛАМАНДРА. „Kommen Sie herein. Aufmunternd winkte Jensen seinen Mitarbeiter in den Raum. „Die Kollegin Schwarz kennen Sie ja bereits. Die beiden Herrschaften hier sind PHK Regina Raabe vom LKA und Kriminaloberrat Günther Rogge von BKA. Wie üblich hielt sich Jensen nicht lange mit Förmlichkeiten auf. „Es geht noch einmal um diesen Rechner hier, leitete der Dienstvorgesetzte die Besprechung ein. „Sie haben den ja entgegengenommen, nicht wahr? „Ja, also das war so ..., wollte der Angesprochene gerade ausführen, wurde aber sofort abgewürgt. „Ok, das wissen wir eigentlich schon alles, unterbrach ihn Jensen ruppig und fügte hinzu: „Bei dem Computer war nur der Akku leer. Die Kollegin Schwarz hat da gleich am nächsten Tag ein Netzteil besorgt und schon lief wieder alles. „Die schwarze Angie, schoss es Zielkowski durch den Kopf, während er sich bemühte, dem Vortrag seines Chefs zu folgen. „Schwarze Angie war der Spitzname für Angelika Schwarz. Die Kollegen hatten sie mit diesem ‚Kosenamen’ bedacht, weil die Schwarz in Wirklichkeit blond war, aber bissig wie eine schwarze Witwe reagieren konnte, wenn ihr einer der männlichen Kollegen irgendwie dumm kam. Jetzt stand die Schwarze Angie mit den blonden Haaren neben dem aufgeklappten Laptop und wartete offenkundig auf ihren Auftritt. Doch ihr Vorgesetzter hatte sich in den Kopf gesetzt, zunächst noch die Befragung ihres Kollegen zu Ende zu bringen.

    „Sie haben den Zeugen doch auch erlebt, Kollege Zielkowski, nicht wahr? Da bereits sein vorheriger Versuch einer Antwort erst Sekunden zuvor gescheitert war, verkniff sich der junge Beamte jetzt trotzig eine Reaktion und anscheinend hatte sein Vorgesetzter auch keine erwartet; denn bereits nach einer kurzen Kunstpause ließ er die Anschlussfrage folgen: „Bevor wir anfangen, wäre es deshalb vielleicht ganz gut, wenn Sie uns den alten Mann einmal beschreiben könnten. Ich meine den, der den Computer hier abgegeben hat. Sie verstehen schon? Zielkowski stand da und sagte kein Wort. „Herr Kollege? Jens Jensens Stimme bekam einen ungeduldigen Unterton, aber statt zu antworten stand sein Untergebener mit zusammengepressten Lippen da und starrte angestrengt in den Raum. Es folgte ein Moment des Schweigens, in dem sich Jensen, Rogge, die Raabe und die Schwarz wechselseitig fragend ansahen. „Zielkowski? Ich habe Sie etwas gefragt. Haben Sie mich verstanden? Der Angesprochene schien zur Salzsäule erstarrt zu sein und ließ durch nichts erkennen, ob ihn die Ermahnung seines Vorgesetzten erreicht hatte. Angelika Schwarz folgte dem Blick ihres Kollegen. Sie trug die Haare heute streng nach hinten gekämmt und verstärkte dadurch den energischen Eindruck, den sie durch ihre sonstige Körpersprache ohnehin bereits auszustrahlen bemüht war. Bereits im nächsten Augenblick war es jedoch um ihre Selbstbeherrschung geschehen. Sie stutzte ebenfalls, schlug beide Hände vor das Gesicht und wandte sich sogleich erschrocken den Anderen zu. Ihr Blick, der mit Fassungslosigkeit nur unzureichend beschrieben werden konnte, veranlasste Rogge dazu, fragend die rechte Augenbraue zu heben. Erstaunt musste er feststellen, wie die Oberwachtmeisterin sich mit geöffnetem Mund vorbeugte, um sodann so intensiv auf den Bildschirm des kleinen Computers zu starren, dass auch Jensen und die beiden Polizisten in zivil nicht umhin konnten, sich für das zu interessieren, was sie so zu faszinieren schien. Der Inhaber einer A14 Stelle musste sich eingestehen, das dass, was sich gerade vor ihrer aller Augen abspielte, durchaus etwas Beunruhigendes an sich hatte. Mit einer Art Count Down wurde in großen, rückwärts laufenden Zahlen die Selbstzerstörung des gesamten Datenbestandes des Rechners angekündigt.

