Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Die Schlacht von Mirvil
Die Schlacht von Mirvil
Die Schlacht von Mirvil
eBook295 Seiten4 Stunden

Die Schlacht von Mirvil

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Noch nie war die Bedrohung für das Reich so groß gewesen, noch nie der gesamte Heerbann ausgezogen.
Noch nie hatten die Amabearen eine Grenzfestung zerstört.
Noch nie hatten sich die Feinde des Reichs einer offenen Schlacht gestellt.
In Mirvil stoßen die größten Heere aufeinander, die die Welt jemals gesehen hat, geführt von den erfahrensten Heerführern ihrer Zeit.
Trotzdem ist niemand auf die Ereignisse vorbereitet, die sich auf dem Schlachtfeld entspannen, auf das Blut, das Leid und das Grauen eines gnadenlosen Kampfes, der die Vorstellungskraft aller übersteigt.

SpracheDeutsch
HerausgeberPeter Singewald
Erscheinungsdatum18. Feb. 2022
ISBN9781005571436
Die Schlacht von Mirvil
Autor

Peter Singewald

Aufgewachsen im Mittleren Westen der bundesdeutschen Republik, erkannte Freya Singewald schon früh, dass sie nicht ganz normal war. Vielleicht hätte ihr ein Hund geholfen, öfter vor die Tür zu kommen. Stattdessen halfen ihr Fantasy Rollenspiele und ein C64 dabei, eine normale Sozialisierung zu vermeiden und ihre Gedanken fest in dem zu verankern, was damals noch eine Subkultur war und heute fest in Fernsehen, Film und Literatur verankert ist: Science Fiction und Fantasy in all ihren Spielarten.Aus den Spielen entstanden Geschichten, aus den Geschichten wurden Manuskripte, aus den Manuskripten schließlich E-Books.Bei so einer kaputten Sozialisation ist es dann kaum noch von Bedeutung, dass ihr Selbstbild nicht mit dem Übereinstimmte, was auf der Geburtsurkunde stand.Heute lebt sie mit ihrer Frau und drei Kindern in einem kleinen Dorf zwischen Hannover und Hildesheim und verdient ihren Lebensunterhalt mit Programmieren, wenn sie nicht gerade Bücher liest oder schreibt.

Mehr von Peter Singewald lesen

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie Die Schlacht von Mirvil

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Die Schlacht von Mirvil

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Die Schlacht von Mirvil - Peter Singewald

    Die Schlacht von Mirvil

    Von Peter Singewald

    Entstanden während des NaNoWriMo 2017

    Copyright © 2017 Peter Singewald, Heisede

    sinewald@gmail.com

    http://xpoch.de

    https://www.facebook.com/peter.singewald

    Dieses Buch ist im Rahmen des National Novel Writers Month (https://nanowrimo.org) entstanden.

    Ich empfehle jedem, einmal daran teilzunehmen.

    Achtundzwanzig Tage vor der Schlacht

    „Und warum erfahren wir erst jetzt davon?"

    Madiro-on beugte sich über den Kartentisch seinem Arna entgegen. Selbst unter seiner dunkleren Linenhaut konnte man sehen, dass die Wut ihm das Blut ins Gesicht getrieben hatte. Take-eya richtete sich auf und entgegnete dem Ausbruch mit einem strengen Blick, den seine beiden Unterführer sehr genau kannten und einzuschätzen wussten. Daher lehnte sich Madiro-on wieder ein Stück zurück und biss die Zähne zusammen anstatt sich noch tiefer hineinzureiten.

    „Du solltest mich inzwischen gut genug kennen. Ich habe euch nichts gesagt, weil ich zuerst sicher sein wollte."

    „Sicher? Was musstest du noch mehr wissen?" grummelt Madiro-on, einerseits in der Hoffnung, dass es sein Arna ihn hören würde, andererseits aber auch leise genug, dass er nicht noch einen solchen Blick erhalten würde. Wenn Take-eya einem Untergebenen zweimal hintereinander diese Art der Aufmerksamkeit zukommen ließ, konnte man bestenfalls mit Latrinendienst rechnen.

