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Schwingen des Adlers
Schwingen des Adlers
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eBook422 Seiten5 Stunden

Schwingen des Adlers

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Über dieses E-Book

Sophia Römer ist alleinerziehende Mutter einer fast erwachsenen Tochter. Sie arbeitet als Erzieherin in München. Sophia ist eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, ihren Alltag ziemlich gut im Griff hat und von der Zukunft nicht allzu viel Aufregendes erwartet. Während eines Urlaubs in den Schweizer Bergen rettet sie einem verunglückten Skifahrer das Leben ohne auch nur im Entferntesten daran zu denken, dass dieses kleine Abenteuer ihr ganzes weiteres Leben auf den Kopf stellen wird.
Als ihre Tochter nach dem Abitur für ein Jahr nach Afrika geht, droht Sophias Leben kurzzeitig völlig aus den Fugen zu geraten. Da kommt das unerwartete Angebot, in einem einsamen Bergdorf als Erzieherin zu arbeiten, gerade recht. Von Anfang an zieht der Zauber des Ortes Sophia in seinen Bann. So ist es nur eine logische Konsequenz, dass sie kurzentschlossen das Großstadtleben hinter sich lässt und für ein Jahr nach Saas Gurin zieht.
Dort lernt sie Mark Suttner kennen. In ihm erkennt sie den Mann wieder, dem sie im Winter das Leben gerettet hat. Bereits bei ihrer ersten Begegnung fühlt sie sich zu ihm hingezogen. In dem kleinen Dorf, in dem normalerweise Jeder über Jeden Alles weiß, wird einzig über ihn nie geredet, obwohl er der mit Abstand reichste und interessanteste Einwohner ist.
Bei ihrem ersten Besuch bei Mark erfährt sie, dass er sich mit der Auswilderung großer Greifvögel befasst. Bei dieser Gelegenheit lernt sie auch seinen Freund den Steinadler Sam kennen, mit dem Mark offensichtlich häufigeren Umgang pflegt als mit Menschen.
Sophia ist fasziniert von dem scheuen Mann, der immer wieder für Wochen aus Saas Gurin verschwindet um überall auf der Welt Adler und Geier zu beobachten. Schließlich erfährt sie doch Marks ganze traurige Geschichte: Drei Jahre zuvor verlor er seine Frau nach an einer langen Krankheit und vor einem Jahr seinen 14jährigen Sohn bei einem Unfall.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum16. Jan. 2014
ISBN9783847653868
Schwingen des Adlers

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    Buchvorschau

    Schwingen des Adlers - Anna-Irene Spindler

    I.

    Sophia blieb stehen und atmete tief durch. Sie war ein wenig außer Puste. Kondensierte Atemluft stieg aus ihrem Mund auf. Wie Wolken aus dem Schornstein einer alten Dampfeisenbahn. Neugierig folgten ihre Augen den weißen Wölkchen. Sie mischten sich mit den Schneeflocken und lösten sich dann auf. Schon seit Ewigkeiten hatte sie keinen so dichten Schneefall erlebt. Als sie durch den tiefen, weichen Neuschnee weiterstapfte, öffnete sie einer inneren Eingebung folgend den Mund, streckte die Zunge heraus und versuchte die dicksten Flocken zu fangen. So wie sie es als Kind immer getan hatte. Das kitzelte so herrlich und sie musste jedesmal kichern, wenn sie wieder eine erwischte. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie albern sie sich benahm. Beinahe schuldbewusst sah sie sich um, ob sie keiner bei ihrem närrischen Treiben beobachtet hatte. Aber diese Sorge war wirklich vollkommen unbegründet. Soweit das Auge reichte war nirgends eine Menschenseele zu sehen. Sie war mutterseelenallein in dieser flauschigen, in Watte gepackten Welt. Sogar die Umrisse ihrer eigenen Fußspuren begannen schon wieder unter der weißen Pracht zu verschwinden. Zum Glück war der Wanderweg durch eingeschlagene Pfosten links und rechts gut markiert. Denn man konnte nicht mehr unterscheiden, wo der befestigte Weg aufhörte und die Wiese anfing. Der Schnee hatte alle Unebenheiten ausgeglichen. Es war wunderbar still und friedlich. Nur das Gluckern des Gebirgsbaches, der neben dem Wanderweg dahinplätscherte, war zu hören.

    Wieder blieb sie stehen. Das Wasser, das über die Steine plätscherte, faszinierte sie. An den Rändern des Baches hatte sich eine dünne Eisschicht gebildet. Luftblasen wanderten unter dem Eis entlang. Manche waren kreisrund wie Seifenblasen. Andere wieder schief und verbeult wie die zerfließenden Uhren von Salvador Dali. Ihre Lebensdauer betrug nur wenige Augenblicke. Dann wurden sie von der Strömung unter dem Eis wieder weitergetragen und lösten sich im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auf.

    ‚Wie das Leben! Kaum bist du da, musst du schon wieder gehen!‘, ging es Sophia durch den Kopf.

