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In Erinnerung an dich
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eBook438 Seiten6 Stunden

In Erinnerung an dich

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Über dieses E-Book

Caitlyn und Amelia sind seit ihrer Kindheit unzertrennliche beste Freundinnen. Sie haben unzählige Erlebnisse miteinander geteilt. Nachdem Amelia bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, ist für Caitlyn nichts mehr wie es war. Sie versinkt in ihrem Schmerz und in tiefer Trauer. Doch da ist Amelias Familie, die der Verlust auch zusetzt und mit der Caitlyn ihre Trauer teilen kann. Amelias Tochter Meike hatte schon immer auch ein inniges Verhältnis zu Caitlyn und es warten neue Menschen, die Caitlyn kennen lernen sollen. Eine Blaumeise kommt Caitlyn regelmäßig auf ihrem Balkon besuchen und entlockt ihr ein Lächeln. Gibt es einen Weg für Caitlyn zurück in ein glückliches Leben und wie wird dieser Weg aussehen?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum16. Aug. 2021
ISBN9783753195865
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    Buchvorschau

    In Erinnerung an dich - Jana Eckauer

    1

    Caitlyn saß auf dem Sofa und starrte vor sich hin. Ihr Blick war voller Kummer, ihre Augen fixierten keinen bestimmten Gegenstand, weil nichts ihr Interesse zu wecken vermochte. Der Fernseher, der vor ihr stand, war ausgeschaltet. Caitlyn konnte sich nicht dazu aufraffen, ihn anzumachen. Sie konnte sich zu nichts aufraffen, nicht einmal dazu, etwas zu essen. Es kam ihr vor, als hätte jemand all ihre Energie genommen, all ihre Freude und sie in der Dunkelheit zurückgelassen. Es war, als hätte jemand all das Licht genommen, das jeden Tag ihren Weg beleuchtet hatte.

    Das Telefon klingelte. Der schrille Ton wirkte störend angesichts der Ruhe, die Caitlyn gerade noch umgeben hatte. Sie wollte nicht herangehen, wollte nicht, dass jemand von dem Schmerz erfuhr, den sie empfand. Lieber wollte sie allein sein. Ihre Mailbox, die sie sich nicht hatte entschließen können auszuschalten, nahm für Caitlyn den Anruf entgegen.

    „Hallo, Caitlyn. Hier ist Melissa. Ich versuche nun schon seit Tagen, dich zu erreichen, aber du gehst nie ans Telefon. So langsam mache ich mir Sorgen. Ist alles in Ordnung bei dir? Bitte ruf mich doch zurück. Bis dann. Tschau."

    Ein Piepton verkündete das Ende der kurzen Nachricht und entließ Caitlyn wieder in die ihr vertraute Stille. Melissa war eine Freundin. Früher hatte Caitlyn öfter etwas zusammen mit ihr an ihren freien Wochenenden unternommen und Spaß mit ihr zusammen gehabt. Früher, das war vor jenem Ereignis vor ein paar Tagen gewesen, das ihr Leben in tausend Stücke hatte zerspringen lassen. Jetzt kam Caitlyn das unendlich weit weg vor. Sie konnte sich im Augenblick nicht vorstellen, je wieder Spaß zu haben. Wenn sie in sich hineinhorchte, dann erkannte sie, dass es ihr sogar schwerfiel, Mitleid mit Melissa zu empfinden, weil diese sich Sorgen machte. Melissas Sorgen bedeuteten ihr nichts mehr wie auch ihr Leben ihr nicht mehr zu bedeuten schien. Alles verschwamm in einem trüben Grau, wurde eingehüllt vom Nebel des Kummers, der sich schwer auf ihr Herz legte und daran zerrte. Wie sollte sie so weiterleben? Sie wusste es nicht und sie hatte keine Energie darüber nachzudenken. Draußen prasselte Regen gegen die Fensterscheiben, passend zu Caitlyns Stimmung. Während Caitlyn den Regen beobachtete, spürte sie, wie ihr selbst Tränen über die Wangen zu laufen begannen. Sie ließ sie einfach nach unten tropfen ohne sie wegzuwischen. Es hatte etwas Beruhigendes für sie zuzusehen, wie die Wassertropfen auf die Oberfläche des Fensterglases fielen und daran herunterliefen. Früher hatte Caitlyn den Regen nie gemocht. Sie hatte zu den Menschen gehört, denen die Sonne viel lieber gewesen war. Doch nun hatte sich das geändert. Im Regen schien sich das, was sie fühlte, widerzuspiegeln und das machte ihn für Caitlyn anziehend. Vielleicht gab der Regen ihr auch das Gefühl, als würde sie nicht allein um Amelia trauern, als wäre dort draußen die ganze Natur in Aufruhr, zusammen mit ihr selbst.

