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Bootstour mit Hindernissen: Die Erlebnisse einer Großstädterin
Bootstour mit Hindernissen: Die Erlebnisse einer Großstädterin
Bootstour mit Hindernissen: Die Erlebnisse einer Großstädterin
eBook297 Seiten4 Stunden

Bootstour mit Hindernissen: Die Erlebnisse einer Großstädterin

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Über dieses E-Book

Pfingsten machen meine drei Freunde und ich immer einen Ausflug. Wir wollen das machen, was wir noch nie getan haben. Leider haben wir in diesem Jahr vergessen, frühzeitig Ideen zu sammeln, sodass uns erst zehn Tage vorher einfällt, wir müssen bestimmen, was wir an Pfingsten machen wollen. So fällt die Wahl auf eine Bootspartie von der leider nicht alle Beteiligten begeistert sind.
Endlich sitzen wir im Ruderboot und haben trotz Trockenübungen keine Ahnung, wie wir uns von der Stelle fortbewegen sollen. Das bleibt nicht das einzige Problem. Tim hat ein paar Bierflaschen mit an Bord geschmuggelt. Diese besondere Abfüllung hat nur leider den fürchterlichen Geschmack nach Sojasauce und Lakritz anstelle eines nussigen Schmelzes und einem Hauch von Schokolade.
Und dann sind wir auch noch zu weit rausgefahren und müssen fürchten, nicht vor Schließung des Bootsverleihs wieder anzukommen. Werden wir es noch rechtzeitig schaffen oder werden wir wieder durch irgendetwas aufgehalten werden?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum16. Mai 2017
ISBN9783742787965
Bootstour mit Hindernissen: Die Erlebnisse einer Großstädterin

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    Buchvorschau

    Bootstour mit Hindernissen - Helen Hoffmann

    1. Kapitel

    Auf Pfingsten freue ich mich jedes Jahr. Nein, es liegt nicht daran, dass es einen freien Tag gibt. Wenn es so wäre, würde ich auch Ostern und Christi Himmelfahrt bevorzugen. Das tue ich aber nicht. Ostern ist mir mit zu viel Schnickschnack verbunden wie es auch bei Weihnachten ist. Und Christi Himmelfahrt liegt zu sehr in der Woche. Außerdem müssen wir an diesem Tag immer aufpassen, dass Tim keinen neuen Weltrekord im Bier trinken aufstellt. Deshalb ist dieser Feiertag einfach nur lästig.

    Pfingsten hingegen ist toll. Draußen ist es weder zu warm noch zu kalt, im Vorfeld brauche ich meine Wohnung nicht zu dekorieren und ich muss außerdem nicht fürchten, dass meine beste Freundin wieder mit einer ihrer tollen Ideen kommt, womit sie nur das größte Chaos anrichtet und ich nachher wieder alles richten muss.

    An Pfingsten machen wir einen Ausflug, nach dem Motto, was wir immer schon mal machen wollten. Solange es sich nicht um Fallschirmspringen, Bergsteigen oder Bungee jumping handelt, ist alles erlaubt. Fast alles, denn Schwimmbadbesuche sind ebenfalls tabu, selbst wenn es das tollste Erlebnisbad der Welt sein sollte. Ach ja, Achterbahnen nicht zu vergessen. In die bekommen mich keine zehn Pferde, weil ich den Rausch der Geschwindigkeit nicht vertrage. Da fühle ich mich immer ganz seltsam. Schlecht für die Wirbelsäule ist es obendrein, wenn man so hin und her geschleudert wird.

    Kathrin und ich haben diese Tradition während unserer Schulzeit begonnen. Seit meinem Studium sind auch mein Mitbewohner und sein bester Kumpel Tim dabei. Letzterer beschwert sich gerne, dass wir Dinge aussuchen, wo er sich zu Tode langweilen würde. Auf die Kartbahn wollen wir eben nicht. Kathrin hat gar keine Ahnung, wie sie so ein Fahrzeug bedienen soll und ich habe die Befürchtung, dass Tim versuchen wird uns alle zu rammen. - Er kann so schlecht verlieren. - Am Ende hat jeder ein Schleudertrauma, aber Tim hat es unglaublichen Spaß gemacht. Das ist nicht der Sinn eines Ausflugs. Es soll uns allen Spaß machen, nicht nur einer einzigen Person.

