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Alles oder Nichts
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eBook249 Seiten3 Stunden

Alles oder Nichts

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Über dieses E-Book

Die achtzehnjährige, exzentrische Vienne führt ein augenscheinlich unbekümmertes Leben. Sie ist eine erfolgreiche Springreiterin, hat einen tollen Freund und wird von ihren Mitmenschen geliebt. Doch dann reisst der plötzliche Todesfall ihres Geliebten sie jäh aus ihrer Idylle. Was den Stein des Schicksals erst so richtig in Fahrt bringt… Und dann taucht auch noch Aidan, der beste Freund ihres Bruders und ihr heimlicher Jugendschwarm, wieder in der Stadt auf…
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum3. Mai 2022
ISBN9783746958279
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    Buchvorschau

    Alles oder Nichts - Olivia Seger

    1

    In ohrenbetäubender Lautstärke durchbrach das Einsetzen des Weckers die morgendliche Stille. Ich strich mir verschlafen meine schwarz – türkis gefärbten, langen Haare zurück, während ich mich fragend umblickte. (Ich war natürlich in meinem Bett, aber da ich gewöhnlich in meinen nächtlichen Träumen die wildesten Abenteuer erlebte, wusste ich mitunter morgens nicht mehr, wo ich nun eigentlich war.) „You look so pretty in your casket…" brüllte der Sänger der Gruppe Blitzkid mir entgegen, worauf ich unwillkürlich lächeln musste. Obwohl ich die letzte Nacht nicht allzu viel Schlaf bekommen hatte, vermochte die punkige Musik, meine Lebensgeister zu wecken. Beschwingt sprang ich aus meinem Bett und summte leise zur Musik mit. Im Takt die Hüften schwingend, begab ich mich gutgelaunt ins nebenanliegende Bad und war mächtig stolz auf mich, denn ich lebte nun seit gut drei Monaten in meiner eigenen Wohnung. Obwohl es mich ein hartes Stück an Überzeugungsarbeit gekostet hatte, meine Eltern dazu zu bringen, mir eines der beiden Appartements, das eigentlich für die Angestellten gedacht war, zu überlassen. Sie hatten so ihre Zweifel, betreffend ihrer Tochter, was das Führen eines Haushaltes anbelangte. Ich für meinen Teil, konnte darin allerdings nur eine Halluzination meiner beiden alten Herrschaften sehen und so hatte ich natürlich nicht nachgegeben, was sich nach stundenlangen Verhandlungen endlich ausgezahlt hatte. Feierlich wurde mir schließlich der Schlüssel zu meiner eigenen Drei – Zimmer Bleibe überreicht und ich wusste von da an wie sich eine Prinzessin bei ihrer Krönung zur Königin fühlen musste. Perfekt gestylt – was in meinem Fall makellos heller, Teint und Smokey Eyes bedeutete – verließ ich die Nasszelle, um mich stirnrunzelnd vor dem Kleiderschrank in meinem Schlafzimmer zu postieren. Wie jeden Morgen stellte ich mir die Frage aller Fragen. Was um alles in der Welt sollte ich heute bloß anziehen? Meistens folgte dann der immer wiederkehrende gleiche Ablauf. Ich probierte allerlei Kombinationen aus, um dann, wenn mir das ganze Hin und Her schließlich zu blöd wurde, unwillkürlich nach irgendwelchen Kleidungsstücken zu greifen und diese wild zusammenzuwürfeln. (Ja, ich weiß, das ganze Prozedere hätte sich auch abkürzen lassen, indem ich von vornherein ein fach nach irgendwelchen Teilen gegriffen hätte. Aber wo blieben dabei denn der Spaß und der Zeitdruck, die sich immer wieder aufs Neue einstellten?) Wie es schien sollte heute ein dunkles Kleid im 50er Jahre Stil mit etlichen Totenköpfen verziert und ein Paar Netzstrümpfe das Rennen machen. Eilig packte ich meine Schulsachen, wobei mir die Unordnung in meinem Appartement nicht verborgen blieb. Ich konnte den ermahnenden Blick meiner Mutter förmlich im Nacken spüren. Hastig beförderte ich die dreckigen Teller und Gläser, die sich bereits stapelten in die Spüle und breitete ein Geschirrtuch darüber, was alles schon wesentlich ordentlicher aussehen ließ. Mit mir selbst zufrieden griff ich nach meiner Tasche und just in dem Augenblick, als ich die Riemchen meiner mit diversen Horrormustern verzierten Plateaupumps zuschnürte, war von draußen ein Hupen zu vernehmen. Hastig schloss ich die Wohnungstüre von außen und eilte auf das Auto zu.