    Schließlich putzte sich Caitlyn die Nase und schaute kurz zum Telefon. Es hatten sich viele Nachrichten angesammelt, der rote Knopf am Telefon blinkte, um Caitlyn das mitzuteilen. Aber sie ignorierte es weiterhin. Bisher hatte sie keine einzige der Nachrichten auf dem Anrufbeantworter abspielen lassen, einige davon hatte sie allerdings gehört, weil sie in der Nähe des Telefons gesessen hatte, als sie darauf gesprochen worden waren. Sie konnte sich nicht vorstellen, mit jemandem zu sprechen, konnte sich nicht vorstellen, Worte herauszubringen in ihrer derzeitigen Verfassung oder sich gar darauf konzentrieren zu können, jemandem zuzuhören. All das schien ihr unmöglich. Ihr Hausarzt hatte sie für eine Woche krankgeschrieben. Bei ihm war sie gewesen. Auch wenn sie nur ein paar Sätze gesagt hatte, hatte dieser wohl sofort verstanden. Er musste Caitlyn angesehen haben, wie schlecht es ihr ging. Vielleicht hatte etwas in ihrem Blick gelegen, das ihren Kummer verraten hatte. Auf jeden Fall war sie nun froh, ihre Ruhe zu haben. Sie konnte sich im Moment nicht vorstellen, wieder ihren Job anzutreten. Caitlyn arbeitete in einem Büro und musste sich bei ihrer Arbeit mit ihren Kollegen absprechen. Sie wollte sie jetzt nicht sehen, wollte niemanden sehen und mit niemandem sprechen. Sie hatte nicht die Kraft dafür und sie wollte nicht, dass sie jemand so niedergeschlagen sah, wie sie sich seit ein paar Tagen fühlte.

    Nun war Caitlyn auch zum ersten Mal froh darüber, dass sie allein wohnte. Bis vor etwa einem Jahr noch hatte sie die Wohnung mit ihrem Freund geteilt. Er war ausgezogen, als sie sich getrennt hatten. Damals war es ihr schwer gefallen, allein zu sein und sie hatte ihn vermisst. Später dann, als der Liebeskummer abgeebbt war, war die Einsamkeit, die sie in ihrer Wohnung empfangen hatte, eher eine Notwendigkeit gewesen als etwas, das sie gern so gehabt hatte. Dennoch hatte Caitlyn sich ganz gut damit arrangiert, hatte Freundinnen zu sich nach Hause eingeladen oder sich mit einem guten Buch auf der Couch zurückgezogen, eine Tasse Tee, Kaffee oder Kakao vor sich stehend, aus der sie hin und wieder einen Schluck genommen hatte, glücklich über einen entspannten, besinnlichen Abend. Jetzt war Caitlyn alles andere als glücklich und die Leere ihrer Wohnung war ihr so willkommen, weil sie wie ein Spiegel der Leere war, die in ihrem Herzen herrschte. Wie in einer Wohnung, in der ein Feuer alle Gegenstände in Ruß und Asche verwandelt hatte, hatte es auch in Caitlyns Herzen gebrannt. Die zerstörerischen Flammen, die darin gewütet hatten, hatten all ihre Hoffnung und ihr Glück verbrannt, ihre Zuversicht genommen und ihr Lachen. Ein Nachmittag hatte gereicht, um ihr Herz zu zerstören, es von innen auszuhöhlen. Würden positive Gefühle je dorthin zurückkehren können? Caitlyn konnte es sich in diesem Moment nicht vorstellen.

    Wieder traten ihr Tränen in die Augen und sie musste schluchzen. Leise erstickte Laute drangen aus ihrer Kehle und begleiteten den kleinen salzigen Wasserfall, der aus ihren Augen rann. Sie musste sich mehrfach hintereinander die Nase putzen, während sie weinte. Ob ihr Nachbar ihre Schluchzer wohl hören konnte? Caitlyn wusste, dass die Wohnung sehr hellhörig war. Oft hörte sie, wenn der Nachbar Besuch hatte und sich mit diesem unterhielt und manchmal verstand sie von den Gesprächen sogar so gut wie jedes Wort. Sie hörte es immer, wenn der Fernseher oder das Radio in der Nachbarwohnung lief. Doch jetzt hörte sie nichts außer ihrem eigenen Schluchzen. Vielleicht war nebenan ja niemand zu Hause. Sie hoffte es, denn sie kannte den Nachbarn gut und sie wollte nicht, dass er bei ihr klingelte und fragte, ob alles in Ordnung war. Wenn er es doch tun sollte, so war Caitlyn fest entschlossen, nicht aufzumachen. Sie würde niemandem in den nächsten Tagen die Tür aufmachen.

    Ihr Magen knurrte, aber sie ignorierte ihn, füllte ihn lediglich mit ein paar Schlucken Mineralwasser aus dem Glas, das vor ihr auf dem kleinen Wohnzimmertisch stand. Dann starrte sie weiter in den Raum ohne wirklich irgendwohin zu sehen. Caitlyn versuchte, an gar nichts zu denken, denn dann, so dachte sie, konnte sie sich für einen Moment auch von dem Schmerz ablenken, der sie seit ein paar Tagen so quälte.

    Einige Stunden saß Caitlyn wie erstarrt da und tat überhaupt nichts. Früher hätte sie das furchtbar langweilig gefunden. Jetzt war es ihre einzige Möglichkeit, die nächsten Stunden durchzustehen.

