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Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera
Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera
Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera
eBook441 Seiten6 Stunden

Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera

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Über dieses E-Book

Gibt es ein Leben nach dem Tod?
Vera, jung und erfolgreich, glaubt so gar nicht daran.
Auf einer Dienstreise nach Brüssel lernt sie einen netten Kollegen kennen und beginnt sich zu verlieben. Doch Profikiller machen ihrem Leben ein jähes Ende und Vera wird in eine Welt gestoßen, die wir nur aus Alpträumen zu kennen glauben und die doch gleich hinter unserem Wachbewusstsein beginnt.
Sie erlebt eine Achterbahnfahrt durch Himmel und Hölle ihrer Vorleben in längst vergangenen Jahrhunderten. Sie erkennt, warum ihre Liebesbeziehung in Wien gescheitert ist, und dass sie dem Mörder ihrer Eltern aus dem sechzehnten Jahrhundert jetzt in Brüssel wieder begegnet ist.
Mit Hilfe alter und neuer Freunde aus dem Jenseits gewinnt sie so viel Kraft, dass sie der Polizei spirituell helfen kann, die Profikiller zu jagen.
Aber neue Schwierigkeiten kommen auf Vera zu, da sie auf der Erde wiedergeboren werden möchte und diesmal alles besser machen will, als im viel zu kurzen letzten Leben.
Aber ihr künftiger Vater gerät in Lebensgefahr, ehe er sie noch zeugen kann, was kann Vera jetzt tun?
Die neuesten Erkenntnisse aus der Jenseitsforschung in Form eines spirituellen Kriminalromans.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum3. Aug. 2017
ISBN9783742778994
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    Buchvorschau

    Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera - Andreas Hermann

    Vorbemerkung

    Es ist uns gesagt worden, es gibt ein Leben nach dem Tod. Seit Jahrtausenden gibt es Menschen, die daran glauben, trotzdem wissen wir es bis heute nicht wirklich.

    Diese Geschichte erzählt darüber, wie es ist, wenn es das Leben nach dem Leben gäbe. Dabei ist nur eines sicher, es ist alles ganz anders, als uns die Kirchen heute lehren.

    Im auf der Erde handelnden Teil, der in den späten Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts spielt, lebt Vera, eine junge Frau Anfang Dreißig, ihre schwierigen Liebesbeziehungen und Karrierepläne aus. Sie findet den scheinbar Richtigen erst, als es längst zu spät ist, als ihr Leben unerwartet zu Ende geht.

    Danach findet sich Vera in einer jenseitigen Wahrnehmungsebene wieder, in der sie erkennen kann, welche schrecklichen Ereignisse in ihren früheren Leben ihre Entscheidungen in ihrem jetzigen Leben bestimmt haben.

    Hier stellt sich die Frage, was ist Traum und was ist Erinnerung und wo ist der Unterschied zwischen Beiden?

    Wie viele Vorleben wir haben, wissen wir nicht. Viele Menschen glauben an Wiedergeburt, manche auch nicht, aber was würde sich ändern, wenn wir wüssten, dass es mehr als das eine Leben auf Erden für uns gibt.

    Und woher kommen unsere Ahnungen, dass da mehr sein könnte, als uns die Wissenschaft bisher hat erklären können, und wo schon Goethe sagte, „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich unsere Schulweisheit je träumen lässt".

    Danksagung

    Diese Geschichte hätte ohne die Hinweise von Veronika und Christian sowie die Unterstützung von Evelyn nie geschrieben werden können. Sie haben mir den Mut gegeben, mit dieser Geschichte den herkömmlichen Rahmen dessen, was wir gemeinhin unsere Wirklichkeit nennen, zu verlassen. Ihnen möchte ich Dank aussprechen, dass es zu diesem Buch kommen konnte.

    Kapitel 1

    Die Maschine durchstieß die Wolkendecke. Eben war noch greller Sonnenschein durch das Kabinenfenster geschienen, nun wurde es von Minute zu Minute düsterer und dämmriger, während die Maschine rasch tiefer sank. Es war der Sonntag-Nachmittagflug von Wien nach Brüssel.

    Vera war das erste Mal mit diesem Flug dienstlich unterwegs. Sie genoss das Service in der Businessklasse und lehnte sich entspannt in ihrem Sitz zurück. Sie hatte allen Grund, mit sich zufrieden zu sein, denn sie hatte es beruflich geschafft.

    Dr. Vera Zimmermann, wie sie mit vollem Namen hieß, war einunddreißig Jahre alt und seit kurzem Abteilungsleiterin der Rechtsabteilung ihrer Firma. Das war ein weltumspannender EDV Konzern. Vera arbeitete in der Wiener Niederlassung mit Aussicht auf eine internationale Karriere. Der erste Schritt dazu könnte diese Dienstreise nach Brüssel werden, dachte sie, als sie aus dem Kabinenfenster in die graue Nebelwand blickte.

