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Tödlicher Aufguss
Tödlicher Aufguss
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eBook690 Seiten10 Stunden

Tödlicher Aufguss

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Über dieses E-Book

Im Sauna-Paradies überlebt ein Saunagast den allseits beliebten Salzaufguss nicht. Er stirbt im Salzstollen. Sein Name ist Markus Backhaus, Schriftsteller und Journalist. Er schreibt Gruselromane über Zombies, Hexen und Geister und war damit mehr oder weniger
erfolgreich. Was zunächst wie ein ganz normaler Herzinfarkt aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinschauen als kaltblütiger Mord. Die beiden Kommissare Alois Kreithmeier und Melanie Schütz werden mit dem Fall beauftragt und stoßen dabei an Dinge, die mit sie mit ihrem normalen Menschenverstand nicht deuten können. Sie bewegen sich in einer Welt, die sich zwischen Realität, Mythologie und Volksglauben befindet. Oftmals wissen sie nicht, was sie glauben sollen, und was nicht. Sie kämpfen gegen Mächte, die sie glauben lassen, sie seien mit übernatürlichen Kräften ausgestattet, und sie behaupten sich gegen Aberglauben und
religiöse Versessenheit. Ihre Hauptsorge in diesem Fall ist, dass sie ganz allein auf sich gestellt sind, denn niemand glaubt ihnen so richtig. Ihre Recherchen und Entdeckungen sind für ihre Kollegen nur Hirngespinste und Fantastereien. Nur durch ihre gute Zusammenarbeit, das Vertrauen ineinander und ihre Zuversicht, dass das Gute im Menschen letztendlich doch überwiegen kann, schaffen sie es, diesen unheimlichen Fall zu lösen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum20. Aug. 2014
ISBN9783847607953
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    Buchvorschau

    Tödlicher Aufguss - Axel Birkmann

    Von der Sauna direkt ins Paradies

    Es war ein ganz gewöhnlicher Tag, ein ganz gewöhnlicher Montag. Das Wochenende war hart für ihn gewesen. Er war auf Achse und hatte ausgiebig recherchiert. Und genug gefunden. Jetzt wollte er sich etwas gönnen. Seinem Körper Erholung spenden. Und an einem so gewöhnlichen Tag wie heute, wäre es seiner Meinung nach eine gute Idee, den Dreck und den Staub und vor allem die schlechte Energie der vergangenen zwei Tage heraus zu schwitzen. Er packte in eine Tasche zwei Badetücher, einen Bademantel, ein Paar Plastikschlappen, eine Flasche Duschgel und etwas zum Lesen und machte sich auf den Weg. Er war so in Gedanken, dass er nicht bemerkte, wie ihm ein Wagen folgte. Nach einer Viertelstunde Fahrt parkte er im Parkhaus des Sauna-Paradieses, schulterte seine Tasche und schritt Richtung Kasse.

    Dass der Wagen, der ihm von zu Hause gefolgt war, eine Reihe hinter ihm stand, hatte er nicht mitbekommen. Warum hätte er auch auf die Idee kommen sollen, dass ihn jemand observierte? Nachdem er für einen ganzen Tag im Saunaparadies bezahlt hatte, zog er sich im Umkleidebereich aus, schlüpfte nackt in seinen Bademantel und marschierte Richtung Wellnessbecken, um eine Liege möglichst direkt neben am Wasser unter Palmen zu bekommen. Er war einer der Ersten und so hatte er noch freie Auswahl. Eine Stunde später würden hier alle Liegen besetzt sein. Obwohl es ein Montag war, keine Schulferien und auch kein nachfolgender Feiertag, würde es im Laufe des Vormittags richtig voll werden.

    Woher nehmen sich die ganzen Leute nur immer die Zeit, fragte er sich, während er sein Badetuch auf eine Liege legte und sich im Sauna-Paradies umschaute. Es waren nicht nur ältere Herrschaften, die jetzt kontinuierlich hier hinein drängten und sich bald um die letzten freien Liegeplätze prügeln würden, nein, es waren auch junge Leute dabei, die eigentlich jetzt irgendwo in der Arbeit sein müssten, vielmehr gutgelaunt in den Thermenbereich strömten. Vielleicht ging es ihnen ja so wie ihm, dass sie nach einem durchgefeierten Wochenende ihrem Körper mit Sauna, Dampfbad und Aufguss, eine Erholungsphase schenken wollten.

    Aus einem Prospektständer zog er eine Broschüre mit den heutigen Angeboten: Salzaufguss im Salzstollen, Klangschalenaufguss in der Meditationssauna, Honigpeeling in der Villa Toskana und Massagen im separaten Beautybereich.

    Er legte sich nackt auf die Liege, setzte seine Lesebrille auf und fing an die Tageszeitung zu lesen. Nach wenigen Minuten fielen ihm unweigerlich vor Müdigkeit die Augen zu. Die Wärme und die hohe Luftfeuchtigkeit im Thermalbereich hatten ihn schläfrig gemacht. Die Zeitung glitt ihm aus der Hand und er schlief ein. Und er träumte. Er träumte von seinen eigenen Büchern, seinen Geschichten, die er erfand und mit denen er sein Geld verdiente.

    Und das nicht schlecht.

    Doch bei seinen Recherchen für sein neues Buch, war er auf etwas gestoßen, das so unglaublich war, dass er es unbedingt verwenden wollte und so war er das ganze Wochenende unterwegs gewesen, vor allem in der Nacht.

    Ausgestattet mit einem Nachtfernglas, das die Lichtverhältnisse der Umgebung verstärken und ihm ein klareres Bild zeigen konnte als es normalerweise für die Augen sichtbar war. So ausgerüstet erlaubte es ihm, in die Dunkelheit zu spähen, und Dinge zu entdecken, die für ihn vorher nicht einmal denkbar gewesen wären. Es sei denn in seinen eigenen Grusel- und Horrorgeschichten oder in entsprechender Schundliteratur. Und er hatte Bilder gemacht. Viele.

    Jetzt handelte sein Traum von einem Friedhof. Er lag im Gebüsch auf der Lauer und suchte die Dunkelheit ab. Und er starrte auf die Grabsteine und auf schwarz gekleidete Personen, die sich dazwischen bewegten. Er hatte sie entdeckt. Es war also tatsächlich wahr. Es gab sie wirklich.

    Plötzlich berührte jemand seinen Arm und er wachte aus seinem Traum auf.

    »Ist das Ihre Lesebrille? Sie lag hier neben der Liege. Nicht dass jemand auf sie drauf tritt. Wäre schade um das schöne Teil.«

    Er öffnete die Augen und blickte einer älteren Dame ins Gesicht, die um ihre Hüfte, ein Handtuch geschlungen hatte. Ihr wabbeliger Busen hing bedrohlich nahe vor seinem Gesicht.

    »Wie bitte?«, fragte er nach, da er nichts von alledem verstanden hatte.

    »Ihre Brille!« Die Dame hielt sie ihm direkt vor das Gesicht.

    »Ja! Danke, vielmals. Wo lag die denn?«

    »Hier neben Ihrer Liege. Ich wäre beinahe darauf getreten.«

    »Vielen Dank. Sie ist muss mir wohl herunter gefallen sein. Ich war ein wenig eingenickt. Danke.«

    Er streckte der Frau die Hand entgegen und nahm ihr die Brille mit einem verlegenen Lächeln ab.

    Er setzte sie auf und tat so als ob er in der Zeitung lese. Ihm war nicht nach Konversation. Die Dame war sehr gesprächig und erhoffte sich noch ein paar weitere Worte. Doch als er die Tageszeitung abwehrend vor sein Gesicht hielt, war ihr recht schnell klar geworden, dieser Mann wollte seine Ruhe haben. Sie lief ohne ein weiteres Wort zu sagen zwischen den Liegen hindurch zu ihrem Platz.

