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Zehn gute Jahre Teil1: Friedliche Zeiten
Zehn gute Jahre Teil1: Friedliche Zeiten
Zehn gute Jahre Teil1: Friedliche Zeiten
eBook408 Seiten5 Stunden

Zehn gute Jahre Teil1: Friedliche Zeiten

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Über dieses E-Book

Vor kurzer Zeit, als Ihre Eltern jung waren (oder Ihre Großeltern), galt Fliegen noch als Menschheitstraum für Wagemutige. Niemand wusste, dass der größte Technologiesprung der Geschichte bevorstand. Er wurde von einer Wissenschafts- und Ingenieurelite geschaffen, vielfach verstärkt für die Zwecke eines verbrecherischen Krieges. Alles, was wir heute so selbstverständlich nutzen hat da seinen Ursprung.

Fritz Kleins Alltag ist wie der seit Generationen. Aber Auto, Telefon, Radio, Kühlschrank, Kino, bald sogar vom Sofa aus, und vor allem Flugzeuge lassen eine völlig neue Lebensweise ahnen. Gemeinsam mit Eva, seiner ersten und wahren Liebe genießt er ein Deutschland, in dem es nach der Not und der unfähigen Demokratie steil aufwärts geht. Jeder hat Arbeit, alle sind gleich und ziehen an einem Strang. Nie war die Zukunft besser.

Ein paar Mängel gibt es noch. Bücher, Negermusik und Kunst, die sie beide schätzen, werden geächtet und dann verboten. Der grölende, stumpfsinnige Pöbel hat das Sagen und die Machtspielchen kleingeistiger Parteifunktionäre nerven. Als seine jüdischen Freunde und mit ihnen auch Eva plötzlich verschwinden, gibt es für ihn nur eines: Seinen Kindheitstraum vom Fliegen verwirklichen. 'Apila non captat muscas'. Dass er dazu Soldat werden muss, nimmt er hin.

Aufgrund der großen Seitenzahl habe ich den Roman in sieben Teile zerlegen müssen. Sie sind aber nicht als unabhängige Bücher zu verstehen.

Teil 1: Friedliche Zeiten
Teil 2: Der Rausch des Fliegens
Teil 3: Privilegiert
Teil 4: Fremde Welten, Nordlicht
Teil 5: Afrika
Teil 6: Verwirrung
Teil 7: Auflösung

Für Teile dieses Buchs wäre ich noch vor kurzer Zeit auch in Deutschland von der Obrigkeit erschossen, von der Kirche exkommuniziert und verbrannt oder vom aufgebrachten Mob gelyncht worden. Heute sorgt es für keinerlei Erregung, was übrigens für die Verkaufszahlen ungünstig ist.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum7. Aug. 2020
ISBN9783752983265
Zehn gute Jahre Teil1: Friedliche Zeiten

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    Buchvorschau

    Zehn gute Jahre Teil1 - Friedrich Haugg

    Kapitel 1

    Es war die beste aller Zeiten, es war die schlimmste aller Zeiten, es war das Zeitalter der Weisheit, es war das Zeitalter der Dummheit, es war die Epoche des Glaubens, es war die Epoche des Unglaubens, es war die Saison des Lichts, es war die Saison der Dunkelheit, es war der Frühling der Hoffnung, es war der Winter der Verzweiflung, wir hatten alles vor uns, wir hatten nichts vor uns, wir gingen alle direkt in den Himmel, wir alle machten uns in die andere Richtung auf …*)

    Halt. Plagiat! Würde aber sehr gut passen, schade.

    Also. Jetzt, noch einmal von vorne:

    *)Wenn sie es nicht ohnehin schon wissen, das ist von Charles Dickens aus dem Roman 'Eine Geschichte aus zwei Städten' und gilt gemeinhin als der berühmteste Buchanfang aller Zeiten.

    Kap.1 Chiemsee

    Die Terrasse über dem träge plätschernden See duftete nach Kiefernholz und Teer. Wie immer gab es beim Oberleitner am Ende der Mühlener Bucht auch heute Abend frische Renke Müllerin Art mit goldgelb glänzenden Petersilienkartoffeln, übergossen mit köstlicher, angebräunter Butter. Dazu ließen sie sich ein prickelndes Weißbier servieren. Der Wirt sagte nichts und schmunzelte nur, weil sie sich dieses Jahr so erwachsen gaben.

    „Prost Mandi. Ach so, du trinkst ja nicht während des Essens. Ungewöhnlich mild der Abend, oder? Und wie der See riecht, sagte Fritz und leerte das halbe Glas. „Mhm, machte Hermann. Mit vollem Mund klang es wie ein Räuspern. Nachdem er sein Sezierwerk vollendet hatte, legte er Gabel und Messer nebeneinander auf den Teller, wischte sich den Mund ab und trank das Glas in kleinen Zügen aus.

    Sie beließen es bei dem einem Bier, weil die Nacht ziemlich lang werden würde, zahlten und wanderten dann im Hochgefühl des Kommenden auf dem waldigen Uferweg zurück zum Campingplatz.