    Da musste sie über sich selbst lachen. Was sollte dieser philosophische Quatsch? Sie war hier um Urlaub zu machen und nicht um schwermütigen Gedanken nachzuhängen. Die ersten längeren Ferien seit fünfzehn Jahren. Und es waren wundervolle Tage, die sie hier verbrachte. Ihr Blick schweifte zu den Bergen, die jetzt im dichten Schneefall nur schemenhaft zu erkennen waren.

    Es war die richtige Entscheidung gewesen hierher zu kommen und nicht, wie Katie es ihr geraten hatte, nach Tunesien zu fliegen.

    ‚Was willst du denn jetzt in dieser absolut toten Zeit in den Bergen? Die Wanderer und Moutainbiker sind schon fort und die Skifahrer noch nicht da. Du wirst dich zu Tode langweilen! In den Hotels in Tunesien ist immer was los. Die bieten rund um die Uhr Programm: Sport und Fitness, Abends Disco und Karaoke und am Nachmittag Bingo. Sei doch nicht so dumm!‘ Die Unkenrufe ihrer Tochter hallten Sophia noch immer in den Ohren.

    Aber die gruselige Vorstellung, ihre Abende mit unternehmungslustigen Rentnerehepaaren zu verbringen und sich jedesmal aufs Neue eine Entschuldigung ausdenken zu müssen, warum sie sich nicht auch auf die Bühne wagte und eine kleine Einlage zum Besten gäbe, hatte sie massiv abgeschreckt. Sie war auch nicht unbedingt der Typ, der sich gerne abends allein an die Bar setzte und genüßlich den Komplimenten trinkgeldheischender Barkeeper lauschte, die ihre Söhne sein könnten. Ja! Im Nachhinein war sie sehr froh, diesmal nicht auf ihre Tochter gehört zu haben. Die vergangenen zehn Tage waren großartig gewesen!

    Während der ersten Woche hatte die Sonne täglich von einem tief dunkelblauen Himmel gestrahlt, wie man ihn eigentlich nur von Postkarten kannte. Gleich am ersten Tag hatte sie sich eine Wanderkarte zugelegt und der Reihe nach jeden der bunt eingezeichneten Wege erkundet. Fest eingemummelt, wie anno dazumal Amundsen auf seinem Weg zum Südpol, zog sie jeden Tag los. Es lag zwar noch kein Schnee, aber es war so kalt, dass selbst mittags die Temperatur nicht über Null Grad anstieg. Das Strahlen und Glitzern der schneebedeckten Berge vor dem blauen Himmel war einfach überwältigend. Nachdem sie fünf, manchmal sogar sechs Stunden durch die Kälte gewandert war, hatte sie sich hinterher in der Sauna und dem Dampfbad des Hotels wieder aufgewärmt. Zweimal hatte sie sich sogar den Luxus einer Ganzkörpermassage gegönnt.

    Von diesem strahlend blauen Himmel war aber im Augenblick nichts mehr zu sehen. Seit gestern schneite es ununterbrochen. Das laute Krächzen einer Krähe, die über ihren Kopf hinweg flog und sich auf einem kahlen Baum am anderen Ufer niederließ, riss sie aus ihren Gedanken. Sie sah auf die Uhr. Eine halbe Stunde hatte sie noch Zeit, ehe sie umkehren musste, um vor Einbruch der Dunkelheit im Hotel zu sein. Sophias Füße waren inzwischen ganz eisig geworden und so setzte sie mit flotten Schritten ihre Wanderung fort. Der Weg machte jetzt eine leichte Biegung und folgte nicht mehr dem Lauf des Baches. ‚Schade dass es gar so schneit‘, ging es ihr durch den Kopf.

    Bei klarem Wetter hatte man von dieser Stelle aus einen herrlichen Blick auf die Georgenspitze. Sie war knapp zweitausend Meter hoch. Aber da die Felswand höchstens vierhundert Meter vom Bach entfernt so steil anstieg, dass Bäume keinen Halt mehr fanden, wirkte sie unheimlich mächtig und beeindruckend. Auf ihrer Wanderkarte war ein Weg eingezeichnet, der sich in Serpentinen bis zur Spitze hinaufschlängelte. Sie versuchte durch die tanzenden Flocken hindurch den Pfad auszumachen. Vergeblich! Selbst an diesem extrem steilen Hang war alles von Schnee bedeckt.

    Plötzlich stutzte Sophia. Da hatte sich doch etwas in der Steilwand bewegt! Sie kniff die Augen zusammen um besser sehen zu können. Tatsächlich! Da war jemand unterwegs! Es gab also noch mehr so unverwüstliche Frischluftfanatiker wie sie! Sie konnte es zwar nicht genau erkennen, aber sie vermutete, dass es sich um einen Tourenskigeher handelte. Nachdenklich betrachtete sie die Steilwand, die sich über dem Skiwanderer erhob. Sie hatte mit solchen Dingen wahrhaftig keine Erfahrung. Aber bei derartig viel lockerem Neuschnee eine so steile Wand zu durchqueren, erschien selbst ihr reichlich leichtsinnig.