    Als sie weg war, schob er die Zeitung ein wenig herunter und spähte über den oberen Rand. Sie drehte sich noch einmal nach ihm um, bevor sie sich auf ihre Liege fallen ließ und winkte ihm freundlich zu. Er zog sofort die Zeitung wieder über sein Gesicht und tat so, als ob er sich konzentriert auf die Artikel stürze. Was war das denn, fragte er sich. Hatte er es dieser Frau angetan? Meinte sie, sie könne mit ihm flirten?

    Es war ja bekannt, dass das Saunaparadies an bestimmten Tagen eine richtige Baggerbude war. Junge Pärchen vergnügten sich im Pool und das Personal war darauf bedacht, die Turteltäubchen höflich aber bestimmt auseinander zu bringen. Der gute Ruf des Thermalbades war gefährdet.

    Er hatte auch gelesen, dass sich an einem bestimmten Tag in der Woche, wie auf SMS-Zuruf oder Interneteinladung, die Gepiercten und Tätowierten in der Therme trafen und stolz ihre Tattoos, Piercings oder Brandings zur Schau trugen. Gerade an diesen Tagen war das Personal besonders aufmerksam, um sexuelle Handlungen im Wasser, in den Solarien oder in entlegenen Doppelliegen zu unterbinden. Doch gerade das Verbotene schien die Libidojünger anzulocken und sie zu motivieren, es hier drinnen zu tun.

    Dass ältere Frauen sich hier gezielt jüngere Liebhaber suchten, davon hatte er noch nicht gehört. Und dieser Dame musste er es wirklich angetan haben. Vielleicht hatte sie ihm sogar seine Brille während er schlief von der Nase gezogen und ihn dann mit dieser Ausrede angesprochen?

    Er hatte nackt auf der Liege auf seinem Handtuch gelegen. Sein Körper war nicht unästhetisch und seine Männlichkeit konnte sich sehen lassen. Aber mit einer Frau über Sechzig hatte er sich bis jetzt noch nicht eingelassen und es auch noch nicht vermisst.

    Es wurde jetzt Zeit für seinen ersten Saunagang. Er griff nach dem Flyer mit der Aufstellung der einzelnen Aufgüsse in den jeweiligen Themensaunen. Salzaufguss im Solestollen klang gut. Und er sollte in wenigen Minuten beginnen. Der Bademeister würde dann Salz, mit ätherischen Ölen vermischt, an die Saunagänger verteilen, dass sie sich dann auf den Körper rieben. In der Hitze und dem Dampf des darauf folgenden Aufgusses, verflüssigte sich das Salz und drang mit dem Öl in die durch die Wärme weit geöffneten Poren der Haut. Durch das Einreiben wirkte das Salz wie ein Peeling. Alte Hautschuppen wurden weggerubbelt und danach hatte man eine weiche Haut wie ein Kinderpopo.

    Das wäre jetzt genau das Richtige für ihn. Sich den Dreck und Staub und vor allem die schlechte Energie des letzten Wochenendes vom Körper zu reiben. Genau das bräuchte er jetzt. Er zog seinen Bademantel an, stellte sich so, dass die Dame ihn nicht mehr zu Gesicht bekam, schnappte sein Saunatuch und schlürfte in seinen Badeschlappen Richtung Solestollen. Nachdem er seinen Bademantel an einem Haken gehängt hatte, betrat er nackt den wie eine Bergwerksgrube angelegten Saunabereich. Obwohl die Therme am heutigen Montag nicht so voll besucht wie sonst am Wochenende oder in den Ferien war, saßen schon genug Leute auf den Holzbänken und warteten andächtig auf den Aufgussmeister. Er fand eine freie Stelle neben zwei jungen Frauen, die beide ohne ein Wort zu sagen, etwas beiseite rutschten, um Platz für ihn zu machen.

    Er setzte sich und blickte aus dem Augenwinkel die beiden Mädchen an. Sie waren beide um die 25 Jahre alt, schlank, kräftige feste Brüste und im Schambereich rasiert. Es war selten, dass er eine junge Frau in der Sauna entdeckte, die nicht rasiert war. Er musste an seine Jugend zurück denken, als er studiert hatte. Keine seiner Freundinnen hatte sich rasiert. Die Intimbehaarung gehörte ganz einfach dazu. Und heute liefen alle rum, als ob sie eine Schussverletzung hätten.

    Er musste lächeln. Er schaute auf seinen Schritt. Auch er war rasiert. Auch er hatte diesen Wahn mitgemacht. Und das Schlimme war, dass er es immer wieder tun musste: das Rasieren. Er hatte damit einmal angefangen und jetzt musste er mehrmals in der Woche seinen Intimbereich, seinen Bauch und seine Brust, nass abschaben. Denn ohne die scharfe Nassrasur kämen die Stacheln und die piekten und juckten und seine Freundin merkte sofort, wenn er es vergessen oder schlampig gemacht hatte.

    »Du stichst« kam dann aus ihrer Ecke, wenn er sich im Bett an sie herankuscheln wollte. Die Strafe für seine Schludrigkeit: die Bettdecke zwischen ihnen. Er fuhr mit seinen Fingern vorsichtig über seinen Bauch. Wenn er heute noch Spaß mit ihr haben wollte, sollte er sich noch rasieren.

    Die Tür öffnete sich und ein gut gebauter junger Mann mit knapper Badehose und eng anliegendem T-Shirt betrat den Solestollen. Hinter ihm huschte noch eine Frau als letzte hinein und setzte sich ihm gegenüber neben den Saunaofen, den in den nächsten zehn Minuten heißesten Platz im engen Salzbergwerk. Sie trug schwarze lange Haare, ein etwas blasses Gesicht, die Lippen bemalt mit einen schwarzen Lippenstift und schaute ihn direkt an. Und sie lächelte dabei keck.

    Ihre Figur war vollkommen. Die Figur einer Frau um die fünfundzwanzig. Schlank. Kleiner fester Busen. Dunkle Brustwarzen und im Intimbereich rasiert.

    Wie alt sie tatsächlich war, konnte er nicht abschätzen, dazu war es zu dunkel. Er starrte sie an. Und sie wich seinem Blick nicht aus. Normalerweise fixierte er nackte Frauen in der Sauna nicht so brüsk. Doch in diesem Fall konnte er nicht von dieser Frau lassen. Ihre dunklen vollen Lippen und ihre schwarzen langen Fingernägel zogen ihn magisch an. Sie musste es bemerkt haben, dass er sie ansah, auch wenn es im Stollen recht duster war.

    Sie wich seinem Blick immer noch nicht aus.

    Diese Frau hatte eine sexuelle Ausstrahlung, wie er sie schon lange nicht mehr bei einer Frau in einer Sauna gesehen hatte. Sie hatte den Körper einer jungen Frau, aber die erotische Ausstrahlung einer reifen Lady.

    Alle waren hier drinnen nackt. Natürlich auch er.

    Normalerweise erregte ihn die weibliche Nacktheit ganz und gar nicht. Für ihn war eine angezogene Frau meist attraktiver und erotischer wie eine Nackte. Doch in diesem Fall war es die reine Wollust, die ihn anstrahlte, die Sünde in Person. Er spürte, wie sich sein Penis regte. Jetzt hieß es aber aufgepasst. In den nächsten Minuten mussten sie alle die Sauna verlassen und sich im Vorraum mit Salz einreiben. Er konnte nicht mit einem Ständer hinausgehen. Das ging ganz und gar nicht. Er blickte auf den Boden und fing an zu zählen. Es hieß, Mathematik ließ einen sofort auf andere Gedanken kommen. Wie schwere mathematische Rechnungen eine vorzeitige Ejakulation beim Geschlechtsverkehr hinauszögern konnten, so sollten sie auch dafür sorgen, dass einem Mann der Penis nicht anschwillt. Vor allem nicht in Situationen wo es völlig unpassend war, zum einen in der Sauna und zum anderen in einer knappen Badehose im Schwimmbad oder am Strand.