    „Wann wurde Urnash genau zerstört?" schaltete sich nun auch Ba-akhli ein. Die Scherec aus dem Rhanrha-Gau war in fast allem das genaue Gegenteil zu Madiro-on. Äußerlich war dies bereits von Natur aus so vorgesehen, denn wo der Linen blonde, fast schon weiße Haare besaß, die einen scharfen Kontrast zu seiner bronzenen Haut bildeten, umrahmten Ba-akhlis schwarzen Haare ein geradezu bleiches Gesicht. Auch ihre Augen waren typisch für ihre Volksgruppen: Der Linen betrachtete die Welt durch seine braunen Mandelaugen, während die hellblaue Iris der Scherec fast schon verwaschen wirkte.

    Take-eya fand diese Augenfarbe nicht besonders attraktiv, auch wenn er sie teilte. Er selbst stammte aus dem Norden eines der südlichen Linengaue wo sein blauäugiger Vater seiner Mutter während des Festes zur Begrüßung des Frühlings beigelegen hatte. Viel mehr wusste er nicht über seine Zeugung oder seinen Vater. Es verband ihn auch nichts mit der Scherec-Seite. Aber seine blauen Augen hoben ihn in seiner Familie heraus, was nicht immer leicht gewesen war, ihm aber vermutlich geholfen hatte, diesen Posten zu bekommen. Seine Vorgesetzten gingen anscheinend davon aus, dass er auf einen Ausgleich zwischen den beiden Volksgruppen bedacht sein würde, nur weil er zu beiden gehörte.

    Aber ein guter Arna brauchte dafür keine unpassende Augenfarbe. Er benötigte nur ein Gespür für die Eigenheiten der Stämme, die, obwohl sie nicht mehr so genannt wurden, immer noch das Denken ihrer Mitglieder bestimmten. Und wie sollte es auch anders sein, denn jeder Stamm, oder Gau, wie man sie nun offiziell bezeichnen sollte, hatte seinen eigenen Führer, seinen eigenen Rat, seine eigene Bruderschaft, seine eigenen Feste, seinen eigenen Dialekt. Trotzdem waren sie ein Reich, und jeder, der die Unterschiede betonte, war ein Narr, denn gemeinsam hatten sie den Pekeraneneinfällen getrotzt, die Gnomenraubzüge abgewehrt und den Osispun günstige Handelsabkommen abgerungen. Letzteres wurde von vielen nicht als die geringste dieser Taten angesehen, auch wenn sie es immer hinter einem Scherz verbergen würden.

    Trotzdem gab es einfach Dinge, die unübersehbar waren, und zu diesen gehörten Madiro-on und Ba-akhlis, die sich kaum die Hand geben konnten, ohne sich wie zwei Hutzlersteine, die man verkehrtherum aneinanderhielt, abzustoßen. Dabei war ihr Äußeres tatsächlich der interessanteste Gegensatz. Für das Zusammenleben in der engen Grenzfestung mit siebenundsechzig weiteren Kriegern stellte die aufbrausende Art des einen und die fast schon zu besonnene Art der anderen eine viel größere Probe dar. Aber dies waren genau die Eigenschaften, die er an seinen beiden engsten Beratern schätzte, denn er benötigte das eine wie das andere, um eine ausgewogene Entscheidung fällen zu können.

    Außerdem war ihr Verhältnis zueinander seit ein paar Wochen besser geworden, was wohl daran lag, dass sie so oft es ihnen möglich war das Lager teilten. Sie waren diskret, aber Ba-akhlis besaß zur Überraschung aller eine kräftige Stimme, die es unmöglich machte, ihre Stelldicheins geheim zu halten.

    „Die letzte Nachricht kam über eine Sendung ihres Akhepaig vor zwei Tagen. Seitdem haben auch die Akhepaigl des Arbas nichts mehr gehört und mir zur letzten Stunde mitgeteilt, dass dort, wo vor kurzem noch die Festung stand, nur noch eine Ruine zu sehen ist." Take-eya ließ den Blick auf die Karte sinken. Seine beiden Berater begriffen, dass er mehr zu sagen hatte, aber nach den richtigen Worten suchte.

    „Die Akhepaigl haben noch mehr gesehen, nicht wahr?"

    „Das ist der eigentliche Grund, warum ich heute mit euch sprechen wollte." Er deutete auf eine Stelle auf der Karte, ein Viertel des Wegs von Urnash nach Mirvil, der Festung, die er befehligte.

    „Diejenigen, die das getan haben, müssten sich jetzt etwa hier befinden."

