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Ein Traum aus Sand und Regen
Ein Traum aus Sand und Regen
Ein Traum aus Sand und Regen
eBook224 Seiten3 Stunden

Ein Traum aus Sand und Regen

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Über dieses E-Book

Die zwei Mädchen Rya und Levana könnten unterschiedlicher nicht sein, dennoch verbindet sie eine lebenslange Freundschaft. Unbeschwert wachsen sie zu jungen Frauen heran, bis Unruhen im Land entstehen und Rya dazu bringen, in einem anderen Land zu studieren. Doch auch das bricht ihre Liebe zueinander nicht.
Eine schicksalhafte Begegnung auf dem Marktplatz jedoch bringt Rya dazu, ihr Herz zu verschenken und auch Levana kämpft um die Liebe eines Mannes. Und plötzlich sind sich die zwei Freundinnen ferner als je zuvor und sehen sich mit dem Tod konfrontiert
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum5. Mai 2015
ISBN9783738023473
Ein Traum aus Sand und Regen

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    Buchvorschau

    Ein Traum aus Sand und Regen - Farsana Roya

    Prolog

    Die Zeit verstreicht. Aus einer Stunde wird ein Tag und aus einem Monat ein Jahr. An traurigen Tagen, von welchen man wünscht, sie würden schnell vergehen, scheint die Zeit still zu stehen, während die Zeit an den Schönen unnahbar schnell entflieht.

    An einem Sonntagabend, als die Zeit zu schweben scheint und das Antlitz des Mondes schon seit einigen Stunden hoch am Himmel von Wolken bedeckt ist, liegt der feuchte und unverkennbar erfrischte Geruch von Regen in der Luft. Auf den Straßen ist kein Mensch zu sehen. Alles scheint, in tiefem Schlaf versunken, seinen eigenen Hoffnungen nachzuträumen.

    Jedes Gebäude ist in tiefe Dunkelheit gehüllt. Nur in einem verlassenen, heruntergekommenen Haus leuchtet eine Glühbirne. Eine alte Dame steht am Fenster, lässt ihren suchenden Blick voller Neugierde ausschweifen.

    Ihr graues, leicht gewelltes Haar, das seitlich zu einem Pferdeschwanz geflochten ist, glänzt im Schein der Lampe. Auch das weiße Nachthemd, in das ihr feingliedriger Körper gekleidet ist, schimmert silbrig im dämmrigen Licht, die türkisenen Steinchen an den Aufschlägen der Ärmel tanzen mit den Lichtstrahlen.

    Trotz ihres hohen Alters ist sie anmutig und stolz, ihre braungrünen Augen glänzen auch bei Nacht wie wertvolle Aventurine.

    Nachdenklich steht sie am großen, alten Fenster und betrachtet abschätzend die Straße aus Kopfsteinpflaster, die vor dem Haus verläuft.

    Als die alte Dame zaghaft ihren Kopf nach rechts dreht, erblicken ihre Augen den wundervollen Steinbrunnen, der den Menschen Wasser in der Wüste spendet. Dieser Brunnen, obwohl er schon lange versiegt ist, hat für die Menschen dieser Region eine besondere und heilige Bedeutung. Leute kommen von weit her, werfen Münzen hinein und beichten ihm ihre Sorgen, denn man erzählt sich, dass er Kranke heilen und Wünsche erfüllen könne. Die alte Dame zieht den Vorhang zu und schlurft in dem kleinen, bescheiden Zimmer in Richtung Bett, neben dem ein Bücherschrank aus schwarzem Holz bis unter die Decke ragt. Als ihr Blick gedankenverloren über ihn schweift, entdeckt sie auf einem der Regalbretter einen staubigen Bilderrahmen.

    Ein vergilbtes Schwarzweißfoto steckt darin, das ihr vage bekannt vorkommt. Sie selbst und eine Freundin aus vergangenen Tagen sind darauf abgebildet, lachend nebeneinander auf einer weiten Wiese.

    Langsam tritt sie dichter an den Bücherschrank heran, um das Bild mit ihren schwachen Augen besser sehen zu können. Als die Erinnerungen von damals über sie hereinbrechen, kann sie einen leisen Schluchzer nicht unterdrücken. Ihre zitternde Hand findet das Foto, streicht fahrig den Staub vom alten Rahmen.

    Als wäre seitdem nur ein Wimpernschlag vergangen, erinnert sie sich an längst vergangene Tage und das schleichende Gefühl von Zerrissenheit schwappt über sie. Wie ein lauer Windhauch, ist die Zeit durch ihr Leben geweht.