    Wenn sie auch nur im Entferntesten geahnt hätte, was in Brüssel auf sie zukommen würde, wäre sie in Wien niemals weggeflogen. Doch die Geschichte nahm unaufhaltsam ihren Lauf und Vera wusste von nichts.

    Die Maschine durchstieß die Unterkante der Wolkendecke und die kleinen Häuschen der Brüsseler Vororte kamen in Sicht. Knapp hundert Meter unter Vera erstreckten sich endlose Reihenhaussiedlungen.

    Da setzte die Maschine auch schon mit einem kräftigen Ruck auf. Niemand applaudierte, da nur Businessreisende an Bord waren, die den Sonntagsflug genommen hatten, um Montag Früh in Brüssel ihren Geschäften nachzugehen.

    Der Flughafen war alt und verwinkelt. Vera war erstaunt, dass die Hauptstadt der Europäischen Gemeinschaft, wie das damals noch hieß, keinen schöneren Flughafen hatte.

    Da stand sie nun in ihrem hellgrauen Businesskostüm mit dem etwas engen Rock, der ganz knapp oberhalb der Knie endete und wartete auf ihren Koffer. Nein, ihre Figur brauchte sie nicht zu verstecken. Sie wusste, dass sie sehr hübsch war, und das Kostüm brachte ihre schlanke Figur richtig zur Geltung. Bei ihr saßen die Rundungen genau dort, wo sie sitzen sollten und nicht dort, wo auch schon manche Frauen ihres Alters mit Pölsterchen zu kämpfen hatten. Ihre brünetten Haare trug sie schulterlang und für heue waren sie streng nach hinten frisiert und mit einer Haarspange zusammengehalten.

    Meistens genoss sie es, wenn ihr ein Mann bewundernd hinterher sah. Nur hier im Ausland konnte Frau nie wissen, wozu sie einen Mann ermutigte, wenn Frau sich nicht entsprechend den Landessitten verhielt, weil sie diese nicht kannte. Sie wusste sehr wenig über Belgien, außer dass die EG-Institutionen hier ihren Sitz hatten.

    Es dauerte eine ganze Weile, bis sich das Förderband in Bewegung setzte, und anfing, die Koffer aus Wien auszuspucken. Es kam Koffer um Koffer, nur Veras Koffer war nicht dabei. Sie wollte gerade beginnen, sich Sorgen zu machen, als er über die Kante der Gepäckanlage kippte.

    Zum Glück hatte ihr Koffer Räder, denn sie hatte für eine Woche Brüssel jede Menge Garderobe mit. Der Koffer war so schwer, dass sie ihn kaum heben konnte. Denn sie wusste, dass es etliche Abendeinladungen geben würde, wo sie interessante Leute aus dem amerikanischen Stammhaus oder aus den weltweit verstreuten Konzernniederlassungen kennen lernen könnte.

    Die Eisenbahnverbindung ins Zentrum von Brüssel war alt und rumpelig. Vera hoffte nur, dass ihr Kostüm durch die vergammelten Sitze nicht allzu schmutzig werden würde, aber bis Brüssel Zentrum wollte sie auch nicht stehen. Langsam schaukelte der Zug vorwärts und Vera hing ihren Gedanken nach.

    Vera war die Tochter eines wohlhabenden Wiener Anwalts, der eine der großen Anwaltskanzleien der Stadt sein Eigen nannte. Er beschäftigte 12 Topjuristen und mehr als dreißig Angestellte. Armut kannte Vera nicht. Ihre Eltern waren wohlhabend, wie sie selbst es ausdrückten. Andere hätten gesagt, reich. Aber ihrem Vater war es fremd, mit seinem Reichtum zu protzen, denn Geld hatte man eben, aber man sprach nicht darüber.

    Seine Kinder waren da schon anders. Vera hatte es schon in der Schule gefallen, die neueste Mode vorzeigen zu können, die ihre Freundinnen neidisch machte. Die Familie wohnte im neunzehnten Bezirk, ganz nahe am Stadtrand in einer alten Villa. „In dieser noblen Gegend gebe es keine armen Menschen", meinte Vera. Die Eltern ihrer Schulkolleginnen waren alle mehr als wohlhabend. Vera war in ein privat geführtes Klostergymnasium gegangen, eine der Wiener Nobelschulen, wo es nur Schüler gab, deren Eltern sich das hohe Schulgeld auch leisten konnten.

    Die Clique, mit der sie zusammensteckte, kam sich sehr gut vor und wusste das Geld der Eltern hinter sich. Vera und ihre Freundinnen zogen von Party zu Party und genossen ihr Leben. In der Schule spielte sie immer das fromme höhere Töchterchen, aber bei den Partys flirtete sie mit allen Jungs, die ihr gefielen. Bei alledem hatte sie damals aber trotzdem keinen festen Freund. Ein bisschen Herumknutschen nach der Tanzschule, das war alles, was sich damals ergeben hatte.

    Die Burschen fanden sie hinreißend und sie konnte jedem den Kopf verdrehen, aber sie wollte sich mit keinem wirklich einlassen.