    Die Infotafeln vor dem Fremdenverkehrsbüro informierten bereits am Vormittag, dass sämtliche Skipisten wegen Lawinengefahr gesperrt waren. Vor Wanderungen in höheren Lagen wurde ausdrücklich gewarnt.

    Ihre Augen suchten wieder den Tourengeher. Selbst wenn keine direkte Gefahr durch Lawinen bestand, war der Weg doch so schmal, dass man schnell einmal einen Fehltritt machen konnte. Der Pfad war ja auch noch unter der hohen Schneedecke verschwunden und sämtliche Konturen verwischt. Bestimmt war das wieder so ein junger, dynamischer Extremsportler auf der Suche nach dem ultimativen Kick. Schmunzelnd schüttelte Sophia den Kopf und setzte ihren Weg fort.

    Aber nach ein paar Schritten hielt sie bereits wieder inne. Sie lauschte irritiert. Ein Geräusch wie das Rauschen einer starken Meeresbrandung drang an ihr Ohr. Sie hob den Kopf um den Ursprung dieses seltsamen Phänomens ausfindig zu machen. Dabei bemerkte sie eine dicke Nebelwand, die vom Fuß der Georgenspitze aufstieg. Dieser Nebel war gerade eben noch nicht da gewesen! Das rauschende Dröhnen kam aus dieser Nebelwolke. Plötzlich überlief es sie eiskalt. Es war kein Nebel! Es war eine Wolke aus lose aufstiebendem, wirbelndem Schnee, die rasch größer wurde. Hektisch irrten ihre Augen über die Flanke des Berges. Über die ganze Breite des Steilhanges war der lockere Neuschnee abgerutscht und der kahle Fels war zu sehen. Der Skiwanderer war verschwunden!

    „Oh mein Gott!", entfuhr es ihr.

    Der Schnee hatte ihn mitgerissen! Entsetzt starrte Sophia auf die weiße Wolke, die jetzt nicht mehr nach oben stieg, sondern am Fuß der Georgenspitze auseinanderquoll, wie Rauch aus einem Reagenzglas. Es dauerte einige Sekunden, ehe sie aus ihrer Erstarrung erwachte. Ohne die Augen von dem schaurigen Schauspiel abwenden zu können, versuchte sie den Reißverschluss ihrer Jacke zu öffnen. Vergeblich! Ärgerlich riss sie sich die Handschuhe herunter, öffnete die Jacke und suchte in der Innentasche nach ihrem Handy. Mit zittrigen Fingern gab sie den PIN-Code ein.

    „Mach schon!", schrie Sophia ihr Telefon an und schüttelte es ärgerlich. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie endlich einen vernünftigen Empfang hatte.

    Zum Glück war die Frau in der Notrufzentrale nicht von der langsamen, begriffstutzigen Sorte. Nach kurzen, prägnanten Fragen nach dem Was? Wo? und Wann? legte sie mit der tröstlichen Versicherung, sofort den Rettungsdienst der Bergwacht zu verständigen, wieder auf. Sophia steckte ihr Handy ein. Der aufgewirbelte Schnee am Fuß der Steilwand hatte sich fast schon wieder gesetzt. Fieberhaft wanderte ihr Blick über dem Gelände hin und her. Nirgends eine Spur! Panik stieg in ihr hoch.

    ‚Was, wenn die Bergwacht zu lange braucht ehe sie kommt? Was, wenn es zu lange dauerte ehe sie ihn finden?‘

    Sophia hob den Kopf. Ein entschlossener Zug lag um ihren Mund. Sie straffte die Schultern. Ohne weiter darüber nachzudenken stapfte sie los. Sie wusste, dass ein Stück weiter ein paar größere Steine aus dem Wasser des Baches herausragten. Über sie konnte man eventuell das andere Ufer erreichen. Als sie die Stelle gefunden hatte, zögerte sie keinen Augenblick. Sie machte fünf lange Schritte und schon stand sie auf der anderen Seite. Am Anfang war das Vorwärtskommen auch nicht schwieriger als auf dem befestigten Wanderweg. Aber je mehr sie sich dem Fuß der Georgenspitze näherte, desto anstrengender wurde es. Die herabgestürzten Schneemassen hatten die Pulverschneedecke soweit verfestigt, dass sie den Schnee nicht einfach wie trockenes Laub zur Seite schieben konnte. Bei jedem Schritt sank sie bis über die Knie ein und musste das Bein immer wieder mühsam herausziehen.