    Draußen war der Regen vorbeigezogen und die Sonne kam zum Vorschein. Sie fiel durch das Fenster in Caitlyns Wohnzimmer, ein ungebetener Gast, den sie früher willkommen geheißen hätte. Sicher hätte sie sich früher sogar extra in die Sonne gesetzt. Nun stand Caitlyn auf, um die Gardinen vorzuziehen. Als sie vor dem Fenster stand, erblickte sie einen Vogel, der rasch davonflog. Eilig verdunkelte sie ihr Zimmer. Sie wollte doch niemanden hören und niemanden sehen.

    2

    Amelia war ein besonderer Mensch gewesen. Sie hatte so viel Herzenswärme besessen, die man einfach gespürt hatte, wenn man länger Zeit mit ihr zusammen verbracht hatte. Sie war stets höflich und zu jedem freundlich gewesen. Selbst Menschen, die sie nicht gemocht hatte, war sie mit einem freundlichen Nicken oder Lächeln entgegengetreten, bevor sie sich abgewandt hatte. Wenn man mit Amelia zusammen gewesen war, dann hatte man wie automatisch die positive Energie spüren können, die sie ausgestrahlt hatte. Wenn sie gesprochen hatte, hatte sie stets ein Lächeln auf den Lippen getragen, als hätte sie wie automatisch ihrem Gegenüber zu verstehen geben wollen, dass sie ihm freundlich gesinnt war. Das hatte zur Folge gehabt, dass jeder gern mit Amelia hatte zusammen sein wollen, sowohl Caitlyn als auch andere Leute.

    So war Amelia auch in ihrer Kindheit und Jugend stets beliebt gewesen. Viele Mädchen hatten um ihre Freundschaft geworben, doch sie hatte die meisten nicht an sich heran gelassen, dafür lieber ein paar intensive Freundschaften gepflegt. Caitlyn hatte damals das Glück gehabt, zu Amelias wenigen auserwählen Freundinnen zu gehören. Irgendwann war Caitlyn dann Amelias einzige enge und beste Freundin geworden. Obwohl Amelia und Caitlyn nicht in dieselbe Schulklasse gegangen waren, war die Beziehung zwischen den beiden Mädchen so intensiv gewesen, dass Amelia sich kaum darum bemüht hatte, neue Freundinnen aus ihrer eigenen Klasse dazuzugewinnen. Amelia und Caitlyn hatten als Kinder und Jugendliche ihre Freizeit meist miteinander geteilt und einander damit völlig ausgereicht. Sie hatten einander oft gegenseitig beim Lernen unterstützt.

    Sie hatten beide in etwa dieselbe Haarfarbe besessen, was ihrer Verbundenheit immer Ausdruck verliehen hatte. Manchmal hatte man sie dadurch für Schwestern gehalten. Amelia war wie auch Caitlyn mit glatten, braunen Haaren gesegnet gewesen, dazu dunklen Augen, deren Farbe irgendwo zwischen braun und dunkelgrün gelegen hatte, eine seltene Mischung. Als Kind hatte sie ihre Haare immer lang getragen, dann später abschneiden lassen, sodass sie gerade noch ihre Schultern bedeckt hatten. Amelia hatte erzählt, dass sie sich mit kürzeren Haaren erwachsener gefühlt hatte. Das hatte sie sein wollen und das war sie zu der Zeit auch in ihrem Herzen gewesen: erwachsen und innerlich reif.

    Auch wenn Amelia als Mädchen etwas Übergewicht gehabt hatte, war sie als Erwachsene schlank gewesen, aber nicht zu dünn. Sie hatte eine gute Figur gehabt. Sie hatte praktisch jede Hose und jedes T-Shirt oder jeden Pullover tragen können. Jedes Kleidungsstück hatte optimal an ihr gesessen, hatte wie automatisch ihre natürliche Schönheit unterstrichen, wie Caitlyn oft bemerkt hatte.

    Nach der Schule waren Amelia und Caitlyn in verschiedene Städte zum Studieren gezogen. In dieser Zeit hatten sie sich in langen Briefen miteinander ausgetauscht, gelegentlich hatte es auch das eine oder andere Telefonat gegeben. Dann hatte das Schicksal sie wieder enger zusammengeführt, denn Caitlyn war mit ihrem damaligen Freund in dieselbe Stadt gezogen, in der Amelia gewohnt hatte. Caitlyns Umzug hatte damals so spontan stattgefunden, dass sie es nicht geschafft hatte, Amelia per Brief oder am Telefon davon in Kenntnis zu setzen. So war es Zufall gewesen, als Caitlyn ihre Kindheitsfreundin im Supermarkt in der für sie neuen Stadt wiedergetroffen hatte, der Stadt, in der Caitlyn noch heute wohnte. Die beiden Frauen hatten sich in den Armen gelegen und sich geschworen, die vergangenen Jahre nachzuholen, die sie nur wenig am Leben der jeweils anderen hatten teilhaben können. Seitdem hatten sie sich regelmäßig gesehen, so viele schöne Momente miteinander erlebt und hatten nicht weit voneinander entfernt gewohnt.