    Herbert, ihr Bruder, war mit siebzehn ihr großes Vorbild gewesen. Sie wollte so unabhängig sein, wie er. Heute war er nicht mehr ihr Vorbild. Er war sieben Jahre älter als Vera und hatte bis heute keine feste Beziehung zustande gebracht. Er wollte immer nur ein gut aussehendes Mädchen fürs Bett und zum Ausgehen. Aber nie für lange, denn bald langweilte er sich in einer Beziehung und ein Wechsel musste sein.

    Vera hatte schon eine längere Beziehung hinter sich und war nun seit sechs Monaten mit Michael zusammen. Diese Beziehung war nicht das, was man allzu eng nennen konnte, denn sie sahen sich durchaus nicht jeden Abend. Es gab Zeiten, da sahen sie sich gerade zum Wochenende, da jeder so von seinem Beruf ausgefüllt war, dass für die Gemeinsamkeit keine Zeit mehr blieb.

    Ihr Bruder war immer noch Single und seit drei Jahren alleiniger Leiter der Kanzlei des Vaters, seit sich dieser endgültig zur Ruhe gesetzt hatte. Partner waren in der Kanzlei immer vermieden worden und Herbert wollte auch niemanden neben sich haben, der ihn womöglich kontrollieren könnte. Er war ein Leichtfuß, der das Leben nicht ganz ernst nahm, was schlecht zu einem Juristen passte. Das könne sich einmal bitter rächen, dachte Vera öfters über ihren Bruder.

    Ihr Vater hätte es lieber gehabt, wenn sie ihrem Bruder in der Kanzlei zur Hand gegangen wäre und die Kanzlei gemeinsam mit ihm geleitet hätte. Herbert traf oft sehr leichtfertig schwerwiegende Entscheidungen und dachte nicht genug an die Konsequenzen. Für die Leitung einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei mit dreißig Mitarbeitern war das gefährlich. Trotzdem hatte ihr der Vater den Job im Computerkonzern nicht ausgeredet. Er dachte, sie solle einmal die Welt kennen lernen und später könne sie immer noch in die Kanzlei einsteigen.

    Denn Vera wollte mit jungen und interessanten Menschen zu tun haben. Sie wollte ihre Fremdsprachenkenntnisse einsetzen können. Wozu sprach sie fließend Französisch, Englisch und ein wenig Spanisch. Die Klienten in der Kanzlei, die waren ihr alle viel zu alt und unmodern, wie sie ihrem Vater immer wieder vorgehalten hatte.

    Kapitel 2

    Vom Bahnhof hatte sie ein Taxi genommen und nun stand sie am Fenster ihres Hotelzimmers und blickte über die Dächer von Brüssel. Vom fünfzehnten Stock des Hilton hatte man normalerweise einen prächtigen Blick über die ganze Stadt. Nur heute war der Himmel neblig und mit dunklen, tiefhängenden Wolken verhangen, so dass selbst die Kugeln des Atomiums, dem herausragenden Wahrzeichen Brüssels, nicht einmal zu erahnen waren. Der Nieselregen erhielt vom nahen britischen Kanal beständig Nachschub und ließ immer wieder einen Schauer über der Stadt niedergehen. Ende September hätte das Wetter in Brüssel noch etwas freundlicher sein können.

    Vera achtete nicht auf das Wetter, denn mit einem Mal war sie unzufrieden mit sich selbst, obwohl sie keinen Grund finden konnte. Hatte sie nicht alles erreicht, was sie sich im Leben bisher vorgenommen hatte und nicht allen Grund, froh und selbstbewusst in die Zukunft zu blicken. Besonders jetzt, auf ihrer ersten großen Auslandsdienstreise. Aber irgendeine bedrückende Stimmung lag auf einmal in der Luft in ihrem Hotelzimmer.

    Sie konnte es sich nicht erklären. War es das düstere Wetter über der Stadt, oder war da noch etwas Anderes, das seine Fäden leise nach Vera auszustrecken begann. Vera hatte ihre Gefühle immer gerne unter Kontrolle, und wenn das nicht ging, dann ärgerte sie sich über sich selbst.

    Ein kurzer Regenschauer peitschte die Tropfen an ihr Hotelfenster. Vera stand einfach da. Es war Sonntagabend und sie hatte nichts vor, da sie hier noch niemanden kannte, den sie hätte treffen können. Das Wetter hatte ihre Lust, sich die Altstadt anzusehen, erheblich gedämpft. So dachte sie über ihr bisheriges Leben nach, über ihre Entscheidungen, die sie bis in dieses Hotelzimmer geführt hatten. Der Grauschleier, der ihre Stimmung trübte, wurde langsam dichter und dichter.