    „Mach es nicht so spannend. Wer ist es?"

    „Amabearische Reiter."

    „Amabearische?"

    „Warum bist du so verwundert? Diese Festung dient schließlich ihrer Abwehr."

    Madiro-on wendete sich genervt Ba-akhli zu: „Das weiß ich selbst. Aber das meine ich gar nicht."

    „Was meinst du denn dann?"

    „Die Reiter greifen uns immer wieder an, verwüsten unsere Dörfer, entführen oder töten die Einwohner. Letztes Jahr haben sie sogar Pyntguarich niedergebrannt, und das war immerhin eine befestigte Stadt. Aber die Festungen haben sie bisher immer gemieden. Hast du jemals gehört, dass sie eine angegriffen haben?"

    „Lass mich überlegen. Sie legte ihren Kopf zur Seite und starrte die Wand an. „Ich glaube, da gibt es einen Bericht aus der Zeit als sie das erste Mal auftauchten …

    „Ja ja, kann sein, doch seit etlichen Jahren ist so etwas nicht mehr vorgekommen. Aber was noch wichtiger ist, ist, dass sie noch nie eine zerstört haben."

    „Madiro-on hat Recht. Die Nachricht vom Arba war sehr kurz, vor allem in Anbetracht dessen, was wir hier gerade erleben. Aber selbst die paar Worte konnten nicht verbergen, wie aufgebracht sie in Mawralais sein müssen."

    Der Arna hob endlich wieder seinen Kopf, strich seinen langen Zopf zurück über die Schulter und sah den beiden anderen ins Gesicht.

    „Wir haben den Befehl erhalten, Kundschafter auszusenden, die Feinde zu beobachten und Bericht über ihre Bewegungen zu erstatten."

    „Gut, soviel war zu erwarten. Und was dann? Sollen wir uns dem Aufgebot des Gaus anschließen?"

    „Nein, wir bleiben hier und bereiten uns auf eine Belagerung vor."

    „Auf eine Belagerung? Urnash hat ihnen noch nicht gereicht?"

    „Urnash hat neun Tage ausgehalten. Wir müssen höchstens sieben überstehen."

    „Wieso? Was ist denn das für eine seltsame Ansage?"

    „Der Arba geht davon aus, dass die Reiter mit ihren Kriegsmaschinen vierundzwanzig Tage hierher benötigen werden. Der Entsatz sollte uns in achtundzwanzig erreichen."

    „Achtundzwanzig? Das Aufgebot benötigt höchstens zehn, um sich zu sammeln und hier zu erscheinen."

    „Das Aufgebot genügt aber nicht."

    Die Unterführer schwiegen, während sie das gesagte einzuordnen versuchten.

    „Aus wie vielen Gauen werden die Krieger gesammelt?"

    „Aus allen."

    Erneutes schweigen.

    „Der gesamte Heerbann? Hat es das schon mal gegeben? Das hat es noch nicht gegeben, oder? Ich habe nie davon gehört. Die Sänger hätten doch etwas davon berichten müssen?"

    Ba-akhli, deren Mutter sie gerne in den großen Tempel geschickt hätte, besaß vermutlich die beste klassische Ausbildung aller Krieger in Take-eyas Yenyalal, aber auch sie schüttelte den Kopf.

    „Wie viele Reiter kommen da angeritten?"

    „Sie wissen es nicht genau. Mindestens zwölf ihrer Nasraabs."

    „Und wie viele sind das?"

    „Wenn ich mich recht erinnere, besteht eine Nasraab aus vierundzwanzig Liraab, die jeweils aus dreißig Reitern bestehen", führte die Scherec aus.

    „Entschuldige, dass ich jetzt nicht so schnell nachrechne, aber wie viele sind das genau?"

    „720 in einer Nasraab, 8640 wenn es nur diese zwölf sind."

    „Normalerweise würde ich jetzt sagen, dass wir einfach alles zumachen. Dann können die Amabearen gerne versuchen, uns zu knacken. Aber wenn ich das richtig verstanden habe, haben die etwas, womit sie eine Festung schleifen können. Maschinen?"

    „Ja. Belagerungsmaschinen. Schleudern, Rammböcke, ich weiß nicht, was noch alles."

    „Und du hattest gesagt, dass es mehr sind."

    „Wir wissen es noch nicht. Deswegen müssen wir die Kundschafter ausschicken."