    „Guten Morgen, meine Schöne, begrüßte mich der Fahrer, als ich mich auf den Beifahrersitz des alten 69er Camaro SS fallen ließ und gab mir einen innigen Kuss, was sich äußerst gut anfühlte. „War eine ziemlich kurze Nacht, was?! (Darf ich vorstellen. Jared! Der wohl coolste Typ unter der Sonne und zudem mein Freund.) meinte er und spielte darauf an, dass wir gestern jede Menge Spaß zusammen gehabt hatten und ich daher erst nach Mitternacht nach Hause gekommen war.

    „Ohne Zweifel. Sollte ich gezwungen sein, dies mehrfach zu wiederholen, kannst du zusehen, wie meine Schönheit dahin welkt", erwiderte ich grinsend.

    „Süße, das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Du wirst immer das bezauberndste Geschöpf dieser Erde sein."

    „Ach, soviel Romantik bereits in diesen frühen Morgenstunden. Dieser Tag kann nur herrlich werden." Jared lächelte und drehte den Schlüssel im Zündschloss, worauf der V8 Motor seines Wagens die typischen blubbernden Geräusche von sich gab. Ich wusste wie sehr mein Freund an diesem Auto hing. Es war das letzte Geschenk seines Großvaters gewesen, ehe er verstorben war. Unbewusst musste ich an meinen eigenen Vorfahr denken. Verscheuchte diesen Gedanken aber blitzartig. Die Geschichte, die dahinterstand, ängstigte mich bis heute so sehr, dass ich immer wieder aufs Neue versuchte, sie zu vergessen. Allerdings mit bescheidenem Erfolg. Eilig suchte ich nach einer Ablenkung, um meinen Verstand mit etwas anderem zu verlocken, womit er sich beschäftigen konnte. So sehr ich mich anstrengte, wollte mir nichts einfallen. Meine Stimmung drohte schon zu kippen, als Jared glücklicherweise seinen geliebten Camaro gerade in diesem Augenblick auf das Schulareal einbog, wo bereits Eileen und deren Freund Stephen auf uns warteten. Mein Freund bugsierte den Wagen schwungvoll in eine leere Parklücke, strich sich mit der Hand durch seinen zerzausten, braunen, kurzen Haare und machte sich, nachdem er den Motor ausgeschaltet hatte, daran, mir die Türe aufzuhalten. Galant reichte er mir die Hand und half mir, ganz der Gentleman, aus dem Wagen. (Ja, wir beide gaben ein wirklich skurriles Paar ab.)

    „Na, ihr Freaks, bereit für heute Abend?" Eileen, meine beste Freundin seit Kindertagen, grinste uns zu und gab mir zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange.

    „Natürlich. Das wird bestimmt spaßig", meinte ich und spielte dabei auf die bevorstehende Helloweenparty an.

    „Da bin ich mir sicher. Ich kann’s kaum erwarten, mein Kostüm auszuführen." Eileen bewegte sich wie ein Model auf dem Laufsteg hin und her, wobei ihre langen, braunen Haare leicht hin und her schwangen.

    „Leider müssen wir zuvor noch einen langweiligen Schultag überstehen."

    „Auch das geht vorbei. Kommt, lasst es uns

    hinter uns bringen." Ich schmiegte mich an Jared und wir vier machten uns auf den Weg zum Schulgebäude.