    Sie war niemals ein Kind von Traurigkeit gewesen, aber mit der großen Liebe hatte es nicht so recht klappen wollen. Ihre Freundinnen hatten alle schon längst einen festen Freund, aber sie war mit zweiundzwanzig noch immer solo gewesen. Sie studierte Jus und war von feschen Studenten umgeben, aber keiner gefiel ihr. Sie hatte an allen etwas auszusetzen. Ihre Freundinnen schwärmten von der großen Liebe und die meisten hatten damals schon einen Freund den man daheim auch den Eltern vorstellen konnte und wo die Mütter an künftige Schwiegersöhne dachten. Nur für Vera war nie der Richtige dabei gewesen. Die Jungs kamen ihr alle so dumm und unreif vor und sie fühlte sich ihnen so maßlos überlegen. Die Jungs vergötterten sie und jeder wollte mit ihr etwas anfangen, aber es wurde nie eine wirkliche Beziehung daraus.

    Sie trieb sich zwar oft bis zum Morgengrauen auf Partys herum. Sie wurde auch oft knutschender Weise mit einem der Burschen in einer Ecke gesichtet. Niemand hätte daher auch nur geahnt, dass sie mit zweiundzwanzig noch immer Jungfrau war. So hatte sie ihr Problem und fühlte sich einsam und unverstanden. Das sah ihr aber niemand an, da sie nach außen alles geschickt überspielte und den verführerischen Vamp abgab, der nur noch nie verführt worden war.

    Sie konnte ihren Traummann einfach nicht finden. Sie zweifelte schon daran, dass es ihn überhaupt gab. Für das ganze Gerede von der großen Liebe hatte sie nur Verachtung über, denn für sie gab es diese Liebe nicht. Sie hatte zwar jede Menge flüchtige Bekanntschaften, aber keinen echten Freund, mit dem sie wirklich zusammen sein konnte.

    Sie wusste auch heute noch nicht, hier in Brüssel am Fenster stehend, warum ihr das passiert war. Sie hatte eben immer Pech gehabt, redete sie sich ein.

    Doch dann musste sie an Andi denken. Da war dann plötzlich alles ganz anders gewesen. Sie dachte zurück, wie sie Andi kennen gelernt hatte und die Bilder der Vergangenheit wurden in ihr lebendig.

    Kapitel 3

    Das war mit zweiundzwanzig gewesen, als sie Andi das erste Mal getroffen hatte. Der sah total toll aus und studierte ebenfall Jus.

    Sie hatte sich von Julia, ihrer besten Freundin, alle Informationen über Andi besorgt und setzte alles daran, dass er sich in sie verliebte, denn sie fand, der müsse es sein. Sie warf ihm Blicke zu, die jeden Mann überzeugt hätten, doch Andi schienen solche Dinge völlig kalt zu lassen. Ja, sie hatte sogar den Eindruck, dass er sich ein wenig vor ihr zurückzog. In der Mensa wich er ihr aus und als sie sich auf einer dieser wilden Partys bei Tanzen eng an ihn kuschelte und ihn küssen wollte, erwiderte er einfach ihren Kuss nicht und küsste sie so, wie der Opa seine Enkeltochter als kleines Mädchen küsst.

    Daraufhin war Andi bei Vera unten durch. Sie verkündete überall, dass er schwul sein müsse. Mit solchen Leuten wollte sie nichts zu tun haben.

    Wenn dann nicht dieser Abend gewesen wäre. Claudia, eine ihrer vielen Freundinnen, war auf eine Party eingeladen und nahm sie mit, da, sie dort außer dem Gastgeber niemand kannte. Und dann musste Vera frustriert feststellen, dass sie auf ein Heavy Metall Event geraten waren, statt auf eine Schickeria Party. Jede Menge verwegen aussehende unrasierte langhaarige Rocker in ihrer schmutzigen Lederkluft, die Girls in der damals aufkommenden Punkermode mit Sicherheitsnadel und Rasierklingen bestückt. Und mitten drinnen Vera mit schicken Fummel, der so gar nicht her passte. Als dann noch so ein Rocker anfing, sie auf eine Art und Weise anzumachen, die sie bisher noch nicht kennen gelernt hatte, dachte sie nur noch an Flucht. Der Rocker wollte sie doch gleich im Nebenzimmer vögeln, was bei Vera Panik auslöste, und sie gleich an eine Vergewaltigung denken ließ.

    Wie hatte sie nur als Mädchen aus besserem Hause in solche Kreise geraten können. Tom, der Gastgeber war in dem Gedränge nirgendwo zu sehen und Claudia fand anscheinend Gefallen an den Rockertypen, da sie mit einem solchen eng in eine Ecke gedrückt stand.

    Vera hatte dem Typ gesagt, zuerst solle er noch etwas Scharfes zu trinken besorgen, dann ginge sie mit ihm ins Hinterzimmer. Und das war ihre Gelegenheit zum Abhauen, aber sofort und gleich, bevor der Rocker wiederkam.

    Und dann stieß sie an der Ausgangstür mit Andi zusammen.

    „Hallo, schön, dich hier zu sehen, begann er sofort und diesmal hielt er ihren Oberarm fest, so dass sie nicht gleich davonlaufen konnte.