    Nach kurzer Zeit blieb sie vollkommen außer Atem stehen. Gespannt sah sie sich um, ob nicht irgendeine Spur des Verunglückten zu sehen wäre. Ihre Augen blieben an einer dunklen Stelle hängen. Ungefähr einhundert Meter vor ihr, unmittelbar unterhalb der Steilwand. Sofort setzte sie sich wieder in Bewegung. Da sie aber in ihrer Aufregung vergessen hatte, dass sie bis über beiden Knien im Schnee steckte, fiel sie der Länge nach vornüber. Es war ein sehr anstrengendes Geschäft, sich aus der weißen Pracht zu befreien und sie war schweißgebadet ehe sie wieder aufrecht stand. Ihre Augen starr auf den dunklen Fleck im Schnee gerichtet, arbeitete sie sich weiter vor. Inzwischen sank sie schon fast bis an die Hüften ein. Mühsam musste sie vor jedem Schritt einen Teil des Schnees mit den Händen zur Seite räumen, damit sie überhaupt ihr Bein wieder ein Stück weiter nach vorn brachte.

    Sie war gerade wieder dabei den Schnee zur Seite zu schieben, als ihre rechte Hand auf Widerstand stieß. Mit einer energischen Bewegung räumte sie das Hindernis zur Seite. Sie spürte einen heftigen Schmerz in ihrer Hand und zuckte mit einem leisen Aufschrei zurück. Quer über die ganze Handfläche zog sich ein Schnitt aus dem auch sofort das Blut in dicken Tropfen herausquoll.

    „So ein Mist!", schimpfte Sophia.

    Sie kramte in ihrer Jackentasche nach einem Taschentuch und presste es auf ihre Hand. Mühsam schob sie mit dem Ellbogen den Schnee zur Seite, um zu sehen, woran sie sich geschnitten hatte. Ein Ski! Anscheinend hatte sie mit ihrer Hand ausgerechnet die messerscharfe Stahlkante erwischt. Sie ballte die verletzte Hand um das Taschentuch zu einer Faust und wühlte mit der Linken im Schnee. Aber an dieser Stelle lag offensichtlich außer dem einen Ski nichts weiter. Also setzte sie ihren Weg in Richtung Felswand fort. Allerdings ging es jetzt noch langsamer, da sie nur noch eine Hand frei hatte, um sich eine Bahn zu graben.

    Zehn Meter weiter fand sie den zweiten Ski. Diesmal grub sie ihn jedoch nicht aus, sondern trat mit dem Fuß darauf. Er steckte mindestens achtzig Zentimeter tief im Schnee. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu als sie daran dachte, dass vielleicht auch der unbekannte Skifahrer so tief unter dem Schnee begraben sein könnte. Nach einer ihr beinahe unendlich lange erscheinenden Zeitdauer erreichte sie den dunklen Fleck, der ihr die ganze Zeit als Anhaltspunkt gedient hatte. Mit der Hand tastete sie über das dunkelblaue Material, das sich so deutlich von der weißen Schneedecke abhob.

    ‚Es könnte eine Tasche oder eine Rucksack sein‘, ging es ihr durch den Kopf. Sie räumte den Schnee zur Seite um an das Ding heran zu kommen. Es war tatsächlich nur ein Rucksack. Enttäuscht wollte Sophia ihn beiseite schieben. Aber es ging nicht. Er saß fest! Ohne weiter an ihre verletzte Hand zu denken, begann sie wie eine Besessene zu graben. Ihr Herz schlug so laut, dass sie das Gefühl hatte, das Geräusch würde sogar das Keuchen ihres Atems übertönen. Tatsächlich! Unter dem Rucksack kam eine rote Skijacke zum Vorschein.

    Kurze Zeit später konnte sie bereits dunkelblonde Haare erkennen. Sie tastete sehr behutsam am Kopf entlang um das Gesicht zu suchen. Da gab der Schnee auf der einen Seite neben dem Kopf nach und sackte nach unten. Offensichtlich war dort unter dem Gesicht eine kleine Höhlung im Schnee gewesen, die jetzt zusammengebrochen war. Vorsichtig schob Sophia ihre Hand unter den Kragen des Anoraks.

    „Gott sei Dank!", entfuhr es ihr, als sie unter ihren Fingerspitzen einen kräftigen Herzschlag spürte.

    Sie kratzte den Schnee rund um den Kopf beiseite und versuchte ihn auch so vorsichtig wie möglich aus dem Gesicht zu entfernen. Auf der Wange, die zum Vorschein kam, war der dunkle Schatten eines Drei-Tage-Bartes zu sehen. Irgendwie war es Sophia von Anfang an klar gewesen, dass es sich um einen Mann handeln musste. Nur Männern konnte ein solcher Blödsinn einfallen, bei so gefährlichen Verhältnissen mit den Tourenskiern unterwegs zu sein.

    Diese Seite des Kopfes schien unverletzt zu sein. Sie beugte sich nach vorn um das ganze Gesicht sehen zu können. Da bemerkte sie, dass der Schnee unter der anderen Wange nicht mehr weiß sondern rot war. Wieder stieg Panik in ihr hoch. Krampfhaft versuchte sie sich an all das zu erinnern, was sie in den Erste-Hilfe-Kursen, die sie jedes Jahr besuchen musste, immer wieder eingetrichtert bekommen hatte. Sie stieß die Luft hörbar aus und schluckte ein paar Mal, um den Kloß in ihrem Hals loszuwerden. Dann machte sie sich ans Werk.

