Parker surft der "Qualle" nach: Butler Parker 241 – Kriminalroman
Von Günter Dönges
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Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht!
Lady Agatha erregte einiges Aufsehen. Sie beherrschte eindeutig die Tanzfläche des Casinos und tanzte einen Tango. Sie hielt sich dabei allerdings kaum an die internationalen Regeln und entwickelte Figuren, die sich durch Phantasie, Eigenwilligkeit und Energie auszeichneten. Die ältere Dame beherrschte eindeutig ihren wesentlich schmaleren Partner und verwickelte ihn in einen Clinch, der nach einem harten Zweikampf aussah. Ruckartig riß sie ihren Partner an sich und ließ seinen erhitzten Kopf zwischen ihrem wogenden Busen verschwinden. Dann drückte sie ihn wie angewidert von sich, ließ ihn herumwirbeln und versäumte es nicht, ihm dabei gehörig auf die Füße zu treten. Sie brachte den Verzweifelten in die Schräglage, ließ ihn fast aufs Parkett fallen, zerrte ihn wieder hoch und animierte ihn zu einem leichten Höhenflug, den sie natürlich abrupt beendete. Sie zelebrierte mit ihm Passagen, schien ihm die Freiheit schenken zu wollen, fing ihn wieder ein und nickte zustimmend, als ihr Partner verschiedene Male jaulte. Sie hielt dies für Temperamentsausbrüche und übersah, daß dieser Mann nur seinem Schmerz Ausdruck verlieh. Josuah Parkersaß am Rand der Tanzfläche an einem Tisch und nahm dies alles mit erstaunlicher Würde und Gelassenheit zur Kenntnis. Ein hochherrschaftlicher Butler wie er beherrschte die Gesichtsmuskeln. Parker bedauerte jedoch insgeheim den Tanzpartner seiner Herrin, der sich in einem Anfall von Leichtsinn und Selbstüberschätzung Mylady genähert und um diesen Tanz gebeten hatte. Dieser Mann wußte inzwischen längst, auf was er sich da eingelassen hatte. Seine Kondition ließ nach. Die Beine schienen nur noch aus weichem Gummi zu bestehen. Sie schleiften unter seinem schmalen Körper her und reagierten kaum auf die, kräftigen Fußtritte der Tänzerin, die es in Größe und Umfang mit einer Bühnen-Heroine aufnahm. Das Publikum im mondänen Casino hatte aus Gründen der eigenen Sicherheit längst die Tanzfläche geräumt, einen weiten Kreis gebildet und applaudierte frenetisch, wenn Mylady wieder mal eine kunstvolle Figur gelang. Es gab, was die an sich rassige Musik betraf, hin und wieder einige leicht verunglückte Töne, doch die hingen eindeutig mit Musikern zusammen, deren Gesichtsmuskeln vor unterdrücktem Lachen entgleisten. Agatha Simpson übersah und überhörte alles, war in ihrem Element und zeigte das Temperament einer jungen Dame, obwohl sie doch mit Sicherheit das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte. Sie kümmerte sich nicht weiter um ihren Partner, als die Musik endete, entließ ihn jäh und schritt energisch zum Tisch zurück.
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Parker surft der "Qualle" nach - Günter Dönges
Butler Parker
– 241 –
Parker surft der Qualle
nach
Günter Dönges
Lady Agatha erregte einiges Aufsehen.
Sie beherrschte eindeutig die Tanzfläche des Casinos und tanzte einen Tango. Sie hielt sich dabei allerdings kaum an die internationalen Regeln und entwickelte Figuren, die sich durch Phantasie, Eigenwilligkeit und Energie auszeichneten. Die ältere Dame beherrschte eindeutig ihren wesentlich schmaleren Partner und verwickelte ihn in einen Clinch, der nach einem harten Zweikampf aussah.
Ruckartig riß sie ihren Partner an sich und ließ seinen erhitzten Kopf zwischen ihrem wogenden Busen verschwinden. Dann drückte sie ihn wie angewidert von sich, ließ ihn herumwirbeln und versäumte es nicht, ihm dabei gehörig auf die Füße zu treten. Sie brachte den Verzweifelten in die Schräglage, ließ ihn fast aufs Parkett fallen, zerrte ihn wieder hoch und animierte ihn zu einem leichten Höhenflug, den sie natürlich abrupt beendete. Sie zelebrierte mit ihm Passagen, schien ihm die Freiheit schenken zu wollen, fing ihn wieder ein und nickte zustimmend, als ihr Partner verschiedene Male jaulte. Sie hielt dies für Temperamentsausbrüche und übersah, daß dieser Mann nur seinem Schmerz Ausdruck verlieh.
