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Liebe, gut gekühlt
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eBook272 Seiten3 Stunden

Liebe, gut gekühlt

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Über dieses E-Book

Zwei ahnungslose Männer und drei abenteuerlustige Frauen. Kann das etwa gut ausgehen?
Die brave Cora verschwindet spurlos und taucht danach mit einer Amnesie wieder auf. Wirklich? Oder ist das lediglich ein Vorwand dafür, nicht mehr brav zu sein?
Jeanne hat nach sieben Jahren Ehe mit dem Künstler Max Rahn genug davon, das nette Anhängsel zu sein und taucht einfach ab.
Die hochintelligente Jurastudentin Tanja hat alles, was sich andere Frauen wünschen und will mehr, viel mehr.
Der verlassene Ehemann Max Rahn beauftragt den abgehalfterten Privatdetektiv Theo Emmerich damit, seine geliebte Jeanne zu finden.
Theo nimmt nach einem Hinweis von Tanja die Spur des russischen Weltenbummlers Greg auf. Die Ermittlungen führen ihn bis auf die griechische Insel Korfu, wo er Jeanne wirklich findet.
Ein scheinbar einfacher und lukrativer Fall. Doch die folgenden Ereignisse wirbeln sein Weltbild total durcheinander. Wird der unverbesserliche Romantiker Theo es schaffen, das Knäuel zu entwirren? Oder ist er auf weibliche Unterstützung angewiesen?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum20. Jan. 2014
ISBN9783847671091
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    Buchvorschau

    Liebe, gut gekühlt - Linda Große

    Kapitel 1

    DER PLAN

    Was ist der Plan? Action!

    Action for me. Action for my life!

    ACTION

    Was für eine Art von Action? Geld? Geld ist langweilig. Der Job ist langweilig. Menschen? Menschen sind langweilig. Stinklangweilig!

    Na gut, nicht alle. Nicht alle Menschen sind langweilig. Was also ist der Plan?

    TOD DER LANGEWEILE

    Ja, das ist es. Wie tötet man die Langeweile? Womit? Karriere und Geld, das hatten wir schon, damit ganz sicher nicht. Beides schafft Langeweile.

    Was dann????

    Kapitel 2

    Schlagartig verschwand das kleine rote Männchen von ihrer Netzhaut. Dafür erschien ein grünes, mit weit ausgreifendem Schritt. Obwohl sie den Wechsel nicht bewusst wahrnahm, holte er sie doch aus ihrer Paralyse. Sie stand direkt an der Bordsteinkante. Ihr Blick senkte sich langsam und fixierte nachdenklich ihre rechte Sandalette. Ein Riemchen war abgerissen und ihre Zehen schoben sich über die Ledersohle hinweg auf das Pflaster.

    Ärgerlich hob sie das Bein an, presste den Absatz gegen die linke Fußspitze bis ihr rechter Fuß in die Sandale zurückrutschte. Zufrieden stellte sie beide Füße wieder nebeneinander.

    Die Sonne verbreitete trotz der frühen Uhrzeit angenehme Wärme und versprach einen schönen Tag. Sie blickte über die große Kreuzung. Nirgendwo ein Fußgänger in Sicht. Dafür breite Ströme von Fahrzeugen. Die von der Sonne erzeugten Reflexe auf den Windschutzscheiben bohrten das Licht mit glänzenden Nadeln in ihre Augen.

    Erst jetzt fiel ihr auf, dass die Fahrzeuge standen. Irgendjemand spielte ungeduldig mit dem Gaspedal. Wie auf einen Startschuss hin fuhren die Wagen gemeinsam an und rollten mit zunehmender Geschwindigkeit über den Zebrastreifen.

    Das rote Männchen erschien erneut auf ihrer Netzhaut.

    Sie seufzte auf, trat von einem Bein aufs andere und prompt rutschten ihre Zehen in der beschädigten Sandalette wieder nach vorn. Ungeduldig wiederholte sie die Prozedur und schob den Fuß erneut zurück.

    Es schien unendlich lange zu dauern bis die Fußgängerampel auf grün sprang und dieses Mal überquerte sie die breite Kreuzung zügig, das rechte Bein etwas hinter sich herziehend.

    Auch auf dieser Seite war kein Mensch zu sehen, jedenfalls keiner der sich wie sie zu Fuß die Straße entlang bewegte.

