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Mord am Januarsberg
Mord am Januarsberg
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eBook268 Seiten4 Stunden

Mord am Januarsberg

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Über dieses E-Book

Am Januarsberg, einem in der Eiszeit entstandenen Geesthügel nördlich von Steyerberg, malerisch in einem größeren Waldgebiet gelegen, findet eine Joggerin eines Morgens zwei Leichen, eine Frau und einen Mann. Beide wurden jeweils mit nur einem Schuss tödlich getroffen. Die Mordkommission tritt zusammen und rätselt über Zusammenhänge und Motivlage eines möglichen Täters. Zunächst wird, auf Grund der professionellen Schusstreffer, an einen Jäger gedacht, doch wer sollte einen Grund haben, die beiden unbescholtenen Menschen zu töten? Schnell wird klar, dass die beiden Ermordeten sich kannten und miteinander schliefen, doch gerade dies scheint kein besonderes Geheimnis zu sein und niemanden, nicht einmal den Ehemann der erschossenen Frau, wirklich zu stören. Die Arbeit der Ermittler gestaltet sich mühsam, alle richten sich auf eine lange Dauer und viel Kleinarbeit ein. Niemand ahnt, dass der Mordkommission die Zeit davon läuft...
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum15. Juni 2020
ISBN9783752963908
Mord am Januarsberg
Autor

Paul Voss

Ich wurde im Jahr 1976 geboren und lebe in Niedersachsen, genauer in dem beschaulichen Ort Steyerberg. 'Mord im Klosterwald', als mein erstes Werk, handelt von einem wahren Verbrechen, an dessen Aufklärung ich noch selbst als Kriminalbeamter mitgearbeitet habe, was bei mir tiefe Spuren hinterlassen hat. Mein früherer Beruf hatte aber auch sehr schöne Seiten, was mich motiviert, in meiner Fantasie immer neue Fälle zu ersinnen. Mit 'Mord am Kiessee' habe ich eine Reihe begonnen, in der der Kriminalpolizist Paul Voss immer wieder neue, spannende und anspruchsvolle Fälle bearbeiten muss, immer wieder auch im Privaten seine Höhen und Tiefen erlebt und neben seinem altbekannten Team auch ab und an neue Kontakte knüpft. Mehr Infos gibt es auf meiner Homepage www.paul-voss-buecher.de.

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    Buchvorschau

    Mord am Januarsberg - Paul Voss

    Paul Voss

    Mord am Januarsberg

     Für Jesko

    Impressum

    © 2020 Paul Voss

    Postfach 1264

    31587 Stolzenau

    www.paul-voss-buecher.de

    Inhalt:

    1. Lautlos

    2. Farben und Tapeten

    3. Tatortarbeit

    4. Berufsschule

    5. Pathologie

    6. Kevin

    7. Perspektiven

    8. Jean-Luc

    9. Lichtblicke

    10. Ex-Partner

    11. Verwirrungen

    12. Du, mein Sohn...

    13. Drei Schüsse

    1. Lautlos

    Ewald Vogel war von seinem Rad abgestiegen. Der Weg, der am südlichen Rand des Januarsberges in Steyerberg vorbeiführte, bestand – wie üblich im Spätsommer – aus reinem Pudersand. Es war noch sehr warm draußen, gegen Mittag hatte das Thermometer bei Iris auf der Terrasse 29 Grad angezeigt. Inzwischen stand die Sonne knapp über dem Horizont, aber in dem weichen Sand war ihm das Fahren zu anstrengend. So kam er nur langsam voran. Als er an dem Wanderweg vorbei schob, der direkt auf den Berg führte, beschloss er, noch einen kurzen Abstecher zu dem kleinen Aussichtsturm zu machen. Er schloss sein Rad an einer Kiefer an und machte sich auf den Weg. Der führte ihn durch die kleine, mit Gräsern und Heidekraut bewachsene Freifläche und stieg dann ein kurzes Stück ziemlich steil an. Links und rechts des Anstiegs erstreckte sich der Kiefernwald, der für die von Endmoränen geprägte Geestlandschaft typisch ist. 