    Er starrte auf den Boden und versuchte sich die Fibonacci Folge ins Bewusstsein zu hämmern. Eine unendliche Folge von Zahlen, bei der sich die jeweils folgende Zahl durch Addition ihrer beiden vorherigen Zahlen ergibt. Er fing an leise vor sich hin zu rechnen und murmelte leise: 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, ...... Und dann war es soweit, seine Gedanken kursierten nicht mehr um Sex oder um den Sex mit jener Schwarzhaarigen, er konzentrierte sich auf die nächste Zahl: 144.

    Dann kam der Aufruf nach draußen: Salzausgabe.

    Gerade rechtzeitig hatte Fibonacci sein Glied wieder abschwellen lassen und er konnte ohne weiteres aufstehen und den anderen durch die Glastür folgen.

    Direkt an der Tür stand der knackige Bademeister mit einem Holzeimer und verteilte handvollweise das Salz zum Auftragen.

    Er folgte der Schwarzhaarigen. So konnte er ihren Rücken bewundern. Rechts oberhalb von ihrem Gesäß hatte sie eine kleine Tätowierung. Eine schwarze Lilie. Ganz in Gedanken an ihre weiblichen Rundungen formte er seine rechte Hand zu einer Schale und empfing an der Tür eine Kelle Salz. Etwas abseits vom Gedränge der anderen Gäste fing er an seine Beine, seine Oberarme und seine Brust einzureiben. Das Salz brannte auf seiner Haut. Er war froh, dass er sich nicht schon heute früh rasiert hatte. Das Salzölgemisch würde höllisch brennen, vor allem in den kleinen Wunden, die vom Nassrasierer herstammen würden, .

    »Könnten Sie mir bitte den Rücken einreiben«, hörte er plötzlich eine weibliche Stimme neben sich.

    Er drehte sich um und blickte in die blaugrünen Augen der Frau mit den schwarzen Haaren, die ihm ihre rechte Hand mit einem Rest der weißen Salzmasse hinhielt. Wie sie so nackt und ihn unschuldig anschauend vor ihm stand, versagten seine Stimmbänder für einen Augenblick den Dienst.

    Er stotterte etwas Unverständliches, legte seine linke Hand unter ihre Rechte und schaufelte mit seiner Rechten die Salzkristalle aus ihrer Hand. Sie drehte sich ohne weitere Worte um und streckte ihm ihren Rücken und ihren festen Hintern entgegen. Sanft und vorsichtig verteilte er das Salz auf ihrer Haut und begann die Kristalle mit sanftem Druck in die Hautporen einzumassieren. Es war etwas ganz Besonderes, diese Frau zu berühren, ihre weiche zarte Haut, und vor allem, sie vor sich stehen zu sehen.

    In seiner Fantasie spielten sich in den nächsten Sekunden diverse sexuelle Handlungen ab. Wie er sie mit seinen beiden Armen um die Hüfte packte, seine Hände den Weg weiter nach oben suchten und schließlich ihre Brüste fanden. Seine Finger ihre Knospen drückten, er sie immer fester griff und schließlich sein erigiertes Glied von hinten in sie eindrang. Ein kurzes Aufschreien ihrerseits, dann war er in ihr, und sie stöhnte nur noch gleichmäßig unter seinen Stößen.

    »Soll ich Ihnen auch den Rücken einreiben?«, fragte sie plötzlich und drehte sich um.

    Er wurde brutal aus seinem Traum gerissen und stand nun vor ihr, blickte kurz an sich herunter – Gott sei Dank, dachte er, es war alles im grünen Bereich – der Akt hatte nur in seinem Gehirn stattgefunden, und antwortete: »Ja sehr gern, wenn es Ihnen nichts ausmacht, ich hoffe, ich war nicht zu grob zu Ihnen.«

    »Nein, Sie haben das ganz toll gemacht. Haben Sie noch Salz?«

    »Nein, Sorry, ich habe alles auf Ihrem Rücken verbraucht.«

    »Warten Sie kurz hier, ich lasse mir noch etwas geben.« Sie sprach es und schon war sie weg auf dem Weg zum Saunameister, um Salz für ihn zu holen.

    So etwas war ihm noch nie passiert. Er hatte zwar schon öfter Damen hier unten vor dem Salzstollen den Rücken eingerieben, aber es hatte ihn noch nie sexuell erregt. Wenn er mit der Frau allein gewesen wäre, hätte er sie genommen, und zwar genau in dieser Stellung, von hinten. Und es schien ihm fast so, dass sie es höchstwahrscheinlich sogar zugelassen und es genossen hätte.

    Wer war diese Frau? Und warum löste sie das in ihm aus? Und wie sie ihn vorher in der Sauna angesehen hatte. Fast als ob sie ihn kennen würde oder auf ihn gewartet hätte. Es kam ihm vor, als ob zwischen ihnen beiden eine Vertrautheit war, eine Vertrautheit ohne große Worte, eine Vertrautheit nur aus reiner Körpersprache.

    »Da bin ich wieder. Es hat etwas gedauert. Der junge Mann musste noch etwas für uns holen. So, drehen Sie sich um. Bitte.«

    Er drehte sich um und ging etwas in die Hocke, damit sie besser an seinen Rücken herankam, war er doch etwa zehn bis fünfzehn Zentimeter größer als sie. Er zuckte zusammen, als ihre Finger seine Haut berührten. Sie verteilte mit der flachen Hand das Salz zart auf seiner Schulter. Vorsichtig fuhr ihre Hand über seine Wirbelsäule bis zum Ansatz seines Gesäßes. Er spürte wie die Mineralien in seine Haut eindrangen. Das Salz war mit Kampfer oder Eukalyptusöl gemischt, seine Poren sogen alles in sich hinein. Mit kreisenden Bewegungen massierte sie ihn. Er hätte das stundenlang genießen können, doch der Bademeister unterbrach sie und bat die Gäste, wieder in den Saunastollen zurückzukehren.

    Er richtete sich auf, bedankte sich bei der jungen Frau und lief voraus. Er musste vor ihr gehen, er konnte nicht noch einmal ihren makellosen Rücken vor sich sehen. Er setzte sich auf sein Handtuch und begann das Salz weiter in seine Haut zu massieren. An seinem Rücken brannte es. Sie hatte etwas zu viel Druck auf seine zarte Haut ausgeübt.

    Er lächelte verlegen. Sie saß ihm wieder gegenüber und schaute ihn an. Doch diesmal war ihr Blick anders, sie sah ihn nicht an, sie sah ihm eher zu.

    Der Saunameister goss Wasser auf die heißen Steine und wedelte mit seinem Handtuch die aufsteigende Wärme des verdampfenden Wassers in Richtung Gäste. Die heiße Luft traf ihn wie ein Schlag. Er bekam sie ins Gesicht und in die Lunge. Es brannte. Er bekam fast keine Luft mehr.

    Er hielt sich die Hände vor das Gesicht, um seinen Mund, seine Nase und seine Augen in der zweiten Runde vor dem heißen Dampf zu schützen. Die zweite Runde war viel, viel schlimmer. Der Saunameister hielt das Handtuch zwischen beiden Händen gespannt und schwenkte dasselbe mit aller Kraft nach vorne. Der Mann schlug an, so hieß das, dachte er, als wie eine gewaltige Faust die heiße Luft direkt auf sein Gesicht prallte.

    Der Schutz seiner Hände davor konnte leicht helfen, doch wieder versagte kurz seine Atmung. Er ließ die Hände vom Gesicht und blickte um sich. Der Saunastollen war voller Wasserdampf. Fast wie in einem Dampfbad. Er sah nichts mehr. Alles war verschwommen. Wo war die Frau? Sie musste ihm genau gegenüber sitzen. So weit konnte er nicht mehr sehen. Die beiden jungen Frauen neben ihm waren auch so weit weg.