    Nun vergrub Caitlyn ihr Gesicht in ihrem Kopfkissen. Es war bereits abends und dunkel draußen und sie hatte beschlossen, sich ins Bett zu legen, um zu schlafen, in der Hoffnung, der Schlaf würde ihr die Last der neuen Realität abnehmen.

    All die Erlebnisse mit Amelia sollten nun der Vergangenheit angehören. Nie wieder sollte Caitlyn ihre beste Freundin sehen, nie wieder ihre Stimme hören dürfen. Das erschien ihr zu viel zu sein, um es verkraften zu können. Ihre Schultern fühlten sich nicht stark genug an, um den Verlust zu tragen. Sie drohte, unter seinem Gewicht zusammenzubrechen wie das morsche Holz eines alten Stuhles, auf das sich jemand setzte, der zu schwer dafür war. Vielleicht war sie auch bereits zusammengebrochen und der Zustand, in dem sie sich befand, zeugte genau davon. Caitlyn fühlte sich zu fertig, um genauer darüber nachzudenken. Also schloss sie einfach ihre Augen. Der Schlaf hatte sie beinahe übermannt, als sie plötzlich aufschreckte, weil sie vor ihrem inneren Auge Amelias Gesicht sah. Es war einfach aufgetaucht wie aus dem Nichts, als wäre sie noch hier. Caitlyn setzte sich auf und schlug ihre Bettdecke zurück. Sie blickte sich in ihrem Zimmer um, konnte in der Dunkelheit nur schemenhaft die Umrisse ihres Kleiderschrankes und des Bettes erkennen, in dem sie lag. Sie rieb sich die Augen und da war es wieder. Unter ihren geschlossenen Lidern zeichnete sich wie ein Foto ein Bild ihrer besten Freundin ab. Sie selbst war auch darauf zu sehen. Sie waren zusammen an einem See, den Amelia geliebt hatte. Sie waren in den letzten Jahren oft dorthin gefahren, wenn das Wetter wärmer und sonniger gewesen war.

    Fang mich doch.", rief Amelia und lief los in Richtung See, nachdem sie Caitlyn mit einem Grashalm am Arm gekitzelt hatte.

    Caitlyn lachte, während ihre Füße durch den von der Sonne aufgewärmten Sand liefen, ihrer Freundin hinterher, bemüht, diese einzuholen. Sie sah, wie Amelias Beine zuerst im Wasser ankamen, das umherspritzte, während ihre Füße immer wieder die Wasseroberfläche durchstießen und unter Wasser den Boden aufwühlten. Sie hatte es immer noch eilig. Dabei hatte sie doch schon längst gewonnen. Schließlich erreichte auch Caitlyn den See und drängelte sich durch das Wasser watend an den anderen Besuchern vorbei. Der See war gut besucht. Dann glitt Caitlyn ins Wasser und erreichte nach ein paar Schwimmzügen Amelia, die schon vorausgeschwommen war.

    Hab dich!", sagte sich und erfasste die Schulter ihrer Freundin.

    Ich habe trotzdem gewonnen., erklärte Amelia stolz, „Du hättest mich noch an Land fangen sollen.

    Sie grinste siegessicher und glücklich und wieder lachte Caitlyn. Amelias Lachen war einfach ansteckend.

    Na gut. Aber ich habe fast gewonnen. Das zählt doch auch.", erklärte Caitlyn.

    Na und ob.", meinte Amelia feixend.

    Auch wenn sie beide über 30 waren, so benahmen sie sich, wenn sie zusammen waren, manchmal noch immer wie Kinder. Vielleicht lag das daran, dass sie sich die Erinnerung an die innige Freundschaft, die sie als Kinder gepflegt hatten, so tief eingeprägt hatten.

    Amelia und Caitlyn schwammen ein paar Runden nebeneinander her, während die Sonne ihnen ins Gesicht schien und ein Reiher in der Ferne über dem Wasser seine Kreise zog.

    Es war Amelia, die Caitlyn auf den großen majestätischen Vogel aufmerksam machte und sie freuten sich zusammen über den Anblick, der sich ihnen bot.

    Später, als sie sich abgetrocknet und ihre nassen Badesachen gegen ihre trockene Kleidung getauscht hatten, holten sie sich ein Eis in der Eisdiele, die es in der Nähe des Sees gab. Sie ließen sich damit auf der Wiese nieder, die an den See angrenzte.

    Ich liebe diesen See., erklärte Amelia, „Da kann kein Schwimmbad mithalten. Es ist einfach viel schöner, in der Natur schwimmen zu gehen als in einem sterilen Becken.

    Caitlyn warf ein, dass manche Menschen die Algen abschreckten, die es im See gab und einige Verunreinigungen, die ihn im Vergleich zum Wasser in Schwimmbad trüb erscheinen ließen. Amelia machte eine wegwerfende Handbewegung.

    Ach, das ist doch halb so schlimm. Das gehört für mich dazu. So ist eben die Natur."

    Sie leckte an ihrem Eis, das in der Sonne bereits zu schmelzen begann.