    Meist läuft es so ab, dass ein paar Vorschläge gemacht werden und aus all diesen entscheiden wir uns schließlich für einen. Aus unerfindlichen Gründen ist es uns in diesem Jahr im Vorfeld nicht gelungen, Ideen zu entwickeln, was wir am Pfingstmontag unternehmen könnten. Anscheinend hatten wir in diesem Jahr Besseres im Kopf, als auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden.

    Es ist gerade mal eine Woche und ein paar Tage bis Pfingsten, als mein Großonkel mich zufällig darauf aufmerksam macht Und ich aus allen Wolken falle.

    Falls du an Pfingsten auf die Idee kommen solltest, mich besuchen zu wollen, wirst du ein leeres Haus vorfinden. Ich befinde mich auf Kur, teilt er mir mit.

    Ungläubig sehe ich meinen Großonkel an. Seit wann geht er freiwillig auf Kur? Nur von alten Leuten umgeben zu sein, war ihm immer ein Graus. Da muss man sich fragen als was er sich selbst sieht. Als Jungspund? Das trifft eigentlich nur auf Elefant Frechsack zu, der man ihre fast fünfzig Jahre nicht anmerkt - von ein paar Falten mal abgesehen.

    Hat mir die Kasse bezahlt. Na ja, einen großen Teil davon, den Rest trage ich, aber das ist es mir wert, damit ich Gerhard nicht sehen muss.

    Gerhard ist sein missratener Sprössling. Soweit ich weiß, haben die beiden sich noch nie leiden können. Jedenfalls behauptet Heinrich, sein Sohn hätte schon als kleiner Junge nur Fisimatenten gemacht, wenn er mal was von ihm wollte. Inzwischen ist der Graben zwischen ihnen so tief, dass der eine dem anderen irgendwelche Unterstellungen macht. Angeblich würde Gerhard versuchen, seinen Vater in ein Altenheim abschieben zu wollen, damit er an das Haus käme, welches Heinrich mit eigenen Händen innerhalb weniger Wochen selbst gebaut hat. Das Problem hierbei ist, dass mein Großonkel gar nicht einsieht, warum er in ein Altenheim ziehen soll. Die Wehwehchen anderer hätten ihn noch nie interessiert, außerdem wären dort nur alte Leute um ihn herum. Das ist natürlich das Schlimmste, was ihm passieren kann. Andauernd wird er daran erinnert, auch nicht mehr der Jüngste zu sein. Da ist der Weg ins Grab nicht mehr weit.

    Heute mag es für mich vielleicht lächerlich klingen, aber vielleicht will man im Alter tatsächlich nichts mehr von Krankheiten hören, weil man dann selbst krank wird oder schon daran leidet. Nur was werde ich in fünfzig oder sechzig Jahren selber darüber denken?

    Wann ist denn Pfingsten?, will ich wissen, weil das für mich noch ewig hin zu sein scheint. Wir hatten gerade erst Ostern.

    Fünfzig Tage nach Ostern. Emil, also dein Großvater, wäre sehr enttäuscht von dir, wenn er wüsste, dass du das nicht weißt.

    Der ist auch so enttäuscht von mir. Mein Großvater hält nicht viel von mir, weil man sich angeblich mit mir nicht unterhalten könne. Erstens lasse ich mich nicht aushorchen und zweitens schaltet man irgendwann ab, wenn man bei jedem Besuch irgendwelche Schlagballspiele aus der Schulzeit erzählt bekommt. Da ist Cousin Schleimscheißer ausnahmsweise geschickter als ich. Im Heucheln kann ihm niemand das Wasser reichen, von seiner Mutter, der dicken Schlange, einmal abgesehen. Meine Tante habe ich so nicht genannt, die Bezeichnung stammt von Heinrich, der sie ihr verpasst hat aufgrund ihrer Körperfülle, obwohl sie sich angeblich nur von Salatblättern ernähren würde. Wissen wir, in welchem Dressing diese Salatblätter schwimmen?