    Zuerst entfernte sie den Schnee auch rund um seine Schultern. So konnte sie sehen, ob der Kopf möglicherweise eine unnatürliche Stellung hatte. Dies war nicht der Fall. Als sie beim Wegschieben des Schnees an die rechte Schulter des Mannes stieß, spürte sie ein leichtes Zucken. Da war also etwas nicht in Ordnung. Unbeirrt und zielstrebig arbeitete sie weiter. Sie hatte ihre Panik überwunden und ihre Gedanken waren jetzt vollkommen klar. Stück für Stück grub sie ihn aus dem Schnee heraus. Sie musste mit bloßen Händen arbeiten. Ihre Handschuhe, die sie zum Telefonieren ausgezogen und in die Jackentasche gestopft hatte, waren anscheinend verloren gegangen, als sie sich durch den Schnee gekämpft hatte. Ihre Hände waren zwar bereits nach kurzer Zeit völlig gefühllos, aber dafür merkte sie auch nichts mehr von dem Schnitt in der Handfläche.

    Als sie seine Beine freilegte, stieß sie wieder auf blutgetränkten Schnee. Am rechten Bein war die Skihose vom Knie abwärts zerrissen. Blut sickerte zwischen den Fetzen heraus und schmolz einen immer tiefer werdenden roten Krater in den weißen Schnee.

    „Sei mir bitte nicht böse, aber ich muss jetzt unbedingt etwas probieren." Obwohl sie wusste, dass er sie nicht hören konnte, hatte sie laut gesprochen.

    Sie berührte das verletzte Bein und drückte dagegen. Sophia konnte das Zucken des Beines deutlich spüren. Auch das leise Stöhnen des Mannes war ein eindeutiger Hinweis darauf, dass das Bein nicht gefühllos war. Offensichtlich lag also keine schwerwiegende Verletzung der Wirbelsäule vor. Sie konnte somit versuchen ihn vorsichtig von seiner Bauchlage auf die Seite zu drehen und dabei nach der verletzten Seite seines Gesichtes sehen. Der Rucksack, den er immer noch auf dem Rücken hatte, war reichlich hinderlich, als sie ihn so behutsam wie nur möglich in die Seitenlage brachte. Aber nach einigen Minuten hatte sie auch das geschafft. Um das verletzte Bein zu stabilisieren, häufte sie Schnee auf und presste ihn, soweit das mit dem lockereren Pulverschnee überhaupt möglich war, zusammen. Als sie den Kopf des Mannes vorsichtig anhob, um auch ihn mit Schnee abzustützen, sah sie einen langen Riss, der von der linken Wange aus quer über die Schläfe lief und unter den blutverklebten Haaren verschwand. Unter der Einwirkung des kalten Schnees war die Blutung schon fast zum Stillstand gekommen. Nur noch an ein paar einzelnen Stellen sickerte Blut zwischen den angeschwollenen Wundrändern heraus. Noch einmal tastete sie über seinen Hals. Der Puls war zwar nicht mehr so kräftig wie vorher, aber immerhin noch gleichmäßig. Sie zog ihre Jacke aus und deckte ihn so gut es ging damit zu. So war er wenigstens von oben gegen die Kälte und die immer dichter fallenden Schneeflocken geschützt.

    Mit einem erleichterten Seufzer richtete sie sich auf. Mehr konnte sie nicht für ihn tun. Wo nur die Bergwacht so lange blieb? Sie sah auf die Uhr. Erstaunt stellte sie fest, dass seit ihrem Anruf erst zwanzig Minuten vergangen waren. Ihr selbst war es wie eine Ewigkeit erschienen. Plötzlich schüttelte es sie von oben bis unten. Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass ihr Pullover völlig durchgeschwitzt war und es ohne Jacke doch lausig kalt war. Sie verschränkte die Arme und begann auf der Stelle zu hüpfen, um sich wieder aufzuwärmen.

    Endlich, sie hatte schon fast nicht mehr daran geglaubt, hörte sie das Dröhnen eines Hubschraubers. Sofort begann sie in die Höhe zu springen wie Rumpelstilzchen und wie wild mit den Armen zu winken. Selbst als der Hubschrauber schon zur Landung ansetzte hüpfte sie immer noch hin und her. Er landete in respektvollem Abstand zur Steilwand, um durch die Luftwirbel seines Rotors nicht weiteren Schnee zum Abrutschen zu bringen. Die Seitentür wurde geöffnet. Drei Männer stiegen aus. Sophia konnte einfach nicht stillstehen und kämpfte sich ihnen, so schnell es der tiefe Schnee zuließ, entgegen.

    „Ich habe ihn", rief sie schon von Weitem, ohne zu bedenken, dass der Lärm des Rotors jedes ihrer Worte übertönte.