    „Und was glaubst du?"

    „Denk doch nach, Madiro-on. Das Reich entsendet alle Krieger. Was glaubst du, wie viele sie tatsächlich vermuten?"

    „3000 pro Gau? Stimmt noch, oder? Dann wären es 36000. Das sind so viele … so viele kann ich mir überhaupt nicht vorstellen."

    „Da bist du nicht alleine." Ba-akhli bestätigte mit einem Nicken, dass auch sie mit einer solchen Zahl Schwierigkeiten besaß.

    „Und ihr glaubt, dass die Reiter auch so viele haben?"

    „Zumindest der Arba scheint es zu glauben."

    „Und wir sollen sechs Tage aushalten?"

    Take-eya nickte.

    „Aber wir sind nur eine Grenzfeste. Darf ich euch an unsere Aufgabe erinnern? Kontrollieren und Abschrecken?"

    „Und die Grenze verteidigen."

    „Aber doch nicht gegen 30000. Verdammt, nicht einmal gegen 8000."

    „So lautet aber unser Befehl, Madiro-on."

    „Dann ist es ein dummer Befehl."

    „Darf ich dich jetzt an etwas erinnern?"

    „An was?"

    Du hast einen Schwur geleistet hast."

    „Daran brauchst du mich nicht zu erinnern."

    „Dann wirst du mir helfen, die Yenyalal vorzubereiten?"

    „Natürlich, was denkst du von mir?"

    „Dass du ein Schwätzer, Plappermaul und Gerüchtetreiber bist, aber auch ein tapferer Krieger und Führer von Kriegern."

    Der angesprochene wollte sich schon empört aufrichten, sackte dann aber noch ein kleines Stück mehr in sich zusammen. „Da kann ich wohl kaum etwas zu sagen."

    Sie schwiegen eine Weile gemeinsam und starrten auf die Karte, mehr um den Blicken der anderen auszuweichen, als dass sie etwas Neues zu entdecken hofften. Die Umgebung der Festung war ihnen zur Genüge vertraut. Tägliche Kontrollen, Übungsmärsche und die Rodungsarbeiten ließen sie die meiste Zeit des Jahres mehr außerhalb der Feste arbeiten als im Schutz des Steingebäudes.

    Hinter ihnen lag der Pass, vor ihnen die spärlichen Ausläufer eines Nadelwaldes der bereits die Anfänge des Gebietes markierte, welches von den amabearischen Reitern kontrolliert wurde. Jenseits der Rodung zu ihrer Linken befand sich in zweitausend Schritt Entfernung ein dichter Wald, den die Amabearen vermutlich meiden würden. Und auf der rechten Seite in fast demselben Abstand lag ein Feld, in welches sich vor ein paar Jahren das Geröll einer Lawine ergossen hatte, was es denkbar ungeeignet für Pferde machte. Es war wie ein Trichter, in den von beiden Seiten Krieger hineinströmen würden, um auf Höhe der Festung aufeinander zu treffen.

    Sie hatten alle bereits an kleineren Gefechten teilgenommen. Denn so wie die Amabearen die Dörfer der Linen-Gaue überfielen, entsandten die Linen und Scherec regelmäßig Strafexpeditionen, um Gefangene wieder zurückzuholen und die Zeltstätte der Nomaden zu vernichten. Was sich für die Reiter jedoch lohnte, war für die Krieger des Reichs eine trostlose Wanderung mit wenig Hoffnung auf Beute, weswegen die Besatzungen der Festungen bemüht waren, Räuber auf dem Rückweg abzufangen und wenn schon nicht aufzureiben, ihnen doch wenigstens die Gefangenen wieder zu entreißen.

    Aber diese Kämpfe waren kleine Scharmützel, bei denen sich zwei Gruppen abwechselnd auflauerten und auch wieder zurückzogen, sobald der Kampf zu blutig wurde.

    Wie jedoch eine Schlacht dieser Größenordnung aussehen mochte, konnte sich vermutlich nicht einmal Ramaidha vorstellen, dem einzigen Krieger dieser Festung, der am Krieg gegen die Gernan und dem Feldzug, der zu ihrer Vernichtung führte, teilgenommen hatte. Er war ein Schwätzer und Aufschneider, trotzdem sprach er nie darüber. Trotzdem wussten alle, dass er mehr Leid gesehen hatte, als er aushalten konnte.