    Die wilden, roten Haare von Herrn Jell leuchteten schon von weitem durchs Gebüsch. Ungeduldig stand er neben seinem Fahrrad, das an die Wand des Blockhäuschens, seiner Operationszentrale, gelehnt war. „Um acht ist hier Zapfenstreich meine Herren und es ist schon fast halb neun. Heute lasse ich das noch einmal durchgehen."

    „Jawoll, Herr Jell. Danke, Herr Jell", sagten sie beide. Herr Jell spürte eine gewisse Unbotmäßigkeit und holte schon Luft, wendete sich aber dann kopfschüttelnd ab, verschloss umständlich die rot-weiße Schranke, prüfte das Schloss noch einmal und schwang sich dann auf den Sattel.

    „So geht das aber nicht, meine jungen Herren. Herr Mahlmann tauchte plötzlich und lautlos hinter einem Busch auf. „Sie wissen doch, dass man nachts nicht mehr hinausfahren darf.

    Wer sagt das, dachte Fritz und spürte den Wunsch, ihm ordentlich herauszugeben. Allerdings war Herr Mahlmann schon fast fünfzig und machte hier schon seit zwanzig Jahren regelmäßig im August für vier Wochen Urlaub. Er hatte sich die Autorität erarbeitet, in Abwesenheit von Herrn Jell über die nächtliche Ordnung zu wachen.

    „Wir machen nur noch unser Boot sauber. Wir sind dann auch ganz still", versuchte es Fritz. Es klappte.

    „Na dann, gute Nacht, Jungs und macht keinen Scheiß." Er ging leise weiter. Schließlich war der Platz recht weitläufig und viele der Gäste waren verdächtig, die Regeln zu verletzen.

    Dem selbst ernannten Obernachtwächter Mahlmann war entgangen, dass sich die 'Jungs' in feinen Zwirn gekleidet hatten, zur Bootsreinigung nicht gerade die passende Gewandung. Über der hirschledernen, kurzen Hose mit den bestickten Hosenträgern trugen sie einen hellgrauen Strickjanker mit silbernen Knöpfen. Das weiße Hemd mit dem roten Tüchlein passte bestens zu den strahlend weißen Kniestrümpfen. Die korrekteren Haferlschuhe hatten sie allerdings gegen elegante Sandalen getauscht. Man wollte ja nicht wie ein Bauer daherkommen. Dass beide fast gleich aussahen, Hermann wirkte ein bisschen asketischer und muskulöser, daran hatten sie sich gewöhnt. Bei Zwillingen ist das eben so und es ersparte den Spiegel.

    Sie warteten schweigsam am Strand sitzend, bis es noch etwas dunkler geworden war, zogen dann Sand alen und Strümpfe aus und schoben, alle Geräusche vermeidend, ihren Blauwal ins Wasser. Sie hatten immer die neuesten Modelle zum Testen aus den Rosenheimer Klepperwerken, die neben den revolutionären Faltbooten auch den berühmten Kleppermantel herstellten, der später zur Standardausrüstung wurde für Leute, die in jedem Wetter mit hochgeschlagenem Kragen und Hut  draußen stehen mussten. Deswegen hieß dieser Mantel später im Volksmund auch Gestapomantel.

    Steffi, die Tochter des Hauses, hatte Hermann bei einem Schwimmwettbewerb kennengelernt und sich in seine athletisch gestählte Figur verliebt. Da er jede Menge sportlicher Erfolge aufzuweisen hatte, im Turnen wie im Schwimmen und sogar im Eiskunstlaufen, schien er dem Firmenchef mehr als geeignet, seine Erfahrungen in die Konstruktionen einfließen zu lassen. Nicht alles konnte wirtschaftlich umgesetzt werden, aber seine Arbeit half, die bekannten Boote immer weiter zu verbessern. Gegen die Gefahr des Kenterns empfahl er den Einsatz von seitlichen, aufblasbaren Luftschläuchen, einer Technik, die sich über viele Jahrzehnte bewähren sollte und der Marke Aerius zum endgültigen Durchbruch verhalf. Vom Patent darauf hatte Hermann nichts. Ökonomische Kategorien waren seinem Denken fremd. Er hatte das Testen zugesagt und er führte sein Versprechen mit der ihm eigenen Sorgfalt und Genauigkeit aus. Fritz nannte ihn oft einen freudlosen Pedanten, aber auch das nahm Hermann gelassen. Schlampigkeit und das immer mehr verbreitete oberflächliche Geschwätz von Leuten, die ihr Halbwissen nur benutzten, um damit andere zu beeindrucken und die meinten, der Sinn des Lebens bestünde darin, Spaß zu haben, waren ihm ein Gräuel. Er hatte nichts gegen Ausgelassenheit nach getaner Pflicht, wenn sie nicht zu lange dauerte und wenn sie vor allem nicht ausuferte. Er hatte gelesen, dass Lachen die Erholung und das Kräftesammeln für neue Aufgaben beschleunigte. Das leuchtete ihm ein.