Josuah Parkersaß am Rand der Tanzfläche an einem Tisch und nahm dies alles mit erstaunlicher Würde und Gelassenheit zur Kenntnis. Ein hochherrschaftlicher Butler wie er beherrschte die Gesichtsmuskeln. Parker bedauerte jedoch insgeheim den Tanzpartner seiner Herrin, der sich in einem Anfall von Leichtsinn und Selbstüberschätzung Mylady genähert und um diesen Tanz gebeten hatte. Dieser Mann wußte inzwischen längst, auf was er sich da eingelassen hatte. Seine Kondition ließ nach. Die Beine schienen nur noch aus weichem Gummi zu bestehen. Sie schleiften unter seinem schmalen Körper her und reagierten kaum auf die, kräftigen Fußtritte der Tänzerin, die es in Größe und Umfang mit einer Bühnen-Heroine aufnahm.
Das Publikum im mondänen Casino hatte aus Gründen der eigenen Sicherheit längst die Tanzfläche geräumt, einen weiten Kreis gebildet und applaudierte frenetisch, wenn Mylady wieder mal eine kunstvolle Figur gelang.
Es gab, was die an sich rassige Musik betraf, hin und wieder einige leicht verunglückte Töne, doch die hingen eindeutig mit Musikern zusammen, deren Gesichtsmuskeln vor unterdrücktem Lachen entgleisten.
Agatha Simpson übersah und überhörte alles, war in ihrem Element und zeigte das Temperament einer jungen Dame, obwohl sie doch mit Sicherheit das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte.
Sie kümmerte sich nicht weiter um ihren Partner, als die Musik endete, entließ ihn jäh und schritt energisch zum Tisch zurück. Der Tänzer rutschte haltlos in sich zusammen und wurde anschließend von zwei Angestellten des Hauses geborgen und der Ersten Hilfe zugeführt. Mylady aber ließ sich von Parker den Sessel unterschieben und blickte ihn fragend an.
»Nun, Mister Parker?« fragte sie ihren Butler und schnaufte dabei ein wenig. »Wie fanden Sie mich?«
»Mylady waren beeindruckend«, lautete die Antwort des Butlers.
»Ich tanzte den Tango schon in meiner Jugend sehr gern«, machte sie klar.
»Mylady dürften nichts verlernt haben.«
»Natürlich nicht, Mister Parker, aber mein Partner eben war miserabel.«
»Mylady brauchen einen kongenialen Partner.«
»Nun gut, Mister Parker, Sie können sich ja versuchen«, ermunterte sie ihn und nickte wohlwollend. »Sobald ein Quick-Step gespielt wird, dürfen Sie mich auffordern.«
»Meine Wenigkeit möchte Mylady auf einen geschädigten Meniskus hinweisen.«
»Papperlapapp, Mister Parker«, tat sie seinen Einwand ab. »Unter meiner Führung werden Sie ihn vergessen. Wissen Sie, ich glaube es war eine gute Idee, hierher nach Torquay zu fahren.«
Sie lehnte sich zurück und schloß für einen Moment versonnen die Augen. Seit vielen Jahren verwitwet und immens vermögend, konnte sie sich jede nur mögliche Extravaganz leisten. Dazu gehörte auch ihre feste Überzeugung, als Detektivin einmalig begabt zu sein. Die ältere Dame nahm jede Herausforderung, was die Unterwelt betraf, freudig an und sorgte stets für wahnwitzige Verwicklungen. Dabei merkte sie nie, daß es Parker war, der seine schützenden Hand über sie hielt.
Sie richtete sich auf, als die Band auf der Bühne des Festsaales tatsächlich mit einem Quick-Step begann. Die Musiker hatten keine Ahnung, was sie damit provozierten.
»Jetzt werde ich Ihnen zeigen, Mister Parker, wie man einen Quick-Step tanzt«, kündigte sie an und drückte ihre majestätische Fülle aus dem Sessel.