    Ich wollte wissen, in wie viel Wochen Pfingsten ist, formuliere ich die Frage um.

    Das die heutige Jugend sich so unpräzise ausdrücken muss, brummelt mein Großonkel. Dabei hatte er die Frage absichtlich falsch verstanden, um sich einen Scherz mit mir zu erlauben. Ich kenne ihn. In anderthalb Wochen.

    Schon?, sage ich geschockt und kann nicht glauben, dass mir tatsächlich entgangen ist, wann Pfingsten ist. Das ist kaum möglich, wo ich doch alle Feiertage im Kopf habe. Was ist mir gedanklich nur dazwischen gekommen?

    Hast du einen Urlaub geplant und dein Pass ist abgelaufen? Dafür musst du tief in die Tasche greifen. Expresspässe kosten ein Heidengeld, falls du es überhaupt schaffst einen zu beantragen. Die Ämter sind chronisch unterbesetzt oder das System funktioniert nicht.

    Ich hab' eben nichts an Pfingsten geplant, weil ich dachte, das wäre noch lange hin.

    Fünfzig Tage nach Ostern. Beim heutigen Rasen der Zeit wäre das bereits übermorgen.

    Übermorgen? Großonkel Heinrich scheint mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs zu sein. Wie kann ein Tag schneller vergehen wie eine Sekunde? Will er sich wieder einen Scherz mit mir erlauben? Das kann ich auf den Schock nicht vertragen.

    Wo soll ich denn jetzt eine Idee hernehmen?, jammere ich laut vor mich hin, als könnte mein Großonkel mir helfen und einen passenden Vorschlag machen.

    Sollst du für Pfingsten was basteln? Das macht doch immer deine Freundin. Wie heißt die Überdrehte noch gleich?

    Selbst mein Großonkel hat bereits bemerkt, dass meine beste Freundin nicht ganz normal ist. Überdreht ist nur eine Stufe von verrückt entfernt.

    Kathrin, erwidere ich.

    Genau, die immer so schöne Osterdekoration macht, auch wenn sie immer noch keine Eier behäkelt.

    Kommt noch, wenn sie endlich versteht, wie man nicht nur lange Schnüre häkelt. Glücklicherweise dürfte das noch etwas dauern. Momentan liegt ihr Augenmerk auf Pailletten und Perlen. Solange das anhält, bleibe ich vor extremen Staubfängern und Milbennestern verschont.

    Es geht nicht ums Basteln, sondern darum, dass ich keine Idee habe, was wir für einen Ausflug machen sollen. Jedes Jahr an Pfingsten unternehmen wir etwas gemeinsam. Nur dieses Mal hat noch keiner von uns einen Vorschlag gemacht.

    Geht doch in den Zoo, da ist immer was los. Tauziehen gegen Elefanten, Eselsrennen und Kaninchen streicheln.

    Kaninchen streicheln? Wie alt bin ich denn? Na gut, Kathrin kommt aus diesem Alter nie raus. Aber wann war mein Großonkel das letzte Mal im Zoo? Vor dem Krieg oder nach dem Krieg? Ich habe noch nie gehört, dass Frechsack in jungen Jahren Tauziehen gemacht hat. Besonders lang ist ihr Rüssel nicht. Ob sie dazu überhaupt Lust hat? Wenn man ihr einen Berg Äpfel in einiger Entfernung auftürmt, macht sie es bestimmt.

    Ich gehe nie zu Pfingsten in den Zoo. An Feiertagen ist es dort viel zu voll.

    Ja, sich in einer riesigen Masse fortzubewegen ist nicht schön. Wenn vorn einer steht, geht gar nichts mehr. Für was interessiert man sich denn in euren Alter? Bildende Kunst und Architektur eher weniger. Jedenfalls macht der Freund deines Mitbewohners nicht den Eindruck, als ob er etwas davon verstehen würde. Als ich den beiden was von Gaudi erzählte, glaubte der, da sei im Park von Barcelona viel losgewesen und alle hätten ihren Spaß gehabt.

    Tim kennt sich nur mit Bier aus. Da kann ihm niemand etwas vormachen.