    „Du bist der Schlagmann, sagte Hermann. „Wer vorne sitzt, gibt den Rhythmus vor. Also halte ihn auch ein, sonst passiert das wie eben. Ihre Paddel waren zusammengekracht, weil Fritz abgelenkt war vom Versuch, die Unterwasserbahn eines Haubentauchers vorherzusehen und er die unterbrochene Tätigkeit durch höhere Frequenz wieder gut machen wollte.

    „Ist schon klar, Mandi. Ich gelobe Besserung". Er hielt den Rhythmus wieder ein, sparte sich aber das kraftvolle Durchziehen, weil er merkte, dass Mandis Kräfte und sportlicher Ehrgeiz ausreichen würden, sie mit gehöriger Geschwindigkeit voranzutreiben.

    Der See war so still, dass das Spiegelbild des Schilfgürtels und der Büsche auf der Herreninsel vom Original nicht zu unterscheiden war. Im Westen über Prien türmten sich Kumuluswolken auf, die obersten Ränder waren vom Licht der bereits untergegangenen Sonne in zarter Linie rötlich umrahmt, etwas später verschmolz alles zu einer dunkelgrauen Masse und Hügel und Himmel waren nicht mehr unterscheidbar. Sie durchschnitten elegant das weiche, glatte Wasser, das die Farbe flüssigen Quecksilbers angenommen hatte. Lediglich das leichte Klatschen beim Eintauchen von Fritz' Paddel und das Glucksen der Wassertropfen, die von der nassen Schaufel herunterfielen, war zu hören.

    „Man darf beim Eintauchen der Paddel nichts hören, jedes Klatschen bedeutet, dass du deine Energie nicht optimal für die Vorwärtsbewegung umsetzt."

    „Ja, Mandi, ich werde das noch üben."

    „Mach das, zum Beispiel jetzt."

    „Etwas besser. Aber jeder Feind würde deine Annäherung sofort bemerken."

    „Hier ist aber kein Feind."

    „Aber im Ernstfall..."

    „Ich würde ja gar nicht zur Marine gehen."

    „Das ist doch nicht Marine. Obwohl, die Kampfschwimmer gehören schon zur Marine."

    „Kampfschwimmer?"

    „Ja. Die, die nachts an ein Schiff des Feindes tauchen und Minen anbringen."

    „Hört sich mühsam an."

    „Ist es auch. Ohne Fleiß kein Preis."

    „Wo gehen wir eigentlich an Land?"

    „Da vorne. Es sind nur noch 200 Meter. Siehst du die Landzunge? Man sieht sie eigentlich nicht, weil sie jetzt nicht beleuchtet ist. Das ist die Seepromenade von Prien - Stock. Am Ende ist da ein Pavillon. Dort verstauen wir unsere Sachen."

    Sie näherten sich möglichst unhörbar und stießen schabend auf Grund. Das wäre nicht so gut für die Bootshaut, meinte Hermann, man solle jetzt besser aussteigen und das Boot hoch tragen.

    Links tauchten die Umrisse des großen Schaufelraddampfers 'Ludwig Fessler' auf, der schlafend auf den nächsten Morgen und die Schwärme von Touristen wartete, die am Wochenende die Inseln besuchen wollten. Schloss Herrenchiemsee war mit den Jahren eine echte Attraktion geworden. Die Menschen vor 50 Jahren konnten gar nicht einschätzen, was ihr Kini, König Ludwig der Zweite, Gutes für das Land getan hat. Keine Sau würde sich sonst für die flache Herreninsel interessieren, die nur von Kühen bevölkert war, dachte Fritz.

    Sie lehnten das Boot an den Fuß des Pavillons und verstauten Paddel, Sülldecke und die Regenjacken im Inneren. Niemand würde um diese Uhrzeit hier vorbeikommen. Dann marschierten sie los. Es war ein guter Kilometer bis zum Tanzcafé Reiter, das an der Straße lag, die Prien mit Stock verbindet. Die Schmalspurbahn war natürlich nachts nicht in Betrieb. Überhaupt waren sie auf der Straße völlig alleine. Keine Menschen und kein Auto störten die Ruhe.

    Vor dem Tanzcafé wurde es lebendig. Einige Paare und ein Rudel lauter, junger Männer tummelten sich vor dem Eingang.

    Sie betraten die heiligen Hallen des Genusses und der Unzucht, von denen die älteren Kollegen geschwärmt hatten und fühlten sich großartig erwachsen. Hermann zog stolz eine Sechserpackung Salem heraus und reichte Fritz die Schachtel hin.

    „Donnerwetter. Wo hast du die her? Das nenne ich Perfektion."

    „Wenn schon, denn schon. Jetzt müssen wir uns einen Platz suchen und etwas zum Trinken haben, dann wird der Abend wirklich gut."