    Nach dem Anstieg wand sich der Weg fast flach durch den Wald, um dann das letzte Stück bis zum Holzturm wieder recht steil anzusteigen. Nach links zog sich eine Heidefläche. Der Weg war sandig, mit etwas Kies darin, ziemlich ausgetreten und durchzogen von schlängelnden Spuren der Mountainbiker, die gerne die kurze Abfahrt von der Spitze des Berges ausnutzten.

    Der sogenannte Berg, immerhin die höchste Erhebung in der Gemeinde Steyerberg, misst auf dem Gipfel 84 Meter über Normalnull. Es war keine gewaltige Anstrengung, zu Fuß nach oben zu gehen. Ewald erinnerte sich an seine Kindheit und Jugend. Oft war er mit Freunden oder der Familie hier gewesen. Damals war der Wald um den höchsten Punkt des Berges noch jung und die Bäume sehr niedrig gewesen. Der Januarsberg war bekannt dafür, dass man bei gutem Wetter das Denkmal des Kaisers Wilhelm in Porta Westfalica, etwa 40 Kilometer in Luftlinie entfernt, sehen konnte. Heute musste man auf den kleinen Aussichtsturm des Heimatvereins steigen, um über die Kiefern hinweg in die Ferne blicken zu können. Und auch dessen Höhe würde bald nicht mehr ausreichen. 

    Ewald stieg die Stufen bis auf die Plattform des gut drei Meter hohen Türmchens empor und sah  zur untergehenden Sonne nach Westen. Es wehte nur ein laues Lüftchen und es war niemand außer ihm dort. Er genoss die Stille und dachte an den vergangenen Nachmittag, an dem er Iris zuhause besucht hatte. Gemeinsam hatten sie auf der Terrasse gesessen und sich gesonnt. Nachmittags waren sie ins Haus gegangen, hatten sich gegenseitig massiert und es danach in ihrem Ehebett miteinander getrieben. Sie hatten es schon öfter getan, wenn Iris Mann weiter weg tagelang auf Montage war. Ewald war es egal, ihm ging es eigentlich nur um das eine und Iris' Ehe war sowieso zerrüttet. Sie sagte immer, sie sei mit ihm nur noch aus Gewohnheit verheiratet und er würde selbst fremdgehen. Die beiden würden nur noch zusammenbleiben, bis ihr Sohn Kevin seine Ausbildung abgeschlossen hatte. Er war im dritten Lehrjahr bei einem Dachdeckerbetrieb in der Region und sie und ihr Mann wollten durch Trennung und Wohnungsauflösung nicht seinen Abschluss gefährden. Ewald liebte Iris nicht und sie liebte ihn auch nicht. Aber sie hatten zusammen ihren Spaß und Ewald tat es gern mit ihr. 

    Seit er vor einigen Jahren bei seiner Frau ausgezogen war und eine kleine Wohnung in Deblinghausen gemietet hatte, konnte er neben der Arbeit tun und lassen, was er wollte. Er warf noch einen Blick in die Runde, aber die Luft war zu dunstig: Man konnte das Denkmal in Porta Westfalica nicht erkennen. Er fotografierte mit seinem Smartphone den Sonnenuntergang, dann drehte er sich um und stieg die Holzstufen wieder herab. Unten angekommen, sah er auf sein Smartphone. Er hatte eine Nachricht von Iris bekommen und entsperrte das Gerät mit seinem Fingerabdruck. In dem Moment spürte er einen Schlag auf die Brust, der ihn erschrecken ließ, denn vor ihm stand niemand. 

    Ein stechender Schmerz breitete sich in seinem Brustkorb aus. Ewald bekam keine Luft mehr. Er fasste sich an die Brust, dann sah er auf seine Hand. Sie war voller Blut. Es gelang ihm einfach nicht, Luft zu holen. Er röchelte, wollte schreien, doch ihm kam kein Laut über die Lippen. Noch einmal mal versuchte er einzuatmen. Ein wenig hob sich sein Brustkorb, doch der Schmerz wurde schlimmer – unerträglich. In ihm wuchs das Gefühl, innerlich zu zerreißen. 