    Ach, jetzt ein schönes Glas Gerstensaft wäre nicht schlecht, sagt mein Großonkel und schließt träumerisch die Augen. Fehlt nur noch, dass er sich über die Lippen leckt. Du hast nicht zufälligerweise irgendwo eine Flasche in deinem abstinenten Haushalt herumstehen?

    Ich nicht, aber mein Mitbewohner, erwidere ich. Der hat gestern ein paar Flaschen von einer neuen Sorte mitgebracht.

    Er wird mir immer sympathischer, wenn er nur nicht so seltsam wäre. Man könnte glauben, der wäre vom anderen Ufer.

    Lass das bloß nicht meinen Mitbewohner hören, geht es mir durch den Kopf.

    Stumm sehe ich Heinrich an, ob er tatsächlich ernst meint, was er sagt. Schließlich wende ich mich ab, denn ich kann mich nicht mehr zusammenreißen, so sehr ich mir auch auf die Unterlippe beiße.

    Mein Mitbewohner und schwul. Ein Glück, dass er das nicht gehört hat. Der würde auf der Stelle in Ohnmacht fallen, denn dieser Schmach wäre er nicht gewachsen. Es gibt nämlich nichts Schlimmeres für ihn, als wenn jemand annimmt, er sei schwul. Außer jemand behauptet, er habe eine Mädchenhandschrift, aber das ist Tatsache.

    In der Küche angekommen, grinse ich immer noch übers ganze Gesicht wie jemand, der irgendwelche verbotenen Substanzen zu sich genommen hat. Das ist auch zu komisch, wie jeder annimmt, mein Mitbewohner sei schwul, wo dieser alles Mögliche probiert, damit genau das nicht angenommen wird. So ganz unter uns: Er ist wirklich nicht schwul, nur leicht paranoid-homophob veranlagt. Völlig harmlos. Sollte man nicht weiter beachten.

    Im Kühlschrank steht kein Bier. Wo hat mein Mitbewohner nur seine neuesten Errungenschaften hingestellt? Unter der Spüle vielleicht? Auch nicht. Wo soll ich jetzt nur suchen? Und mein Großonkel wartet auf sein Bier. Dass mein Mitbewohner die Flaschen auch nicht dort hingestellt hat, wo jeder normale Mensch sie vermuten würde.

    Was gehe ich eigentlich davon aus, dass er normal wäre? Richtig, also muss ich nun dort suchen, wo ich sie garantiert nicht vermuten würde. Das Klo klammere ich dennoch aus. So verrückt wird er wohl nicht sein. Oder doch? Ich schwanke zwischen ja und nein. Schließlich entscheide ich, das Badezimmer ganz zum Schluss aufzusuchen, falls ich nirgendwo sonst fündig werden sollte. Könnte möglich sein, dass er die Flaschen in der Badewanne kühlt. So etwas darf man ihm durchaus zutrauen.

    Wo fange ich am besten an, wenn es keinen Anfang gibt? Nein, das Zimmer meines Mitbewohners wird auch erst ganz zum Schluss durchsucht, kommt genau vor der Toilette. In dem Zimmer riecht das immer so komisch - nach ungewaschenen Socken und Raumspray. Eine ganz schlimme Mischung. Besonders wenn das Raumspray so ähnlich wie ein Toilettenstein riecht. Wo er das wieder her hat, will ich gar nicht wissen.

    Wenn ich jetzt ins Wohnzimmer gehe, treffe ich auf Heinrich, also bleibe ich lieber im Flur. Fange ich mit der Vorratskammer an. Dort werden normalerweise die Getränke gelagert, damit man in der Küche nicht andauernd über die Kisten stolpert. Ich würde dort die Bierflaschen lagern, allerdings denke ich auch logisch, selbst wenn ich es mit dem abstrakten Denken ein wenig hapert.

    Unauffällig werfe ich einen Blick ins Wohnzimmer. Von meinem Großonkel geht derzeit keine Gefahr aus. Ruhig sitzt er im Sessel und schläft. Aber ich wecke ihn lieber nicht auf, bevor ich ein Bier für ihn gefunden habe. Lieber die Flasche in der Hand, dass ich gleich jegliche Diskussion, warum das so gedauert hat, im Keim ersticken kann.