    Regina Raabe gelang es als erster ihre Lähmung zu überwinden. Mit zwei schnellen Schritten stand sie am Rechner. Nach drei vergeblichen Versuchen mit der Escape Taste griff sie zur Notbremse, betätigte die Ausschaltknopf und erreichte damit, dass sich der Computer von seinem destruktiven Tun verabschiedete. Damit blieb vorerst allerdings unklar, ob hier ein besonders origineller Bildschirmschoner aktiviert, oder tatsächlich ein Selbstzerstörungsmechanismus im Begriff gewesen war, den gesamten Inhalt des Computers zu löschen oder diesen bereits gesperrt oder gar vernichtet hatte. Noch bevor sich die Anwesenden von diesem Schreck erholen konnten, folgte bereits die nächste unschöne Überraschung.

    Ohne Anzuklopfen stürzte Hauptmeister Werner Sedlmair in das Zimmer. Augen und Mund des Wachhabenden waren weit aufgerissen. In den Händen hielt er ein Stück Packpapier. Auf dem Verpackungsmaterial lag eine flache Schale aus Plastik. In der Schale lagen, auf Watte gebettet, zwei menschliche Augen, zwei Ohren und eine Zunge. „Das ist eben mit der Post gekommen, stieß der Beamte hervor und blickte in die Runde. Es dauerte einen Moment bis die im Dienstzimmer des Hauptkommissars Versammelten in der Lage waren sich auf die neue Situation einzustellen. Wortlos blickten sie auf den Polizisten, der sie mit seinem Auftritt überrascht hatte. „Mensch Sedlmair, bist Du jetzt völlig übergeschnappt, oder was? Es war Jens Jensen als Erstem gelungen, seinen Schreck zu überwinden und ihm war anzumerken, dass er Mühe hatte, die Form zu wahren. Noch bevor der Hauptmeister antworten konnte, erwischte es Zielkowski. Gleich beim Anblick der blutigen Körperteile hatte er die Augen verdreht, sein Atem war schneller geworden und dann machte er alle Anstalten der Länge nach umzufallen. Angelika Schwarz konnte ihn gerade noch auffangen und verhinderte dadurch, dass ihr Kollege mit dem Kopf direkt gegen die Kante des Schreibtisches krachte, der das Dienstzimmer ihres gemeinsamen Vorgesetzten schmückte. Das alles hatte sich so schnell abgespielt, dass niemand im Raum auf die Idee kam, sich zu fragen, warum ausgerechnet der sonst so hart gesottene Zielkowski auf einmal so verweichlicht reagierte. Zugleich löste dieser Aussetzer eine Kettenreaktion aus. Beim Anblick seines zusammenbrechenden Kollegen wäre dem Hauptmeister beinahe die Schale mit den blutigen Sinnesorganen aus der Hand gerutscht. Während es ihm nur mit Mühe gelang, die wackelige Gefäß auszubalancieren, bemühte sich Angelika Schwarz darum, ihren daniederliegenden Kollegen mit leichten Schlägen auf die Wangen, wieder zu Bewusstsein zu bringen. Zugleich hatte die Frau vom LKA einen schnellen Schritt auf Sedlmair zugemacht, um zu verhindern, dass die schwankende Schale zu Boden ging. Als sich ihre Intervention als nicht mehr erforderlich erwies, hielt sie inne und sah sich ein wenig irritiert nach Rogge um. Dieser hatte den Vorgang bisher äußerlich ruhig verfolgt und wandte sich jetzt mit einem, wie Raabe fand, ziemlich unpassenden Grinsen und der provozierenden Frage an den Dienststellenleiter, ob es hier immer so heftig zugehe. Daraufhin trug auch Jensen sein Scherflein dazu bei, die Situationskomik zu bereichern. Zuvor hatte auch er zunächst einen Schritt in Richtung des Computers getan, sich dann seinem Kollegen Sedlmair zugewandt und war anschließend auf Zielkowski und Schwarz zugegangen. In dieser Bewegung hielt er nun abrupt inne und wandte sich Rogge zu. „Ob es hier was? Nicht nur sein Tonfall verriet, dass er augenblicklich wirklich nicht verstand, was der Mensch aus Wiesbaden gerade von ihm wollte. Zu allem Überfluss klingelte jetzt auch noch sein Diensttelephon. Nahezu erleichtert drehte sich Jensen zu dem Apparat hin und griff nach dem Hörer. „Was gibt es? Die Antwort, die ihm der Anrufer zuteil werden ließ, schien nicht dazu beizutragen, den Gemütszustand des Dienststellenleiters zu stabilisieren. Jedenfalls bewegte er sich im Zeitlupentempo mit dem Hörer am Ohr um seinen Schreibtisch herum und ließ sich dann ebenso langsam in seinen Dienstsessel nieder.