    Sein Atem wurde immer schwerer. Er sollte aufstehen und die Sauna verlassen. Kaltes Wasser würde ihm gut tun. Doch seine Beine reagierten nicht. Er wollte etwas sagen, doch sein Mund öffnete sich nicht, er blieb verschlossen. Eine schwere Müdigkeit ermächtigte sich seiner.

    Was war nur mit ihm, zuckte es ihm durch den Kopf. Hatte er einen Kreislaufkollaps?

    Sein Atem wurde immer schwerer. Er gab seinem rechten Arm den Befehl, sich zu heben und den Saunamann zu berühren. Doch dazu kam es nicht mehr. Seine Arme versagten ihm letztendlich den Dienst. Sein Hals war wie zugeschnürt. Nur noch mühsam bekam er Luft. Der Aufguss war zu Ende. Und das Letzte, was seine Augen noch sehen konnten, war, dass die Saunagäste sich wie durch eine Nebelwand nach draußen schoben, Richtung frische Luft und kaltem Wasser. Seine Augen schlossen sich für immer und sein Herz hörte langsam auf zu schlagen. Er war tot.

    Bisschen Abendbrot

    Alois Kreithmeier starrte einige Sekunden auf den Abspann, dann sprang er mit einem Satz aus dem Sessel, zog seine Jacke über und folgte den anderen Gästen, die sich Richtung Ausgang drängten.

    »Und?«, fragte seine Kollegin, Melanie Schütz.

    »Was und?«

    »Na hat dir der Film gefallen?«

    »Also, wenn ich ehrlich bin, es geht so«, antwortete er. »Es ist halt gerade so ein Trend. Ich bin mehr Realist. Ich fange mit Werwölfen und Vampiren ganz einfach nichts an.«

    »Wir hätten ja nicht in den Film gehen müssen. Ich wäre auch mit dir in den Spionagefilm gegangen: Dame, König, As, Spion oder so. Vielleicht hätte dir der besser gefallen.«

    »War schon okay. Dieser Pattinson ist ja ein hübscher Mann. Ich kann schon verstehen, warum alle jungen und reiferen Mädchen in den verknallt sind. Bist du das auch, Melanie?«

    »Aus meinem Bett würde ich ihn nicht werfen«, sagte sie mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen.

    »Das brauchst du auch nicht, das macht er schon selbst, wenn er dich in deinen schönen Hals gebissen hat.«

    Kreithmeier fletschte die Zähne und fuhr sich mit der Lippe über seine vorderen Schneidezähne.

    »Depp!«, sagte sie nur knapp und marschierte auf den Parkplatz in die Richtung ihres Audis.

    »Wartet auf mich, mein holdes Weib, es gedürstet mir nach Eurem Blute«, rief er aus und folgte ihr.

    »Arschloch. Sag es halt gleich, dass du solche Filme nicht magst, dann hätte ich mir das Geld auch sparen können. Alter Kunstbanause.«

    »Jetzt warte, es tut mir leid. Es war wirklich lieb von dir, mich aus meinem Eremitendasein zu befreien und ins Kino und zu Popcorn einzuladen. Du hast ja Recht, ich bin ein Banause. Ich war sicher seit Hundert Jahren nicht mehr im Kino.«

    »Seit Hundert Jahren? Da gab es nur Stummfilme, so alt bist du auch wieder nicht. Also gut, steig endlich ein. Noch ein Bierchen?«

    »Okay. Und wo?« Kreithmeier sah sie fragend an.

    »Im Nachtcafe. Das letzte Mal hast du mich dort betrunken hinausgeschleppt. Ich denke wir geben dem Café noch einmal eine Chance.«

    »Oder dir.« Alois lachte.

    »Alter Nörgler«, fauchte sie zurück. »Ja mir. Gib es mir. Und ich verrate auch niemanden im Polizeirevier, dass ich dich zu einer Vampirromanze ins Kino eingeladen habe. Die denken dann alle, ich will dich verführen, oder ich hätte was mit dir.«

    »Und ist es denn nicht so?«

    »Was ist nicht so?« »Dass du mich verführen willst?«

    Sie drehte sich um und sah ihm direkt in die Augen.

    Er blieb stehen und sah sie erwartungsfroh lächelnd an.

    Melanie bohrte ihm ihren Zeigefinger in die Brust.

    »Mein lieber Kreiti. Du bist ganz schön eingebildet. Aber bilde dir nichts ein. Ich suche mir meine Bettgefährten schon noch alleine aus. So nötig habe ich es nicht. Und bevor du einer von denen wirst, wirst du dich vorher noch in einen Vampir verwandeln müssen. So viel, dazu. Und außerdem bin ich ja noch mit Richard zusammen.«

    »Ach ja Richard, die kleine intelligente Laborratte. Ich wusste gar nicht, dass das etwas Festes ist.«

    »Wohl eher etwas Halbfestes.«

    »Und damit gibt sich der arme Spund zufrieden?«, hakte er nach.

    »Der kann froh sein, dass er überhaupt etwas bekommt.«

    »Lassen wir das Thema«, beschwichtigte er sie. »Mich friert es. Können wir dein Liebesleben bei einem Glas Bier oder Wein durchleuchten?«

    »Interessiert es dich denn?«

    »Natürlich, ich muss ja wissen, wie meine Chancen stehen.«

    »Alois, ich verstehe dich nicht. Zwei Jahre war ich für dich nichts weiteres wie eine praktische Einrichtung: Kaffee holen, Berichte schreiben, den Wagen holen und fahren, und jetzt?«

    »Unser letzter gemeinsamer Fall hat mir die Augen geöffnet, was du doch für eine toughe, junge und adrette Frau bist«, säuselte er.

    Melanie blickte ihn finster an und befahl: »Halt jetzt den Mund und steig endlich ein!«

    Alois Kreithmeier wusste mittlerweile, wie er seine Kollegin aus der Fassung bringen konnte. Jahrelang hatte sie ihn gequält, mit seinem Übergewicht, seinen billigen Schuhen und altmodischen Anzügen. Immer hatte er einstecken müssen. Doch seit ein paar Monaten, seit sie zusammen diesen durchgeknallten Nazi-Waffenhändler überführt hatten, war zwischen ihnen beiden mehr als nur eine solide Polizistenpartnerschaft entstanden. Es war so etwas wie eine Freundschaft: Herzlichkeit, Vertrauen und Sympathie.

    Manchmal benahmen sie sich wie ein altes Ehepaar. Und dass sie zusammen abends weg gingen, war nichts Außergewöhnliches. Das mit dem Kino heute war neu. Doch außer kurzen, liebevollen Umarmungen und verstohlenen Küsschen auf die Backe, war zwischen ihnen nie etwas gewesen. Melanie traf sich ab und zu mit ihrem Bettgefährten Richard Kramer, der mitunter für ihren Hormonausgleich zu sorgen hatte. Alois versuchte es mehr oder weniger erfolglos übers Internet.

    Er hatte von Melanie einige Trainerstunden im Online-Dating bekommen und sich Dank ihrer Hilfe immer mal wieder mit einer Frau getroffen. Doch außer Kaffeetrinken war bisher nichts passiert. Und das war auch gut so. Denn immer, wenn er sich mit einer Dame aus einer dieser Verkupplungsbörsen des Onlineforums im Freisinger Kaffeeglück traf, konnte er es gar nicht schnell genug erwarten, dass die Jeweilige ihren Kaffee austrank und von der Bildfläche verschwand. Meistens saß er noch eine Weile allein im Kaffeehaus und dachte darüber nach, auf was für einen Schwachsinn er sich da eingelassen hatte. Alle Frauen waren nett und auch attraktiv. Aber bei keiner funkte es richtig. Keine Regung im Herzen oder in der Hose. Er war froh, wenn das Gespräch beendet war und man sich mit einem »Wir telefonieren« oder »Wir mailen« oder »Man sieht sich« aus dem Wege ging.

