Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Stagediving: 14 Kurzgeschichten
Stagediving: 14 Kurzgeschichten
Stagediving: 14 Kurzgeschichten
eBook120 Seiten1 Stunde

Stagediving: 14 Kurzgeschichten

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Kennenlernen: Im Gasthaus Zum Löwen schlugen sich allabendlich Studierte, Angehörige der Sozialberufe, Taxifahrer, Verzweifelte, Angestellte, Touristen und Einheimische die Nächte um die Ohren.

Orange, Rot und Gelb: Das Rätsel der Sphinx findet Bernhard, Helfer in einem Seniorenheim, bestätigt: Die Alten benötigen eine Gehhilfe, viele der Betagten kommen ihm jedoch noch sehr jugendlich vor.

Jede Wette gewinnt: Die Angestellten waren vom Joch körperlicher Arbeit befreit worden. Die digitalen Fronherren hielten für sie ein nahezu unsichtbares Joch bereit, individuell konfigurierbar.

Sommer: Herr Neumaier erlebt mit Lisa und ihren Freunden unvergessliche Momente unter der Mitternachtssonne, entdeckte, ohne sie vollständig verstehen zu können, die Leichtigkeit des Seins.

Wochenende: Manfred verliebt sich in Bärbel, kess, schlagfertig, Typ Kumpel. Leider entscheidet sich die Vielgeliebte nicht für ihn sondern für Hanne, die wiederum ihrer Julia nachtrauert.

Der Mittler: Im Film "Metropolis" wurde ein Mittler zwischen Hirn und Händen gesucht, gemeint ist das Herz. Wo bleibt die Seele, wenn Algorithmen das Hirn ersetzen?

König Fußball: Der von den Vereinsbossen eingesetzte Fanbeauftragte Hajo Röder soll als eine Art Feuerwehr, sozusagen als letzter Mann, den Unmut der Fans zu bändigen helfen.

Der Urknall: Gero, Astrophysiker, betrachtete den Gesteinsbrocken. Was würde ihm der Zeuge einer früheren Zeit und eines fernen Raumes erzählen, wenn er sprechen könnte?

Stagediving: Wie das himmlische Donnerwetter wollte Joachim zwischen die Börsen-Rotwelsch parlierenden Jacketträger fahren.

Die Nachtwache: Anders als in Rembrandts Werk begegnet Norbert einem Bereitschaftsdienst mit versteinerten Mienen.

Hundeelend: Nach dem Essen diskutieren Rainer, Sabine und Erich über die Unmöglichkeit, dem Blick eines Hundes zu widerstehen.

Neffe Brian: Dem Träger eines großen Namens, in dem sich Glanz und Ruhm früherer Epochen widerspiegeln, öffnen sich viele Türen.

Der Erbonkel: Arthur weder durchtrieben noch gewissenlos, hätte wenigstens flexibel, leidens- und anpassungsfähig sein sollen.

Sieben Stufen: Ein Essay über Gott und die Welt, ein augenzwinkernder Parforceritt durch die Metaphysik. Ausgangspunkt ist die Zahl Sieben, die Wocheneinteilung aus der Schöpfungsgeschichte: Der Rhythmus von 6 und 1.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum17. Mai 2020
ISBN9783750237520
Stagediving: 14 Kurzgeschichten

Ähnlich wie Stagediving

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Stagediving

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Stagediving - Georg Schneider

    1 – Kennenlernen

    Björn hatte das Singledasein satt. Weder hatte eine günstige Fügung des Schicksals geholfen, die Bekanntschaft einer attraktiven Frau zu gewinnen, noch hatten die bewährten Anbahnungsinstitutionen Arbeitsplatz und Freundeskreis zum gewünschten Ergebnis geführt.

    Der Mitarbeiter in der Verwaltung eines bekannten Unternehmens setzte daher eine Anzeige in einem Stadtmagazin auf. Björn inserierte, die Umworbene möge möglichst brünette oder dunkle Haare haben, führte auf sein eigenes Alter 42, Größe und Gewicht, in welche Länder er gerne reiste und pries die Annehmlichkeiten eines Frühstücks auf einem Balkon, über den er geböte. Über ihn ist zu sagen, dass er einige Pfunde mehr auf die Waage brachte, als ihm lieb war, was aber bei seinen passablen Körpermaßen kaum auffiel. Auch hatte er feine Gesichtszüge, fade und langweilig nörgelte er. Sein Werben wurde erhört. Einige Damen signalisierten in ihren Antwortbriefen in gewählten Worten und mit viel Wohlwollen, die die Bereitschaft einer späteren Beziehung durchaus einzuschließen schien, ihr Interesse an einem Rendezvous. Eine Susanne hatte ganz in seinem Sinne vorgeschlagen, so er den Kaffee zubereite, die Brötchen mitzubringen. Die erste Begegnung würde nicht im Kino oder auf einer Parkbank stattfinden, sondern aus einem Anruf bestehen, dessen Zweck es war, alles Weitere zu besprechen. An diesem Punkt scheiterte das Vorhaben. Björn, ohnehin kein großer Redner, würde kein Wort rauskriegen und zu stottern anfangen, er würde sich schon im ersten Moment blamiert haben. Viele Tage lang rang er mit sich, redete sich gut zu; nichts half, er schaffte es nicht, zum Fernsprechapparat zu greifen.

