Die Hochzeit auf Buchenhorst
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Buchvorschau
Die Hochzeit auf Buchenhorst - Gerhart Hauptmann
Gerhart Hauptmann
Die Hochzeit auf Buchenhorst
Saga
Die Hochzeit auf Buchenhorst
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1932, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726956603
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
www.sagaegmont.com
Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Als ich Kühnelle kennenlernte, war ich achtzehn und er etwa zweiundzwanzig. Er kam nach Jena, Gott weiss wozu, und ich war in Jena, um Gott weiss was zu studieren. Er schloss sich unserem studentischen Kreise an, der aus meinem Bruder und mir, einem schwerhörigen Geschichtsprofessor und einigen anderen Freunden bestand.
Kühnelle war ein stattlicher junger Mann von runden Gesichtsformen. Nicht nur die Herzen der Weiber flogen ihm zu. Wir sahen sofort, wir hatten es mit keinem gewöhnlichen Menschen zu tun. Natürlich hatte er sein Abiturium hinter sich und belegte Kollegs, wie wir anderen, wodurch er aber nicht irgendeinem studentischen Typus ähnlicher ward. Bevor wir ihn näher kennenlernten — wenn man bei ihm von einem Näherkennenlernen überhaupt sprechen kann — wussten wir nicht, was wir aus ihm machen sollten. Eines Tages erfuhr ich, und zwar von ihm selbst, er habe früher eine grosse Kraft in seinen Händen gehabt, leider aber den rechten Arm überspielt: Kurz: er hatte einer Pianistenlaufbahn entsagt.
Kühnelles Familie war in Leipzig und Dresden ansässig. Sie hatte italienisches Blut.
In seinem Äusseren unterschied sich Dietrich Kühnelle von uns durch Salonfähigkeit. Stattlicher, breitschulteriger, kurzum männlicher als wir, trug er am Tage einen schwarzen, an den Rändern mit Borte versehenen Cutaway, einen schwarzen, grossen, weichen Hut, den Sommerpaletot überm Arm, ein paar helle Handschuhe in der Hand.
Er hatte blondes, dichtes, gekräuseltes Haar. Allein diesen blonden, oft etwas, faden Typ widerlegten sogleich zwei dunkle, feurige Augen, widerlegte die ihn erfüllende, in den ersten Wochen unserer Bekanntschaft nicht zutage tretende, leidenschaftliche Innerlichkeit. Wenn sie sich äusserte, war es etwa, als wenn ein Gefäss, von dem man glaubte, es sei mit Milch gefüllt, sich voll feurigen Weins erwiese.
Kühnelle blickte auf uns herab. Er gestand mir später, warum er sich in den ersten Wochen unserer Bekanntschaft still verhalten hatte. Mein Bruder und ich, so sagte er, hätten ihn angezogen. Was wir aber bei Tisch und des Abends auf der Kneipe gesagt, getan und getrieben und wie wir das alles gesagt, getan und getrieben hätten, das kam ihm auf eine peinliche Weise. enttäuschend und auf verletzende Weise unreif vor. Es habe ihn geradezu abgestossen. Sein Gedanke war, plötzlich und ohne Abschied von Jena überhaupt zu verschwinden, da er sich bereits zu tief mit uns eingelassen habe, um, wenn er am Orte bliebe, ohne offenen Bruch von uns loszukommen.
Was ihn schliesslich festhielt, war seine Neigung zu mir.
Solche Bekenntnisse machte er mir nach Monaten. Meine Ansichten brachten mich in der Tat seltener mit ihm, als mit meinem Bruder und mit meinen anderen Freunden in Gegensatz. Auf, was ich hinauswollte, das war die Kunst, nicht die Wissenschaft. Die Frage war: sollte ich Bildhauer werden oder sollte ich gar auf etwas hinarbeiten, was man eigentlich entweder ist oder nicht, aber nie werden kann? Die sogenannten Meininger, die ich als Knabe im Stadttheater zu Breslau sah, hatten mir eine Leidenschaft zum Theater eingeflösst und den brennenden Ehrgeiz, Dramen zu schreiben. Ich tat es auch, und so konnte es denn nicht ausbleiben: ich las vorhandene Versuche und Fragmente eines Tages Kühnelle vor. Bei solchen Gelegenheiten geriet mein Bruder in Begeisterung. Auch meine übrigen Freunde liessen sich hinreissen. Bei Kühnelle war das nicht zu erreichen. Man spürte auch hier seine unbestechliche Überlegenheit. Er sagte zu dem, was er hörte, nicht nein. Allein sein Begriff von schöpferischer Dichterkraft war mit einer so unechörten Begnadung gleichbedeutend, dass er in meinen vorgelegten Proben die Anwartschaft auf dergleichen Begnadung nicht sehen konnte. Er selbst, von dessen musikalischen Fähigkeiten ich damals, weil er nicht vorspielte, keinen Begriff haben konnte, versagte sich jedem Versuch zur Komposition. Das wahrhaft Grosse zu leisten, sei unter Millionen kaum einem beschieden, sagte er. Er schliesse sich nicht dem ungeheuren Zuge dünkelhafter Narren an, in dem er, wie jeder von ihnen, glaube, er sei der Eine.
Er drückte das übrigens nicht so aus. Seine Proteste waren niemals heftig oder feierlich, sondern eher in Form von Fragen gehalten, wobei er einen scharf wie durch Brillengläser — er trug keine Brille — ins Auge fasste.
In einem gewissen Sinne, durchaus ohne zu verletzen, hielt er sich bei unseren Zusammenkünften wie jemand, der sich anschliesst, ohne eigentlich zugehörig zu sein.
Weshalb der Vereinsamte alte Junggeselle und Professor der Geschichte sich zu uns gefunden hatte, weiss ich heute nicht mehr zu sagen. Mein Bruder und Pfaff, der fünfte im Bunde, studierten Naturwissenschaft. Der sechste, Haalhaus, war trotz seiner Jugend bereits eine Leuchte auf dem Gebiete der vergleichenden Sprachwissenschaft. Es lag auf der Hand, dass er in sehr jungen Jahren sein Ziel, eine Professur, erreichen würde, da er schon jetzt alle Merkmale des Gelehrten an sich trug, und zwar bereits im Zustand der Verknöcherung. Gespräche ausserhalb des Gebietes seiner Wissenschaft kannte er nicht. Es war noch ein Herr von Gabler, ein Balte, da und ein Pole, dessen Name mir nicht mehr gegenwärtig ist. So war ja überhaupt unser Kreis