    In diesem Augenblick begann die Musik zu spielen. Es war so laut, dass sie sich nicht mehr unterhalten mussten. Und es war eine echte Dixieband mit Schlagzeug, Banjo, Tuba, Posaune, Trompete und Klarinette. Hermann hielt sich lachend die Ohren zu und Fritz blieb der Mund offen. So etwas hatten sie noch nie so direkt und leibhaftig gehört. Das war schon etwas ganz anderes als die verzerrten und verrauschten Klänge aus dem Radio, dem neuen Saba 31W, den sich ihre Eltern gerade zugelegt hatten. Man musste die Musiker spielen sehen und hören, dann ist die Negermusik erstaunlich mitreißend, urteilte Fritz. Dabei waren es gar keine Neger, sondern deutsch aussehende, ordentlich gekleidete Weiße. Vor allem beeindruckte ihn die Virtuosität und das gegenseitige Verständnis, wie sie ohne Noten und ohne Dirigenten perfekt zusammenwirkten. Na ja, als Musik hätte sein Vater und seine älteren Geschwister das nicht bezeichnet. Dafür war es zu wild und zu laut. Vor allem der alles beherrschende Rhythmus hätte sie, die Kenner der kontrapunktischen Musik der alten Meister, zu einer vernichtenden Kritik veranlasst. Sie ließen die Sinnlichkeit, das Berauschende nicht zu und taten es als Relikt primitiver Völker ab. Aber egal, was sie dachten, Fritz zog es in seinen Bann und er konnte sich nicht dagegen wehren.

    Nach der zweiten Halben sagte Fritz, dass man doch auch einmal tanzen könne, jetzt wo sie schon da wären. Hermann schaute besorgt auf die leere Tanzfläche und meinte, dass das nicht seine Sache sei.

    „Ach komm, ist ganz einfach. Du hast die doch alle gesehen. Du musst nur ein bisschen im Rhythmus

    herumhopsen. Rhythmus. Kennst du doch, oder? Das ist das, wo im gleichen Zeitabstand Töne hervorgebracht werden. Die Musik macht das schon."

    „Du hast leicht reden. Du warst auf dem Tanzkurs vor deiner Abifeier. Mit so was hatte ich nichts zu tun."

    „Jetzt sei kein Spielverderber, Mandi. Mach's mir einfach nach."

    Mandis Angst war vom Alkohol ein wenig reduziert, so folgte er zögernd seinem Zwillingsbruder quer über die Tanzfläche zu einem Tisch, an dem acht junge Mädchen kicherten. Zwei sahen ihnen erwartungsvoll entgegen, sie waren beide braun gebrannt, blond, hatten blaue Augen und Blusen aus leichtem, fließendem Stoff mit einem ungebührlich tiefen Ausschnitt, aus dem sich ihre vollen Brüste wölbten. Die mechanischen Möglichkeiten, diesen Eindruck zu verstärken, waren den Brüdern völlig unbekannt, so dass ihre Bewunderung der Anatomie ungetrübt war. Fritz entschied sich schnell, geblendet vom ungewohnten Anblick und deutete Mandi an, es ihm gleich zu tun. Wahrscheinlich auch Zwillinge, dachte er.

    Er verbeugte sich knapp und sagte mit strahlendem Lächeln: „Darf ich sie um den nächsten Tanz bitten?" Er durfte und sah, dass es Hermann auch gelungen war. Sie führten ihre Damen stolz auf die Tanzfläche, die sich langsam füllte und harrten der Dinge, die da kommen würden. Den Rhythmus konnte Fritz nicht gleich einem der ihm geläufigen Tanzformen zuordnen. Er entschied sich für Foxtrott, aber bereits nach kurzer Zeit war das Schulische vergessen und sie hopsten munter und immer ekstatischer herum, schon deswegen, weil die Mädchen ihnen jede Scheu vor eigenartigen Bewegungen nahmen. Sie waren wohl geübter. Nach dem dritten Stück, das sehr schnell und virtuos war, kam Fritz ordentlich ins Schwitzen, aber auch die Haut seines Mädchens glänzte und sie wischte sich lachend den Schweiß aus den Augen.

    Es folgte ein ganz langsamer Blues. Ein übler Trick, fand Fritz, jetzt wo ich so schwitze. Sein Mädchen drückte sich schwer atmend an ihn und sie wiegten sich nahezu auf dem Platz stehend in diesem aufreizend langsamen Rhythmus und einer Klarinettenmelodie, die Sehnsüchte weckte und einen weit fort trug. Jetzt roch er auch einen eigenartigen und betörenden Duft, der vom Hals seines Mädchens ausging. Jasmin, dachte er, gemischt mit einigen unbekannten Komponenten, die ihm mehr als nur angenehm waren. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter, er spürte ihren warmen Atem und nur die feste, hirschlederne Hose bewahrte ihn davor, dass seine Wünsche der Partnerin verraten wurden. Aber sie wusste es auch so und lachte ihn strahlend an.

    Dann war der Tanz zu Ende und er sagte. „Vielen Dank, mein Fräulein" und begleitete sie artig an ihren Platz zurück.