    Da selbst die planvolle Vorgehensweise nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt hatte, verzichtete Björn damals, schon vor etlichen Jahren, auf weitere Versuche. Er ging, was er bisher schon getan hatte, in seine Stammkneipe und hoffte, was er auch schon ausgiebig getan hatte, die Richtige werde ihm dort schon über den Weg laufen. Im Löwen, wo sich allabendlich Studierte, Angehörige der Sozialberufe, Taxifahrer, Verzweifelte, Angestellte, Touristen und Einheimische die Nächte um die Ohren schlugen, wählte man nach den über der Theke angebrachten Schiefertafeln unter verschiedenen Weinen, Bieren und Kleinigkeiten zum Essen, nahm die Bestellung in Empfang und konnte, so man frühzeitig erschien, zwischen einer Sitzgelegenheit oder einem Stehplatz direkt an einem der Weinfässer wählen. Wenn Björn daheim die Decke auf den Kopf zu fallen drohte, trieb es ihn hinaus in die Nacht. Sein Downtown lag nur einige schummerig beleuchtete Straßen entfernt, war bequem in zehn Minuten zu erreichen. Noch nicht fertig zum Weggehen angezogen oder auf halbem Wege zur Tür überkamen ihn bisweilen Gewissensbisse. Zumeist gelang es ihm, seine Bedenken mit dem Hinweis zu beschwichtigen, er habe ein Recht auf Belohnung und Ausgleich zu eben jenem Berufsleben, das ihm alles abverlange.

    Jeden zweiten Abend und öfter ließ er sich in seinem Refugium blicken und genoss sein Quantum Wein: zwei, drei Gläser des Traubensaftes. Die Musik war so lala, aber andererseits so laut, verstärkt durch das Gebrabbel der Gäste, dass man sein eigenes Wort nicht verstand; dazu herrschte ein ständiges Gedränge und Geschupse in dem Lokal. Er musste seinen Bauch und Hintern einziehen, einen Schritt vorwärts, einen halben Schritt zurück tänzeln, um Passierende durchzulassen, wobei besondere Vorsicht und Abstand gegenüber denjenigen geboten war, die bis zum Rande gefüllte Gläser balancierten. Kaum verließ er seinen Platz, um eine Bestellung an der Theke aufzugeben, hatten ihn möglicherweise schon Insurgenten besetzt, und dann stand er erst recht im Weg. Björn war also ständig körperlich, aber auch geistig gefordert, musste doch genau überlegt sein, welches Rebenerzeugnis er als nächstes auswählen sollte, den Kerner oder den Nahe-Riesling oder doch den Riesling aus Rheinhessen, vor allem wie er in die Nähe einer attraktiven Frau gelangen, und welche Einleitung gebrauchend, er sie ansprechen sollte.

    Der Wein machte ihn auf angenehme Weise müde, wandelte seine Alltagssorgen in Bettschwere um. Er war mit einiger Verspätung in das Rennen um gut bezahlte und interessante Jobs gestartet, war mehrfach überrundet worden und lief dem Feld hinterher. Ihm würden lange Jahre der Bewährung bevorstehen, bevor er jemals in eine höhere Gehaltsstufe aufstiege. Von einer Villa mit Garten konnte er nur träumen, noch nicht mal eine Eigentumswohnung oder eine gescheite Mietwohnung würde er sich als Rentner leisten können. Björn lebte in einer Wohngemeinschaft, einerseits um Geld zu sparen und andererseits, um nicht alleine zu sein. Doch die meiste Zeit waren die Mitbewohner ausgeflogen und abends, anderen Interessen folgend, woanders unterwegs. Er musste also ohne Begleitung losstiefeln, wollte er noch etwas unternehmen, unter Menschen sein, und um, wie er es ausdrückte, Mitreisender einer magischen Busfahrt zu werden. Durch den Kauf eines Gläschen Weins erwarb er sein Billet. Was erwarteten er und die anderen Einkehrer? Der Reiz bestand darin, dass keiner vom anderen genau wusste, welcher Wunsch ihn hierher getrieben hatte: Zerstreuung, ein Schwips oder die Hoffnung auf einen Flirt. Der Löwe stand im Ruf bestens geeignet zu sein für die Anbahnung von Kontakten. Dieser Parole wurde schon darum nicht widersprochen, weil es jeden reizte, herauszufinden, wie er sich in dieser elementaren Situation bewähren würde, ohne hinterher jemand anderem als sich selbst Rechenschaft ablegen zu müssen, ob der Versuch als geglückt gelten konnte. Seinen Absichten liefen diese Gerüchte jedenfalls zuwider. Es bedurfte bei neuen Gästen einiger Eingewöhnungszeit, bis sie sich beruhigt und festgestellt hatten, dass an dem Gerede nichts dran war, aufhörten wie Erdmännchen aufgerichtet, aufgeregte Blicke in alle Richtungen zu werfen, ob ihrer Gruppe jemand zu nahe träte.