    Noch bevor ich ganz in der Speisekammer bin, sehe ich mehrere Bierflaschen in der obersten Kiste Mineralwasser stehen. Hat er es endlich verstanden, wo die Flaschen hingehören. Hat lange genug gedauert. Hoffentlich bleibt das so, allein mir fehlt der Glaube. Dass sie nicht in der dafür vorgesehenen Kiste stehen, will ich großzügig übersehen. Allein der Wille zählt und das muss man meinem Mitbewohner bereits hoch anrechnen.

    Ohne einen Blick auf das Etikett zu werfen, nehme ich eine Flasche. Tim und mein Mitbewohner haben genug vorrätig, können durchaus eine fehlende Bierflasche verschmerzen.

    Mein Großonkel schläft immer noch, als ich ins Wohnzimmer zurückkehre. Sein Schnarchen ist wahrscheinlich noch in der Nachbarwohnung zu hören. Na ja, spätestens wenn dort geklopft wird, weiß ich, dass sie sich einbilden, gestört zu werden. Ich könnte es verstehen, wenn ich klassische Musik in einer ohrenbetäubenden Lautstärke laufen hätte. Da fühlt man sich natürlich gestört, wenn man nur Volksmusik hört.

    Wir melden uns zurück zur zweiten Halbzeit. Das Spiel war bisher durchwachsen. Beide Mannschaften bemühen sich, stehen sich nur leider selbst auf den Füßen, als dass sie den Weg in den gegnerischen Strafraum finden, beginne ich wie ein Radioreporter, der ein Fußballspiel moderiert. Zufrieden stelle ich fest, dass es funktioniert. Als ehemaliger Jugendtrainer unseres, über die Ländergrenzen hinaus bekannten, städtischen Vereins, springt mein Großonkel auf alles an, was nur im Entferntesten mit einem Fußballspiel zu tun haben könnte.

    Haben die wieder vergessen, dass bei einem Einwurf das Abseits aufgehoben ist? Kein Wunder, dass sie auf der Stelle treten.

    Ausgeschlafen?, will ich wissen. Am besten ist es, wenn man nun nicht weiter auf das Thema Fußball eingeht, sonst hält mir Heinrich einen Vortrag, der heute Abend noch nicht vorbei ist. Wenn er so ein Trainergenie gewesen ist, wie er immer behauptet, warum hat er es nie auf den Chefsessel der Profimannschaft geschafft? Wahrscheinlich nicht die richtige Trainingslizenz gehabt, aber heutzutage soll man angeblich sogar den kompletten Lösungsbogen vorab bekommen, wenn man nicht so gut in der Theorie ist. Behauptet Tim jedenfalls hartnäckig und lässt sich auch von nichts anderem überzeugen. Mein Großonkel unterstützt in kräftig bei seiner These, weil einer seiner früheren Spieler als Jahrgangsbester den Fußballlehrer-Kurs abgeschlossen hat. Dabei würde dessen Intelligenz für so etwas nicht ausreichen.

    Ich erinnere mich an eine Anekdote, wo ich meinen Großonkel mal zu einem Training der Profis begleitet habe. Als der Cheftrainer Heinrich erblickte, verschwand er auf unerklärliche Weise und ließ seinen Assistenten das Training leiten. Heinrich war sehr enttäuscht, wo er mit seinem ehemaligen Schützling gerne ein paar Takte gesprochen hätte. Vor allem wollte er ihm einige Ratschläge erteilen, wie er es besser machen könnte. Nur will die nie jemand hören. Kein Wunder, dass der Verein eher in der unteren Tabellenhälfte sein Dasein fristet, als oben oder international mitzuspielen.

    Aber hochinteressant, wie versucht wird, meinem Großonkel aus dem Weg zu gehen, geradezu wie der Teufel das Weihwasser meidet. Wenn es um sein Wissen geht, war er schon immer ein wenig pedantisch. Man erträgt es oder ergreift rechtzeitig die Flucht. Als seiner Verwandten bleibt mir hingegen nur die erste Möglichkeit, um ihn nicht zu verprellen.