    „Jetzt weiß ich, warum solche Veranstaltungen nicht gerne gesehen werden, sagte Hermann. „Das ist schon sehr unzüchtig, oder?

    „Erzähl mir nicht, dir hat's nicht gefallen. Ich hab's genau gesehen. Du kannst mir nichts vorlügen." Fritz grinste .

    „Ja, ja, es war nicht unangenehm. Aber ich habe kein gutes Gefühl dabei. Was denkst du, ist das nun in Ordnung oder nicht?"

    „Meine Güte. Komm, wir tanzen noch einmal." Und er stand sofort auf.

    „Es tut mir leid, schöner Mann. Aber wir müssen nach Hause. Wir haben nur bis zehn Uhr Ausgang und müssen pünktlich im Internat sein. Es war sehr schön. Vielleicht sieht man sich ja wieder."

    „Sag mir, wie du heißt und wo ich dich erreichen kann."

    „Ich bin Sissi. Und wenn es das Schicksal will, werden wir uns wieder treffen." Sie hatte nicht nach seinem Namen gefragt. Das Erlebte reichte ihm dennoch, um den Rest des Abends zufrieden und entspannt mit Salem, Bier und Träumen zu verbringen. Punkt zwölf endete das letzte Stück und der Laden wurde geschlossen.

    Eine der Melodien summend, machten sie sich auf den Weg. Die kühle, saubere Luft tat ihnen gut und als eine Bö kam und mit ihr ein paar Regentropfen, fanden sie das eher angenehm.

    Einen halben Kilometer vor dem Pavillon waren es physikalisch gesehen immer noch Tropfen, aber von einem Wasserfall in ihrer Wirkung kaum zu unterscheiden. Noch unangenehmer waren sie, weil sie aufgrund des jetzt heftigen Sturms horizontal daherkamen. Im Lichte der ununterbrochenen Blitze konnten sie sehen, wie ihre ledernen Hosen auf der Steuerbordseite sehr dunkel und sehr weich und etwas länger geworden waren. Sie lachten und liefen um die Wette, weil es gut war und weil keiner bei dem ohrenbetäubenden Lärm aus Sturm, prasselndem Wasser und Donner sie hätte gängeln können. „Die Natur steht über der Obrigkeit", krächzte Fritz, als sie sich schwer atmend in den Pavillon setzten, um wenigstens ein wenig geschützt zu sein.

    Langsam wurde die Nässe unangenehm. Sie hatten weder Handtücher noch warme Kleidung eingepackt. Die Regenjacken über den triefnassen Klamotten waren nicht sehr hilfreich zur Verbesserung des Binnenklimas und so froren sie erbärmlich, was wiederum die Stimmung auf ein sachliches Maß drückte. Jammern war aber nicht männlich. Diese Blöße hätten sie sich nie gegeben. An ein Wegfahren mit dem Boot war nicht zu denken, der Wind kam aus Südwest und die Wellen hatten sich zu einer für Süßwasserseen bemerkenswerten Brandung entwickelt. Gischt von den sich an der steinernen Uferbefestigung brechenden Wellen ergänzte immer wieder die Wassermenge, die ohnehin seitlich in den Pavillon drang. Der Boden hatte sich mittlerweile in eine zentimetertiefe Pfütze verwandelt.

    So ließ es sich nur ausharren, weil es keine Alternative gab. Lange Stunden saßen sie so zusammengekauert und Hermann hielt es für die Strafe Gottes wegen ihres lästerlichen Tuns. Er sagte es aber nicht.

    Gegen sechs Uhr morgens geschah zweierlei. Der Regen normalisierte sich und dem einheitlichen Schwarz wich langsam und unmerklich ein düsteres Grau. Die Wellen schlugen aber noch mit gleicher Macht gegen das Ufer.

     „Wollen wir?", fragte Hermann.

     „Meinst du, es geht?"

    „Klar, wir schaffen das."

    Den Blauwal ins Wasser bringen war einfach, ihn jedoch beim Einsteigen am Kentern hindern, stellte sich als echte Herausforderung dar. Mehrmals saßen sie urplötzlich im Wasser, was aber egal war, weil es den Wassergehalt ihrer Kleidung nicht weiter vermehrte. Im Boot endlich sitzend, zogen sie sich die Sülldecke über den Kopf und hängten sie in den Süllrand ein. Das war eine hervorragende Erfindung bei diesen Verhältnissen, da sich dadurch der Wasserstand im Boot nicht weiter erhöhte. Das schulmäßige Paddeln wich einem wilden Balancieren und Abwettern von Wellenbergen und mehr als einmal krachten sie zusammen. Hermann wusste jedoch für diesen Fall keine Regel. Also schwieg er. Der immer noch ordentliche Südwestwind drückte sie schnell nach Nordosten, so dass Hermann einen Kurs Richtung Südost steuerte. Das heißt, was er für Südost hielt, denn nach wenigen Minuten war in keiner Himmelsrichtung etwas zu sehen außer grauer Farbe und kleine Schaumkronen.