    Jared warf seine Schultasche in die Ecke seines Zimmers und legte sich auf sein Bett. (Falls ihr euch nun fragt, wer denn nun diesen Part der Geschichte erzählt, da Vienne dies unmöglich wissen kann, möchte ich mich euch vorstellen. Schicksal mein Name. Ich habe mich dazu bereit erklärt, der allwissende Erzähler dieser Geschichte zu sein. Ihr könnt mich auch Marionettenspieler nennen. Ganz wie euch beliebt. Fakt ist, dass ich alle Fäden in der Hand halte und Vienne damit das ein oder andere Mal ganz schön ins Schwitzen bringen werden. Natürlich gab es gewisse Regeln, die ich einhalten sollte, doch wozu sind Regeln denn da, wenn nicht, um sie zu brechen. Und glaubt mir, die Geschichte wird dadurch wesentlich interessanter. Wer will denn schon von einem Mädchen lesen, das alles hat? So jemanden wünscht man doch zwangsläufig die Pest an den Hals, oder? Aber nun schweife ich ab. Kehren wir also zu unserer Geschichte zurück. Wo waren wir? Ach ja, Jared warf seine Schultasche in die Ecke seines Zimmers und legte sich auf sein Bett…) Er verspürte wieder diese schrecklichen Kopfschmerzen, die kaum zu ertragen waren und ihn in der letzten Zeit des Öfteren heimgesucht hatten. Anfänglich hatte er sich nichts dabei gedacht, doch mittlerweile konnte er keine zufriedenstellende Erklärung mehr dafür finden. Sie traten jedes Mal plötzlich und ohne Vorwarnung auf und verflüchtigten sich ebenso schnell wieder wie sie gekommen waren. Er starrte an die Decke als erhoffte er sich, dass die Lösung in leuchtenden Lettern vor seinen Augen erschien. Doch nichts geschah. Er musste mit jemandem darüber sprechen, denn so langsam überkam ihn der Gedanke, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Doch Vienne wollte er auf keinen Fall damit belästigen. Sie würde sich nur unnötig Sorgen machen. Obwohl er wusste, dass seine Freundin trotz ihres filigranen Äußeren eine starke Persönlichkeit besaß, hatte er immer wieder den Eindruck, dass sie doch in ihrem tiefsten Inneren etwas quälte, das sie so unendlich zerbrechlich machte. Stephen war auch keine Option. Zwar war er mittlerweile zu einem guten Kumpel geworden, doch hatten sie bis jetzt nie ein tiefgründiges Gespräch miteinander geteilt. Und Eileen wollte er erst recht nicht in seine Furcht einweihen. Obwohl sie sich ihm gegenüber meistens nett und höflich benahm, überkam ihn des Öfteren das Gefühl, dass sie ihn im Grunde genommen nicht ausstehen konnte. Vielleicht lag es daran, dass sie, als er und Vienne sich nähergekommen waren, noch nicht mit Stephen zusammen gewesen war und ihn daher als den Menschen sah, der ihr die Freundin weggenommen hatte. Mit Sicherheit konnte er es zwar nicht sagen, aber sein Gespür täuschte ihn selten. Seine Freunde fielen also weg. Da er erst voriges Jahr in den Ort gezogen war, kamen nur noch seine Eltern oder seine Großmutter in Frage. Erstere konnte er definitiv ausschließen. Sie hatten noch nie ein herzliches Verhältnis zueinander gehabt und seit er ihnen eröffnet hatte, nach seinem Abschluss studieren zu wollen, war es mehr als unterkühlt. Sie hatten fest damit gerechnet, dass er eine Ausbildung beginnen würde und somit seinen Beitrag was die Finanzen anbelangte leisten konnte. Da dem aber nun nicht so war, sahen sie sich selbst noch die nächsten gefühlten fünfzig Jahre lang für ihren Sprössling schuften. Zudem schienen sie sich als Versager zu fühlen, denn sie versuchten ihm, seit er denken konnte, immer wieder klar zu machen, dass man, wenn man ordentlich und hart arbeitete auch etwas davon hatte. Seiner Meinung nach waren dies jedoch leere Phrasen, denn das einzige, was er die vergangenen achtzehn Jahre mitbekommen hatte, war, dass seine beiden älteren Herrschaften sich den Rücken wund buckelten und dabei das Geld trotzdem hinten und vorne nicht reichte. Es blieb also nur noch seine Großmutter. Mit ihr hatte er sich immer gut verstanden, obwohl die restliche Verwandtschaft sie als eine alte Hexe abstempelte. Jared konnte sich dies nicht erklären. Natürlich, sie lebte in einer kleinen Hütte am Waldrand und braute sich irgendwelche Getränke aus selbstgesammelten Kräutern zusammen, aber deswegen war sie doch noch lange keine Hexe. Das wäre wirklich zu klischeehaft. Zudem hatten ihm die von ihr hergestellten Mixturen immer geholfen, wenn er krank gewesen war. Angesichts dieser Tatsache wunderte er sich, wieso er nicht gleich darauf gekommen war, sich an sie zu wenden. Wahrscheinlich hatte er diese Möglichkeit außer Acht gelassen, weil ihr letztes Zusammentreffen nicht gerade glücklich verlaufen war. Er hatte sich wirklich daneben benommen. Doch sie war seine letzte Hoffnung. Womöglich konnte sie ihm eines ihrer Hausmittel geben, das die Kopfschmerzen im Nu verschwinden ließ. Obwohl er sich zugegebenermaßen ein wenig davor fürchtete, ihr in die Augen zu blicken, erhob er sich eilig von seinem Bett, schlüpfte im Gehen in seine Lederjacke und saß kurze Zeit später hinter dem Lenkrad seines Camaro‘s. Ehe er den Motor startete, hielt er kurz inne und sein Blick fiel auf die Metallstatue im Garten. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Es hatte ihn eine ganze Menge an Überzeugungsarbeit gekostet, sie da, wo sie nun stand zu platzieren. Seine Eltern hatten befürchtet, dass sie die Leute für verrückt halten könnten, wenn sie ein solches Ungetüm in ihren Garten stellen würden. Es fehlte ihnen eindeutig der Blick für das Künstlerische. Hinzu kam, dass der tägliche Anblick dieses Monsters sie nur daran erinnert hätte, dass ihr Sohn ein Taugenichts war. Doch Jared hatte nicht nachgegeben. Er liebte es mit Metall zu arbeiten und er wollte sich an seinen Geschöpfen erfreuen. Letztendlich wohnte er auch in diesem Haus. Irgendwann hatten es die beiden wohl satt, ständig über dasselbe zu diskutieren und erlaubten es ihm. Und da stand er nun, der stattliche und doch grazile Elfenkrieger. Obwohl sich in der Zwischenzeit bereits an einigen Stellen Rost angesetzt hatte, hätte das Kunstwerk in Jared’s Augen nicht vollkommener sein können. Diese Anzeichen der Vergänglichkeit gaben ihm das Gefühl, etwas Lebendiges erschaffen zu haben. Nur widerwillig wandte er sich von seinem Schützling ab, startete das Auto und brauste davon.