    Diese Versprechen wurden nie eingehalten. Es waren nur Lippenbekenntnisse. Man sah sich nie wieder und rief nie wieder an.

    Deswegen fand er es nett, wenn Melanie ihn ab und zu mal auf ein Bier, in ein Konzert oder wie heute ins Kino mitnahm. So konnte er seine Bude wenigstens mal verlassen. Seinen Hund Gizmo konnte er bei diesen Exkursionen leider nicht mitnehmen.

    Er öffnete die Tür des Audi A 3 und setzte sich auf den Beifahrersitz. Sie waren in Neufahrn im Kino gewesen, da die Stadt Freising es nicht geschafft hatte, ihre alten durchgesessenen muffigen Kinos gegen einen Kinopalast einzutauschen. Deshalb mussten die 50.000 Freisinger inklusive seiner 6.000 Studenten, wenn sie denn ins Kino wollten, ins vierzehn Kilometer entfernt gelegene Städtchen Neufahrn fahren, mit seinen nur knapp 20.000 potentiellen Kinogängern.

    »Und wenn du es ganz genau wissen willst«, sagte Melanie plötzlich, als sie sich neben ihn auf den Fahrersitz fallen ließ, »ich habe immer öfter ausgefallenen Sex.«

    Sie drehte sich ihm zu und blickte ihn ernst an.

    »Der Sex fällt immer öfter aus.«

    Dann lachte sie diabolisch, startete den Wagen und fuhr mit quietschenden Reifen vom Parkplatz ohne auf eine Bemerkung von Kreithmeier zu warten. Der schaute nur nachdenklich nach vorne auf die Straße. Dann zog er sein Handy aus der Tasche und sagte: »Ich sollte es mal wieder einschalten. Ist besser so.«

    Kurze Zeit später meldete sich seine Mailbox: Eine Nachricht: »Hallo Alois, hier ist der Dallinger. Bist unterwegs. Gut, dann muss ich halt auf deinen doofen Automaten sprechen. Die Erdinger Kollegen haben bei uns angerufen und nach dir gefragt. Du sollst dich mal melden, egal wie spät es ist. Die Nummer hast du ja. Polizeiwachtmeister Lindner hat dich gesucht. Ich weiß nicht was er will. Es hat auch nicht bis morgen Zeit. Servus Alois. Der Dallinger.«

    »Die Erdinger Kollegen wollen etwas von mir«, sagte Kreithmeier beiläufig ohne Melanie direkt anzusprechen.

    »Um was geht es denn?«, fragte sie.

    »Das weiß ich nicht. Lindner. Kennst du den?«

    »Polizeiwachtmeister Lindner? Der ist von der Bereitschaft und hat guten Kontakt zu unserem Chef.«

    »Ich soll ihn anrufen. Und zwar heute noch.«

    »Dann brennt es. Und dann solltest du das auch tun.«

    Alois Kreithmeier wählte die Zentrale der Polizeidienststelle in der Bajuwarenstrasse in Erding.

    »Meier!«, meldete sich ein Beamter ohne Begrüßung kurz und knapp.

    »Alois Kreithmeier, Kriminalpolizei, ich würde gerne den Herrn Lindner sprechen.«

    »Kreithmeier? Der Alois Kreithmeier aus Freising? Alle Achtung Herr Kollege. Haben Sie nicht den Mord am Flughafen aufgeklärt?«

    »Ja, das habe ich. Könnte ich jetzt den Lindner sprechen, er soll noch Dienst haben?«

    »Und den Wurzinger verhaftet. Ging wie ein Lauffeuer durch die Dienststelle und die Presse. Kompliment, Herr Kollege. Alle Achtung. Kompliment.«

    »Den Lindner bitte!«

    »Sofort Herr Kollege, sofort, ich verbinde.«

    Kreithmeier gingen die Lobeshymnen zu seiner Person insbesondere seit der Aufklärung eines brutalen Mordes und einem Leichenfund auf einer der Startbahnen des Münchner Flughafens auf den Geist. Außerdem hätte er es nie ohne die Hilfe seiner Kollegin Schütz geschafft. Doch irgendwie ging sie in der ganzen Lobhudelei unter.

    »Lindner. Polizeiwachtmeister Lindner. Was kann ich für Sie tun?«

    »Das weiß ich nicht. Kreithmeier, Alois Kreithmeier, Sie suchen doch mich. Es wird eher so sein, dass ich etwas für Sie tun muss.«

    »Herr Kreithmeier. Schön dass Sie mich heute noch zurückrufen. Doktor Wahlmeier aus dem Erdinger Krankenhaus hat Sie gesucht.«

    »Und was will er?«

    »Das hat er mir nicht gesagt, es muss aber dringend sein, denn sonst hätte er mich nicht beauftragt Sie zu finden. Und ich soll Ihnen ausrichten, Sie könnten ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen. Ich gebe Ihnen mal seine Privatnummer. Haben Sie etwas zu schreiben?«

    »Einen Moment.«

    Kreithmeier zog einen Notizblock mit einem Bleistift aus der Tasche. Mit der linken Hand klemmte er sich das Telefon ans Ohr und mit der Rechten notierte er die Telefonnummer des Arztes. Dann bedankte er sich und legte auf.

    »Was ist los?«, fragte Melanie neugierig.

    »Keine Ahnung. Ein Dr. Wahlmeier sucht mich. Kreiskrankenhaus Erding. Ich rufe ihn mal besser an. Soll wichtig sein.«

    »Wahlmeier, Doktor Wahlmeier«, meldete sich am anderen Ende der Leitung eine tiefe brummige Stimme.

    »Alois Kreithmeier, Sie suchen nach mir Herr Doktor. Was gibt es denn? Wer ist denn gestorben?«

    Kreithmeier stellte den Lautsprecher ein, so dass Melanie mithören konnte.

    »Ich habe mich schon gewundert, wer so spät noch bei mir zu Hause anruft. Sind Sie es, Hauptkommissar Kreithmeier, unsere kleine Berühmtheit im Landkreis.«

    Der Kommissar war muffig: »Kommen Sie bitte auf den Punkt. Warum sollte ich Sie heute Nacht noch anrufen?«

    »Das kann ich Ihnen nicht alles am Telefon erklären. Nur so viel. Das Rote Kreuz hat uns heute Nachmittag einen Toten gebracht. Aus der Therme. Er ist angeblich einem Herzanfall im Saunatrakt erlegen. So der erste Befund. Gegen Abend habe ich mir den Leichnam noch einmal angesehen und etwas Erstaunliches entdeckt. Und das will ich Ihnen zeigen.«

    »Und das hat nicht bis morgen Zeit. Wir wollten noch etwas essen und trinken. Wir kommen gerade aus dem Kino.«

    »Ich fliege morgen früh auf einen Kongress nach Hamburg. Für zwei Tage. Sie müssen kommen. Es hilft nichts. Wo sind Sie?«

    »Auf dem Weg nach Freising.«

    »Gut. Treffen wir uns in einer halben Stunde im Kreiskrankenhaus Erding. Fragen Sie nach mir an der Pforte. Und sprechen Sie im Moment mit Niemandem. Ich erwarte Sie. Bis dann.«

    Der Arzt hatte aufgelegt.

    »Was war denn das?«, fragte Melanie.

    »Ich weiß es nicht. Also los. Fahr auf die Autobahn. Energie, Scotty, Energie. Wir fahren nach Erding. Los geht’s!«

    »Bist du dir da ganz sicher?«

    »Ja. Es klang wirklich ernst.«

    »Und unser Bierchen?«, fragte sie etwas enttäuscht.

    »Muss warten. Wie hieß der Film doch gleich?«, fragte ihr Kollege.