    Eigentlich war sie mit Andi ja fertig, aber gegen den Rocker war Andi harmlos. Er konnte sie hier sicher hinausbringen.

    „Schreckliche Party, rief sie aus, „gehst du auch schon weg, von diesem Ort des Grauens.

    Andi lächelte und sagte einfach: „Komm´ mit, gehen wir woanders noch auf einen Drink."

    Das wollte Vera eigentlich nicht, nur weg von dieser Party. Aber besser, sie war erst einmal von den Rockern weg.

    Andi ging mit ihr in ein kleines verstecktes Lokal in der Innenstadt von Wien. Vera hatte sich zwar zuerst gesträubt, da sie vorgab, nach Hause zu wollen. In Wirklichkeit wollte sie mit Andi nirgendwohin gehen.

    Doch dann an der Theke, in diesem kleinen engen Pub, wo sie sehr dicht aneinander stehen mussten, wenn sie sich unterhalten wollten, da es sehr voll war, fragte er sie so ganz nebenbei, warum sie denn immer vor jeder Beziehung davonlaufe. „Wovor hast du denn eigentlich solche Angst, fragte er sie, „die Liebe ist doch etwas Schönes und kein Grund zur Panik.

    Sie wusste nicht, was sie entgegnen sollte, denn sie dachte nur: „Woher kennt er mich so genau, dass kann er doch nicht wissen, keiner weiß, wovor ich mich ängstige."

    Sie sahen sich in die Augen und da kam es ihr so vor, als wenn sie sich schon lange kennen würden. Ihre schroffe und unfreundliche Antwort, die sie ihm schon geben wollte, erstarb unter seinem Blick auf ihren Lippen und es war das erste Mal, dass sie richtig verlegen wurde. Sie konnte ihn nur ansehen und sagte ganz leise: „Wenn ich wüsste, warum ich immer weglaufe, aber ich weiß es selbst nicht."

    An diesem Abend diskutierten sie noch lange, denn auf einmal merkte Vera, dass sie Andi völlig falsch eingeschätzt hatte und er jemand war, der die Dinge im Leben ernst nahm und der nicht leichtfertig eine Beziehung eingehen wollte. Andi war jemand, der wusste, was er wollte. Er wollte Vera richtig kennen lernen. Das sagte er ihr und auf einmal wollte Vera auch Andi kennen lernen. Sie wollte mehr von ihm wissen und er wollte wissen, wie sie wirklich war.

    Erst als das Pub um vier Uhr morgens Sperrstunde hatte, brachen sie auf. Andi brachte Vera mit seinem alten Auto nach Hause. Erst zum Abschied küssten sie sich ganz kurz und leise.

    So hatte ihre Beziehung mit Andi begonnen. Bald war daraus eine echte Liebe geworden, dachte sie zumindest damals, am Anfang der Beziehung. In dieser Zeit kam ihr das bisherige Leben schal und öd vor. Sie liebte das erste Mal wirklich und Andi konnte ihr viele Dinge zeigen, an denen sie bisher blind vorüber gelaufen war: das Rauschen des Waldes an einsamen Lichtungen tief drinnen im Wienerwald, das Plätschern eines Baches im Waldviertel, wo Andis Eltern einen Bauernhof gekauft hatten, das Funkeln der Sterne in klaren waldviertler Nächten, wo einem der Atem gefror, das Herz aber überging, wenn die funkelnde Pracht der Milliarden Sterne und Galaxien über den Köpfen zum Greifen nahe erschien.

    Jus war nur das Zweitstudium von Andi, eigentlich studierte er Raumplanung, denn sein eigentliches Interesse galt der Gestaltung alternativer Lebensräume. Jus interessierte ihn weniger, aber in Raumplanung war es oft schwer, gleich nach dem Studium einen Job zu bekommen. So war er besser abgesichert, meinte er.

    Andis Familie lebte in Wien, hatte aber ihre Wurzeln im Waldviertel, in Waidhofen an der Thaya, wo auch seine Großeltern noch lebten. Der Vater von Andi hatte in der Nähe von Waidhofen einen alten, sehr verfallenen Bauernhof gekauft, der nun frisch renoviert manches Wochenende fern der Großstadt ermöglichte. Der Hof war groß und hatte schon lange Zeit leer gestanden. Sein Vater hatte ihn billig von der Gemeinde erworben, da die ursprünglichen Besitzer schon vor langer Zeit gestorben waren und niemand den Hof hatte haben wollen. Vera und Andi konnten sich, wenn sie wollten, dort in trauter und ungestörter Zweisamkeit zurückziehen. Die Eltern von Andi dachten da sehr liberal. Bei ihren eigenen Eltern hätte es das nicht gegeben, aber sie wussten eben nicht alles. Manchmal fühlte sie sich schon als richtige Schwiegertochter, wenn sie alle am großen Tisch in der gemütlichen weiträumigen Bauernstube saßen und zu Abend aßen. Andi, seine Eltern, Johanna, seine jüngere siebzehnjährige Schwester und Egon, sein kleiner Bruder, der Nachzügler mit zwölf Jahren. Oft waren Freunde der Familie dabei, die auch hier im hintersten Waldviertel ein Wochenendhaus hatten und einfach so vorbeischauten. Dias kannte Vera von zu Hause nicht, dort war immer alles streng geregelt, schwer und würdevoll gewesen. Wenn es eine Abendeinladung gab, hatte Vater vorher immer darauf hingewiesen, welch wichtige Leute kämen und wie wichtig es sei, den richtigen Eindruck zu machen. Vera hatte diese steifen und gespreizten Einladungen immer gehasst.