    „Na komm mein Junge, lass uns ein wenig arbeiten." Ich führte meinen braunen Wallach aus dem Stall und stieg auf. Am langen Zügel ließ ich ihn den blumengesäumten Weg hinter dem Gebäude zum Sandplatz schreiten. Während ich das kunstvoll, perfekt aufeinander abgestimmte Werk meiner Mutter betrachtete, musste ich daran denken, wie merkwürdig die Menschen jedes Mal darauf reagierten, wenn ich ihnen erzählte, dass ich eine talentierte Springreiterin war. Allem Anschein nach, passte ich aufgrund meines äußeren Erscheinungsbildes so gar nicht in das gängige Bild, das man sich von einer Reiterin machte. Aber im Grunde genommen war es mir egal. Ich hielt nichts von Stereotypen. Das einzige, was in meinem Leben annähernd einem Schema gefolgt war, war die Tatsache, dass meine Eltern einen Reit- und Handelsstall für Turnierpferde besaßen und ich daher seit ich ein kleines Mädchen gewesen war im Sattel gesessen hatte. Ich erinnerte mich daran, wie mein älterer Bruder Leon und ich als Kinder immer den Bereitern bei der Arbeit zugesehen und davon geträumt hatten, später auch einmal an derselben Stelle zu sein. Leon hatte diesen Traum verwirklicht und arbeitete nun in Belgien bei einem angesehenen, international erfolgreichen Springreiter. Ich hingegen hatte mich schon vor längerer Zeit von diesem Gedanken verabschiedet. Ich liebte Pferde, doch wollte ich kein Geld mit ihnen verdienen. Meiner Ansicht nach, zerstörte der schnöde Mammon das Zauberhafte dieser edlen Tiere. Im Grunde genommen hatte ich mich auch nie wirklich für den Turniersport begeistern können. Das ich nun doch an der Spitze meiner Altersklasse stand, hatte einen einfachen Grund gehabt. Die einzige Möglichkeit, die Wochenenden gemeinsam mit der Familie verbringen zu können, bestand darin, mit zu den Wettkämpfen zu fahren. Dummerweise unterschätzte ich mein eigenes Talent und so hatte es nicht lange gedauert bis ich zu einer erfolgreichen und hoffnungsvollen Nachwuchsreiterin geworden war. (Oder aber es war von Anfang an ein hinterhältiges und abgekartetes Spiel meiner Familie gewesen. Seht es wie ihr wollt.) Als mir dies zum ersten Mal bewusst geworden war, wollte ich noch im selben Moment alles hinschmeißen. Doch dann wurde mir klar, wie viel Spaß ich und meine beiden Pferde mittlerweile dabei hatten und machte weiter.