    Die Nostalgie wiegt schwer in ihrer Seele und kraftlos lässt sie das Foto los, wendet ihm den Rücken zu, um sich zu entlasten. Ihr Blick streift den kleinen Tisch in der Mitte des Raumes, vor dem zwei Stühle stehen. Als würde sie Gesellschaft erwarten, hat sie eine Schale mit saftigen, roten Tomaten auf ihm platziert, die den Duft frisch gepflückter Ernte durch das Zimmer senden.

    Ein trauriges Lächeln ziert ihr faltendurchfurchtes Gesicht. Sie ist alleine, niemand würde kommen, um nach ihr zu sehen. Lediglich die alte Dame, die ihr aus dem gewölbten Spiegel zu ihrer Rechten entgegenblickt, scheint sich ihrer zu interessieren.

    Unter dem schweren Chromrahmen, auf einer Kommode, liegt eine kleine, türkisfarbene Perle. Bedacht geht sie hinüber, nimmt die Perle in ihre dürren Hände und versucht, den Staub wegzupusten, der sich darüber gelegt hat. Doch sie ist schwach, und so entgleitet ihr die schöne Perle und rattert über den Holzboden unter das Bett.

    Schwer atmend schleppt sich die alte Dame zum Bett hinüber und bückt sich mühevoll, um im Dunkeln nach der Perle zu tasten. Ihr Suchen währt nicht lange, da ertastet sie einen Gegenstand auf den morschen Holzdielen. Als sie ihn hervorzieht, hält sie eine eckige Schachtel aus braunem Eichenholz in den Händen, statt der gesuchten Perle.

    Neugierig richtet sie sich mit dem geborgenen Schatz in den Händen wieder auf und lässt sich auf dem Bett vor sich nieder. Sie erkennt diese Schachtel, hat sie schon einmal gesehen, und Wehmut ergreift sie, während sie vorsichtig mit den Fingern über den Deckel streicht.

    Auch der Pfau scheint dieses Gefühl zu teilen. Ein schmerzerfüllter Schrei durchbricht die gespenstische Stille über der ausgestorbenen Stadt, lässt die Dame überrascht zusammenzucken. Die Schachtel entgleitet ihren Händen und segelt schwer zu Boden, wo sie aufspringt und ihren Inhalt über den Boden verteilt.

    Erschrocken über ihr eigenes Ungeschick bückt sie sich nach einem Dutzend Briefen, einer aus Elfenbein geschnitzten Schachfigur und einer Pfauenfeder.

    Nachdenklich sammelt sie alles zusammen und füllt die Schachtel erneut. Lediglich die Pfauenfeder hält sie einen Moment länger in den Händen, um die Schönheit der grünblauen Farbreflexionen zu bestaunen. Sie wundert sich, ob die Legende des Pfaus tatsächlich der Wahrheit entspricht.

    Ein Gedanke fährt durch ihren Kopf und entsetzt klatscht sie sich die Hand vor den Mund. »Meine Güte, du hattest doch Recht«, entkommt es ihr wispernd, ihre Stimme nicht lauter als eines der Staubkörner, die durch die Luft wirbeln. Erschüttert schüttelt sie den Kopf über ihre Erkenntnis. »Es ist wirklich wahr. Wie konnten wir nur so stur sein und dir keinen Glauben schenken? Wir dachten, du seiest verrückt.«

    Sehnsucht und Schmerz brechen über sie hinein, scheinen die alte Dame in den Wogen ihrer Emotionen zu ertränken. Sie versucht, sich zu beruhigen und die Tränen ihrer Trauer zurückzuhalten – vergebens.

    Ihre Glieder werden von dem Gewicht ihrer Sorgen erschwert, als sie sich erhebt und zum Fenster schlurft. Mit einer hastigen Bewegung stößt sie beide Fensterflügel auf und atmet die feuchte Nachtluft mit langen, gierigen Zügen ein. Der Wind spielt mit den Strähnen, die sich aus ihrem Zopf gelöst haben, während sie ihren Kopf in den Nacken legt und die Sterne betrachtet. Schadenfreudig funkeln diese am Firmament, nicht minder schön, als am Tag zuvor.

    Schmerzerfüllt wendet sie sich ab, späht zum alten Brunnen, der Bilder aus der Vergangenheit in ihr heraufbeschwört. Greifbar nah, als wäre es erst gestern gewesen.