    Als sie die Männer erreichte, hatten diese bereits ihre Ausrüstung aus dem Hubschrauber geholt. Sie musste ihre Augen mit der einen Hand gegen den von den Rotorblättern hochgewirbelten Schnee schützen und mit der anderen ihre Haare festhalten. Einer der Männer rief ihr etwas zu, aber da sie kein Wort verstehen konnte, zog sie die Schultern hoch und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Er kam in tief geduckter Haltung auf Sophia zu, nahm sie bei den Schultern, zog sie dicht an sich heran und beugte seinen Kopf neben ihr Ohr. „Wo ist es passiert?"

    Sie drehte sich um und wies mit der ausgestreckten Hand zur Seitenflanke der Georgenspitze. „Dort drüben!" Sie musste ziemlich schreien, um das Dröhnen des Hubschraubers zu übertönen.

    Der Mann wollte sich bereits wieder abwenden um zu seinen Kollegen zurückzukehren. Sie konnte ihn gerade noch an seiner Jacke packen und festhalten. Diesmal war sie es, die ihn zu sich herunter zog.

    „Ich habe ihn gefunden!, schrie sie ihm ins Ohr. „Er lebt, aber ich glaube er ist ziemlich schlimm verletzt!

    Er legte seine beiden Hände auf ihre Oberarme und drückte sie kurz. „Gut!" Deutlich konnte man die Erleichterung aus seiner Stimme heraushören.

    Als er zum Hubschrauber zurück ging, folgte ihm Sophia unwillkürlich.

    Er riss die vordere Tür auf.

    „Sie hat ihn gefunden. Du kannst ihnen Bescheid sagen, dass wir die Hunde nicht brauchen", brüllte er dem Piloten zu und knallte die Tür wieder zu.

    Die beiden Anderen hatten es offensichtlich auch mitbekommen, denn sie schafften bereits wieder Ausrüstungsgegenstände, die unter diesen Umständen überflüssig waren, zurück in den Hubschrauber. Sie packten alles in einen Rettungsschlitten aus Kunststoff, der aussah wie ein überdimensionales Backblech mit einem hochgezogenen Rand. An beiden Schmalseiten befestigten sie Alu-Gestänge um das Gefährt bewegen und lenken zu können.

    Sophia dauerte das Alles viel zu lange. Da lag dieser arme Kerl schwer verletzt im Schnee und diese Typen hatte nur Augen für ihre blöde Ausrüstung. Ungeduldig trat sie von einem Bein auf das andere.

    „Wir sind soweit. Zeigen Sie uns die Stelle!" Der Mann von der Bergwacht schrie ihr diese Worte ins Ohr.

    ‚Na endlich‘, dachte Sophia, nickte dem Mann zu und stapfte los. Sie legte ein solches Tempo vor, dass die Männer mit ihrem Schlitten kaum folgen konnten. „Hier ist es!" Sie drehte sich zu ihnen um, deutete hinter sich auf den Boden und trat dann zur Seite um Platz zu machen.

    Einer der Männer beugte sich über den Verletzten. Er wischte den Schnee, der schon wieder das ganze Gesicht bedeckte, vorsichtig zur Seite.

    „Oh mein Gott! Das darf doch nicht wahr sein! Es ist Mark!"

    Das blanke Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er sich zu seinen beiden Begleitern umwandte.

    Von diesem Augenblick an ging Alles rasend schnell. Jeder der drei Männer wusste genau was er zu tun hatte. Da gab es keinen einzigen unnützen Handgriff. Während der Eine den Rucksack abschnitt, schlitzte der Andere die Hose an dem verletzten Bein auf.

    Sophia musste ihren Handrücken auf den Mund pressen, um einen Schrei zu unterdrücken, als sie sah, dass ein Stück des zersplitterten Schienbeinknochens ziemlich weit aus der klaffenden Wunde herausragte.

    Der dritte Helfer hatte bereits die Schienen für das Bein geholt und war schon dabei die Kunststoffmasse in Form zu drücken und die zugehörigen Polsterungen aufzublasen. Das Schienen des Beines erledigten sie gemeinsam. Obwohl sie dabei sehr behutsam vorgingen, waren die Schmerzen offensichtlich so stark, dass trotz der tiefen Bewusstlosigkeit ein lautes Stöhnen aus dem Mund des Verletzten drang.

    Sophia beugte sich über ihn, strich ihm die wirren Haare aus der Stirn und tastete an seinem Hals nach dem Puls.

    Einer der Männer hob den Kopf. Fragend sah er sie an.

    „Gleichmäßig, aber langsamer und schwächer als noch vor einer Viertelstunde. Außerdem fühlt sich seine Haut deutlich kälter an", beantwortete Sophia seine stumme Frage.

    Der Mann nickte und meinte zu seinen Kollegen gewandt: „Wir müssen uns beeilen."