    Knapp einhundert Meter nach der Kreuzung zweigte eine Nebenstraße ab. Sie bog rechts ein und registrierte aus den Augenwinkeln heraus die Leuchtziffern an einer Sparkassenfiliale. Im stetigen Wechsel zeigten sie Temperatur und Uhrzeit an: 9.15 Uhr, 21°C. Ein Seitenblick durch die breite Glastür zeigte einen Raum mit den typischen Automaten. Auch hier kein menschliches Wesen.

    Aufkeimende Nervosität beschleunigte ihren Schritt, den kaputten Schuh über den Bürgersteig schleifend. Sie war unendlich müde und wollte sich nur noch ausruhen.

    Da, endlich der Hauseingang mit dem Zahnarztschild auf der rechten Seite. Erleichtert stieß sie die Tür auf und erblickte den Eingang zur Praxis. In der Anmeldung saß eine Frau mit graumeliertem Kurzhaarschnitt am Computer. Ihre Finger glitten über die Tastatur, während ihre Augen auf den Bildschirm gerichtet waren. Die Frau ließ sich durch ihr Erscheinen nicht von der Arbeit ablenken.

    Erschöpft lehnte sie sich gegen die Theke aus Wurzelholz, stützte ihren rechten Unterarm auf und fühlte, wie ihr die Beine langsam wegsackten. In diesem Moment gab die Frau ein routiniertes guten Morgen von sich, während sie endlich vom Bildschirm hochschaute.

    „Cora, meine Güte, Cora!"

    Die Stimme der Frau überschlug sich fast, während Cora aus ihrem Blickfeld verschwand und auf den Boden rutschte. Der Aufschrei drang unüberhörbar bis in das Wartezimmer sowie die angrenzenden Behandlungsräume.

    Bis auf einen Mann in mittleren Jahren war das Wartezimmer leer. Er blickte leicht verärgert über die Störung von seiner Illustrierten hoch und sah durch die offene Tür zwei lange, wohlgeformte Beine auf dem Teppich liegen. Verblüfft beugte er sich vor um besser sehen zu können.

    Eine ziemlich ramponiert wirkende junge Frau mit schulterlangem blonden Haar saß auf dem Teppichboden während ihr Oberkörper im Zeitlupentempo zur Seite rutschte. Der Mann unterdrückte den Impuls aufzuspringen, denn der Aufschrei alarmierte das gesamte Praxispersonal. Nur der Bohrer im benachbarten Behandlungsraum surrte unbeeindruckt vor sich hin.

    Zwei Arzthelferinnen hockten jetzt auf dem Boden. Eine hielt den Kopf der zusammengebrochenen Frau und jammerte laut: „Cora, Cora, sag doch was!"

    „Sie ist ohnmächtig", meinte die grauhaarige Frau, während sie an Coras Rocksaum herumzupfte.

    „Was ist los? Was machen sie da, Frau Friedrichs?", fragte der Zahnarzt, der unvermittelt die Behandlung seines Patienten eingestellt hatte.

    „Sie hat keinen Slip an, ist nackt unter dem Kleid", erklärte Frau Friedrichs verlegen und zupfte erneut am Rocksaum des bunt bedruckten Minis, der nur knapp den Po der Frau bedeckte.

    Der Arzt bückte sich, suchte den Puls am Handgelenk und zog mit der anderen Hand die Augenlieder hoch.

    „Sie ist nicht ohnmächtig, konstatierte er. „Wir sollten einen Krankenwagen rufen. Sie hat einen großen blauen Fleck am Oberarm.

    „Cora, was ist mit ihnen passiert?"

    Der Arzt schaute seine Sprechstundenhilfe an, doch Frau Friedrichs machte in ungewohnter Weise keinen Vorschlag. Jetzt warf er einen Blick durch die Tür zum Patienten, der immer noch auf dem Behandlungsstuhl lag und ergeben auf seine Füllung wartete.

    „Rufen sie Dr. Emmerich an, er soll kurz runterkommen!"

    Gehorsam griff Frau Friedrichs über die Theke hinweg zum Telefon und wählte die Nummer des Arztes, der seine Praxis in der 2. Etage über ihnen hatte. Es dauerte eine Weile bis jemand ans Telefon ging. Scheinbar hatten sie oben schon Hochbetrieb. Frau Friedrichs erklärte die Lage, doch ihre Kollegin am anderen Ende der Leitung hielt die ganze Angelegenheit wohl nicht für einen dringenden Notfall.