    Dies kam ihr aber erst im Waldviertel so richtig zu Bewusstsein, denn jetzt begann sie, sich von ihrer Familie abzunabeln und endlich eigene Ansichten zu entwickeln. Ihr früheres Leben, wo sie nur Ausgehen und Partys im Kopf hatte, erschien ihr vom Waldviertel aus betrachtet sehr kindisch und unreif.

    Sie besuchte sogar manchmal mit Andi gemeinsam die Sonntagsmesse in Waidhofen, obwohl der Pfarrer meistens eine schreckliche Predigt hinlegte, bei der sie sich das Lachen nur schwer verbeißen konnte. Doch die andächtig dreinschauenden in der Kirche machten einen gewissen Eindruck auf sie, auch wenn ihr Glaube an Gott in der Volksschule geendet hatte, und sie die Kirche als Traditionsverein ansah, der nur von der Vergangenheit und der Dummheit der Mitglieder lebte.

    Sie war nie religiös gewesen, obwohl ihre Familie sehr katholisch war. Aber der Katholizismus ihres Vaters stieß sie ab. Für ihren Vater war der „liebe Gott" ein gestrenger Mann, der im Himmel saß und auf der Erde für Ordnung sorgte. Ihr Vater hatte das Weltbild des Katholizismus verinnerlicht, welches die Habsburger jahrhunderte lang gelebt hatten, und das im zwanzigsten Jahrhundert einfach nur mehr fehl am Platz war. Diesem ach so allmächtigen Gott war es nicht gelungen, die Habsburger an der Macht zu halten, ja es war ihm auch nicht gelungen, Auschwitz und Hiroschima zu verhindern und das Schlimmste daran war, dass die Kirche nicht einmal überzeugend erklären konnte, warum Gott die Gräuel des Weltkrieges und den Tod Millionen Unschuldiger zugelassen hatte. So dachte Vera über diesen Gott und hatte ihn für sich schon längst ad acta gelegt.

    Ihr Religionslehrer war noch schlimmer als ihr Vater, denn der war um die sechzig und geistig irgendwo im Mittelalter stehen geblieben. Er donnerte von Himmel, Hölle und Fegefeuer. Er machte sich damit in der Klasse zwar nur lächerlich, doch seinen Ansichten tat dies keinen Abbruch. So war es kein Wunder, dass bis zur Matura zwei Drittel der Klasse, Vera eingeschlossen, vom Religionsunterricht abgemeldet waren, da die neuen Gesetze damals das Abmelden erstmals erlaubten, und das gab in dem Klostergymnasium einen ziemlichen Skandal. Vera hatte dann später erfahren, dass der Religionslehrer nach ihrer achten Klasse pensioniert worden war.

    Kapitel 4

    Vera lehnte sich an den Fensterrahmen des Hotelfensters und versuchte, ein Stück der Straße direkt vor dem Hotel zu sehen. Die Avenue war für Wiener Verhältnisse extrem sehr breit. Solch einen breiten zehnspurigen Boulevard hätte sie in Brüssel nicht erwartet, Brüssel war doch viel kleiner als Wien.

    Ihre Stimmung hatte sich nicht gebessert, sie wusste noch immer nicht, was sie am Abend tun sollte. Im Zimmer bleiben, oder versuchen, allein die Altstadt zu erkunden. Beides waren keine sehr verlockenden Gedanken. Im Zimmer eingeschlossen, das verabscheute sie, aber allein in der Nacht in einer Stadt, die sie so gar nicht kannte, das war ihr doch ein wenig unheimlich. Leicht konnte man da in ein Viertel gelangen, wo man als Frau besser abends nicht allein hinging.

    Morgen würde die Konferenz anfangen. Vera freute sich darauf. Da war sie dann wieder Frau Dr. Vera Zimmermann, Abteilungsleiterin der Rechtsabteilung und Managerin und voll in ihrem Element. Sie war schon sehr gespannt, wie die Konferenz ablaufen würde, denn es waren Juristen von vielen Konzernen und Firmen angemeldet, wie sie aus der Teilnehmerliste ersehen konnte. Morgen würde sie ihre Frau stellen, das wusste sie, das gab ihr den Halt, den sie brauchte. Aber heute war das anders. Ein Abend, mit dem sie nichts anfangen konnte. Ihre Gedanken schlichen wieder in ihre Vergangenheit zurück.