    Es dauerte auch wirklich nur noch ein paar Minuten. Sie hoben ihn in den Rettungsschlitten, zurrten ihn mit Gurten fest und deckten ihn mit Sophias Jacke zu. Einer der Männer lud sich die Ausrüstung auf und stapfte schon voraus zum Hubschrauber. Die beiden anderen bugsierten den Schlitten so erschütterungsfrei es ging hinterher.

    Sophia hob den Rucksack auf, den der Retter achtlos zur Seite geworfen hatte, nachdem er ihn vom Rücken des Verletzten losgeschnitten hatte und folgte den Männern.

    Der zertrampelte Schnee und die beiden großen roten Blutflecken blieben als stumme Überreste des Unglücks zurück, dessen Zeuge sie so unerwartet geworden war. Und auch diese würden in einigen wenigen Augenblicken unter dem stetig fallenden Schnee verschwunden sein.

    II.

    „Ich brauche noch Ihre Personalien für den Bericht."

    Sophia hob den Kopf und sah die Frau am Empfang unsicher an. Über eine halbe Stunde saß sie jetzt schon hier in der Halle des Krankenhauses, ohne dass irgend jemand von ihr Notiz genommen hatte.

    „Warten Sie in der Halle!", hatte ihr der Mann von der Bergwacht noch zugerufen, ehe er hinter der Bahre in der Notaufnahme verschwunden war.

    Sie war aus dem Hubschrauber geklettert, hatte sich noch von dem Piloten verabschiedet und war dann schön brav in das Krankenhaus marschiert um zu warten.

    Als ihr die Frau aufmunternd zunickte, stand Sophia auf und ging zum Empfangstresen hinüber.

    „Ich schreibe gerade den Bericht und benötige noch einige Angaben von Ihnen, sagte die Dame und lächelte sie freundlich an. „Zuerst den Namen und die Anschrift.

    „Mein Name ist Sophia Römer. Ich wohne in der Vivaldistraße 67 B in München. Die Postleitzahl ist 81247. „Und, fügte sie mit einem kleinen Grinsen hinzu, „Römer schreibt man wie Cäsar und Vivaldi wie Mozart."

    „Habe ich mir beinahe gedacht", schmunzelte die Sekretärin, während sie die Angaben in den PC tippte.

    Nachdem Sophia ihr Geburtsdatum und ihren Beruf genannt hatte, wollte sie auch noch den Familienstand wissen.

    „Verwitwet."

    Die Empfangsdame sah von ihrer Tastatur hoch und warf Sophia einen prüfenden Blick zu ehe sie sich wieder ihrem Bildschirm zuwandte. Diese Antwort hatte sie ganz offensichtlich ziemlich überrascht.

    Ein leises Lächeln huschte über Sophias Gesicht, als sie daran dachte wie schwer es ihr in den ersten Jahren nach Stefans Tod gefallen war, diese Angabe zu machen. Damals waren ihr jedes Mal wieder aufs Neue die Tränen in die Augen gestiegen. Jetzt war es so selbstverständlich für sie wie ihre Anschrift oder ihr Geburtsdatum.

    „Das war es auch schon. Vielen Dank Frau Römer."

    „Heißt das, dass ich jetzt fertig bin und gehen kann? Der Mann vom Rettungsdienst bat mich hier zu warten. Jetzt weiß ich nicht so recht, was ich tun soll."

    „Also ich habe alle Angaben, die ich brauche. Aber es ist durchaus möglich, dass die Bergwacht noch etwas Anderes benötigt. Wenn Sie Zeit haben, sollten Sie vielleicht doch noch auf ihn warten. Es wird sicher nicht mehr allzu lange dauern."

    „In Ordnung", sagte Sophia und ging wieder hinüber zu den Stühlen.

    Sie setzte sich jedoch nicht, sondern stellte sich direkt vor die Heizung. Sie war vollkommen durchgefroren und hätte Einiges für eine Tasse mit heißem Tee gegeben. Sie schaute sich gerade suchend nach einem Getränkeautomaten um, als am anderen Ende der Halle eine große Tür aufschwang und der Mann von der Bergwacht heraus kam.

    „Hallo Sigrid! Ist sie noch da?", rief er der Sekretärin zu.

    Diese deutete mit dem Kopf zu Sophia herüber. Jetzt sah auch er sie stehen und kam mit ausladenden Schritten zu ihr herüber.

    „Gut dass Sie noch da sind. Sie haben etwas vergessen, sagte er und hielt ihr die Jacke entgegen. „Sie ist ziemlich mitgenommen, fügte er noch hinzu. Es klang fast wie eine Entschuldigung.

    Sophia drehte die dunkelblaue Jacke, die von hässlichen, rotbraunen Blutflecken verunstaltet wurde, hin und her und sagte mit einem Achselzucken: „Das ist nicht so schlimm. Die Reinigung wird das schon wieder hinkriegen. „Ich glaube im Eifer des Gefechts haben wir uns noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Thomas Anninger. Er streckte ihr seine Hand entgegen und sah sie auffordernd an.