    Caitlyn dachte daran, dass ihr der Geruch ihres eigenen Handtuchs manchmal abstoßend vorkam, wenn sie es nach einem Besuch an dem See zu Hause in die Wäsche warf. Es war der Geruch nach Algen, den sie ein wenig eklig fand und diesen Geruch gab es im Schwimmbad nicht. Dort roch alles nach Chlor. Dennoch bewunderte sie Amelia für ihre Naturverbundenheit, die sie den See so lieben ließ. Caitlyn blickte auf das Wasser, das ich kleinen Wellen ans Ufer schlug. Diesen Anblick liebte auch sie wirklich, genau wie Amelia.

    Ich bewundere diese Einstellung von dir.", sagte Caitlyn und blickte die junge Frau an, die ihr so viel bedeutete und die sie fast ihr ganzes Leben lang kannte.

    Amelia lachte und nickte dabei.

    Das Eis ist echt gut.", sagte sie, dann ließ sie Caitlyn von den Sorten probieren, die sie sich ausgesucht hatte.

    Caitlyn lächelte und nickte.

    Oh, da hast du Recht. Beim nächsten Mal muss ich auch unbedingt das Himbeereis nehmen. Willst du auch bei mir probieren?"

    Caitlyn hatte zwar eine Kugel bereits aufgegessen, aber zwei Sorten waren noch da und sie ließ Amelia bereitwillig davon kosten. Sie teilten gern ihr Essen, das hatten sie schon als Kinder unter anderem mit ihren Pausenbroten so gemacht.

    Dann fahren wir also bald wieder her?", fragte Amelia und sah Caitlyn erwartungsvoll an.

    Bestimmt.", erklärte Caitlyn und konnte in den Augen ihrer Freundin Freude aufleuchten sehen.

    Caitlyn blickte sich wieder um. Der Menge an Menschen nach zu urteilen, die am See saßen oder in ihm badeten, fanden es viele hier schön.

    Es ist ein wundervoller Ort.", sagte sie dann.

    Und du bist eine wundervolle Freundin.", ergänzte Amelia.

    Du auch."

    Nachdem sie das Eis aufgegessen hatten, gingen sie noch ein paar Schritte um den See. Zwar gab es hier keinen offiziellen Wanderweg, aber die Menschen, die den See gern erkunden wollten, hatten einen kleinen Trampelpfad getreten, der durch das Gras führte. Diesen gingen Caitlyn und Amelia entlang. Sie mussten hintereinander gehen, da der Weg so schmal war. Im Gras blühten einige Gänseblümchen und andere Blumen, die sie allerdings von Weitem nicht genauer identifizieren konnten. Sie wirkten wie kleine Farbtupfer in der überwiegend grünen Landschaft. Kleine Schwärme von Fliegen standen in der Luft über ihnen, vom warmen Wetter aus ihren Verstecken gelockt oder vielleicht auch erst geschlüpft und zum Leben erwacht. Caitlyn und Amelia duckten sich, um die Insekten in ihrem Treiben nicht zu stören, während sie unter dem Schwarm entlanggingen.

    Als sie einige Meter gegangen waren, kamen sie zu einem Steg, der ins Wasser führte.

    Lass uns darauf gehen.", meinte Caitlyn und deutete auf den Steg. Dann zog sie ihre Freundin mit sich.

    Amelia folgte ihr gern. Vom Steg aus konnten sie Rallen und Enten sehen, die neben ihnen im Wasser schwammen.

    Oh, wie schön.", rief Amelia begeistert aus und betrachtete die Wasservögel.

    Caitlyn lächelte. Auch ihr gefiel der Anblick. Anders als auf der überfüllten Wiese, war es hier ruhig. Niemand war hier außer ihnen beiden und der Natur, die sie umgab. Caitlyn blickte zu Amelia, betrachtete ihre Freundin von der Seite, wie sie gespannt den Enten zusah. Zu Hause wartete ihre Tochter auf Amelia, die sie ebenfalls immer mit diesem bewundernden Blick ansah. Amelia liebte diesen Blick. Doch nun war Beste-Freundinnen Zeit und Amelias Mann kümmerte sich um die Tochter. Caitlyn war ihm dankbar, dass er Amelia und Caitlyn ihre gemeinsame Zeit ermöglichte. Sie wusste von vielen ehemaligen Studienkollegen, dass bei diesen die Freundschaften hinter der Familie zurückstehen mussten. Das konnte Caitlyn sich für Amelia und sich selbst nicht vorstellen. Amelia und sie waren unzertrennlich und sollten es auch bleiben dürfen.

    Die Enten schnatterten munter durcheinander und ließen sich von den beiden Frauen nicht stören, die auf dem Steg standen und ihnen zusahen. Der Wind zeichnete zusätzlich zu den Enten ein paar Wellen auf die ansonsten ruhige Wasseroberfläche. Er blies ihnen auch ins Gesicht und wehte ihre Haare durcheinander. Sie lachten.

    Komm.", sagte Amelia schließlich, nachdem sie auf die Uhr geblickt hatte und streckte ihre Hand nach Caitlyn aus.