    »Biss zum Abendrot.«

    »Na mir würde jetzt einen bisschen Abendbrot reichen. Fahr, wenn wir in Erding sind, kurz beim Macky vorbei.«

    »Alois!«

    »Ich weiß, ich weiß, aber ich habe Hunger. Weißt du wo in Erding der McDonalds ist?«

    »Ja und die Klinik ist nicht weit von unserer Dienststelle entfernt. Auch in der Bajuwarenstrasse.«

    »Richtig. Energie Scotty, Energie.«

    »Nerv mich nicht mit diesem antiquarischen Startrek Scheiß.«

    »Schon gut Misses Spock. Schon gut.«

    Das Kreiskrankenhaus Erding ist ein unansehnlicher Komplex von rechteckigen Gebäuden, die während seiner 35 jährigen Bestehungszeit immer wieder renoviert, erweitert oder umgebaut wurden. Seit ein paar Jahren ist das Kreiskrankenhaus Erding offizielles Lehrkrankenhaus der Technischen Universität München. Die Studierenden haben hier die Möglichkeit in den verschiedenen Abteilungen und Fachbereichen ihr praktisches Jahr zu absolvieren.

    Melanie fuhr auf den Besucherparkplatz und parkte den Wagen auf dem fast leeren Gelände. Besucher wurden um diese Zeit nicht mehr hineingelassen. Alois packte den Müll von McDonalds in eine Tüte und stieg aus.

    An der Pforte stellten sie sich kurz vor und fragten nach Dr. Wahlmeier.

    »Haben Sie einen Papierkorb?«, fragte er die Dame am Empfang.

    »Ja, natürlich.«

    Kreithmeier reichte ihr mit einem verführerischen Lächeln auf den Lippen die braune Papiertüte mit dem gelben M und sagte höflich »Danke«. Ohne einen Kommentar warf die Dame den Müll in ihren Papierkorb. Ihr aufgesetztes Lächeln hatte sich in einen bitterbösen Blick verwandelt.

    »Fahren Sie mit dem Aufzug in den Keller. Der Doktor erwartet Sie. Dort hinten.«

    Sie zeigte auf eine Edelstahltür im Korridor.

    »Danke!«

    Dr. Wahlmeier erwartete vor dem Aufzug die beiden Polizisten. Ohne große Begrüßung bat er sie ihm zu folgen. Der Doktor war ein stattlicher Mann von über 1,90 Größe und in den besten Jahren. Er hatte einen grünen OP-Anzug an, eine weiße Haube auf dem Kopf und an den Händen Hygienehandschuhe. Sein Gesicht war markant, die wenigen Haare, die unter der Haube hervor schienen, waren leicht ergraut. Sein Schritt kräftig, fast militärisch. Dr. Wahlmeier sah für Alois Kreithmeier nicht wie ein Arzt aus. Hätte er ihn ohne seinen Beruf zu wissen, auf der Straße angetroffen, hätte er bei ihm auf Bauunternehmer oder Bundeswehroffizier getippt. Vielleicht hatte er ja gedient, als Stabsarzt beim Heer.

    »Kommen Sie, folgen Sie mir«, rief er immer wieder mal kurz nach hinten, während er mit eiligem Schritt durch die Katakomben des Erdinger Krankenhauses stolzierte. Melanie und Alois mussten sich anstrengen mit dem großgewachsenen Mann Schritt zu halten. In einem weiß gekachelten Raum mit Edelstahlschränken an beiden Längsseiten blieb er stehen und sagte:

    »Hier drinnen liegt der Tote aus der Therme. Ich geh davon aus, dass Sie schon einige Leichen gesehen haben, brauche also mit keinen Überreaktionen Ihrerseits zu rechnen. Und ziehen Sie die bitte an.«

    Ohne auf eine Antwort zu warten, warf er jedem ein Paar AIDS Handschuhe zu, öffnete eine Stahltür des Kühlregals, zog eine Edelstahlbahre auf Rädern aus einem der Fächer und stellte sie mitten in den Raum. Auf der Bahre lag ein Toter, der mit einem weißen Tuch abgedeckt war.

    »Fahren wir den Toten in den Sektionsbereich. Da haben wir mehr Platz.«

    Dr. Wahlmeier öffnete eine Tür und schob die Leiche auf dem Gestell in einen anliegenden Raum.

    Der Raum sah aus wie eine Metzgerei, dachte Kreithmeier. Alles war in Edelstahl gehalten. Mitten im Raum standen drei schwere Tische mit Waschbecken, einer Ablaufrinne und einem Wasseranschluss. Halogenlampen und Strahler gaben dem Raum etwas Futuristisches, wie aus einem Science Fiction Film. Alles glänzte, alles war klinisch sauber. Es war schwierig für ihn, sich vorzustellen, wie hier unten an Leichen herum geschnippelt wurde.

    Der Doktor hatte den Wagen neben einen der Seziertische gestellt und schob die Wanne mit dem Toten auf das Gestell. Obwohl Kreithmeier schon ein paar Mal in der Pathologie, in Freising oder auch in München gewesen war, war dies ein Platz, an dem er sich unbehaglich fühlte.

    Er hoffte insgeheim, dass er nie eines unnatürlichen Todes sterben müsste, denn dann würde auch er hier aufgebahrt und ausgeweidet wie ein Truthahn zum Erntedankfest. Es schüttelte ihn. Melanie nahm das alles nicht mit. Sie starrte das weiße Tuch an, wie ein Zuschauer der darauf wartete, dass der Magier ein weißes Kaninchen darunter hervor zauberte. Ihr Blick verriet Neugier, Interesse und eine hohe Erwartungshaltung.

    Kreithmeier konzentrierte sich wieder auf den Arzt, nachdem er die Sektionsabteilung der Erdinger Pathologie eingehend mit seinen Augen abgetastet hatte. Das war ganz einfach nicht seine Welt, aber er schätzte die Arbeit der Gerichtsmediziner. Ohne sie war es manchmal nicht möglich einen Fall zu lösen. Vor allem mit ihrer akribischen Arbeit bei DNA Spuren an den Toten, insbesondere bei Kapitalverbrechen, Vergewaltigungen und Misshandlungen. Selbst mit den kleinsten DNA Spuren unter Fingernägeln oder Hautabschürfungen konnten sie oftmals den vermeintlichen Täter identifizieren.

    Bis jetzt hatte der Arzt nicht viel gesprochen. Kreithmeier war gespannt, warum er sie so spät abends noch sehen wollte und es nicht bis zum nächsten Morgen gereicht hätte. Außerdem musste er auf sein verdientes Feierabendbier zunächst verzichten und sein Abendessen bestand bisher nur aus einer Tüte Popcorn und einem Big Mac. Das war nur ein bisschen Abendbrot im Gegensatz zu sonst.

    Der Arzt zog jetzt vor ihren Augen die weiße Stoffabdeckung langsam vom Gesicht des Toten.

