Dionysos und der schlimme Winter: Das dritte Abenteuer von Kater Dionysos
Von Sabine Hoffelner
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Sabine Hoffelner
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Buchvorschau
Dionysos und der schlimme Winter - Sabine Hoffelner
Ein verhängnisvoller Spaziergang
Genüsslich streckte der rundliche Kater erst eine Pfote von sich, dann die nächste. Er blinzelte. Eigentlich wollte er noch gar nicht aufwachen. So gemütlich war es hier auf seinem Lieblingsplatz am Wohnzimmerfenster. Wieder blinzelte er. Draußen hatte sich eine weiße Decke über den Garten des Hauses gelegt, das er seit dem Frühling zusammen mit seinem Professor bewohnte. Anfangs hatte er sich hier überhaupt nicht wohlgefühlt. Doch inzwischen mochte er dieses dörfliche Haus mit dem Garten drum herum ganz gern. Hier hatte er seine Freundin Alesa kennengelernt, die nebenan im Schuppen lebte.
Alesa war seine Gefährtin geworden und die Mutter seiner drei Kinder Mimi, Poldi und Harry. Er seufzte. Harry war der Einzige, der noch bei ihm lebte. Die beiden anderen waren im Sommer zu Hilda gezogen, einer Nichte des Professors.
Dio ließ die Augenlider wieder zufallen und dachte wehmütig an den Sommer zurück. Er mochte die warme Jahreszeit viel lieber als den Winter. Er liebte es, faul in der Sonne zu dösen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten schätzte er inzwischen das Gefühl, weiches Gras unter den Füßen zu haben. Und es bereitete ihm großes Vergnügen, unvorsichtige Insekten zu jagen.
Ja, das Jagen gefiel ihm. Aber als Speise schätzte er dann doch eher die Schälchen mit Feinschmecker-Menü, die ihm sein fürsorglicher Mensch regelmäßig kredenzte. Dio spürte einen leichten Anflug von Appetit in seinem Bauch. Na ja, Appetit hatte er immer. Sein Professor hatte ihm schon gesagt, dass man ihm das deutlich ansah.
Seufzend setzte er sich auf und begann, sein rötliches Fell zu putzen. Es war ihm egal, ob man ihm seinen Appetit ansah. Er war völlig mit sich zufrieden.
Als er mit der Körperpflege fertig war, blickte er wieder nach draußen. Überall lag dieses seltsame weiße Zeug herum. Früher, als er zusammen mit seinem Professor noch in der kleinen Wohnung in der Stadt gelebt hatte, hatte er so etwas nur durch das Fenster gesehen. Damals hatte er keine Ahnung davon gehabt, wie scheußlich es sich unter den Pfoten anfühlte. Es war kalt und nass. Außerdem konnte man darin regelrecht einsinken, wenn man einen falschen Schritt machte. Nein, das war nichts für ihn. Harry hatte damit weniger Schwierigkeiten. Ihn zog es bei jedem Wetter hinaus. Auch heute hatte er gleich nach dem Frühstück durchgesetzt, dass der Professor ihn nach draußen ließ.
Bedrückt blickte der Kater wieder zu diesem weißen Elend hinaus. Seitdem es Winter geworden war, ging Harry immer öfter seiner eigenen Wege. Er hatte Freunde gefunden, mit denen er viel Zeit verbrachte. Dio wusste nicht, ob es am Winter lag. Aber er hoffte sehr, dass sich das mit dem Frühling wieder änderte.
Plötzlich öffnete sich die Wohnzimmertür und der Professor betrat den Raum. „Na, da ist ja jemand aufgewacht!"
Der alte Mann schlurfte zum Fensterbrett und begann, den Kater zu streicheln. Unwillkürlich musste Dio schnurren. O, wie er das liebte! Er streckte sich der kraulenden Hand entgegen und drehte sich, damit sein Mensch auch den Bauch erreichen konnte. Da erschrak er. Gerade noch rechtzeitig gelang es ihm, sich an der streichelnden Hand festzukrallen, um nicht auf den Boden zu purzeln.