»Sie werden diese Lektion nie wieder vergessen.«
»Davon geht meine bescheidene Wenigkeit allerdings aus, Mylady«, gab Josuah Parker zurück, der verzweifelt nach einer weiteren Ausrede suchte. Aus einer Eingebung heraus nahm er plötzlich den Kopf herum und blickte hinüber zum Bartresen.
»Was ist, Mister Parker?« Sie schnappte sofort zu.
»Wie Mylady inzwischen ebenfalls entdeckt haben werden, könnte unter den Gästen an der Bar dort drüben ein bekanntes Gesicht aus London vertreten sein.«
»Ich glaube, ich wurde bereits darauf aufmerksam«, gab sie sicherheitshalber zurück. Eine Lady Agatha wußte stets alles besser und im voraus. »Ein Gangster, nicht wahr?«
»Solch eine Möglichkeit sollte man nicht ausschließen«, erwiderte der Butler und hatte es geschafft, daß Agatha Simpson den Quick-Step vergaß. Er ahnte allerdings nicht, daß er mit dieser Ausrede Dinge ins Rollen brachte, die einer Lawine mittlerer Größe durchaus gleichkamen.
*
Parkers Herrin hatte sich in Bewegung gesetzt und war durch nichts mehr aufzuhalten, wie der Butler aus Erfahrung wußte. Die ältere Dame erreichte den langen Bartresen und musterte die vielen, meist männlichen Gäste, die sich das Treiben auf der großen, ovalen Tanzfläche mehr oder weniger ironisch anschauten.
Lady Agatha suchte nach dem Gesicht, von dem sie annahm, es eben entdeckt zu haben. Dabei schritt sie die Front der Männer ab und blieb schließlich vor einem mittelgroßen Bargast stehen, der eine ausgeprägte Stirnglatze besaß. Dieser Mann erinnerte, was seine leicht hervorquellenden Augen betraf, an einen Frosch.
Dieser Frosch beantwortete ihren Blick, grinste beiläufig und wandte sich dann an einen um gut zehn Jahre jüngeren Begleiter, der etwa dreißig zu sein schien. Die beiden Flüsternden lachten dann leise und reizten Mylady.
Sie hatte sich eingeschossen.
»Sie lachen über mich?« fragte sie mit ihrer baritonal gefärbten Stimme, die Säle füllen konnte, wenn sie es wollte.
»Warum sollte ich?« gab der Froschähnliche zurück und lächelte mokant.« Aber Moment mal, haben Sie nicht eben diesen Ringkampf auf der Tanzfläche abgezogen?«
»Ringkampf?« Agatha Simpson holte Luft.
»Das, was Sie wahrscheinlich für einen Tango gehalten haben«, präzisierte das Froschgesicht. »Können Sie mal ’n Stück zur Seite gehen, damit ich besser sehen kann?«
Für Mylady war damit bereits längst der Tatbestand der akuten Beleidigung gegeben.
Sie hatte ihren perlenbestickten Pompadour in leichte Schwingung gebracht und legte ihn dann auf dem linken Oberschenkel des Mannes ab, der auf einem Barhocker saß.
In diesem Handbeutel befand sich der sogenannte Glücksbringer der Dame. Dabei handelte es sich um ein veritables Hufeisen, das von einem mächtigen Brauereipferd stammte. Dieser Glücksbringer klatschte also auf den Oberschenkel des Froschähnlichen und verursachte dort das Gefühl eines Huftritts.
Der Mann auf dem Barhocker verfärbte sich und stieß einen ächzenden Laut aus. Sein Begleiter, der etwa Dreißigjährige, glitt elegant vom Barhocker und wollte sich mit der Lady anlegen, doch er übersah dabei Josuah Parker.
Der Butler benutzte die Spitze seines altväterlich gebundenen Regenschirmes, um die Unternehmungslust des Mannes nachdrücklich zu bremsen. Die Schirmspitze bohrte sich durch das Oberleder des eleganten Lackschuhs und verursachte einen stechenden Schmerz.
Der junge Mann stöhnte, verfärbte sich und blickte den Butler entgeistert an.
»Entschuldigen Sie die kleine Ungeschicklichkeit meiner bescheidenen Wenigkeit«, sagte Parker und lüftete die schwarze Melone. »Darf man sich erlauben, Ihnen zu helfen?«
Der Mann, der eingeknickt war, spürte Parkers Hände, die in schwarzen Glace-Handschuhen steckten und bekam nicht mit, daß er entwaffnet wurde. Parker hatte nämlich längst gesehen, daß der