    Geschlafen? Ich habe nur meine Augen ein wenig ausgeruht. Schlafen kann ich, wenn ich tot bin oder alt, ereifert sich mein Großonkel.

    Ich merke mir für alle Zeiten: Themen, die Heinrich alt erscheinen lassen könnten, bleiben lieber unerwähnt. Nur soll ich ihn jetzt immer schlafen lassen bis er von selbst aufwacht? Muss ich immer mit Lärmschutzohrhörern herumlaufen, damit ich sein Schnarchen nicht hören muss? Dann werde ich nicht einmal mitkriegen, wie meine Nachbarn einen Durchbruch in die Mauer schlagen, weil sie das Wald abholzen nervt. Erst wenn es staubt, durch das zusammenbrechen der Wand, werde ich darauf aufmerksam werden. Da wird es zu spät sein. Lärmschutzkopfhörer können nicht die Lösung sein.

    Am besten lasse ich Heinrich nicht mehr im Sessel sitzen. Über die Unbequemlichkeit des Sessels hat er sich bereits mehrfach beschwert. Folglich dürfte er nicht einschlafen, wenn er darauf sitzt. Problem gelöst, Wohnung gerettet. Sehr schön. Aber gab es überhaupt ein Problem?

    Hast du tatsächlich etwas gefunden?, will mein Großonkel wissen, obwohl ihm die Flasche Antwort genug sein dürfte. Das hat auch lange genug gedauert. Meine Kehle ist schon ganz ausgedörrt.

    Dafür muss man Heinrich einfach mögen, immer ein nettes Wort auf den Lippen.

    Was hast du denn da? Zeig mal her! Fordernd streckt er die Hand aus. Bürgerbock - nie gehört.

    Wahrscheinlich irgendeine neue Sorte. Tim und mein Mitbewohner probieren gern neue Sorten aus.

    Solange es nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wurde, kann es mir egal sein. Mach schon auf!

    Nein, ich werde nicht fragen, wie das Wort mit den zwei t heißt. Am Ende kommt da noch so etwas wie flott oder hurtig raus. Ach nein, das letzte Wort hat nur ein t und fällt damit raus.

    Beim Eingießen bekomme ich kluge Ratschläge, wie man die Blume oder einfacher gesagt, den Schaum, möglichst gering halte. Wenn es nach Heinrich ginge, müsste ich den Krug dermaßen schräg halten, dass nach wenigen Schlucken die Flüssigkeit aus dem Glas laufen würde. Das wäre allerdings eine unnütze Verschwendung des guten Gerstensaftes.

    Mit meiner Methode funktioniert es auch ganz gut. Das wird natürlich nicht gesehen.

    Sehr schön gemacht, lobt mich Großonkel Heinrich. Auf meine jahrzehntelange Erfahrung kann man sich verlassen.

    Dann wundere ich mich, dass er bisher nicht verdurstet ist.

    Mein Großonkel nimmt einen großen Schluck, will sich seine Oberlippe abwischen, als er angewidert das Gesicht verzieht. Beinahe erwarte ich, dass er das Bier zurück in den Krug spuckt.

    Igitt, was hast du mir da angedreht? Das ist doch eines dieser selbstgebrauten Gesöffe. Wieso willst du mich vergiften? Hast du dich mit Gerhard zusammengetan? Hätte ich nie gedacht, dass du mich hintergehst. Aber beim Geld hört eben die Freundschaft auf und vor allem die Verwandtschaft, überschüttet er mich mit Vorwürfen.

    Das ist doch die Höhe! Ich soll mit seinem missratenen Sohn unter einer Decke stecken? Ist Heinrich jetzt völlig übergeschnappt? Ich weiß, dass er paranoid ist, nur bisher blieb ich davon verschont. Jetzt bin ich beleidigt. Man kann mir viel unterstellen, aber das geht zu weit! Ich habe es nicht auf sein Erbe abgesehen.

    War wirklich nett, dass du mich besucht hast, aber jetzt habe ich zu tun. Würdest du also aufstehen und gehen, fordere ich ihn mit zusammengepressten Zähnen auf.

    Darf ich mir nicht einmal einen Scherz erlauben? Du bist noch dünnhäutiger als dein Mitbewohner.