    Sie dachte zurück an Andi. An ihr gemeinsames erstes Mal. Diesen Abend würde sie ihr ganzes Leben nicht vergessen. Sie war für ein Wochenende in Waidhofen an der Thaya am Bauernhof von Andis Eltern eingeladen gewesen. Andi hatte die Idee gehabt, bereits einen Tag früher zu fahren. Die Eltern kämen erst freitagabends, sie fuhren bereits Donnerstagnachmittag. Da gäbe es noch Zeit für ein kleines gemeinsames Abendessen, wie Andi geheimnisvoll andeutete.

    Er hatte im Kofferraum seines uralten Renaults ein komplettes Dinner mitgeschmuggelt gehabt. Damit überraschte er Vera, indem er die Sachen auf dem großen alten Tisch in der Bauernstube aufbaute, den er vorher festlich gedeckt hatte. Nur Kerzenlicht erfüllte den Raum, was dem Ganzen ein herrliches Gefühl absoluter Zeitlosigkeit gab. Vera meinte, sie könnten jetzt genauso gut im neunzehnten Jahrhundert gemeinsam hier in dieser Bauernstube sitzen.

    Es gab köstliche Pastetchen und allerlei Delikatessen, aus der Dose zwar, aber wen störte das schon. Dazu gab es einen himmlischen sanften Rotwein, den Andi irgendwo im Weinviertel aufgestöbert hatte, wie er ihr versicherte. Sie saßen sich gegenüber und sahen sich an. Zärtlichkeiten waren wegen der Tischgröße nicht möglich, aber jedes Mal, wenn ihre Blicke sich trafen, erfüllte ein erotisches Knistern den Raum.

    Vera hatte sich extra einen neuen BH gekauft, für dieses Wochenende, mit Bügeln, wie sie sonst nie einen trug. Sie hatte so ein richtig verspieltes, langes Kleid an, wie es damals gerade modern war. Andi in Jeans und kariertem Flanellhemd sah so aus, wie sie sich einen Gutsbesitzer immer vorgestellt hatte. Sie überlegte, wie er wohl darunter aussehen würde. Die Kerzen waren schon fast ganz heruntergebrannt, die Schallplatte war gerade zu Ende, als er sie fragte, ob sie nicht sehen wolle, wo sie heute schlafen würden. Vera klopfte das Herz bis zum Hals. Andi strahlte sie an und nahm sie langsam in seine Arme. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn leidenschaftlich. Es tat so gut, jemanden gefunden zu haben, den man liebte und Vera wusste, dass sie bei Andi ganz sie selbst sein konnte und keine Angst haben musste, ihm das auch zu zeigen.

    Sie waren eine steile Holzstiege hinaufgestiegen und standen nun in ihrem Zimmer. Ein uraltes breites Doppelbett stand darin. Nur das Nachtkästchenlicht gab einen leisen Schein, so dass die Ecken des Zimmers im Dunkeln blieben. Langsam knöpfte Andi ihr Kleid auf. Sie spürte seine starke Ausstrahlung, als er sein Hemd ausgezogen hatte. Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihre Brust. Andi spürte ihre Erregung und begann sie langsam zu streicheln. Vera genoss mit jeder Faser ihres Körpers die Liebkosungen, die Andi langsam über ihren ganzen Körper verteilte. Es war die natürlichste Sache der Welt, als er ihr den BH aufhakte und sie ihm ihre wohlgeformte Brust entgegenstreckte. Es war eine himmlische Vertrautheit zwischen ihnen als sie sich gegenseitig ganz auszogen und unter die Bettdecke schlüpften, da es im Zimmer doch ein wenig kühl war. Bei ihrem ineinander Verschmelzen erfuhr Vera dann auf eine ganz neue Art und Weise, was echte Liebe für einen Orkan an Gefühlen auslösen kann. Im Höhepunkt wurde sie in die höchsten Himmel hinauf geschleudert und gemeinsam mit Andi erlebte sie eine orgiastische Achterbahnfahrt, wie sie es noch nie erlebt hatte.

    Danach musste sie erst wieder blinzeln und sich umsehen, um zu wissen, ob sie wirklich hier im Schlafzimmer im Waldviertel war, obwohl sie doch gerade im siebenten Himmel gewesen war oder noch immer meinte dort zu sein, da ja Andi neben ihr im Bett lag.

    Sie hatten sich noch soviel zu erzählen, die ganze Nacht lang, so dass sie nicht zum Schlafen kamen. Sie schmiedeten die unsinnigsten Zukunftspläne, alles war möglich und jedes Ziel war leicht erreichbar. Vera dachte damals, so sollte es immer sein. Nie könne sich an ihrer Liebe zu Andi etwas ändern. Irgendwann würden sie heiraten und eine Familie haben. Am liebsten wäre Vera damals ins Waldviertel gezogen, so gut gefiel ihr alles dort. Die Realität, die vor ihr lag, hatte sie damals einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

    Kapitel 5

    Weshalb aber war die Beziehung schließlich schiefgelaufen, wo sie doch so großartig begonnen hatte. Sie wusste es nur zu gut, die meiste Zeit verdrängte sie es aber. Aber hier in Brüssel, allein im Hotelzimmer, da kam alles wieder hoch. Das war auch kein Wunder, denn ihre Karriere hatte sehr viel mit dem Scheitern der Beziehung zu tun.