    Er starrte auf sein Telefon, sah, dass das Display leuchtete, doch erkennen konnte er nichts mehr. Langsam verschwamm sein Blick, es war wie das Fernsehbild, wenn ein Sommergewitter aufzog: Alles war verpixelt, verlor die Farbe. Ewald entglitt das Zeitgefühl. Minuten – gefühlt schienen es Stunden zu sein – stand er nur da. Sein Kopf hämmerte, lieferte ihm keine eindeutigen Informationen mehr.  Der Schmerz ließ jetzt nach, es rauschte in seinen Ohren, das verpixelte Bild verschwamm, wurde heller und heller, bis es gleißend weiß war. Er spürte wie er fiel, tiefer und immer tiefer, ein endloser Fall ohne Aufprall. Dann war es vorbei. 

    Sein Körper kippte nach vorn, fiel in sich zusammen. Sein Gesicht schlug hart auf dem festgetretenen Sandboden auf. Ganz langsam kroch sein warmes Blut unter ihm hervor, es bildete sich ein kleines Rinnsal, das nicht in dem trockenen Sand versickern wollte. Das Licht in seinem Kopf erlosch. Ewald war tot.

    Eine Fliege landete auf seinem Rücken, gleich neben dem rot geränderten Loch unter seinem linken Schulterblatt. Sie krabbelte um das Loch herum, dann senkte sie ihren Saugrüssel in das noch warme Blut. Das Tier folgte einfach dem Geruch, der ihm zeigte, wo es seine Eier ablegen konnte. Die Fliege handelte nach den Anweisungen ihres Instinkts. Die Natur wartete nicht: Der tote Körper wurde sofort einem nächsten Zweck zugeführt, während die Sonne hinter den Baumwipfeln verschwand. Ganz langsam senkte sich die Dunkelheit über den Januarsberg.

    Iris sah auf ihr Smartphone. Draußen war es schon eine Weile dunkel gewesen, als noch eine Nachricht von Ewald kam. Sie beachtete sie nicht gleich, sondern sah noch den Tatort zu Ende an. Dann nahm sie ihr Telefon und las: „Bitte komm morgen ganz früh zum Januarsberg. Zum Aussichtsturm. Ich warte da. Es ist wichtig." Das war seltsam, gar nicht Ewalds Art. Er war nun wahrlich kein geheimnisvoller Typ. Aber da sie morgen in der Frühe sowieso joggen wollte, nahm sie sich vor, zum Januarsberg zu laufen.

    Sie schrieb nicht zurück, sondern schaltete das Smartphone aus und ging zu Bett. In dieser Nacht schlief sie schlecht und als sie morgens aufstand, fühlte sie sich unwohl. Sie kochte sich einen großen Becher Kaffee und klappte ihr Tablet auf. Auf der Seite der Tageszeitung loggte sie sich ein und öffnete das E-paper. Auf der dritten Seite stand ein kurzer Artikel über den Mond, genauer gesagt über den Vollmond, wie er letzte Nacht gewesen war. Der Himmelskörper befand sich aktuell verhältnismäßig nah an der Erde. Deshalb solle der Vollmond besonders gut zu sehen sein und außergewöhnlich hell scheinen. Dies könne sich teilweise auf die Gemüter der Menschen auswirken, hieß es in dem Bericht.

    Das war es also, dachte sie. Wer weiß, was Ewald sich gedacht hatte. Sie genoss ihren Kaffee, zog sich ihre Laufkleidung an und ging vor die Tür. Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen, aber es war schon fast taghell. Sie steckte Hausschlüssel und Smartphone ein und trabte langsam los. Von ihrer Wohnung bis zum Januarsberg waren es knapp zweieinhalb Kilometer, also mit der Überquerung des Aussichtspunktes eine schöne Runde für einen Morgenlauf. In den Straßen war es noch ruhig. Sie lief am Lebensgarten vorbei über den Rosenanger in den Wald hinein. Tau hatte sich auf die Landschaft gelegt und ihre Fußspitzen wurden auf dem Waldweg feucht. Ihr Thermometer hatte zwölf Grad angezeigt, deshalb hatte sie vorsichtshalber die langärmelige Laufjacke angezogen. 