    »Das ist der Mann, der heute in der Therme, um genauer zu sagen, im Salzstollen nach einem Aufguss tot aufgefunden wurde. Die Thermenleitung hatte sofort einen Notarzt bestellt, aber der konnte auch nur noch den Tod des Mannes feststellen. Auf den ersten Blick ein ganz normaler Herzinfarkt. Tatsächlich stellt ein Saunagang einen ausgeprägten Herz-Kreislaufreiz dar. Das Herz pumpt in ruhigem Zustand mit 60 - 70 Schlägen etwa 6 Liter Blut pro Minute in den Kreislauf. Bei einem Saunagang mit dem empfohlenen üblichen Badeablauf und einer Saunatemperatur von 80 - 90 Grad Celsius steigt das Herzminutenvolumen auf 10 - 12 Liter Blut je Minute bei einem Puls von 120 - 130 Schlägen an. Während des Aufgusses erhöht sich diese Anzahl zusätzlich nochmals um 15 - 20 Schläge. Dies entspricht jedoch nur etwa der Hälfte der maximalen Kreislaufbelastung und auch ein untrainiertes Herz schafft 180 - 200 Schläge pro Minute und kann bis zu 20 Liter Blut und mehr pumpen. Also für einen gesunden Menschen, wie er hier vor uns auf dem Tisch liegt, überhaupt kein Problem.«

    »Woher wissen Sie, dass er gesund ist?«

    »Wir haben ihn obduziert.«

    »So schnell.«

    »Ja! Staatsanwältin Lehner hatte ihn heute Nachmittag frei gegeben, weil meine ersten oberflächlichen Untersuchungen ergeben hatten, dass der Mann kerngesund war und ein Herzinfarkt, selbst in der heißen Atmosphäre einer Sauna, äußerst selten vorkommen kann. Bei einem Saunabesuch steigt der Blutdruck im Gegensatz zu einer sportlichen Leistung kaum an. Die Ursache hierfür liegt darin, dass die Blutgefäße in der Haut zur Wärmeabwehr weitgestellt werden. Ein Puls von 120 in der Sauna hat, aufgrund des verringerten Widerstandes, gegen den das Herz arbeiten muss, eine geringere Kreislaufbelastung zur Folge als der gleiche Puls bei einer sportlichen Betätigung. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass deshalb auch Personen mit erhöhtem Blutdruck eine Sauna besuchen können.«

    »Und in diesem Fall hier?«

    »Ich habe schließlich feststellen können, dass der Mann zwar keine körperliche Arbeit verrichten musste, er war eher ein Büromensch, aber er war außerordentlich fit und sein Herz kerngesund. Sein Name ist übrigens Markus Backhaus.«

    »Woher wissen Sie das schon?«, fragte Melanie und sah sich das Gesicht des Toten eindringlich an. »Das war ein hübscher Mann.«

    »Das stimmt, Frau Schütz, so weit ich das beurteilen kann: Gepflegte Zähne, feine Hände, einen guten Friseur und einen Körper, auf den er geachtet hat. Die Saunaleitung hat eine verwaiste Liege entdeckt, auf der die üblichen Badesachen lagen, eine Tageszeitung, eine Lesebrille und ein Schlüsselband für seinen Spind im Umkleidebereich. Die örtliche Polizei hat alles eingesammelt und auch den Spind geleert. Darin haben sie dann Haus- und Wagenschlüssel und eine Geldbörse mit seinem Personalausweis gefunden.«

    »Wo sind die Sachen jetzt?«, fragte Melanie.

    »Sie sind in einer Schachtel in meinem Labor. Ich werde Sie ihnen später aushändigen. Polizeiwachtmeister Lindner hat mich gebeten Ihnen alles zu zeigen. Sie wären auch die richtigen Ansprechpartner bei einem vermeintlichen Gewaltverbrechen, meinte er.«

    Melanie und Alois wurden stutzig, als der Arzt die Worte fallen lies.

    »Sie gehen von einem Mord aus?«, fragte Kreithmeier leicht konsterniert.

    »Auf jeden Fall ist der gute Mann nicht eines natürlichen Todes gestorben. Oder einfacher ausgedrückt, die Sauna oder der Aufguss waren nicht für seinen Tod direkt verantwortlich.«

    »Wer oder was dann?«

    »Nun das ist, glaube ich, Ihre Aufgabe, das herauszufinden. Ich kann Ihnen nur erklären was ich herausgefunden habe.«

    »Jetzt spannen Sie uns nicht auf die Folter, Herr Doktor. Wir sitzen doch nicht in einer Ihrer Vorlesungen.«

    Der Arzt blickte ernst auf die beiden Kommissare. Er wollte etwas kontern, hielt sich aber zurück. Er zog das weiße Leintuch komplett von dem Toten. Die beiden Beamten konnten nun auf der Brust den Y-Schnitt erkennen, der von beiden Schlüsselbeinen schräg zum Brustbein und von dort gerade bis zum Schambein geschnitten und mittlerweile wieder zugenäht worden war. Kreithmeier schauderte es, als er den leblosen Körper vor sich liegen sah und er sofort daran denken musste, wie der Arzt in den Eingeweiden dieses Mannes herum gewühlt haben musste. Was für ein Ende für diesen doch allem Anschein so gesunden Mann?

    »Und wie kommen Sie nun auf Ihre Theorie eines gewaltsamen Todes?«, bohrte Melanie nach.

    »Der Mann hatte sich kurz vor seinem Ableben mit Salz eingerieben. Das ist bei einem Salzaufguss so üblich. Salzkristalle vermischt mit ätherischen Ölen werden leicht auf die Haut einmassiert. Die Wärme in der Sauna öffnet die Hautporen und so können die Kräuter in die Haut eindringen. Die Salzkristalle haben dabei einen weiteren Effekt, sie wirken wie ein Peeling. Alte Hautschuppen werden dabei entfernt. Außerdem wirkt das Salz zusätzlich schweißtreibend und desinfiziert sehr gut, doch beim Einreiben des Körpers werden der Kopf und der Genitalbereich ausgelassen. Auch etwaige Wunden sollten nicht mit Salz eingerieben werden. Es würde ziemlich brennen.«

    »Bitte halten Sie uns keinen Vortrag über die Vorteile eines Salzaufgusses«, unterbrach ihn Kreithmeier. »Wieso glauben Sie hier an Mord? Das ist es doch, oder? Hat der Leichnam irgendwelche Wunden, Einstiche oder Verletzungen?«

    »Nichts von alledem. Der Körper ist tadellos. Nur etwas habe ich feststellen können, dass der Mann mit zwei verschiedenen Salzen eingerieben worden ist. Und das fand ich äußerst ungewöhnlich. Normalerweise verwenden die Saunameister nur ein Salz, meistens ein jodhaltiges Meersalz. Der Tote hatte nun auf Brust, Armen und Beinen, ein Meersalz mit Eukalyptusöl und auf dem Rücken Himalaya Salz mit Lavendelöl.«

    »Das verstehe ich nicht. Wie kann das sein?« Kreithmeier schüttelte den Kopf.

    »Laut Auskunft der Therme, verwenden Sie fast immer Meersalz mit einem Eukalyptus-Menthol Öl, niemals Steinsalz. Das hätte auch etwas mit den Kosten zu tun. Steinsalz wäre teurer.«

    »Wenn ich Sie richtig verstehe, hat sich der Tote mit zwei verschiedenen Salztypen eingerieben«, wollte Melanie wissen.

    »Ja!«

    »Und das kann laut Saunaleitung nicht vorkommen.« Melanie war ganz Ohr.

    »Ja!«

    »Und wie haben Sie das feststellen können?«, fragte Kreithmeier dazwischen.

    »Das Salz war teilweise noch auf seiner Haut. Es hätte im Dampf weiter einmassiert werden müssen, damit es von der Haut fast vollständig absorbiert wird. Und das ist nicht geschehen. Der Mann war schon vorher tot.«

    Melanie fragte den Mediziner: »Wann ist er denn Ihrer Meinung nach gestorben?«

    »Ich habe meinen Obduktionsbericht noch nicht fertig, aber es muss gegen 12 Uhr gewesen sein. Um 10.30 Uhr hat er das Saunaparadies betreten. Um 12.30 hat ein Saunagast festgestellt, dass er nicht mehr atmet. Um 13.00 hat der Notarzt den Tod des Mannes bescheinigt.«

    »Und warum hat man nicht sofort die Polizei gerufen?«, fragte der Kommissar.

    »Es sah wie ein ganz normaler natürlicher Tod aus, ein Herzversagen in einer Sauna. Wer denkt da schon an einen potentiellen Mord?«, antwortete der Arzt.

    »Das heißt«, schlussfolgerte Kreithmeier, »wir brauchen keine Spurensicherung, und uns den Tatort gar nicht näher anschauen, weil dort alles schon sauber ist. Die Therme ist sicher schon geschlossen und die Putzkolonnen vernichten die letzten Spuren.«

    Melanie blickte auf den toten Körper.