    »Was wäre gewesen, wenn die Zeit ein weiteres Mal still gestanden wäre? Hätten wir anders gehandelt?«, murmelt sie kraftlos in die Stille hinein.

    »Was wäre, wenn das Gestern nur einen einzigen Tag länger gedauert hätte, einen Atemzug nur – was wäre dann geschehen?« Der alten Dame kommt es vor, als teilte sie ihre Melancholie mit der gesamten Welt.

    Ihre Gedanken werden abrupt unterbrochen, von einem Klopfen an der Tür …

    Kapitel 1

    An einem heißen Sommertag, als die Sonne den Zenit beinahe erreicht hatte, stachen ihre grellen Strahlen auf die Dächer der ältesten und tiefstgelegenen Stadt der Welt ein. Die Palmenoase war an einer wasserreichen Quelle errichtet, an welcher eine uralte Karawanenstraße vorbei führte.

    Die unerträglich trockenen Mittagsstunden kündigten sich gerade an, als zwei junge Frauen hastig durch ihr Elternhaus polterten.

    »Rya, du faules Stück! Wenn du nicht in fünf Minuten unten bist, fahr ich ohne dich los.« Der ermahnende Schrei Sakines hallte durch die offene Eingangstür, die Treppe hinauf, in das Zimmer ihrer jüngeren Schwester. Diese tauschte gerade einige Kleidungsstücke aus ihrem Koffer wieder aus, von denen sie glaubte, sie seien unnötig.

    »Ich bin ja gleich fertig, warte noch einen Augenblick!«, rief Rya den hinaufstampfenden Schritten Sakines entgegen. Schnell schloss sie ihren Koffer und schnappte sich Reiseklamotten aus dem Schrank, sodass der verärgerte Kopf ihrer Schwester, der sich kurz darauf durch den offenen Türspalt schob, sie nicht beim Umpacken erwischen konnte.

    »Du bist langsamer als eine Schildkröte«, zischte Sakine der unschuldig dreinblickenden Rya zu, ehe sie sich wieder zurückzog und auf den Weg nach unten machte.

    »Das habe ich gehört, Schwesterherz!«, empörte sich Rya gespielt, während sie ihre gemütlichen Klamotten gegen die legere Kleidung tauschte. »Weißt du eigentlich, was eine Schildkröte sagt, wenn sie auf einem Kamel sitzt?«, schrie Rya durchs Haus, als sie vor dem Spiegel im Bad stand und sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. Ihre Schwester, die wohl in der Küche und im Wohnzimmer alles auf seine Richtigkeit überprüfte, gellte wenige Sekunden später:

    »Nein, was sagt sie denn?«

    Rya musste grinsen, denn sie würde Sakine die Pointe des Witzes nicht verraten. »Tut mir leid, Schwesterherz, mein Kopf ist zu langsam, um sich daran zu erinnern. Ich bin wohl echt eine Schildkröte.«

    Ein Seufzen war die Antwort Sakines aus dem Erdgeschoss, die bereits mit fertig gepackten Koffern in der Eingangstür stand. »Dann eben nicht. Ich werde im Auto auf dich warten.« Ihre Worte begleitete ein dumpfes Poltern, mit dem sie ihren Koffer nach draußen schleppte.

    Rya und Sakine wollten zurück in die Stadt fahren, die auf der anderen Seite der Landesgrenze lag. Dort wohnten die Schwestern im Haus ihres verstorbenen Großvaters, denn Ryas Oma brachte es nicht übers Herz, es zu verkaufen, und so konnten Rya und Sakine es während ihrer Studienzeit nutzen.

    Sakine war 23 Jahre alt und somit zwei Jahre älter als ihre Schwester. Sie studierte Kunst, während Rya Politik vorzog, doch momentan hatten sie Semesterferien.

    Noch genau 41 Tage.

    Kritisch blickte Sakine in den Seitenspiegel ihres Autos und zupfte an ihrem länglichen Kinn. Sie war keineswegs eine Schönheit, dennoch hatte es über die vergangenen Jahre einige Avancen junger Männer gegeben, die um ihre Hand gebeten hatten, denn sie war intelligent und selbstbewusst. Sakine jedoch hatte jeden Bewerber abgewiesen. Sie bewunderte einen ihrer Kommilitonen, der jedoch nichts von seinem Glück ahnte.