    Vom anderen Ende der Leitung informierte ihn die Streifenwagenbesatzung, die vor einer knappen halben Stunde zum Fundort eines am einem Baum hängenden, blutigen Leinensackes gerufen worden war über die Ergebnisse des Einsatzes. Beim Eintreffen der Beamten hatte das Bündel noch immer am Ast einer großen Buche gehangen. Auch der angeheftete Zettel mit der Aufschrift „Leiche flatterte weiter im Wind. Entdeckt worden war das Ganze von zwei spielenden Kindern, deren Mutter die Polizei benachrichtigt hatte. Anstelle des von den Beamten zunächst angenommenen makaberen Scherzes, erwies sich der Inhalt des Sackes jedoch als genau das, was die Aufschrift angekündigt hatte. Mehr noch. Dem telephonischen Bericht der Streifenwagenbesatzung zufolge handelte es sich bei der Leiche um einen älteren Mann, der nicht einfach nur tot, sondern zudem noch völlig entstellt war. „So etwas haben Sie noch nicht gesehen Chef. Polizeiobermeister Dieter Vogts Tonfall war anzumerken, dass ihn das Bild des vor ihm liegenden Toten nicht kalt ließ. Der ältere Mann war vor seinem Ableben offenkundig schwer misshandelt und gefoltert worden. Nicht nur seine Hände, Arme, Beine und Füße waren absonderlich verdreht. Auch fehlten dem Toten Augen, Ohren und Zunge. Möglicherweise noch lebend war das Opfer von den Tätern in diesem Zustand in den Sack gepfercht und so an den Baum gehängt worden, wo er entweder verblutet oder erstickt sein musste. „Wer macht denn so was?" Während Jensen die Frage einfach so herausgerutscht war, ohne dass er eine konkrete Antwort erwartet hätte, ließ sich wenige duzend Kilometer entfernt der Auftraggeber der Befragung des alten Mannes von deren Ergebnissen berichten.

    Kapitel 2

    „Er hat bis zuletzt darauf bestanden, das Gerät bei der Polizei abgegeben zu haben. Mehr war nicht aus ihm herauszuprügeln und mehr hatte unser Freund wohl auch nicht zu sagen. Der Stimme der Frau am anderen Ende der Leitung war Verärgerung über das magere Ergebnis der Befragung trotz der deutlichen Worte nicht wirklich anzumerken. „Dann sehen Sie zu, dass Sie das Gerät wieder herbeischaffen oder sorgen Sie dafür, dass die Daten vollständig verschwinden. Auch der Tonfall des Gesprächspartners blieb emotionslos, während er angestrengt aus dem Fenster seines Büros mit Bergblick in der Nähe von Penzberg blickte. „Ich verlasse mich auf Sie!," stellte der Enddreißiger klar und lehnte sich zurück. Wer mochte, konnte

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