    „Na, Chef, hast du die Schule überstanden?" riss Sam, einer der Bereiter, mich aus meinen Gedanken und ich realisierte erst jetzt, dass ich und Dream Idol indessen beim Sandviereck angekommen waren, ohne dass ich es wahrgenommen hatte.

    „Gott sei Dank", ich grinste und lenkte mein Pferd neben den jungen Hengst vom Sam.

    „Und, wie lebt es sich mit der Doppelbelastung?"

    „Was meinst du?"

    „Na, den Stall zu managen und dann noch der normale Alltag eines achtzehnjährigen Mädchens zu bestreiten?" Er spielte darauf an, dass meine Eltern mir die Leitung des Stalles anvertraut hatten, ehe sie vergangene Woche zu einer Europareise aufgebrochen waren.

    „Das ist keine allzu große Herausforderung. Ich meine, mit diesem Personal." Ich grinste, denn mir war durchaus bewusst, dass die Angestellten ihren Job auch ohne meine Einmischung erledigten und diese Übertragung der Verantwortung eine reine Proformasache war. Wahrscheinlich wollten meine Eltern mich damit auf den bevorstehenden Berufsalltag vorbereiten.

    „Verbindlichsten Dank. Wie wäre es dann mit einer Lohnerhöhung?" scherzte Sam.

    „Netter Versuch. Aber so weit reichen meine Kompetenzen nicht. Da wirst du dich schon gedulden müssen, bis meine alten Herrschaften wieder im Land sind. Ich schenkte ihm ein Lächeln. „Und, wie macht er sich? Ich deutete auf das junge Pferd des Bereiters.

    „Ganz ordentlich. Er lässt es allerdings immer mal wieder auf einen Machtkampf darauf ankommen." Der junge Mann tätschelte den Hals seines Vierbeiners.

    „Wobei du natürlich stets die Oberhand behältst", meinte ich, indes ich mir einen leicht sarkastischen Unterton nicht verkneifen konnte.