    Als sie an dem Querweg unterhalb des Januarsberges ankam, sah sie ein Fahrrad an einer Kiefer stehen. Im Näherkommen erkannte sie, dass es das von Ewald war. Sie lief daran vorbei und schlug den direkten Weg zum Aussichtspunkt ein, auch wenn sie wusste, dass dies die steilste Strecke nach oben war. Eigentlich nahm sie zum Laufen lieber einen der seitlichen Wege, denn diese waren zwar länger, aber weniger stark ansteigend. Den Tau auf dem Sattel des Rades bemerkte sie nicht. 

    Sie nahm die erste kurze Steigung ziemlich schnell, bemerkte nach dem Anstieg aber, dass ihr Puls deutlich in die Höhe schoss und deshalb trippelte sie das nächste Stück nur langsam weiter. Als sie aus dem Wald heraus kam, beschleunigte sie ein wenig, doch für die zweite Steigung verkürzte sie ihre Schritte. Sie blickte zum Aussichtsturm, doch Ewald konnte sie nicht sehen. Vielleicht war er hinter dem Turm unter den Bäumen. Iris kam schnaufend oben an, ging an der kleinen Mauer mit den Richtungshinweisen vorbei und wandte sich der Treppe des Turms zu. 

    Dort entdeckte sie einen großen dunklen Fleck auf dem Boden. War das Blut? Sie sah sich um, blickte auf die Wege und die Heidefläche, doch sie fand Ewald nicht. So betrachtete sie erst mal genauer diesen seltsamen Fleck. Es sah so aus, als hätte jemand etwas dort fortgeschleift, in Richtung der Bäume. Iris folgte der Schleifspur und erstarrte. Unter den Kiefern lag jemand. Mit ein paar schnellen Schritten war sie dort und erkannte Ewald. Er lag auf dem Bauch, in der Kleidung, die er gestern angehabt hatte. Auf seinem Rücken sah sie ein Loch. Sie beugte sich zu ihm herab, fasste seine Schulter an, zog vorsichtig daran. Er war steif. Sie richtete sich auf und Panik erfasste sie, während sie nach ihrem Telefon kramte. 

    „Iris?, ertönte eine Stimme hinter ihr. Das Blut gefror ihr in den Adern. Langsam drehte sie sich um. „Du?, war das einzige was sie sagen konnte. Etwas schlug durch ihren Kopf, brach durch die Stirnhöhle, grub sich mit rasender Geschwindigkeit durch ihr Gehirn, brachte alles, was in ihrem Geist geschah, in einem Sekundenbruchteil zum Stillstand und riss ein Loch in ihren Hinterkopf. Sie brach zusammen wie ein Hochhaus nach einer Sprengung. Ihr Kopf fiel nach hinten, die Beine knickten ein. Sie fiel rücklings schräg auf den kalten Körper ihres Gelegenheitsliebhabers. 

    2. Farben und Tapeten

    Mein Urlaub war seit zwei Tagen beendet, aber ich hatte mir noch eine dienstfreie Woche erbeten, um in unserem neuen Haus weiterarbeiten zu können. Es war ja nur zur Hälfte ein Neubau: Wir hatten ein altes Haus gekauft, das komplette Obergeschoss abgerissen und inzwischen ein neues wieder erbaut. Von außen sah alles schon ganz gut aus: Das Dach war fertig, die Fenster ordentlich eingebaut und innen waren die Trockenbauer auch schon mit ihrer Arbeit durch. Ich hatte überall Kabel verlegt und nun galt es, zunächst unten im Erdgeschoss fertig zu werden. Deswegen war ich seit zwei Tagen fieberhaft dabei, Kabelschlitze in den Wänden wieder mit Putzmasse zu verspachteln, weil meine liebe Ehefrau Britta schon sehnsüchtig darauf wartete, Tapeten ankleben und Decken streichen zu können. 

    Ich war guter Dinge, mein Tun so strukturieren zu können, dass ich am letzten freien Tag mit den Spachtelarbeiten fertig werden würde und ich genau zum Start der Malerarbeiten wieder zum Dienst müsste. Mit Farben und Tapeten kann man mich in die Flucht schlagen. Ich glaube, wenn ich mal in die Hölle kommen würde, stünden dort kilometerlange Tapeziertische und ich müsste über Äonen dünne Raufasertapeten über klemmende Kleistermaschinen ziehen und dann den ständig einreißenden, schlecht gekleisterten Tapetenhaufen auseinanderpulen und versuchen, die Fetzen an schiefe Wände mit bröckeligem Putz zu kleben. 