    Die Gesetze der Welt, ihre Hektik waren vorübergehend außer Kraft gesetzt, zumindest an den ruhigen Tagen abgemildert. Die Menschheit ging zum gemütlichen Teil über. Die Räume waren in trauliches Schummerlicht getaucht. So könnten schon einst die Höhlenmenschen beim Feuerschein zusammen gesessen haben. Ihm gefiel es an den Abenden, wenn das Stimmengewirr sich mit der Musik aus den Lautsprechern vermischte, alleine und doch geborgen unter den Fittichen der Feiergesellschaft seinen sehnsuchtsvollen Gefühlen nachzuhängen. Was fehlte ihm da noch zum Glück, wenn sein Blick zufällig auf die nackten Arme eines weiblichen Geschöpfes fiel, dann nahm er ihre Silhouette für den seiner früheren Freundin, stellte sich vor, wie es sich angefühlt hatte, sie zu umarmen, sanft ihren Unterarm zu streicheln, wie er voll des Entzückens gewesen war, wenn die Härchen auf ihrem Unterarm sich aufstellten und während er ganz vernarrt in den Anblick dieses Naturschauspiels versunken war, sie mit einem Ruck den Arm wegzog. Das kitzelt, hätte sie gesagt. Er fühlte sich eins mit der Welt, wenn er beim Einschenken der Weine zusah, wie die Gläser sich beschlugen, sich füllten mit den verschiedenen Farben des Weißweines, von fast wasserklar bis honiggelb. Der Tau auf den Trinkgefäßen ließ ihn an den morgendlichen Rauhreif auf den Trauben in den Weinbergen denken, an die Mühen, die Pflege die Ernte und Lagerung ehe man den guten Tropfen genießen konnte. War er nicht mit dem Führen des Glases zum Munde im Begriff, eine seit Jahrtausenden gepflegte, kultische Handlung zu begehen, die auch heute noch jederzeit in den Auftakt zu einem bacchantischen Freudenfest umschlagen konnte?

    Insgeheim hatte Björn die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass aus einem Flirt mehr werden könnte. Wenn ihm einer der weiblichen Gäste gefiel, ging er zurückhaltend vor, beließ es dabei, gelegentlich wie zufällig einen Blick in ihre Richtung zu werfen, oder tat noch nicht einmal dies, freute sich einfach, dass es diese Person gab, die ihn mit ihrer Ausstrahlung derartig in Bann hielt und überließ es dem Zufall, ob sie sich wieder begegnen würden, um nicht den Zauber des Augenblicks zu zerstören. Andererseits sprach nichts dagegen, gelegentlich aktiver zu werden, um seine Chancen auszuloten, vielleicht hätte man sich gut verstanden, aber, als hätte die Dame seine Absichten geahnt, entschwand sie plötzlich, weil er zu lange gezögert hatte, wie er befürchtete, oder, weil ihre Begleitung zum Aufbruch drängte, sie schon länger geblieben war, als geplant? Es war schwierig anderer Leute Gedanken zu lesen. Um dem Dilemma aus dem Weg zu gehen, begnügte er sich, mit seiner unmittelbaren Umgebung ein paar freundliche Worte zu wechseln, was auch dem Zweck diente, eine entspannte Stimmung zu schaffen. Aber selbst bei dieser gut gemeinten Konversation schien die Damenwelt seiner Gegenwart kaum etwas abgewinnen zu können, und womöglich seinen trockenen Humor und seinen Hang zum Understatement nicht schätzte.

    Als Stammgast wusste er natürlich nur

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1