Der Alte im Scirocco
Von Dirk War
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Über dieses E-Book
Was geschieht, wenn sich zwei Arten von Traurigkeit im richtigen Moment begegnen? Und was, wenn es der falsche Moment ist?
Wohin geht die Reise des Anhalters?
Fährt der Alte wirklich in das Bordell an der Autobahnausfahrt?
Wer wurde von der russischen Armee verschluckt und wer flüchtete in die Fremdenlegion?
Keine Antworten, an dieser Stelle.
Nur so viel:
Lebenswege müssen sich nicht kreuzen, um sich zu berühren.
Philosophie kann auch in einem Bordell unterrichtet werden.
Regen ist kein Grund, nicht zu rauchen.
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Marta Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFREIHEIT FOLGT Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
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Buchvorschau
Der Alte im Scirocco - Dirk War
Der Alte im Scirocco und der trostlose Anhalter
Der Himmel verhöhnte ihn mal wieder. Kaum erreichte er die Hauptstraße, an der er sich in Position bringen wollte, da ließ der Himmel fröhlich Regen niederträufeln. Auf sein Haupt und seine Kleider, und auf seinen in die Höhe gestreckten Daumen.
Warum musste er immer noch per Anhalter fahren? Viele seiner Freunde hatten bereits ein eigenes Auto, oder zumindest ein Moped. Nur er war bisher leer ausgegangen. Er dachte an seinen Onkel. Ein reicher Fettsack, der groß Karriere gemacht hat, bei irgend so einem Automobil-Zulieferer. Ein schmieriger Kerl, der ihm zum Geburtstag immer irgendeinen winzigen Betrag in kleinstmöglichen Scheinen schickte. Reich und geizig, die übliche Kombination. Der könnte ihm locker ein Auto kaufen. Aus der Portokasse könnte der das bezahlen. Aber der Onkel war ein Arschloch. Da war nichts zu machen. Sein Vater verteidigte seinen aufgeschwemmten Stiefbruder zwar verbissen, doch er tat es nur, weil sich das so gehörte. Brüder müssen zusammen halten. Warum auch immer.
Geräuschvoll fuhren die Autos an ihm vorüber. Man ließ ihn im Regen stehen. In den Blicken der Fahrer erkannte er den kleinen Kampf zwischen Scham und Angst. Um sich über ihn lustig zu machen, wechselte der Himmel die Farbe. Er legte sich ein graublaues Gewand an, das nach Sommer aussah, und pinkelte derweil weiter auf ihn herunter.
Er spürte den Schmerz, der durch die Verpflichtung zur Existenz entsteht. Er hasste jede Art von Verpflichtung. Und er hasste fast jede Art von Schmerz. Warum wurde er dazu gezwungen, zu existieren? Und vor allem: von wem? Warum gab sich der unsichtbare Bastard nicht wenigstens zu erkennen?
Ein silberblauer, ziemlich alter VW Scirocco brauste heran. Scharf wurde der Wagen abgebremst, so dass er wenige Meter vor ihm zum Stehen kam. Wie er sie liebte, die kleinen Wunder des Lebens. Schnell öffnete er die Beifahrertür und kletterte in das trockene, warme Innere des Wagens.
„
Danke, dass Sie angehalten haben."
„
Wie viele von den Arschlöchern sind schon an Dir vorbeigefahren?"
„
Vielleicht zwanzig, dreißig."
„
Zigarette?"
„
Gerne. Vielen Dank."
Am Steuer saß ein kleiner, älterer Herr. Siebzig Jahre mochte er schon hinter sich gebracht haben. Rauchend, kopfschüttelnd, schimpfend und mit alles durchdringender Güte. Ein feiner, grauer Haarkranz umrandete seine Glatze, in Falten lag das Gesicht. Eine dicke Brille saß schief auf der roten Nase. Mit der linken Hand steuerte er den Wagen, die rechte Hand nutzte er, um nachdrücklich zu rauchen. Seine Liebe zur Zigarette hatte ihn zu einem Schaltfaulen Fahrer gemacht. Hochtourig peitschte der Alte durch den faserigen Regen.
„
Kann ich noch eine Zigarette haben?"
„
Es gefällt mir, wie beharrlich Du rauchst."
„
Eigentlich will ich es mir schon lange abgewöhnen."
„
Bist Du verrückt? Gewöhn Dir niemals ab, was Dich glücklich macht. Das käme Selbstmord gleich. Scheibchenweise, Stück für Stück beraubst Du Dich des Lebens. Lang, zäh und voller Pein wird er dann sein, der Weg."
Der Rauch in der Fahrgastzelle war inzwischen so dick, als arbeitete auf der Rücksitzbank eine Nebelmaschine.
„
Wo fahren Sie eigentlich hin?"
„
In das Bordell an der Autobahnausfahrt."
„
In die Arme einer liebevollen Frau?"
„
Nein, nein. Liebevolle Frauen findest Du dort nicht. Liebestolle vielleicht, oder verrückte Hühner. Meine Bordellbesuche sehen vollkommen anders aus, als Du denkst. Ich bin dort ehrenamtlich tätig und unterrichte die jungen Frauen in Philosophie."
„
Sie machen sich über mich lustig."
„
Dafür ist jemand anderes zuständig. Ich sage Dir lediglich, was ich tue. Du hast mich gefragt, und ich habe es Dir gesagt. Ganz einfach."
„
Warum sollen Nutten etwas über Philosophie wissen?"
„
Warum sprichst Du Ihnen das Recht ab, über den Sinn des Lebens nachzudenken? Ich dachte wirklich, dass Du ein netter Kerl bist. Und ein guter Raucher. Warum sprichst Du so abschätzig und hochnäsig über andere Menschen. Über junge, schöne Frauen! Ich sollte Dich echt rauswerfen. Zurück in den Regen."
„
Es tut mir leid. Es tut mir leid!"
„
Ist schon gut."
„
Seit wann unterrichten Sie denn im Bordell?"
„
Seit ich zu alt für die anderen Sachen bin. Die Gesellschaft junger Frauen kann sehr erbaulich sein, weißt Du. Selbst wenn Du sie nicht mehr beglücken kannst, so