    Diese ergriff die Hand ihrer Freundin und ging neben ihr auf dem Steg zurück zum Ufer. Dann machten sie sich zusammen auf den Heimweg. Zuerst liefen sie zu der Stelle zurück, an der die vielen Menschen noch immer lagen und saßen. Dann bogen sie links ab. Dort stand Amelias Auto, mit dem sie hergefahren waren. Mit diesem nahm Amelia sie beide wieder mit zurück. Sie setzte Caitlyn zuerst bei sich zu Hause ab, bevor sie selbst heimfuhr. Als Amelia den Wagen vor Caitlyns Haustür hielt, warf Amelia ihrer Freundin eine Kusshand zu.

    Danke für den tollen Ausflug.", sagte sie und winkte eifrig, während Caitlyn zurückwinkte, nachdem sie aus dem Wagen geklettert war.

    Es war großartig. Wie immer. Bis bald, meine Liebe. Ich rufe dich an."

    Ist gut. Bis demnächst."

    Als Amelias Wagen davonfuhr, blickte Caitlyn ihm mit einem Lächeln nach, bevor sie in ihre Wohnung ging.

    Als Caitlyn nun ihre Augen öffnete, standen Tränen darin. So schön die Stunden gewesen waren, an die sie sich erinnert hatte, so schmerzhaft war nun die Erkenntnis, dass sie für immer vergangen waren. Diese Tatsache trieb sie in die Verzweiflung, zog sie in einen Abgrund, in dem es kalt war. Hier wurde alles von der Dunkelheit verschluckt. Sie schüttelte den Kopf und legte sich wieder hin, zog ihre Decke höher. Obwohl es im Zimmer nicht wirklich kalt war, fror sie auf einmal. Caitlyn presste ihre Augen zusammen und ihre Lippen aufeinander, um den Impuls zu unterdrücken, weiter zu weinen. Sie war fest entschlossen, in einen traumlosen Schlaf abzutauchen und möglichst nicht so schnell wieder zu erwachen. Wenn sie Glück hatte, würde sie bis zum Mittag des nächsten Tages durchschlafen können. Das tat sie manchmal, wenn sie sehr müde war. Nun hatte sie so viel geweint, dass sie sich sehr erschöpft fühlte. Es sollte also funktionieren. Sie hatte sich keinen Wecker gestellt und die Gardinen zugezogen. Es gab also auch nichts, dass sie beim Schlafen stören sollte.

    3

    Es war 12 Uhr mittags, als Caitlyn schließlich aus dem Schlaf erwachte. Ihr Blick fiel auf den Wecker, dann drehte sie sich noch einmal um und schloss die Augen. Doch so sehr sie sich wünschte, noch einmal einzuschlafen, es klappte nicht. Sie hatte bereits zu lange im Bett gelegen. Also richtete sie sich auf und schlüpfte unter der Decke hervor.

    Langsam schlurfte sie ins Badezimmer. Danach ging sie in die Küche und setzte sich einen Kaffee auf. Während das Wasser über das Kaffeepulver floss und als eine braune Flüssigkeit in die darunter stehende Kanne sickerte, begannen Caitlyns Gedanken zu kreisen. Wieder dachte sie an ihre beste Freundin, die sie verloren hatte. Amelias Mann Frank hatte sie angerufen, nachdem es passiert war. Von ihm hatte sie die schrecklichste Nachricht erhalten, die man ihr je hätte überbringen können. Caitlyn fragte sich, wie er wohl damit umging. Für Frank musste es ebenso schmerzhaft sein. Da Caitlyn nicht an ihr Telefon ging, wusste sie aber nichts Genaueres über sein aktuelles Befinden, hatte ihn das letzte Mal kurz nach dem Unfall gehört, bei dem Amelia ums Leben gekommen war. Frank hatte Caitlyn aus dem Krankenhaus angerufen.

    Es würde eine Beerdigung geben. Amelias Mann hatte Caitlyn eine Einladung geschickt mit Ort und Uhrzeit der Trauerfeier. Die Einladung lag auf Caitlyns Nachttisch neben ihrem Bett. Nachdem sie sie vor ein paar Tagen gelesen hatte, hatte sie sich weder dazu entschließen können, sie wegzuräumen, noch dazu, sich den Termin im Kalender einzutragen. Sie war noch nicht sicher, ob sie hingehen würde. Sie hatte Angst vor dem, was sie erwartete, Angst vor ihrem eigenen Schmerz und vor der Gewissheit, dass Amelia nie zurückkam. Caitlyn wusste nicht, wie sie mit dieser Gewissheit umgehen sollte. Wenn sie sich zu Hause verkroch, dann musste sie der Realität wenigstens nicht direkt ins Auge sehen.

    Der Kaffee war fertig und Caitlyn nahm eine Tasse aus dem Küchenschrank. Sie goss das heiße Getränk dort hinein und schüttelte etwas Zucker hinzu. Die dampfende Tasse in beiden Händen haltend begab sie sich ins Wohnzimmer und nahm auf dem Sofa Platz. Obwohl es draußen hell war, war es hier dunkel. Caitlyn überlegte, ob sie die Deckenbeleuchtung anschalten sollte, entschied sich dann aber dagegen und hieß anstatt dessen die Dunkelheit willkommen.