    Wenn das ein Scherz war, da lachen ja die Hühner. Ich weiß genau, wann Heinrich einen Witz macht und dies war todernst gemeint.

    Komm mir nie wieder damit, ich hätte mich mit Gerhard verbündet. Deinen netten Herrn Sohn habe ich bereits als Kleinkind nicht gemocht.

    Wenn wir uns auf Familienfeiern getroffen haben, hat er uns Kinder mit solch einer Menge Schokolade beschenkt, dass wir daran hätten ersticken können. Nur ich habe seine Geschenke immer verschmäht. Was musste er auch immer diese elende Kinderschokolade mitbringen? Deren Geschmack war damals wie heute abartig, jedenfalls für meinen verwöhnten Gaumen. Kein Wunder, dass ich für Heinrichs Sohn ein rotes Tuch bin. Ich bin die einzige gewesen, die ihm nie aus der Hand gefressen hat, sondern ihn immer skeptisch beäugte, von mir aus auch misstrauisch oder ich weiß nicht was. Jedenfalls war das wohl auch ein Grund, warum Großonkel Heinrich große Stücke auf mich hält. Ich habe mich nie von jemandem bestechen lassen, um ihn zu mögen. Die es versucht haben, sind einfach daran gescheitert, dass sie mit Dingen gekommen sind, die ich entweder nicht mag, für die ich mich nicht interessiere oder mit denen ich nichts anfangen kann. Ja gut, die letzten beiden Punkte überschneiden sich, ich gebe es zu.

    Aber so habe ich meine Großeltern vergrault, dass sie heute noch glauben, ich sei nicht normal. Was kann ich denn dafür, wenn ich Pferde langweilig finde und Schlager mit Roy Black mir nicht anhöre? Die Filme mit ihm waren ganz in Ordnung, aber deshalb muss ich mir noch lange nicht seine Musik anhören.

    Egal, ich habe schließlich noch ein zweites Paar Großeltern und Heinrich, meinen Großonkel. Das reicht mir vollkommen, weshalb ich auf Heinrichs Bruder verzichten kann.

    Wer bei normalem Menschenverstand ist, kann meinen Sohn auch nicht mögen. Klare Aussage. Das sagt der Vater über den eigenen Sohn. Zwischen den beiden muss wirklich allerhand Porzellan zerschlagen worden sein. Wenn ich bloß wüsste, was zwischen denen passiert ist. Angeblich ist Heinrich davon überzeugt, Gerhard sei nicht sein eigen Fleisch und Blut. Das war nur der Schock, weil das Bier so gruselig geschmeckt hat. Das ist schlimmer als eines dieser widerlichen Pinkelbiere.

    Heinrich schnuppert kurz an dem Glas und verzieht die Nase. Angewidert hält er mir den Krug hin. Das kann ich nicht trinken, lieber verdurste ich oder trinke eines dieser Pinkelbiere. Wobei, lieber an Durst zugrunde gehen, als sich vergiften lassen.

    Vorsichtig nippe ich an dem Glas, natürlich an einer Stelle, wo mein Großonkel nicht mit seinem Mund dran war. Ich möchte den Geschmack des Bieres nicht mit irgendeiner Minzpaste seiner Zähne verfälschen. Wobei man das nicht noch weiter verunstalten kann, wie ich nach dem ersten kleinen Schluck feststelle. Das erinnert an kein Bier, vor allem kein Bockbier. Es gibt absolut nichts Bitteres, nur Würze, exotische Würze.

    Es schmeckt mehr nach Sojasauce mit Lakritzgeschmack, sage ich.

    Lakritz? Panik steigt in meinem Großonkel auf.

    Herrje, hoffentlich verursacht Lakritz keine Unverträglichkeit oder Wechselwirkung mit einem Medikament. Wenn Heinrich mir umkippt, habe ich gleich seinen Sohn am Hals, der mir unterstellen wird, ich wolle seinen Vater vergiften, um ans Erbe zu kommen. Einer reicht mir von der Sorte, der mich grundlos verdächtigt, da brauche ich keinen Zweiten. Außerdem weiß ich überhaupt nicht, was in Heinrichs Testament überhaupt steht, auch wenn ich

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