    „Wir sollen ihr die Beine hochlegen", wiederholte Frau Friedrichs die telefonische Anweisung und schaute ihren Chef ratlos an. Der stemmte sich mit einer Behändigkeit hoch, die man ihm bei seiner Figur nicht zugetraut hätte, nahm ihr den Hörer aus der Hand und bellte verärgert hinein:

    „Dr. Kretschmer am Apparat. Schicken sie sofort Dr. Emmerich! Wir haben einen Notfall!"

    Ohne eine Gegenreaktion abzuwarten, schmiss er den Hörer auf den Apparat zurück. Er ging erneut in die Hocke. Sein Bauchansatz im weißen T-Shirt quoll über die viel zu enge weiße Jeans. Er spürte, wie der Hosenbund in seinen Magen schnitt und fluchte unterdrückt vor sich hin.

    „Halten sie ihr den Rock fest, wir wollen sie auf den Rücken legen", wies er Frau Friedrichs an. Doch in diesem Moment erschien schon der Internist aus der 2. Etage mit seinem Notfallköfferchen. Mit einer Hand am Reißverschluss seiner Jeans stemmte der Zahnarzt sich hoch, überließ seine ramponierte, drei Wochen spurlos verschwunden gewesene Arzthelferin erleichtert dem Kollegen und kehrte zu seinem Patienten zurück.

    Der Internist wirkte gestresst und ungeduldig. Er reagierte mit Erleichterung, als die blonde Frau ihre Augen aufschlug.

    „Wo bin ich?", fragte sie.

    Ihre Freundin Sabrina beugte sich über sie.

    „Du bist in der Praxis, Cora. Wo warst du die ganze Zeit? Was ist passiert?"

    Die Frau schaute sie an mit einem Gesichtsausdruck, als habe sie ihre Freundin noch nie gesehen.

    „Welche Praxis?", fragte sie.

    Der Internist hatte inzwischen seine kurze Untersuchung abgeschlossen und wies Frau Friedrichs an sofort den Krankenwagen zu rufen.

    „Auf jeden Fall Gehirnerschütterung, diagnostizierte er, „aber da ist auch noch irgendetwas anderes.

    Kapitel 3

    Theo Emmerich musterte sein schlaftrunkenes Spiegelbild. Der schmale rechteckige Spiegel hing hochkant über dem Ausguss in der Küche. Das zerkratzte, vergilbte Porzellanbecken hatte, seiner schmuddeligen Patina zum Trotz, im Laufe der Jahre nichts von seiner Stabilität eingebüßt. Nach wie vor hielt es Theos Körpergewicht mühelos. Seine Hände umschlossen den wulstigen Rand der Spüle während er sein Gewicht nach vorne verlagerte, um die Spuren der letzten Wochen genauer zu erforschen. Spätestens mit Fünfzig hat jeder das Gesicht, das er verdient. Er war vor kurzem sechsundfünfzig geworden und doch sah man ihm die regelmäßigen Aufenthalte in seiner Lieblingskneipe normalerweise wirklich nicht an. Was wohl auch Rosis hervorragender, zwölf Jahre währender fürsorglicher Pflege zu verdanken war. Er vermisste sie und ihre beträchtliche Witwenrente schmerzlich.

    Die Unzufriedenheit mit seinem morgendlichen Aussehen machte ihn wach, obwohl er sich lieber wieder in seinem Bett verkrochen hätte, das direkt neben der Spüle stand, gegenüber dem schmalen Küchentisch aus Weichholz mit den gedrechselten Beinen. Die letzten Wochen hatten enorme, stark sichtbare Spuren hinterlassen. Sichtbar und fühlbar. Seine Knochen schmerzten, er fühlte sich steif und ungelenk. Sein müder Körper kapitulierte und ließ ihn auf die durchgelegene Matratze zurück sinken. Das Bett ächzte und knarrte aufdringlich unter seinem Gewicht, stimulierte sein Gehirn, seine erlahmte Willenskraft.

    „Verdammt, du lässt dich hängen, hörte er sich laut sagen. „Das muss aufhören!