    Oder es stünden dort unendliche Mengen an halbvollen, schlecht gerührten Eimern mit Wandfarbe, die ich mit klemmender und glitschender Rolle auf alte Raufasertapeten, von denen sich die Späne lösen, auftragen müsste. Natürlich würde die Farbe niemals decken, aber sogar noch auf Kniehöhe spritzen und tropfen. Vielleicht übertreibe ich gerade ein wenig, aber: Tapezieren und Anstreichen ist wirklich nicht mein Ding, da mache ich lieber im Streifendienst Vertretung in der Verkehrsüberwachung.

    Zum Glück sah meine liebe Britta das anders. Sie fuhr schon mit Begeisterung los, um Farben und Tapeten einzukaufen. Mit dem gleichen Enthusiasmus kam sie dann auch nach Hause, um mir stolz ihre Errungenschaften zu präsentieren und zu erläutern, wo und wie welche Tapeten an die Wände geklebt werden würden. Und wie man es von einem echten Kerl erwartete, gelang es mir recht gut, die Begeisterung zunichte zu machen. Aber was konnte ich denn dafür? Mich faszinierten vielleicht große Kalksandsteinblöcke oder geschälte Baumstämme als Wandoberflächen. Oder auch pures Gestein wie in einer Tropfsteinhöhle. Aber Tapeten? 

    Gut, es gibt ja Kompromisse. So fand sie tatsächlich Tapeten mit Bäumen, also mit Mustern die den Formen von Bäumen ähnlich sehen. Ich meine von Laubbäumen im Winter, nicht mit Weihnachtsbäumen, sondern mit kahlem Gestrüpp. Nein, so ist es auch nicht. Ich denke ich verzettele mich hier. Also freute mich einfach, dass meine Frau sich freut und versuchte, ihr das irgendwie klar zu machen. Es schien für sie dennoch nicht ganz dasselbe zu sein, als würde ich mich ehrlich für die Tapeten begeistern.

    Zum Glück hat sie mit ihrer Mama jemanden an ihrer Seite, der das Zeug auch noch gerne an die Wand klebt. So jemanden zu haben, sollte einen Mann wie mich sehr dankbar sein lassen. Ich hingegen hatte im Rahmen dieser Konversation um Farben und Tapeten den hoffnungsvollen Gedanken, dass mich doch vielleicht irgendein dienstlich relevantes Geschehen ganz plötzlich voll beanspruchen könnte. Vielleicht mal eine Serie von Einbrüchen oder Stress an einer Schule, wo es mal wieder einer umfassenden Polizeiarbeit bedurfte. 

    Bislang war so etwas jedoch  nicht zu erwarten. Also war ich froh, dass zumindest noch Kabelschlitze in den Wänden offen waren und ich noch ausreichend Putzmörtel hatte. Britta hatte auch frei genommen und war damit beschäftigt, meine Spachtelarbeit noch weiter zu glätten. Wir arbeiteten in verschiedenen Räumen und ich sah sie nur, wenn ich neuen Mörtel anrühren musste. Irgendwann bekam ich Durst und wollte Britta fragen, ob sie Lust auf einen Kaffee hatte. Ich ging also in das alte Gästebad, welches noch funktionierte und wusch mir die Hände. Dann kramte ich mein Telefon aus meiner Tasche, die ich in die Garage gestellt hatte, damit sie nicht so viel Staub abbekam.  Ich entdeckte zwei Anrufe in Abwesenheit, einmal von meinem Vorgesetzten Hansi und einmal eine Nummer der Polizeidienststelle Nienburg, die ich aber nicht direkt zuordnen konnte. Ich tippte auf die Nummer von Hansi und wartete. Es dauerte nicht allzu lange, bis er sich meldete.