    „Meinst du, wir sind schon auf dem Weitsee?", mutmaßte Fritz nach einer halben Stunde.

    „Nein, glaub' ich nicht, dazu sind wir zu langsam."

    Und wirklich, aus dem Nichts tauchte halblinks ein etwas dunklerer Streifen auf. „Das könnte der Ausläufer der Schafwaschener Bucht sein. Dann sind wir aber weit nach Norden abgetrieben", meinte Hermann.

    „Wir brauchen doch nur am Ufer entlang zu fahren, dann kommen wir sicher an", schlug Fritz vor, schon etwas erschöpft vom Kampf gegen die von schräg achtern anlaufenden Wellen. Immer wieder tauchte der Bug vollständig ins Wasser und übergoss ihn mit einem kühlen Schwall, den er gar nicht mehr erfrischend fand.

    „Nichts da, wir sind doch keine Memmen, keine Umwege, wir halten Kurs", war Hermanns Antwort.

    Das Wetter und die Sonne kamen ihnen zu Hilfe. Es entstand eine erste Lücke und der blaue Himmel dahinter zeigte, dass er noch vorhanden war. Das Loch erweiterte sich schnell und damit schlief auch der Wind ein. Sie konnten die Kailbachbucht sehen und fuhren den letzten Kilometer schon fast gemütlich in der aufgehenden Sonne und den mittlerweile harmlos plätschernden Wellen. Erschöpft und glücklich zogen sie das Boot an Land und holten sich aus dem Zelt zwei Flaschen Bier. Das zweite Päckchen Salem, das Hermann als eiserne Ration noch bei sich hatte, war allerdings unbrauchbar geworden. Niemand war da und auch Herr Jell ließ sich noch nicht blicken. So gingen sie leise und unbemerkt ins Zelt und waren schon nach ein paar Sekunden fest eingeschlafen.

    Als sie aufwachten, malte die Sonne mit Hilfe von Ästen und Blättern hübsche Schattenbilder auf das Zeltdach und im Inneren war es bereits brütend warm. Ein wenig wurden sie gestört, weil schon etliche Gäste und glückliche Kinder den Strand lautstark bevölkerten. Herr Mühlmann schlenderte herbei und sagte: „Na, so lange schlafen? Das hätte es in meiner Jugend nicht gegeben. Ihr seid doch richtige Weichlinge geworden, mit denen man nichts Rechtes mehr anfangen kann."

    Was meint er denn mit nichts Rechtes, dachte Fritz und fand keine sinnvolle Erklärung.

    „Das Problem ist, sagte er zu Hermann, „dass es zu viele Menschen gibt. Nirgends ist man mehr alleine. Es sind schon bald zwei Milliarden auf der Erde und alle machen Lärm.

    Sie zogen sich die Badehosen an, schnappten sich die Kernseife, schäumten sich ausführlich ein, auch die Haare und die Stellen unter der Badehose und wuschen alles im See durch Tauchen wieder ab, wie alle es machten, die auf Hygiene Wert legten. Dem See machte es nichts, damals. Hermann schaffte locker dreißig Meter unter Wasser und erschien frisch gereinigt am Steg, sprang die Leiter hinauf und überbrückte ihn sehr zum Erstaunen der Buben und heimlich bewundert von den schon größeren Mädchen im Handstand gehend, gefolgt von einer perfekt geschlagenen Radwende mit anschließendem Rückwärtssalto. Dann schritt er lässig zurück zum Zelt.

    „Das Problem ist, dass alle heutzutage Urlaub machen dürfen, fand Hermann. „Und dass sie damit gar nichts anzufangen wissen, außer faul herumliegen und trinken.

    „Was du im wesentlichen auch nicht anders gemacht hast, gestern und heute wahrscheinlich auch."

    „Haha. Komm, wir machen etwas Sinnvolles."

    „Was denn? Kein Ruhetag heute?"

    „Ruhen kannst du im Grab. Nun komm schon."

    Fritz folgte Hermann ins grüne, frische Wasser und sie schwammen am Schilf entlang in Richtung des

    Ganszipfels, einer kleinen Halbinsel mit Blick auf Frauen-, Kraut- und Herreninsel.

    Auf dem Weg dahin gab es immer wieder kleine Uferbereiche mit Kies und Sand verborgen vom kräftig wuchernden Schilf.

    „Leise, flüsterte Hermann und stellte sich ins Wasser, das hier nur eineinhalb Meter tief war. „Da ist jemand.

    „Na und, macht doch nichts."

    „Natürlich nicht. Aber wir können hier doch einmal Kampfschwimmer spielen und uns anschleichen. Dazu ist es wichtig, dass so wenig wie möglich von uns aus dem Wasser schaut und wir unsere Schwimmbewegungen nur unter Wasser machen und das sehr langsam. Sonst gibt es Verwirblungen und die machen Lärm. Dann müssen wir nur noch das Schilf durchdringen, ohne dass es mehr als normal raschelt. Für Old Shatterhand und Winnetou wäre das kein Problem gewesen. Das können wir auch. Um gar nicht gesehen zu werden, könnten wir auch tauchen und durch ein Schilfrohr atmen. Das lass' ich aber jetzt aus. Ich geh mal vor."