    „Soll ich dir die Zöpfe flechten?" fragte Ba-akhli schließlich ihren Arna, der das Angebot mit einem Lächeln annahm. Die Frage der Scherec war keine bloße Höflichkeit. Die Zöpfe, von denen sie sprach, waren die Kriegszöpfe und sobald sie einmal geflochten waren, würden sie nicht mehr geöffnet werden, bis der Kampf ausgefochten war. Sie würden sie alle tragen und sobald die anderen ihre drei Anführer mit dieser Haartracht erblickten, würden sie sich auf den Kampf einstellen.

    Take-eya war der älteste der drei und er hatte seine Haare seit seiner Volljährigkeit gut gepflegt. Deswegen hatte Ba-akhli viel Material, aus dem sie die drei Zöpfe fertigen konnte.

    Zuerst flocht sie die Schläfenhaar zu dicken, festen Strängen, die selbst unter dem Helm noch zusätzlichen Schutz gegen Hiebe von der Seite bieten würden. Anschließend band sie den Rest zu einer Art Krone, die sich um Take-eyas Kopf wand und den großen Helm des Arna erforderlich machte, da die normalen Spangenhelme, die der Rest seiner Leute trug, zu eng gewesen wären.

    Sobald sie fertig war, kümmerte sich Madiro-on um Ba-akhlis Haar, wobei ihr dritter Zopf zu einem dicken Knoten im Nacken gebunden wurde. Er drückte ein wenig, wenn man einen Helm trug und nach oben schauen wollte, aber der Knoten war besser als eine Strippe am Kopf zu haben, an der einen ein Gegner greifen konnte. Anschließend drehten sie sich um und Ba-akhli begann, Madiro-ons Haar für den Krieg vorzubereiten.

    Dann verließen sie den Kartenraum, aufrecht und mit erhobenem Haupt. Jedem, dem sie auf dem Weg zur großen Kammer begegneten, trugen sie auf, alle herbeizuholen. Take-eya hätte seine Krieger auch über die Sprechröhren zusammenrufen können, er fand diese Technik jedoch zu unpersönlich für diesen speziellen Anlass. Er würde den Männern und Frauen, die ihm den Eid geleistet hatten, nicht weniger mitteilen müssen, als dass sie in den nächsten Tagen um ihr Überleben ringen würden.

    Sechzehn Tage vor der Schlacht

    Von einem der Balkone aus beobachte Kriegsherr Bharuni das Ritual unter sich. Um ihn herum knieten seine engsten Berater, denen es genau wie ihm selbst nicht erlaubt war, das Heiligste zu betreten. Diese Ehre war Frauen und Priestern vorbehalten. Der Kreis des Altars unterlag sogar noch strengeren Auflagen. Ihm durften sich nur die Priesterinnen näher. Und der Thron dahinter wiederum war der Hohen Priesterin vorbehalten. Niemand anderes durfte ihn berühren, so dass es auch ihre Aufgabe war, ihn regelmäßig zu putzen.

    Zweimal im Jahr fand daher das Imrulan-Fest statt, bei dem alle Gläubigen der Herrscherin des Reichs dabei zukucken konnten, wie sie sich dem Thron mit der geweihten Wasserschüssel näherte, den in einer Zeremonie vom Einfluss aller Geister gereinigten Lappen nahm und den großen Stuhl putzte. Wenn man nicht zu viel darüber nachdachte, war es ein sehr feierlicher Vorgang, bei dem die Frau in Jahrhunderten festgelegten Wischbewegungen den Schmutz entfernte.

    Mupe-eka hatte ihm im dritten Jahr ihrer gemeinsamen Amtszeit anvertraut, dass während des Imrulans der Schmutz eigentlich nur durch die Gegend geschoben wurde. Die offenen Feuer wie auch die Kerzen, die überall den weiß gekalkten Tempel erhellten, hinterließen so viel Ruß, dass sie wenigstens einmal in der Woche den Altarbereich reinigten. Den Thron mit all seinen Verzierungen, eingravierten Mustern und den großen Wolfsköpfen an den Griffen zu putzen, war eine stupide Aufgabe und benötigte mehr Zeit, als man annehmen sollte, aber Mupe-eka genoss die Ruhe dieser Arbeit, die sie für einen kurzen Augenblick die vielen Verantwortungen ihrer Position vergessen ließ. Sie hatte sehr bestimmt erklärt, dass sie es sogar nutzte, um sich vor dem jährlichen Anstrich der Innenräume zu drücken.