    Bei diesem Gedanken beschlich ein Lächeln ihre Züge und musste sich eingestehen, dass sie tatsächlich für ihn schwärmte. Immer, wenn sie ihn in der Uni sah, betrachtete Sakine ihn mit rasendem Herzen und bewunderte seine Ausstrahlung, angezogen von seiner schüchternen und doch gleichzeitig maskulinen Art.

    Als sich ihre kleine Schwester schnaufend in den Kieshof schleppte, den schweren Koffer mit einem Arm vor sich hievend, kam Sakine nicht umhin, sie für ihr schönes Gesicht zu bewundern. Die kleine Stupsnase, die dunklen Mandelaugen, aus denen Diamanten ihre Lebensfreude hinausposaunten und ihre gütige, liebenswerte Mimik.

    Nachdem Rya ihr Gepäck im Kofferraum verstaut hatte, setzte sie sich auf den Beifahrersitz und Sakine drückte aufs Gaspedal. Sie entfernten sich gemächlich von ihrem Zuhause, fuhren durch enge Gassen und breite, überfüllte Straßen, auf denen Hupkonzerte stattfanden. Ihr Weg führte sie ins Stadtzentrum und anschließend wieder hinaus. Über baufälligen Asphalt, verunstaltet durch hitzebedingte Schlaglöcher.

    Vorbei an der berühmten Palastanlage ihrer Heimatstadt. Zinnen und Türme, Kuppeln, Pagoden und Spitzdächer ragten zu einem unvergleichlichen Gebilde hinauf, in der Mitte eine Moschee, umgeben von Gärten und Parks.

    Jedes Mal, wenn ihr Weg sie an diesem majestätischen Zeugnis menschlicher Kunst vorbeiführte, hielten die Schwestern für einen Moment die Luft an und bestaunten den Ausblick. Doch ein Atemzug nur, und Sakine musste sich wieder auf den Verkehr konzentrieren, der sie zum Stadtrand führte.

    Als sie die letzten Häuser der Stadt langsam hinter sich ließen, mehrten sich die Mandelbäume an den Straßenrändern, ebenso wie die Hütten der Viehtreiber, die ihre Ziegen und Schafherden über die Wiesen leiteten.

    Sakines Auto holperte über die immer baufälligeren Straßen und die Gegend wurde immer karger, bis sie die bergige Steinwüste passierten und die Landschaft sich immer weiter veränderte. Als hätten sie plötzlich eine unsichtbare Grenze überschritten, sahen sie vermehrt giftige Tiere, besonders die schwarzen Jericho Skorpione, über den weichen Kies flitzen.

    Der Tag schritt voran, die Schwestern wussten nicht, wie viel Zeit tatsächlich vergangen war, doch irgendwann verließen sie ihr Heimatgebiet.

    Beide waren erleichtert, denn die Straßen auf dieser Seite der Grenze waren weitaus besser erhalten und machten das Fahren somit zu einer weitaus geringeren Tortur. Aus dem Radio ertönte ein arabisches Lied, als der laue Nachmittagswind Sakine dazu antrieb, das Gaspedal durchzutreten. Sie genoss das schnelle Fahren, das Schnurren des alten Motors, während eine angenehme Brise durch beide geöffneten Seitenfenster die Luft im Auto zirkulieren ließ.

    Schläfrig sank Rya in ihrem Sitz zurück, lehnte einen Arm aus dem offenen Fenster und spielte mit dem Widerstand des Winds auf ihrer Haut. Die lange Reise in der schwülen Hitze war ermüdend und kräfteraubend, doch vor allem war sie für die tatenlose Rya langweilig. Gedankenverloren spähte sie durch den Wagen, bis ihr Blick auf Sakine fiel, an welcher etwas silbrig Glänzendes Ryas Aufmerksamkeit erregte.

    Schelmisch grinsend näherte sich ihre Hand der Haarpracht ihrer Schwester, ehe sie vorschnellte und das graue Haar mit einem Ruck ausriss. Erschrocken zuckte Sakine zusammen, der Motor heulte ebenfalls kurz wehleidig auf, während seine Fahrerin sich empört an den Kopf griff.

    »Was zur Hölle …?«, entfuhr es ihr atemlos, den Blick abwechselnd auf Rya und die Straße gerichtet, beide mit vernichtendem Ausdruck aufspießend.