    „Moin Paul! Bist Du gerade schwer beschäftigt? „Wie man's nimmt, gab ich zurück. „Wir sind auf unserem Bau und ich stehe kurz davor, große Angst zu bekommen. Hansi stutzte. „Große Angst? Was ist denn passiert?, erkundigte er sich mit besorgtem Tonfall, sodass ich lachen musste. „Nee, es ist alles ok. Ich bin mit meinen Kabelschlitzen fast fertig und nun fürchte ich, dass ich beim Tapezieren dabei sein muss. Das könnte morgen schon losgehen. Da könne er mich beruhigen, erwiderte Hansi. „Wir brauchen dich so schnell wie möglich hier. Also eigentlich nicht wir, sondern wieder die Moko. Es gibt einen Doppelmord in Steyerberg, genauer gesagt oben am Januarsberg. Nun war ich erst mal einen Moment sprachlos. „Am Januarsberg? Das gibt's ja nicht. Jetzt gerade aktuell? Hansi bestätigte das. Es sei heute gegen 9 Uhr gemeldet worden. „Ein Mann und eine Frau, offenbar erschossen. Das Team der Kriminaltechnik ist vor Ort und die Moko wurde wieder aufgerufen. Es wird vermutlich wieder bei uns in Stolzenau rundgehen, Jan Falkenhalter ist schon hier. Er hat jetzt wohl den Hut auf. Dich sollte ich alarmieren, Angela Siebenstein ist erreicht worden und bei Andre Schneider soll ich auch noch anrufen. Thomas Schmäding und Siggi Roland haben noch Urlaub, Du hast ja nur dienstfrei und...

    Das sei kein Problem sagte ich ihm. „Ich muss nur einmal nach Hause unter die Dusche und dann komme ich her. Gib mir eine Stunde. Oder ich fahre direkt da hin, liegt ja auf dem Weg. Wer macht denn die Tatortarbeit? Carsten Ziller aus unserem Team sei bereits hingefahren, aus Nienburg erwarte man noch Martina Felden. „Und die Frau Dr. Gorssen von der Rechtsmedizin weiß auch schon Bescheid. Die wollte ebenfalls herkommen, aber nochmal anrufen wenn sie losfährt. Von mir aus kannst Du da auch direkt hinfahren. Ich sagte ihm zu, kurz nach Hause und anschließend umgehend zum Tatort zu fahren. 

    Dann ging ich zu Britta und verkündete ihr die Botschaft. Irgendwie kam sie mir auf die Schliche, dass es mir doch nicht so leid tat, wie ich vorgab. Sie grinste mich an. „Gib doch zu, dass du froh bist, dass Hansi dich angerufen hat. Ich merke doch, dass du hier keinen Bock mehr hast. Ich musste irgendwie einlenken. „Ja, Süße, du hast mich mal wieder ertappt. Mir hängt diese Schmiererei hier so zum Hals raus. Außerdem bin ich ja fast fertig. Jetzt muss ich aber nach Haus und du musst eben mit, du kannst ja dann mit dem Auto wieder herfahren.

    Wir ließen also einfach alles stehen und liegen, setzten uns in meinen alten Bulli und fuhren nach Hause. Ich flitzte in die Dusche, danach zog ich mir diensttaugliche Klamotten an und nahm unseren Ford, Britta wollte mit dem Bulli wieder zur Baustelle fahren. Natürlich vergaß ich, mir was zum Essen und Trinken mitzunehmen. 

    3. Tatortarbeit

    50 Minuten nach Hansis Anruf kam ich am Januarsberg an. Es war kurz nach 11 Uhr. Ich ließ unser Auto ein wenig abgesetzt von den ganzen Dienstwagen stehen. Nun fiel mir auf, dass ich Hansi gar nicht gefragt hatte, wo am  oder auf dem Januarsberg der genaue Tatort war. Zum Glück waren unten am Zugangsweg zum Aussichtsturm zwei Kolleginnen vom Streifendienst, die mich nach oben zum Turm schickten. 