    Rosi hatte ihn vollkommen unerwartet vor die Tür gesetzt. Nach zwölf komfortablen Jahren musste er ihre hochherrschaftliche 5-Zimmerwohnung in der Charlottenburger Schlossstraße verlassen. Als nicht mehr geliebter, plötzlich verschmähter Versager! Dabei war seine finanzielle Situation auch schon zu der Zeit nicht besonders rosig gewesen, als Rosi wie ein wärmender Sonnenstrahl in sein verlebtes Dasein einfiel. Vierundvierzig Jahre alt war er damals gewesen und hatte die Einkünfte seiner guten Zeiten mit stetig wechselnden Freundinnen verprasst.

    Als Rosi ihm über den Weg gelaufen war, konnte er sich nur noch seine Einzimmerwohnung im Hinterhof eines verwohnten Altbaus mit schmutzig dunkelgrauer Fassade leisten. Das Wohnzimmer diente als Büro. Außer Aktenschränken, einem Ikearegal, Schreibtisch, Bürostuhl und zwei Besuchersesselchen (Chippendale vom Sperrmüll), enthielt es noch ein uraltes Sofa mit nostalgischem Charme sowie einen wuchtigen Kühlschrank in distanziertem Edelstahlglanz, erworben in besseren Zeiten, der aus Platzgründen im Büro prangte. Die Küche diente als Schlaf- und Esszimmer. Die winzige Speisekammer fungierte als Kleiderschrank.

    Mit fünfundzwanzig Jahren hatte er das eher armselige Ambiente noch als originell empfunden, obwohl es damals den imposanten Kühlschrank natürlich noch nicht gab. Vielleicht, weil er damals seiner ersten Freundin eine hübsche Wohnung mit Balkon finanzieren konnte.

    Tja, die fetten Jahre waren unwiederbringlich dahin gewesen, als ihm Rosi über den Weg lief. Ihre pralle Mütterlichkeit war Balsam pur für seine, von der verfrüht beginnenden Midlifecrisis verwundeten Seele gewesen. Irgendwie ahnte er, dass die Zeit für einen Privatschnüffler seiner Art abgelaufen war. Aus Rosis weitläufigem Bekanntenkreis waren dann noch vereinzelte Aufträge gekommen, die zumindest die Miete für sein Büro garantierten. Bis sich gar nichts mehr tat.

    Eine Zeitlang fütterte sie ihn noch durch, nahm 3o kg zu, verlor völlig das Interesse an Sex und erkannte schließlich an ihren Kontoauszügen, dass es für einen Theo Emmerich keinerlei Existenzberechtigung mehr gab in ihrem Witwendasein!

    Ach, vergiss Rosi, dachte er.

    Er musste was tun. Sein Dispokredit war ausgeschöpft und dieses beschämende Austragen von Werbeblättchen reichte nicht zum Überleben, obwohl er sich zum ersten Mal in seinem Leben Blutblasen an den Füßen eingehandelt hatte. So viel konnte man von den Dingern gar nicht verteilen damit es zum existieren oder besser, dahinvegetieren reichte!

    Er musste was tun! Er musste endlich was tun!

    Sein Schlafanzugoberteil fiel auf das zerwühlte Bett. Die Hose ließ er einfach auf den Fußboden rutschen während er den Bauch einzog und einen Blick in den kleinen Spiegel warf. Er reckte sich und stellte sich auf die Zehenspitzen um einen Blick auf seine Leibesmitte werfen zu können. 6 oder 7 Kilo weniger und er hätte wieder eine ganz passable Figur für sein Alter. Rosis Kochkünste hatten ihm nicht so zugesetzt wie ihr selbst.

    Sechs oder sieben Kilo, das müsste doch wirklich zu schaffen sein. Die Welle der Entschlossenheit trieb ihn unter die Dusche. Eingehüllt in den schwülen Duft eines stark parfümierten Duschgels rieb er seinen Körper ab bis sein Kreislauf auf Hochtouren lief.

    Er würde es schaffen!!!

    Der Typ aus Aachen, dem die Frau abhanden gekommen war im Dschungel der Großstadt, hatte sich nicht mehr bei ihm gemeldet. Wahrscheinlich war sie inzwischen reumütig wieder aufgetaucht. Sonst hätte er bestimmt erneut von ihm gehört. Irgendwo musste seine Visitenkarte noch herumliegen. Mit dem Handtuch um die Hüften tappte er barfuß in sein Büro. Eine aufgeschlagene, alte Zeitung verdeckte die Fläche des Schreibtischs und lenkte ihn für einen Moment ab. Warum lag sie da noch? Was war so interessant gewesen? Er überflog beide Seiten, konnte aber nichts entdecken, was seine Aufmerksamkeit erregte. Automatisch faltete er sie ordentlich zusammen und sah darunter die einsame, farbige Plastikkarte. Max Rahn, freischaffender Künstler, Aachen.