    »Ein graues Haar. Du wirst langsam alt«, frotzelte die Jüngere mit triumphierendem Ausdruck. »Das bedeutet, du bist bald dran mit Heiraten, Schwesterherz. Aber wenn ich mir deine heimliche Liebe so ansehe …«

    Sie ließ den Satz im Raum stehen, brachte Sakine dazu, ertappt und zugleich empört aufzuatmen, bevor sie weitersprach. »Der scheint viel zu nett für dich zu sein. So wie er sich kleidet, ist er bestimmt ein Muttersöhnchen.

    Ich hätte dir eigentlich mehr zugetraut, als dich in jemanden zu verlieben, dessen Kleidung geschmackloser ist als Tantes Suppe«, stichelte Rya grinsend ihre Schwester und vertrieb somit auch den letzten Rest Langeweile aus der Luft.

    Schnaubend schüttelte Sakine den Kopf, während sie das Auto trotzig aufheulen ließ. »Was genau soll denn an ihm auszusetzen sein?«, schmollte sie vorwurfsvoll, während sie ihre Schwester aus den Augenwinkeln betrachtete. »Er ist gebildet und reif, was ja nicht gerade typisch für das andere Geschlecht ist. Und ich finde, nur darauf kommt es an. Auf den Charakter. Was er anzieht ist gleichgültig«, verteidigte Sakine mit wachsender Vehemenz ihre heimliche Liebe.

    Das versteckte Lächeln Ryas quittierte sie mit einem beiläufigen Augenbrauenhochziehen. Mit gespitzten Lippen fügte sie noch hinzu: »Wir können es uns wenigstens leisten, auf dem Heiratsmarkt wählerisch zu sein.«

    »Nein, mein Schwesterherzblatt. Mit deinen 23 Jahren bist du wirklich reif für die Ehe. Andere Mädchen tragen schon längst einen Ring am Finger«, widersprach Rya und grinste dabei zufrieden vor sich hin.

    Ihre Schadenfreude über das Wortgefecht wurde jäh gehemmt, als Sakine ihr einen Klaps auf den Hinterkopf versetzte. »Wenigstens habe ich jemanden in Aussicht. Mit deiner losen Zunge wirst du in zehn Jahren keinen Mann finden, der sich mit deiner Frechheit arrangieren kann.«

    Den verärgerten Blick ihrer Schwester ignorierte Sakine, denn nun war sie es, die stolz lächelte. »Noch ist er nicht dein Ehemann«, verteidigte Rya sich, bevor sie ansetzte: »Erst dann hast du einen Grund, zu behaupten, du hättest ihn in Aussicht. Und selbst wenn ich noch zwanzig Jahre warten muss – wozu die Eile? Ehe ist nicht die Essenz unseres Lebens.« Sie bemerkte zu spät, dass ihre Worte all den Belehrungen ihrer Mutter widersprachen, doch ehe Sakine sie dessen erinnern konnte, räusperte Rya sich laut.

    »Lass uns besser das Thema wechseln, dieses lässt noch jeden Baum seine Blätter abwerfen.«

    »Einverstanden«, stimmte Sakine ihr dankbar zu.

    Bevor eine der Beiden jedoch die eingekehrte Stille durchbrechen konnte, spottete Rya ein letztes Mal: »Eines jedoch musst du dir wirklich eingestehen. Die Kleidung deines Geliebten ist wirklich geschmackloser als Tantes Suppe.«

    Obwohl die Worte ein widerwilliges Kichern in ihrer Kehle aufsteigen ließen, knuffte Sakine ihrer Schwester ermahnend in die Seite.

    »Er ist trotzdem ein attraktiver Mann«, quietschte die Geschlagene abwehrend und rutschte anschließend so tief in ihren Sitz, dass sie kaum mehr über das Armaturenbrett linsen konnte.

    Sakine schwieg auf dieses Thema demonstrativ und konzentrierte sich auf die leere Straße. Die erdrückende Stille, die wieder in dem Auto einkehrte, ließ sie beiläufig gähnen. Nach einigen Minuten wurde sie der gespannten Atmosphäre müde und fragte ihre Schwester ganz beiläufig: »Was sagt denn nun eine Schildkröte, wenn sie auf einem Kamel sitzt?«

    Rya grinste, ehe sie verschwörerisch antwortete: »Das verrate ich dir vielleicht ein anderes Mal.«

    Der frühe Abend war bereits angebrochen, als sie die Zielstadt endlich erreicht hatten und am Haus ihrer Großmutter ankamen.

    Eine zweistöckige Steinhütte mit Spitzdach erhob sich hinter dem ausladenden Garten, der Omas ganzer Stolz war. Sattes Gras wucherte

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