    »Gut, ich verstehe, Sie haben festgestellt, dass der Tote sich zu Lebzeiten mit zwei verschiedenen Salzen eingerieben hat, doch das führte sicher nicht zu seinem Tod. Es steckt doch mehr dahinter, Dr. Wahlmeier, oder?«

    »Ja, das stimmt. Und Sie haben Recht, das Salz allein, das hat ihn nicht weggerichtet, sondern ein gefährlicher Zusatz darin.«

    »Und was?« Melanie war neugierig.

    »Es ist sehr schwer festzustellen, aber es ist eine Art von Curare, ein pflanzliches Gift, das über den Blutkreislauf zu einem Atemstillstand führt. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein Herzstillstand, bei näherem Hinsehen, eine Lähmung der Atemmuskulatur.«

    »Und wie hat der Tote es in seinen Körper bekommen?«

    »Wahrscheinlich mit dem Salz.«

    »Und ins Blut?«

    »Wir haben immer irgendwelche kleinen Wunden. Schauen Sie sich bitte seinen Rücken an. Wenn Sie mir kurz helfen wollen.«

    Melanie trat einen Schritt zurück. Das war auch für sie zu viel. Einen Leichnam betrachten, ihn untersuchen, aber anfassen, das stand nicht in ihrer Stellenbeschreibung.

    »Alois, kannst du bitte dem Herrn Doktor helfen, für mich ist der viel zu schwer«, zog sie sich elegant aus der Affäre.

    Alois knurrte böse, aber letztendlich half er, den Toten auf den Bauch zu rollen.

    »Hier sehen Sie! Der Rücken ist trotz der beginnenden Leichenstarre noch rot und hat kleine Irritationen. Die können vom Peeling stammen, aber auch von Fingernägeln oder etwas ähnlich Spitzem.«

    »Mir will etwas nicht in den Kopf hinein.« Melanie sah den Arzt forschend an. »Ihre Theorie, und ich nenne sie erst mal nur eine wage Spekulation, geht davon aus, dass der Giftstoff über die Haut, kleine Wunden und Irritationen, so haben Sie es doch genannt, in den Körper gelangt ist. Richtig?«

    »Ja!«

    »Ein pflanzliches Gift mit sehr schneller Wirkung«, fügte sie hinzu.

    »Ja!«

    »Er wird es sich ja nicht selbst auf den Rücken gepackt haben.«

    »Nein, davon gehe ich aus.«

    »Dann hat es jemand anders getan?« Melanie sah den Arzt fragend an.

    »Ja!«

    Melanie rief erstaunt auf: »Dann muss der Mörder das Opfer gekannt haben.«

    »Nein! Nicht unbedingt.«

    »Wieso nicht?« Melanie blickte erstaunt auf.

    »Weil bei dieser Art von Aufguss, sich immer wieder auch mal fremde Saunagäste gegenseitig einreiben.«

    Kreithmeier mischte sich wieder ein: »Sie kennen sich da wohl aus?«

    Doktor Wahlmeier nickte: »Ja, ich bin ab und zu in der Therme, ich weiß, wie es da zugeht.«

    »Na schön«, meldete sich Kreithmeier weiter zu Wort, »erstens, wie soll das funktionieren, wenn Ihr Unbekannter diese giftige Mixtur aus Salz und Curare auf Herrn Backhaus Körper schmiert, kann er sich denn da nicht selbst vergiften? Und zweitens wie kommt er an das Ganze heran?«

    Der Arzt runzelte die Stirn und dachte nach. Er schaute an den beiden Polizeibeamten vorbei, starrte an die kahle Wand und antwortete ihnen: »Nun, wie kann er sich selbst schützen? Mit einem Hygienehandschuh? Würde in der Sauna auffallen. Mit einer die Haut schützenden Creme? Das würde gehen. Neutrogena zum Beispiel, eine Creme, die die Haut vor Umwelteinflüssen schützen soll. Oder er hat sich zuvor ein Gegengift gegen Curare gespritzt.«

    »Und wie kommt man an so etwas heran?«, hakte Melanie neugierig nach. »So weit ich weiß, kommt das aus dem Amazonasgebiet, aus Südamerika. Wie soll jemand in Erding an so etwas herankommen. Es wird ja nicht bei Ebay versteigert.«

    »Das weiß ich nicht. Aber so viel weiß ich, gibt es Curare auf dem deutschen Markt. Es wird als biologisches Heilmittel verkauft, natürlich nur in einer sehr abgespeckten Version. In der Homöopathie werden im Allgemeinen solche Gifte verwendet. Sie werden mit Wasser verdünnt und sollen angeblich helfen.«

    »Dann könnte jemand in Deutschland, der zum Beispiel in so einem Unternehmen arbeitet, das homöopathische Mittel herstellt, ohne Weiteres an unverdünntes Curare herankommen.«

    »Frau Schütz, da bin ich überfragt, das weiß ich nicht. Ich kann nur noch mal betonen, Curare ist in Deutschland erhältlich, selbstverständlich in einer ungefährlichen, verdünnten Lösung.«

    Melanie wollte noch etwas sagen, doch Kreithmeier packte sanft ihren Arm.

    »Herr Dr. Wahlmeier, ich würde gerne noch einmal das zusammenfassen, was Sie uns Erstaunliches an den Kopf geworfen haben. Markus Backhaus ist in der Saunalandschaft ermordet worden, denn von einem Selbstmord gehen Sie ja zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus.«

    »Ja!«

    »Der mutmaßliche Täter muss ihn berührt, aber nicht unbedingt zwingend gekannt haben?«

    »Täterin, es könnte auch eine Täterin gewesen sein. Grundsätzlich ja.«

    »Gut auch eine Täterin. Weiter. Nach der Kontaktaufnahme des Giftes durch seine Haut ist der Mann gestorben, maximal 15 bis 20 Minuten später.« Kreithmeier sah den Arzt fragend an.

    »Ja! Kann sogar früher sein. Durch den erhöhten Puls in der Sauna gelangt das Gift schneller in den Körper.«

    »Dann war es ein vorsätzlicher Mord. Kein Versehen.«

    »Ja! Ein geplanter Mord«, bestätigte ihm der Arzt.

    »Und wie bekommt der Täter das Salz in die Therme?«

    »In einem Plastikbeutel, in einer Schachtel, das sollte kein Problem sein.«

    »Und wann hat er es eingesetzt?«, fragte Kreithmeier.

    »Nach der Salzausgabe des Bademeisters.«

    »Und wer macht so etwas?«, mischte sich Melanie wieder ein.

    »Das müssten bitte Sie herausfinden.«

    »Konnte der Täter oder die TÄTERIN«, Kommissar Kreithmeier betonte ausdrücklich noch einmal das Wort Täterin, »denn davon ausgehen, dass der Tod des Markus Backhaus als natürlicher Tod durchgehen würde?«

    »Ja! Auf jeden Fall.«

    »Warum haben Sie es dann entdeckt?«, wollte er wissen.

    »Vielleicht durch einen blöden Zufall. Sehen Sie, ich lebe in Erding und bin ein begeisterter Saunagänger. Ich weiß, dass ein Saunagang niemals für einen Herzinfarkt sorgen kann. Jeder normale Arzt würde das eventuell testieren: Herztod durch erhöhte Pulsfrequenz und außergewöhnliche Belastung. Der Mann war gesund. Warum sollte ihm etwas Wärme schaden? Zumal im Salzstollen eine Temperatur von nur maximal 65 Grad Celsius ist.«

    »Okay, das macht Sinn. Wo sollen wir nun ansetzen?«

    »Ich kann nicht Ihre Arbeit machen, aber mich würde an Ihrer Stellen interessieren, zu wem hatte der Verblichene während

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