    Ohne dass Fritz Zeit für einen Einwand hatte, bewegte Hermann sich lautlos ins dichte Schilf. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu folgen. Nach etwa zwanzig Metern stieß er auf seinen Bruder, der in seiner Bewegung eingefroren zum Ufer starrte. Die Reaktion verstand Fritz, als er Hermanns Blick folgte. Es war in der Tat ein Schock. Vier Füße, zwei davon etwas kleiner, je zwei auf einer Seite und in der Mitte ein riesiges, glänzendes Glied, das in dem Mädchen rhythmisch verschwand und wieder hervorkam. Dazu ein schmerzhaft klingendes Stöhnen der beiden, der Rhythmus wurde schneller und abgehackter. Plötzlich bäumte sie sich auf und er machte ein lautes, hässliches „uargghh". Sie stemmte sich hoch, wischte ihre wirren und nassen braunen Haare aus einem feinen Gesicht, das wie ihre Halspartie auffallend gerötet war. Ihr großer Busen hob und senkte sich mit ihrem schweren Atem. Der Mann umfasste ihre Brüste und knetete sie, wie es Fritz von seiner Mutter beim Kuchenbacken kannte. Er sah durchaus arisch aus, war aber ungewöhnlich braun, ein Südeuropäer vielleicht, dachte Fritz. Hermann winkte ganz vorsichtig zum Rückzug und genauso leise durchquerten sie das Schilf, um wieder ins offene Wasser zu kommen. Ungewöhnlich schweigsam waren sie sich einig, das Unternehmen abzubrechen und zurück zum Zeltplatz zu schwimmen.

    Sie diskutierten das Gesehene nicht, sie erwähnten es nicht einmal, aber sie waren den ganzen Tag über gehemmt und wortkarg, was sogar Herrn Jell auffiel. „Was ist mit euch los? Hat's Ärger gegeben? Mir ist nichts zu Ohren gekommen. Dann wird’s schon nichts Schlimmes sein", war seine Reaktion.

    Sie hatten abends keine Lust, den Spirituskocher zu bemühen, um in Wasser eingerührtes Erbstwurstpulver zu erwärmen und beschlossen trotz der schon etwas klammen Finanzsituation noch einmal zum Oberleitner zu gehen.

    Es gab Renke. Heute genehmigten sie sich ein zweites Bier. Plötzlich erstarrte Hermann schon zum zweiten Mal an diesem Tag.

    „Schau nicht hin. Du glaubst nicht, wer da kommt."

    Fritz sah sich trotz der Warnung unauffällig um und traute seinen Augen nicht. Es waren die beiden, die sie so ungebührlich beobachtet hatten. Er hatte einen weißen Anzug mit einer roten Krawatte und elegante zweifarbige Lackschuhe und sie sah in ihrem hochgeschlossenen, schlichten, hellblauen Kleid und einer hochgesteckten Frisur wie eine Göttin aus, frei von allen menschlichen Regungen und unnahbar. Ihr Gesicht war geschminkt und hatte jetzt eine vornehme Blässe. Die beiden fielen auch bei den anderen Gästen auf, die sie mehr oder weniger anstarrten, die Frauen mit Neid im Blick, die Männer, nun ja, so wie Männer eben schauen beim Anblick einer schönen, begehrenswerten, aber niemals erreichbaren Frau. Und dann setzten sich die beiden auch noch an den Tisch neben den Brüdern. Hermann wurde abwechselnd rot und blass und ihre Unterhaltung kam endgültig zum Erliegen. Dafür konnten sie ohne Anstrengung mithören, was die beiden sagten.

    „Hier ist es wunderschön. Meinst du, es gibt auch etwas Ordentliches zum Essen?", sagte der Mann akzentfrei.

    „Ich denke schon. Das auf den anderen Tellern sieht ja ganz gut aus. Ich denke, ich nehme auch so einen Fisch."

    „Die können ihn doch hier gar nicht richtig zubereiten. Aber was soll's, ich nehm' das auch."

    „Musst du wirklich morgen schon abreisen? Und dann auch noch Amerika. Da bist du doch wochenlang unterwegs."

    „Ich fahre mit dem Zug nach Hamburg und dann mit der Bremen nach New York. Die hat schon das Blaue Band gehabt mit vier Tagen und 17 Stunden. Du siehst, es ist gar nicht so lang."

    „Aber gefährlich."

    „Nein, nein, das ist nicht mehr wie vor 20 Jahren. Wir streifen keine Eisberge und wenn, macht das nicht mehr so viel aus."

    „Musst du wirklich weg? Du kannst doch auch bleiben. Deine Arbeit gefällt dir doch, oder?"