    In diesem Moment wurde zum Klang zweier Zundins ein Stier zum Altar geführt und die Hohe Priesterin hob zu ihrer Bitte an, während die beiden Sackpfeifen leiser wurden:

    „Oh Fionan, Kriegsherr der Götter, Lenker der Heere, Wächter des Kampfes! Höre unser Flehen!" erscholl ihre Stimme durch den großen Tempel. Von den Balkonen war ein lautes Klopfen zu hören, als sich alle Krieger mit beiden Fäusten gegen die Brust schlugen. Einige der jüngeren Priesterinnen zuckten erschrocken zusammen, überrascht von der ungewohnten, scheinbaren Unterbrechung eines Rituals.

    „Voller Demut bitten wir dich, unsere Krieger zu schützen! Lenke ihre Waffen und gib ihnen Klarheit im Kampfe! Schenke ihnen Tapferkeit und Kraft!"

    Sie ließ sich ein langes Messer reichen, welches sie mit beiden Händen in die Höhe hielt. Es war länger als die Klingen, die sie bei Opfergaben für einen der anderen Götter verwendete. Es glich mehr einem Schwert als einem Messer, was Bharuni angemessen fand, wenn man berücksichtigte, dass dies ein Opfer für den Gott des Krieges war.

    „Nimm unser Opfer an. Nimm das Blut und stimme deine Frau gnädig, damit Chadocha ihnen beisteht! Zügele Brifiaig, Clitaira und Dorhina, damit sie nicht unser Verderben werden. Schenke Dolliown, Ernava und Morfia die Freiheit, auf dass sie huldvoll über die unseren wachen."

    Zum wiederholten Male musste der Kriegsherr denken, dass er, selbst als Oberhaupt des Reichs, immer noch nicht begriffen hatte, wie Chadocha eine Frau sein konnte, aber auch sechs, alle mit Fionan vermählt. Er konnte es akzeptieren und hoffte, dass die drei Stillen seinen Kriegern Disziplin, Geschick und strategische Fähigkeiten gewähren würden, während die brüllenden Schwestern angekettet blieben und sich die Schlacht nicht in ein Gemetzel wandelte, etwas, auf das jeder Kriegsherr hoffte und worum die hohe Priesterin die Götter anflehte.

    Unter den Mitgliedern einiger Bruderschaften gab es allerdings jene, die tatsächlich die Düsteren anbeteten, aber diese konnte er in dem Heer, das er jetzt befehligen würde, nicht gebrauchen. Sie fügten sich nicht in die Schlachtreihen ein und konnten schlimmstenfalls ihre Kameraden zu einem wilden Sturmangriff mitreißen, der gegen ein Reiterheer der sichere Untergang war.

    „Ehre sei Fionan! Mupe-eka setzte das Messe an die Kehle des Stiers und zog es mit einer kraftvollen Bewegung heran, sobald ihre Priesterinnen ein „Ehre zur Antwort sangen. Das Tier zuckte noch einmal, gleich darauf sackten jedoch die Vorderbeine ein. Das Blut spritzte auf das weiße Kleid der großen Frau, was sie aber nicht beachtete.

    Die beiden Frauen, die die ganze Zeit weiter ihre Zundins gespielt hatten, begannen jetzt kräftiger den Blasebalg zwischen ihren Beinen zu pumpen und erfüllten den Tempel bald mit ohrenbetäubendem Pfeifen.

    Sobald das Tier zur Seite gekippt war, begannen zwei jüngere Priesterinnen damit, es fachgerecht zu zerlegen. Zuerst schnitten sie den Bauch auf, um an die Innereien zu gelangen, die samt und sonders ins Opferfeuer geworfen wurden. Der Geruch, der sich daraufhin verbreitete, begann schnell den Gestank der Därme zu überdecken, wurde aber bald selbst unangenehm, sobald das Fleisch verkohlte.

    Als nächstes nahm eine kräftige Frau eine Axt und entfernte mit zwei geübten Schlägen den Kopf des Tiers vom Rumpf. Zwei andere Priesterinnen begannen damit, die Hörner abzusägen und waren damit noch beschäftigt, als die Haut bereits abgezogen und der Rest des Fleischs dem Feuer übergeben worden war.