    Sie nahm ein paar Schlucke des heißen Kaffees. Die Wärme, die sich in ihrem Körper ausbreitete, tat ihr gut. Sie atmete tief ein, um sich selbst zu beruhigen. Sie wusste nicht, wie ihr Leben ohne Amelia weitergehen sollte, musste sich erst einmal darauf konzentrieren, Minute für Minute zu überstehen. Amelias Tod hatte Caitlyns Leben in Stücke gerissen. Wie bei einem großen Puzzle, dessen Teile durcheinander geraten waren und das man wiederherzustellen versuchte, musste sie nun die Scherben ihres Lebens neu zusammenfügen in der Hoffnung, dass das Bild, das daraus entstand, noch Sinn ergeben würde. Könnte es das jemals wieder tun?

    Caitlyns Hände begannen zu zittern, weil ihre innere Anspannung so groß war. Sie stellte die Kaffeetasse auf den Tisch vor ihr, auf dem sich noch das Wasserglas vom Vortag befand. Dann lehnte sie sich auf der Couch zurück. Wieder traten ihr Tränen in die Augen, spülten den Schmerz aus ihrem Körper. Die innere Wunde war noch so frisch und Caitlyn fragte sich, ob sie wohl je verheilen sollte oder ob sie sie ihr Leben lang begleiten würde.

    Als der Tränenstrom etwas versiegt war und ihre Sicht deshalb nicht mehr verschleiert war, blickte Caitlyn auf ihre Armbanduhr, die auf dem Tisch lag. Sie wollte wissen, wie spät es war, musste aber feststellen, dass es zu dunkel in dem Raum war, um die Lage der Zeiger auf der Uhr erkennen zu können. Sie stand auf und ging zum Fenster. Einen Moment lang stand sie reglos davor, dann gab sie sich einen Ruck und zog die Gardinen auf, die sie am Vortag abends voller Überzeugung geschlossen hatte.

    Mit einem kratzenden Geräusch schob sich der Vorhang zur Seite und gab den Blick auf Caitlyns Balkon frei. Draußen schien die Sonne und hinterließ leuchtende Flecken auf dem Tisch und auf den Stühlen, die hier standen. Caitlyn blickte nach draußen und betrachtete, wie die Sonnenstrahlen von den Wasserpfützen auf dem Tisch und auf den Stühlen reflektiert wurden. Das Licht blendende sie. Beinahe hätte sie ihren Blick wieder abgewandt und sich ins Zimmer zurückgezogen, da entdeckte sie einen Vogel, der auf der Lehne eines ihrer Balkonstühle saß. Es war eine Blaumeise. Aufgeregt schaute das Tier sich um und sprang kurz darauf auf den Tisch. Caitlyn stand ganz still da, um die Meise nicht zu verscheuchen und betrachtete sie. Dieses Mal schaffte sie es, dem Impuls zu wiederstehen, auch die Natur draußen aus ihrem Leben ausschließen zu wollen.

    Die kleinen Pfützen, die der Regen auf dem Holz des Tisches hinterlassen hatte, weckten die Aufmerksamkeit der Meise. Sie hüpfte an deren Rand und begann daraus zu trinken. Hastig sog der kleine Schnabel das Wasser auf, das sich dort gesammelt hatte. Caitlyn sah zu, wie die Pfütze kleiner wurde und das Wasser in der Kehle des Vogels verschwand. Dann schaute die Meise auf, blickte sich erst sichernd um, dann sah sie Caitlyn direkt an, die hinter der Fensterscheibe stand. Sie war sich sicher, dass der Vogel ihre Gestalt wahrnahm.

    „Na, du Kleine.", flüsterte Caitlyn liebevoll und es waren die ersten Worte, die sie seit der Nachricht von Amelias Tod überhaupt sprach.

    Aus schwarzen runden Augen musterte die Meise Caitlyn und legte den Kopf leicht schief. Caitlyn starrte zurück und bemerkte dabei, dass etwas in dem Anblick sie rührte. Ein flüchtiges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, bevor sie ihre Lippen zusammenpresste und in ihre Schwermut zurückfiel. Die Meise wandte ihren intensiven Blick ab und hüpfte über den Balkontisch. Caitlyn folgte ihr mit dem Blick, aber ohne dabei zu lächeln. Sie betrachtete das bunte Federkleid des Vogels. Obwohl es schon wärmer draußen war, hatte er sich aufgeplustert, was ihm etwas besonders Niedliches verlieh. Das Köpfchen mit der blauen Haube blickte abwechselnd zu Caitlyn und in die Umgebung. Als die Meise Caitlyn schließlich den Rücken zudrehte, sah sie inmitten der blauen Schwanzfedern eine weiße, die sich farblich von den übrigen Federn abhob. Caitlyn fragte sich, wie der Unterschied wohl zustande kam. Vielleicht war es einfach ein harmloser genetischer Defekt oder aber mit der Feder war etwas passiert. Aber was sollte das sein? Caitlyn schüttelte den Kopf. Sie wusste es nicht, aber das spielte im Grunde auch keine Rolle.