    „Ja schon, aber Deutschland gefällt mir nicht mehr."

    „Aber die tun dir doch nichts und dem Land geht es jetzt endlich besser."

    „Die wollen für meine Arbeit jetzt einen Ariernachweis. Und das wird problematisch."

    „Aber du bist doch gar kein Jude, oder?"

    „Nein, natürlich nicht, Gott bewahre. Aber meine Großmutter war eine halbe Roma, das macht mich zwar schön braun, aber die mögen das nicht so."

    „Du bist in Deutschland geboren, deine Eltern auch, das muss doch reichen."

    „Mag sein. Aber JP Morgan zahlt gut und der Job ist prima, weil ich dort für die deutschen Anleihen zuständig bin. Auch Rockefeller und Ford geben Deutschland Geld, viel Geld für den Aufbau und sie versprechen sich zu recht große Gewinne. Am besten ist und bleibt aber JP Morgan."

    „Und wo bleibe ich dann? Ich kann meinen Beruf doch nicht in Amerika ausüben."

    „Lerne englisch und ich hole dich nach New York."

    „Versprochen?"

    „Ja, natürlich. Ich werde doch auf dich nicht verzichten, mein Engel."

    „Na gut, dann essen wir jetzt den Fisch."

    Die beiden waren schon gegangen, als Hermann und Fritz sich noch ein drittes Bier bestellten.

    „Hast du gesehen, wie die den Fisch zerfleddert haben? Brrr. Und der hat auch noch frech behauptet, dass sie hier den Fisch nicht zubereiten können."

    „Stimmt, Mandi. Keine Bildung haben die."

    „Ich hab's gleich gesehen, das war kein Arier."

    „Aber er sieht verdammt gut aus. Finde ich."

    „Mag sein. Aber stell dir vor, die bekommen Kinder. Wie werden die daherkommen, gescheckt vielleicht?"

    „Aber die sind dann schon in der dritten Generation deutsch. Das reicht für die Vorschriften."

    „Aber das Romablut bleibt."

    „Wer ist denn dann deiner Meinung nach richtig deutsch? Sag doch mal."

    „Die Frage versteh' ich nicht."

    „Wir stammen von den germanischen Völkern, ja. Aber da waren auch Kelten, Angelsachsen und vor allem viele Römer. Die wiederum haben sich mit Griechen, Phöniziern, Persern, Karthagern, Etruskern und was weiß ich noch alles vermischt. Wir sind eben auch nur eine Mischung. Und so lange ist das alles gar nicht her."

    „Wusstest du eigentlich, warum Adam und Eva keine Chinesen sein konnten?" Hermann grinste.

    „Nein, wieso?"

    „Als ihnen von der Schlange der Apfel der Erkenntnis angeboten wurde, hätten die die Schlange gegessen." Es war der einzige Witz, den Hermann sich merken konnte.

    „Hahaha. Aber im Ernst: Die ersten Menschen kamen angeblich aus Afrika. Das werden doch keine Neger gewesen sein. Unvorstellbar der Gedanke. Ich versteh das nicht wirklich. Die hätten doch dann langsam immer mehr blass und blond werden müssen, als sie vom warmen Afrika in den kalten Norden ausgewandert sind. Wie soll das denn gehen? Vielleicht sind die Menschen ja auch hier entstanden."

    „Das wäre aber dann eine ganz andere Spezies. Die könnten sich doch dann gar nicht mischen."

    „Das wäre auch gut so. Dann blieben wir leichter reinrassig."

    „Also, ich blicke da nicht durch. Dass die Menschen vom Affen abstammen, wie Darwin meint, mag ja bei den Negern stimmen. Die haben schon eine gewisse Ähnlichkeit. Aber wir sehen doch völlig anders aus, oder?"

    „Lassen wir es gut sein, Mandi. Wir wissen es einfach nicht. Wir sind arisch, zumindest sagt das unser Ariernachweis. Wir haben es also amtlich. Und was amtlich ist, ist damit auch richtig. Lass uns schlafen gehen."

    Die restlichen Urlaubstage verliefen ohne aufregende Ereignisse, aber sehr sportlich. Sie liehen sich beim Oberleitner ein paar Mal zwei Chiemseeplätten, diese eleganten, lang gestreckten Holzkähne mit dem typischen trapezförmigen Luggersegel und fuhren Regatta um die Inseln. Von hier konnte man im Süden bei Bernau auch die riesige Baustelle sehen, auf der das Rasthaus entstand, eine Einrichtung, die den Menschen auf der Autobahn nach Salzburg einen willkommenen Anlass für eine Wohlfühlpause bot. Fritz gewann auch einmal das Rennen, als er den kürzesten Weg wählte, während Hermann taktisch klug um die Herreninsel weit ausholte, um nicht in den Windschatten zu geraten. Leider schlief der Wind plötzlich ein und nach einer Stunde dümpelte Fritz als Erster über die gedachte Ziellinie zwischen ihrem Campingplatz und Urfahrn.

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