    Bharuni lag nichts an diesem Schauspiel. Er wusste, dass das Opfer notwendig war, nicht nur, um die Götter gnädig zu stimmen, sondern auch um seinen Kriegern das Vertrauen in die Ordnung ihrer Welt zu geben. Aber seine Familie hatte immer Wert daraufgelegt, wenig Fleisch zu verzehren und er bedauerte das stolze Tier, welches man hatte betäuben müssen, um es angemessen schlachten zu können. Ein solches Tier hätte es verdient gehabt, sich auf der Jagd oder einem Kampfplatz mit ihnen zu messen.

    Deswegen verließ er den Balkon, sobald die Priesterinnen die Hörner präsentierten, und suchte das Gemach der Herrin dieses Tempels auf, dem einzigen Ort in diesen Hallen, wo sich die beiden Herrscher ungestört unterhalten konnten. Aber selbst hier war noch der schrille Klang der Sackpfeifen hören, was ihn dankbar daran denken ließ, dass er sie jetzt nicht mehr in dem hallenden Saal ertragen musste.

    Er wartete fast eine Stunde, bis Mupe-eka endlich erschien, zu seinem Bedauern nicht allein.

    Eine Priesterin mittleren Alters begleitete sie sowie einer der Mönche von Sern, die im Reich für Ordnung sorgten, indem sie sowohl weltliche als auch religiöse Vergehen verfolgten und ahndeten. Obwohl sie sich kleideten wie jeder andere Linen oder Scherec, erkannte man sie sofort, denn mit Ausnahme von Sklaven waren sie die einzigen, die sich die Haare schoren.

    „Es tut mir leid, dass ich dich so lange habe warten lassen, aber auch wenn unsere Grenzen bedroht sind, muss ich doch meinen Pflichten nachkommen."

    „Du wirst kaum jemanden finden, der deine Verantwortung besser versteht als ich, Mupe-eka. Aus dem Augenwinkel konnte der Kriegsherr sehen, wie die andere Priesterin verärgert die Stirn runzelte. „Ah ja, erinnerte er sich, „Shane-eya, so stolz, so streng, so engstirnig. Aber vermutlich gab es viele wie sie, die aus dem Tempel auf die Welt schauten und aus dem, was sie sahen, den seltsamen Schluss zogen, über den Kriegern, Bauern und Händlern zu stehen."

    „Natürlich verstehst du mich", antwortete die hohe Priesterin und ging auf ihn zu. Zur Begrüßung berührten sich vorsichtig, fast zärtlich ihre Stirnen, was Shane-eya den Blick abwenden ließ.

    „Ich muss mich umziehen", bemerkte Mupe-eka und deutete auf ihr Blutverschmiertes Kleid.

    „Es unterstreicht deine Blässe und ist ein bezaubernder Kontrast zu deinem Haar."

    „Du unverbesserlicher Schmeichler", antwortete die Frau, deren Haar schon lange nicht mehr so schwarz war, wie das der Anwärterin, als die er sie damals kennengelernt hatte. Sie verschwand hinter einem Vorhang, hinter dem man sie herumgehen hören konnte.

    „Du bist früh gegangen." Es war keine Anklage, nur eine Feststellung.

    „Es war ein schönes Tier." Mehr brauchte er nicht zu sagen, denn sie kannte ihn zu gut.

    „Ja, das war es. Dir steht eine schwere Aufgabe bevor, und da ist das beste Opfer gerade gut genug. Und für den Stier war es eine Ehre, Fionan geopfert zu werden."

    „Eine höhere Ehre ist für ein Tier kaum denkbar", mischte sich Shane-eya ein, die das Gespräch zwischen den beiden Herrschern des Reichs wie immer missverstand.

    Bharuni besaß genug Selbstbeherrschung um sich eines Kommentars wie „Ohne Zweifel wird dem Stier diese Ehre bewusst sein", zu enthalten. Wenn er mit der hohen Priesterin alleine gewesen wäre, wäre es ihm vielleicht herausgerutscht. Mupe-eka hätte seine kleine Häresie zu würdigen gewusst, vielleicht sogar darüber gelacht. Aber vor der strengen Shane-eya und vor allem vor dem Mönch war es

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1