„Na, nicht so ungestüm, mein guter Dionysos!", rief der Professor und schob dabei seinen Kater wieder zurück auf die Fensterbank.
Dankbar rieb Dio seinen Kopf an die hilfreiche Hand. Sein Professor war der wunderbarste Mensch, den er kannte. Es gab nur wenige Dinge, bei denen sie unterschiedliche Meinungen hatten. Eines dieser Dinge waren die Namen, die er verteilte. Aber darüber sah der Kater großzügig hinweg. Als pensionierter Philosophie-Professor kannte man wahrscheinlich keine ordentlichen Namen.
Er selbst mochte „Dio, wie Alesa ihn nannte, viel lieber als „Dionysos
. Auch für die Katzenkinder hatte der Professor sehr eigenartige Namen gefunden, die Dio und Alesa schnell geändert hatten. Aus Herakles war Harry geworden, Artemis hieß Mimi und Apoll war in Katzenkreisen Poldi.
„Was hältst du von einem kleinen Spaziergang? Nur weil Winter ist, müssen wir doch nicht die ganze Zeit hier drinnen sitzen. Der alte Mann stupste seinen Kater verschmitzt lächelnd am runden Bauch. „Gerade dir würde etwas Bewegung gut tun, meinst du nicht auch?
Nein, Dio meinte das überhaupt nicht. Schon der Gedanke, seine Pfoten in dieses weiße Ekelzeug setzen zu sollen, ließ ihn erschauern. Was ihm viel besser tat als die Kälte draußen, war dieser wunderbare Platz über der Heizung am Fenster, mit dem warmen Kissen unter sich und einer Hand, die leider schon wieder aufgehört hatte, ihn zu streicheln.
„Na los, Dionysos! Heb deinen Hintern vom Fensterbrett weg und geh mit mir zusammen ein Stück spazieren. Wir bleiben nicht lange. Es wird dir gefallen. Schau, es fängt gerade an zu schneien. Ganz dicke hübsche Flocken tanzen durch die Luft, schau!"
Dio schloss die Augen. Nein, es würde ihm nicht gefallen! Der Schnee war schon unangenehm genug, wenn er am Boden herumlag. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er angenehmer sein würde, wenn er um ihn herum durch die Luft wirbelte.
„Sobald wir wieder nach Hause kommen, machen wir es uns gemütlich und du bekommst was Leckeres."
Mit freudig blitzenden Augen setzte Dionysos sich auf. Das war doch gleich etwas anderes. Auf eine Leckerei hatte er immer Lust. Nur, in dieses kalte nasse Zeug da draußen wollte er trotzdem nicht hineintreten. Was sollte er deswegen bloß machen? Da hatte er eine Idee.
Er sprang zu Boden und schritt so würdevoll, wie es sein üppiger Körperbau zuließ, in den Flur. Sein Mensch folgte ihm.
„Na, da hatte ich wohl das richtige Argument, um dich doch noch zu überzeugen!" Grinsend zog sich der Professor eine warme Jacke, Mütze und Schuhe an.
Da ergriff Dio seine Chance. Er spannte seine Muskeln an, sprang und landete auf der rechten Schulter des alten Mannes. Der geriet kurz aus dem Gleichgewicht, dann begann er zu lachen.
„So war das nicht gedacht!" Mit einer Hand stützte er sich an der Wand ab, mit der anderen hielt er den Kater fest, damit dieser nicht abstürzte. Dionysos rieb seine Wange an der seines Menschen.
„Na gut, wenn du meinst, seufzte der alte Mann. Ächzend erhob er sich und hielt dabei seinen Kater fest. „Aber falle mir bloß nicht herunter!
Damit war Dio einverstanden. Er streckte sich lang aus, bis er wie ein dicker Fellschal aussah, der von einer Schulter des Professors bis zur anderen reichte.