    Er kanalisierte seine neu gewonnene Entschlossenheit in die Absicht hinein, einen voraussichtlich zwecklosen Telefonanruf zu tätigen.

    Doch das Glück war ihm gewogen!

    Max Rahn höchstpersönlich am Telefon. Und seine junge Frau war inzwischen auch noch nicht aufgetaucht. Die Polizei tappte nach wie vor im Dunkeln. Was konnte da ein Privatdetektiv erreichen?

    Theo mobilisierte seine ganze Überzeugungskraft um den Auftrag zu bekommen. Doch das Glück meinte, es habe für heute wohl genug getan. Der Künstler ließ sich nicht einmal überreden als er ihm anbot, ohne Vorschusszahlung an die Arbeit zu gehen.

    Theo beendete frustriert das Gespräch und schielte nach der Cognacflasche im Bücherregal. Viel war nicht mehr drin. Eher ein kläglicher Rest, zu wenig für eine kleine Aufmunterung. Verdrossen rieb er mit der Handfläche über seine Bartstoppeln. Das kratzende Geräusch unterdrückte die aufkommende Woge von Selbstmitleid.

    Künstler! Künstler hatten nie Geld. Wusste doch jeder. Der Typ konnte sich wahrscheinlich gar keinen Privatdetektiv leisten. Deswegen die Abfuhr. Na klar. Das war der Grund. Keinen Vorschuss, und noch weniger eine Erfolgsprämie. Aber die Kleine hatte doch Eltern. Wenn er sich richtig erinnerte, war sie kaum halb so alt wie ihr Mann. Vierundzwanzig Jahre. Also waren ihre Eltern wahrscheinlich so um die Fünfzig. Irgendwo lagen doch noch ein paar Notizen herum, die er sich gemacht hatte. Während er nach seinem, in letzter Zeit so selten gebrauchten Block suchte, fielen ihm einige Dinge wieder ein. Die Kleine stammte aus den Niederlanden, aber ihre Eltern führten einen Campingplatz in der Provence. Die hatten bestimmt Geld. Wenn er ihr Mädchen auftrieb, würden sie garantiert was springen lassen. Welche Eltern täten das nicht!

    Der Notizblock lag aufgeschlagen in einer Schublade des Schreibtischs. Sein Blick fiel auf den Eintrag Hotel Haus & Hof. Origineller Name, passend zum Ambiente. Ein schmaler Altbau mit überdachtem Garten im Hinterhof, wo die Gäste ihr Frühstück einnehmen konnten. Klein aber fein. Als Max Rahn das Zimmer gebucht hatte, war er wohl gerade nicht klamm gewesen.

    Okay, dachte Theo Emmerich. Rasieren, anziehen und auf zum Hotel. Ermitteln, Herr Privatdetektiv!

    Kapitel 4

    Urania klatschte den Hefeteig auf das Holzbrett und presste ihre Handballen mit der vollen Wucht ihrer aufgestauten Wut hinein, so als wolle sie jedem einzelnen der kleinen emsigen Sprosspilze die Luft abwürgen.

    Sie hasste diesen Greg. Sie hatte ihn von Anfang an gehasst. Glaubte er wirklich, er könne eine alte Frau wie sie mit seinem schmierigen ‚ich bin ein netter großer Junge Charme‘ beeindrucken? Lachhaft! Ihre Finger krallten sich um den Teigklumpen, während ihre Handflächen die Gare herauspressten und sich klebrige Fäden an ihrer Haut festsetzten. Automatisch griff sie zu dem Blechkanister mit Mehl, stäubte den flachgekneteten Teig ein und begann die unerbittliche Prozedur erneut von vorne.

    Seit seinem Anruf war gerade eine Stunde vergangen. Sie verfluchte dieses Telefon. Der schrille Ton der neuen Anlage, ganzer Stolz ihres Ehemannes Stavros, schnitt jedes Mal wie eine Säge in ihr gereiztes Nervenkostüm. Und ausgerechnet heute. Sie liebte diese Tage, an denen Stavros gemeinsam mit Christos zum Einkauf in die Stadt fuhr. Heute war sie gleich nach seiner Abfahrt in den Garten gegangen, um mit einer kleinen Hacke den Boden um ihre Paprikapflanzen aufzulockern. Sie bewunderte die kleinen weißen Blüten, die wie Sternchen im dunklen Grün der Blätter leuchteten. Die ersten winzigen Früchte hingen bereits vereinzelt in den gut gepflegten und sehr geliebten Pflanzen. Behutsam war sie mit den Fingerspitzen über jede einzelne kleine Schote geglitten um die leuchtendglänzende smaragdfarbene Glätte der Oberfläche zu spüren.