    In der ersten Zeit war alles Sonnenschein gewesen. Das waren einerseits die Augen der frisch Verliebten, die mit ihrer rosaroten Brille alles phantastisch finden. Da war aber auch noch ein Erkennen der Probleme anderer. Andi war jemand, der auch an andere Leute dachte. Sie hatte bis jetzt immer nur an sich selbst gedacht.

    Vera fand, dass Andi sehr religiös war, denn er war von der Liebe Gottes überzeugt, so ganz anders als ihre Eltern oder ihr Religionsprofessor. Damals war die Kirche gerade dabei, sich ein wenig der Welt zu öffnen und zu modernisieren. Das zweite Vatikanische Konzil war noch nicht so lange her.

    Andi sagte, er sei gar nicht so katholisch, aber die Kirche gäbe es schon seit Jahrtausenden, da müsse doch was dran sein, sonst wäre sie doch schon längst durch etwas Anderes ersetzt worden. In theologischen Diskussionen mit Andi zog Vera immer den Kürzeren, da es ihr schlicht an Wissen fehlte.

    Ihre Freundinnen hatten in dieser Zeit über Vera eine Menge zum Tratschen. Sie fanden es sehr merkwürdig, dass sie es nun vorzog, ganze Wochenenden im Waldviertel zu verbringen, statt mit ihnen die Szene in Wien unsicher zu machen. Sie ist schrecklich verliebt, und der Andi, der soll ja ganz toll sein, was man so hört.

    Als Vera dann aber noch anfing, spitze Bemerkungen über den Lebensstil ihrer Freundinnen, deren teure Kleidung und über ihre Oberflächlichkeiten zu machen, wurde die Distanz zwischen ihnen rasch größer. Diejenigen, die nur Glitter, Glamour und Jungs im Kopf hatten, wollten eben nicht mehr im Kopf haben. Das musste Vera nun mehr als deutlich sehen. Es tat ihr aber auch weh, ihre Clique zu verlieren, zu der sie so lange gehört hatte. Dazuzugehören war ihr immer noch wichtig. Sie wollte keine einsame Außenseiterin sein.

    Da war Andi ganz anders. Ihn störte es nicht, wenn sie weitab von jeder Gruppe einsam zweisam den Wald durchstreiften und Wege entdeckten, die schon lange niemand mehr benützt hatte. Andi träumte von einer Veränderung der Siedlungsstrukturen. Er schwärmte von neuen menschenfreundlichen Städten, die gar nicht mehr wie Städte aussahen, sondern mehr eine Ansammlung von Dörfern waren, vom Leben auf dem Land und von einer neuen umweltfreundlicheren Lebensweise für alle Menschen.

    Vera konnte ihm stundenlang zuhören, wenn er seine Theorien erzählte, aber irgendwie fühlte sie, dass sie so nicht leben könnte und es auch gar nicht wollte. Sie brauchte die Stadt und die Menschen um sich. Ohne Gesellschaftsleben würde sie verkümmern, da war sie sich sicher.

    In dieser Zeit war alles noch irgendwie unbestimmt und unwirklich. Sie konnte eine feste Beziehung zu Andi haben. Gleichzeitig verpflichtete Andi sie zu nichts. Beide studierten und keiner dachte an die Zeit nach dem Studium.

    Vera hatte bisher so vor sich hin studiert. Sie war nicht gerade schlecht gewesen, hatte sich aber auch nicht sehr angestrengt. Sie hatte lieber die angenehmen Seiten des Studentenlebens genossen. Langsam wollte sie aber beweisen, dass sie genauso gut war, wie Andi, der fast alle Prüfungen mit „Sehr Gut bestand. Sie begann so richtig zu strebern, was sie vorher nie getan hatte. Ihr Vater fand, dieser Andi tue ihr sehr gut, da solle sie dranbleiben. „Dann wird noch was aus dir, erklärte er Sonntags beim gemeinsamen Mittagessen der Familie immer.

    Irgendwann merkte Vera, dass sie alles daransetzte, um besser als Andi zu sein. Das war nicht leicht, da Andi sehr gut war. Sie hätte auch gar nicht sagen könne, warum sie das wollte. Etwas Unbestimmtes reizte sie und forderte sie dazu heraus.

    Bald war sie fast so gut wie Andi, da der nun auch manchmal eine Prüfung nicht so hinbekam, wie er gerne gewollt hätte, besonders wenn Vera ihn am Vorabend in seiner Studentenbude besucht hatte. Er wollte sie nicht abweisen und so wurde in solchen Nächten sehr wenig gelernt und

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