    Erst jetzt nahm sie sich die Zeit ihn eingehender zu betrachten. Er war zwar kaum größer als sie, aber fast doppelt so breit. Sein Gesicht war braungebrannt. Nur um seine Augen zogen sich viele feine helle Linien, die davon zeugten, dass er anscheinend ein sehr fröhlicher Mensch war, der gerne lachte. Die untere Hälfte seines Gesichtes verschwand fast vollständig unter einem dicht wuchernden Bart. Im Gegensatz zu seinen dunklen Haaren war der schon ziemlich grau.

    ‚Er sieht aus wie der leibhaftige Alm-Öhi‘, ging es Sophia durch den Kopf als sie ihm die Hand gab und sich ihrerseits ebenfalls vorstellte.

    „Es ist mir eine Ehre!" Sein Händedruck passte zu seinem robusten Äußeren. Mit einem Aufschrei entriss sie ihm ihre verletzte Hand und presste sie mit einem lauten Stöhnen an ihre Brust.

    „Lassen Sie mich mal schauen!" Sein Tonfall duldete keine Widerrede.

    Ohne ihre Reaktion abzuwarten nahm er ihr rechtes Handgelenk und drehte die Handfläche nach oben. Durch den festen Händedruck war der Schorf, der sich zwischenzeitlich gebildet hatte, wieder aufgerissen und an mehreren Stellen sickerte wieder Blut aus der Wunde.

    „Wie ist das passiert?"

    „Ich habe mich beim Graben im Schnee an der Stahlkante seines Skis geschnitten", klärte ihn Sophia kleinlaut auf.

    „Kommen Sie mit! Das soll sich ein Arzt ansehen!"

    Mit einem strengen Blick schob er den linken Ärmel ihres Pullovers in die Höhe und legte seine Hand auf ihren Unterarm.

    „Mein Gott! Sie sind ja eiskalt!"

    Er zog seine eigene Daunenjacke aus und legte sie ihr über die Schultern.

    „Ist ja auch kein Wunder! Sie sind schon eine Ewigkeit ohne Jacke unterwegs! Warum haben Sie denn nichts gesagt?"

    „Sie hatten ja wohl etwas Besseres zu tun, als sich um eine frierende Tussi mit einem lächerlichen Kratzer zu kümmern", antwortete sie mit einem schiefen Grinsen.

    Gleichzeitig kuschelte sie sich ganz fest in seine warme Jacke. Er nahm ihr ihre eigene Jacke aus der Hand, fasste sie am Arm und bugsierte sie zu der Tür am anderen Ende der Halle.

    „Du schon wieder!", rief der Arzt in der Ambulanz, als er den Mann von der Bergwacht hereinkommen sah.

    „Schau dir bitte ihre Hand an. Sie hat Mark aus dem Schnee gebuddelt und sich dabei verletzt."

    Der Arzt wusch sich die Hände, bat Sophia sich auf die Liege zu setzen und nahm dann ihre Handfläche in Augenschein.

    „Nur mal so nebenbei: Wie kann man sich denn im frischen Pulverschnee einen so tiefen Schnitt zuziehen?", fragte er neugierig, während er ihre Hand verarztete.

    „Ich habe mich mit der Stahlkante seines Skis angelegt. Und nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Wie geht es ihm eigentlich? Kommt er wieder in Ordnung?

    „Machen Sie sich keine Sorgen. Der wird schon wieder. Mark ist hart im Nehmen. Er hält Einiges aus", antwortete Thomas leichthin.

    „Naja! Ganz so harmlos ist es nun auch nicht, unterbrach ihn der Arzt. „Er hat fünf gebrochene Rippen. Es grenzt beinahe an ein Wunder, dass die Lunge nichts abbekommen hat. Außerdem wären da noch das gebrochene Schlüsselbein und eine üble Gehirnerschütterung zu nennen. Die Risswunde reicht von der Wange bis über den halben Kopf und seinen Unterschenkel haben Sie ja selbst gesehen. Der wird momentan im Operationssaal zusammengenagelt. Es wird wohl Einiges an Metall benötigt um das wieder hinzubekommen. Er hat unheimliches Glück gehabt.

    „War ziemlich nahe dran, nicht wahr? Fragend schaute Sophia den Arzt an. „Das kann man wohl sagen, antwortete er mit ernstem Gesicht.

    „So das hätten wir. Zufrieden betrachtete der Arzt sein Werk. „Ich gehe einmal davon aus, dass ihre letzte Tetanus-Impfung noch nicht länger als zehn Jahre zurückliegt.

    Er schaute über die Schulter zu Sophia während er sich die Hände säuberte. „Die Auffrischung ist vor zwei Jahren gemacht worden, antwortete sie eifrig. „So ist’s brav. Das höre ich gerne. Er grinste sie an. „In zwei Tagen kommen Sie noch einmal zum Verbandwechseln vorbei."

    Bedauernd schüttelte Sophia den Kopf:

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