    Bis dieses verfluchte Telefon ihre morgendliche, andächtige Ruhe zerstört hatte! Greg, diese eingebildete Nervensäge! Erneut brachte die aufklatschende Hefekugel das Holzbrett zum Erzittern, während Urania halblaut vor sich hinzeterte.

    Hündin Sophie mit den graumelierten Lefzen schlich unauffällig durch die Tür nach draußen und ließ sich nach zwei Drehungen um die eigene Achse auf ihren Lieblingsplatz unter dem Feigenbaum nieder. Ihre Augen aufmerksam auf die Küchentür gerichtet, während das aufgebrachte Gemurmel ihrer Herrin in ihre steil aufgerichteten Ohren strömte. Sie wartete geduldig in dieser Position, bis der Wortschwall verebbte, erst dann ließ sie den Kopf auf die Vorderpfoten sinken und schloss die Augen.

    Es war ein Tag wie Samt und Seide. So wie vor zwei Jahren, als diese Yacht auftauchte und draußen vor der Bucht die Anker fallen ließ. Nichts Außergewöhnliches eigentlich. Bis die Geräusche eines heftigen Gelages in der Nacht ungebremst über die Fläche des stillen Meeres in die Häuser der Dorfbewohner schlitterten. Laute Touristen waren wahrlich nichts neues, aber das brach alle Rekorde. Urania hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Stavros, der Glückliche übertönte mit seinem üblichen, lauten Schnarchen gnädiger Weise jede nächtliche Ruhestörung in seinen eigenen Ohren. Sogar diese!

    Irgendwann nach Sonnenaufgang war der Lärm abgeflaut und sie hatte wenigstens noch etwas schlafen können. Auf der Yacht blieb es mucksmäuschenstill. Den ganzen wunderschönen Tag lang. Bis am Nachmittag das Beiboot vollbesetzt an den Strand tuckerte und eine, schon wieder sehr ausgelassene Menge ausspuckte. Einige wagten sich in das, um diese Jahreszeit noch recht kalte Wasser und tobten ausgiebig herum. Die meisten jedoch wanderten zielstrebig zur Bar von Christos. Seine Espressomaschine lief fast heiß an diesem Tag, während die Russen ihre angewärmten Gedärme anschließend prompt mit Strömen von Ouzo und Metaxa kühlten.

    Christos machte an diesem Tag das Geschäft seines Lebens und fuhr gleich am nächsten Morgen mit Stavros in die Stadt um seine Regale mit einer neuen Batterie Alkoholika jeder Art aufzufüllen. Er mochte die Russen. Selbst die zerschlagenen Gläser minderten seine Sympathie kaum. Nur seine Frau war nicht glücklich darüber, am nächsten Tag all die Scherben aus dem Sand fischen zu müssen.

    Das Gejohle der Yachtbewohner nahm mit sinkendem Sonnenstand sehr schnell wieder unerträgliche Dimensionen an. Die Handvoll Engländer, die es um diese Jahreszeit hierher verschlagen hatte, versuchte mit stoischer Gelassenheit die Präsenz dieser, in ihren Augen neureichen Proleten zu ignorieren. Doch dieses Mal kapitulierten sogar sie sehr schnell, packten die Badeutensilien zusammen, schwangen sich auf ihre gemieteten Motorroller und fuhren zurück zu den Quartieren.

    Zur Freude aller, mit Ausnahme von Christos, legte die Yacht am nächsten Tag um die Mittagszeit ab. Nur einer blieb zurück. Greg. Er mietete sich in Christos Bar ein, in einem winzigen Verschlag mit Bett, das während der Hochsaison einer Aushilfe als Unterkunft diente. Und schon in der nächsten Nacht schloss Stavros mit ihm das Geschäft für die Nutzung des verfallenden Häuschens ab, das Uranias Großeltern bewohnt hatten.

    „Männer!" Wutschnaubend landete der Teigklumpen erneut mit klatschendem Geräusch auf der

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