    „Natürlich. Das Pferd, das Sam in die Knie zwingt, muss zuerst noch geboren werden." Als hätte der Hengst seine Worte verstanden,

    preschte er just in diesem Augenblick los und vollführte eine Reihe Bocksprünge, die denen eines Rodeo Pferdes würdig gewesen wären. Sam hatte alle Mühe, sich auf dem Rücken des Tieres zu halten. Ich brach in lautes Gelächter aus. (Die Szene war auch wirklich zu komisch. Das hatte er nun von seiner Angeberei.)

    „Zeig ihm, wer der Boss ist, Sam. Denk dran, das Pferd, das dich bezwingt, existiert noch nicht", versetzte ich ihm einen Seitenhieb und klopfte dabei Dream Idols Hals, der sich, wie immer, nicht aus der Ruhe bringen ließ. Dieses Getue seines Artgenossen schien eindeutig unter seiner Würde zu sein. Langsam beruhigte sich der Junghengst wieder und Sam dirigierte ihn mit hochrotem Kopf erneut neben mich.

    „Alles klar bei dir? Ich musterte ihn amüsiert. „Für einen kurzen Moment hatte ich doch tatsächlich den Eindruck, dass er dich zu Boden bringt. Aber wie es aussieht, hattest du alles unter Kontrolle.

    „Natürlich. Er wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. „Manchmal musst du sie eben ein wenig austoben lassen. Er grinste, wobei wir beide wussten, dass es ihm einiges abverlangt hatte, das Pferd wieder in den Griff zu bekommen. „Sag mal, wie sehen nun ei-

    gentlich deine Pläne für das kommende Jahr aus. Wirst du nun allen Ernstes an die Uni gehen?"

    „Ich habe es fest vor."

    „Echt schade, dass du Pinsel und dergleichen den Pferden vorziehst. Er spielte darauf an, dass ich nach den Sommerferien ein Kunststudium beginnen wollte. „Du würdest wirklich gut in unseren Club passen.

    „Das Thema hatten wir doch schon zu genüge. Du weißt wie ich dazu stehe", sagte ich etwas schroff, denn ich hatte keine Lust, immer wieder über dasselbe zu sprechen.

    „Schon klar. Du willst die Tiere nicht ihres Zauberhaften berauben. Sam winkte beschwichtigend ab. „Aber das würdest du doch gar nicht. Ich meine, solange DU auf ihrem Rücken sitzt, werden sie immer bezaubernd bleiben. Er schenkte mir ein charmantes Lächeln, wobei seine strahlend weißen Zähne, die sich von der, durch die Sonne, braungebrannten Hautfarbe deutlich abhoben, sichtbar wurden.

    „Du alter Charmeur." Ich schmunzelte und trabte Dream Idol an. Ich wusste, dass Sam etwas für mich empfand. Und ganz ehrlich, auch ich hegte gewisse Gefühle für diesen dunkelhaarigen, durchtrainierten und gutaussehenden Kerl. Jedoch waren diese Empfindungen vergleichbar mit solchen, die man für seinen Bruder hegte. Was weniger mit seinem Äußeren zu tun hatte, denn mit der Tatsache, dass wir uns einfach schon viel zu lange kannten.

    „Stell dir vor, du könntest jeden Tag an meiner Seite verbringen", schrie er mir über den Platz hinweg zu.

    „Dir reichen die Nächte, bei denen wir Seite an Seite liegen, wohl noch nicht, was?" scherzte ich und spielte damit darauf an, dass er die Wohnung neben meiner bewohnte und unsere Schlafzimmer direkt nebeneinander lagen.

    „Das war für den Anfang ja ganz nett. Kannst du denn nicht verstehen, dass ich mich nach dir verzehre? meinte er gespielt theatralisch. „Aber ich sehe schon, das lässt dich kalt. Ich bin zutiefst enttäuscht, fuhr er dramatisch fort, als ich keine Anstalten machte, mein Training erneut

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