    Sie sah der Meise noch eine ganze Weile dabei zu, wie sie sich auf ihrem Balkon vergnügte. Dann irgendwann flog sie fort und Caitlyn wandte sich vom Fenster ab. Die Gardine ließ sie offen, sodass das Tageslicht in den Raum fiel. Dann setzte sie sich wieder aufs Sofa. Sie starrte die Wand an, die sich ihr gegenüber befand, jedoch ohne wirklich hinzusehen. Anstatt dessen flogen ihre Gedanken weit fort in eine andere Zeit an einen anderen Ort. Sie war wieder jugendlich, ein Schulmädchen in der gymnasialen Oberstufe, das mit ihrer besten Freundin die Pause zusammen verbrachte.

    Hey, da bist du ja endlich. Ich habe schon sehnsüchtig auf dich gewartet.", erklärte Amelia, die am Ausgang der großen Tür stand, die vom Schulgebäude auf den Schulhof führte.

    Hallo!, entgegnete Caitlyn und warf sich in Amelias Arme, „Sorry du, Herr Schulze hat mal wieder überzogen. Du weißt ja, wie das ist. Schließlich hattet ihr ihn doch letztes Jahr in Geschichte.

    Herr Schulze war im letzten Schuljahr Amelias Klassenlehrer gewesen, bevor er die Klasse an eine deutlich jüngere Lehrerin abgegeben hatte. Nun hatte Caitlyn ihn in Erdkunde, zwar nicht als Klassenlehrer, aber seine Marotten waren ihr dennoch auch so schon überdrüssig. Herr Schulze war kein so beliebter Lehrer bei den Schülern. Das lag nicht allein daran, dass er die weniger guten Schüler ständig klein machte, auch seine Art zu unterrichten war nicht sonderlich geschickt. Die wenigsten interessierten sich für seinen Unterricht und anstatt etwas an seiner Art zu ändern, hängte er die Minuten, die er meinte durch die Unaufmerksamkeit von Schülerinnen und Schülern verloren zu haben, hinten dran. Er zog sie von der Pause ab und so manches Mal war dieses Vorgehen nicht gerechtfertigt.

    Oh ja. Verstehe.", sagte Amelia mitfühlend und drückte ihre Freundin an sich.

    Auch wenn Amelia und Caitlyn auf dieselbe Schule gingen, so besuchten sie doch unterschiedliche Klassen. Amelia war ein Jahr älter als Caitlyn und ging damit in eine Klassenstufe über ihrer Freundin. In den Pausen trafen sie sich regelmäßig auf dem Schulhof oder in den Schulfluren, je nach Wetter. Das waren für beide Mädchen die schönsten Momente des Schulalltags. Manchmal fieberten sie in besonders langweiligen Unterrichtsfächern schon ihrem Treffen in der Pause entgegen.

    Wollen wir auf den Hof?", fragte Amelia und Caitlyn nickte zustimmend.

    Gern."

    Sie waren beide gern an der frischen Luft, also gingen sie gemeinsam wie so oft nach draußen. Ihre Standardrunde verlief über den Schulhof, hinter der Turnhalle entlang und um das Schulgebäude, anschließend wieder zum Eingang zurück. Das war eine Runde, die man sogar in einer kurzen Pause schaffen konnte, wenn man sich beeilte und nicht stehen blieb. Aber dieses Mal hatten sie Zeit. Sie machten auf ihrer Runde hinter dem Schulgebäude eine Pause. In einiger Entfernung standen andere Schülerinnen und Schüler und rauchten heimlich. Das waren diejenigen, die sich noch nicht in den offiziellen Raucherbereich wagten, weil sie noch minderjährlich waren. Caitlyn hatte den Geruch nach Zigaretten schon immer eklig gefunden und sie war froh, ihn nicht wahrzunehmen an der Stelle, an der sie standen.

    Amelia öffnete die Brotbox, in der sich ihr Pausenbrot befand und die sie bislang in der Hand gehalten hatte. Zwei mit Schokoladenaufstrich beschmierte Vollkornbrote lagen darin. Es war ein Schulfrühstück, das die beiden Mädchen liebten.

    Amelia hielt Caitlyn die Brotdose hin.

    Nimm dir ruhig wieder eines.", sagte sie und Caitlyn lächelte dankbar.

    Dann nahm sie eines der Brote in die Hand, Amelia nahm das andere. Schweigend aßen sie eine Weile lang und betrachteten ihre Umgebung.

    Manchmal kommt es mir so vor, als wären wir Schwestern.", sagte Caitlyn nach einer Weile.

    Amelia nickte.

    Ja. Das habe ich auch schon oft gedacht., erklärte sie, „Im Augenblick sind wir wie zwei Schwestern, die miteinander frühstücken.

    Sie lachten beide und Caitlyn fiel auf, wie schön es sich anhörte, wenn sich Amelias Lachen mit ihrem eigenen Lachen vermischte und eine neue Melodie kreierte.

    Deine Pausenbrote sind echt gut.", lobte Caitlyn.

    Ich weiß.", erklärte Amelia.

    Ihre Mutter machte ihr jeden Morgen die Brote und jedes Mal betonte Amelia, dass sie besonders viel Schokoladenaufstrich darauf haben wollte. Sie wusste, dass Caitlyn die Brote

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