    Ich begab mich zügigen Schrittes die beiden Anstiege, die von einem kurzen flachen Stück getrennt waren, hinauf und sah dort das ganze Aufgebot. Es war schon alles mit Trassierband abgesperrt. An den Zuwegungen zu dem kleinen Holzturm standen Kollegen in Uniform. Und, man sollte es kaum glauben, da stand auch schon ein Team von Nonstopnews mit Kamera. Woher die das nur schon wieder gehört hatten, frage ich mich staunend. Aber egal, die machten auch nur ihre Arbeit. 

    Ich begrüßte den Kollegen an der Absperrung und auch die Journalisten, die mich fragend anschauten. Ich kroch unter dem rotweißen Absperrband hindurch und zog mir nebenbei Einweghandschuhe an. Es war schon ein Weg markiert, den man benutzen sollte. Daran hielt ich mich. Ein Stückchen hinter dem Holzturm sah ich dann die anderen. Carsten Ziller hatte schon einen Bereich mit Sprühfarbe gekennzeichnet, wo sich alle aufzuhalten hatten, die an die Fundstelle der Leichen nah heran durften.

    Ihn selber sah ich, mit seiner Kamera bewaffnet Fotos machen. Die Leichen lagen noch beide dort, ein Körper schräg über dem anderen. Plötzlich fing Carsten an zu winken, aber nicht zu mir, sondern in Richtung des Weges, über den auch ich gekommen war. Ich drehte mich um und sah Martina Felden mit ihrem großen Ausrüstungstrolley den Berg hochstapfen. Ich wollte gerade umdrehen, um ihr zu helfen, als der Kollege an der Absperrung schon lostrabte und ihr den Trolley abnahm. 

    Das Kamerateam blieb artig an der Absperrung, nahm aber natürlich Martina gleich neugierig ins Visier. Die schenkte den jungen Männern überhaupt keine Beachtung, sondern nahm dem Kollegen den Trolley wieder ab und ging weiter. Carsten eilte ihr jetzt entgegen. Die beiden waren zusammen, benahmen sich aber im Dienst äußerst professionell, es gab nicht mal ein Küsschen. 

    Ich selber war an der Sammelfläche angekommen. Das Ganze erinnerte mich irgendwie an einen dieser Raucherplätze auf Bahnhöfen. In diesem Viereck standen noch zwei uniformierte Kollegen. Einer davon war Cord Breitscheid, der Dienststellenleiter aus Stolzenau, die andere war eine Kollegin aus dem Streifendienst. Cord begann sofort, mich in die Lage einzuweisen. 

    „Guten Morgen Paul, toll, dass du so spontan herkommen konntest. Ich hatte mit Hansi abgesprochen, dass ich erst mal hier bleibe und die eintreffenden Kollegen einweise. Wir haben die Moko aufgerufen und Hansi kümmert sich in Stolzenau um die Organisation. Wir haben vier Streifenteams zur Unterstützung bekommen und sichern zunächst den ganzen Hügel ab. Die Leichen wurden von einer jungen Frau gefunden, die hier über den Hügel gelaufen ist. Sie heißt Marie Seemeyer, kommt aus Steyerberg. Kalle Prissek und Sören Klüssmeyer waren vorhin kurz hier und haben sie mit nach Stolzenau genommen, um sie zu vernehmen. Das heißt, sie sollten sie erst nach Hause begleiten, damit sie sich umziehen konnte", berichtete er. 

    „Die junge Frau war ziemlich schockiert" erzählte Cord weiter. „Sie hat gleich einen Notruf abgesetzt, die Sanis und ein Notarzt waren dann auch hier, sind aber schon wieder weg. Wir haben alle Daten notiert und sogar die Schuhsohlen fotografiert. Carsten hat hier jetzt erst mal das Sagen. Bezüglich der Leichen kann ich dir nicht ganz viel berichten, weil Carsten mit dem Notarzt und den Sanis gesprochen hat. Ich weiß nur, dass der Mann vermutlich schon etwas länger tot ist und dass offenbar beide erschossen wurden. Der Mann hat wahrscheinlich eine Schussverletzung in der Brust, die Frau am Kopf. Außer der jungen Frau Seemeyer wurde hier bisher niemand angetroffen. Ob unten am Weg Leute bei den postierten Kollegen waren, weiß ich aktuell nicht. Die Jungs von Nonstopnews haben über den Rettungsdienst Wind bekommen. Wir

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