Heimatschutz
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Über dieses E-Book
Werden Umweltbewegungen heute oft politisch links verortet, so finden sich bei der historischen, ersten Naturschutzbewegung enge ideelle, personelle und organisatorische Überschneidungen zur völkischen Bewegung. Heimat umfasste die ländliche Region als Gegenpol zum Moloch Großstadt. In diesem Begriff wurde deutsche "Kultur" schließlich unauflöslich mit deutscher "Natur" verbunden und nationalistisch fundiert. Vertreter dieses "völkischen Heimatschutzes" forderten unter anderem eine Germanisierung des Christentums oder sogar den Rückgriff auf einen vorchristlichen Volksglauben. Der Heimatbegriff wurde schließlich von der NSDAP aufgegriffen und in ihren Dienst gestellt - auch hier diente Rudorffs "Heimatschutz" vielfach als argumentative Vorlage. Die hier verwendete Ausgabe ist die von Paul Schultze-Naumburg 1926 neu herausgegebene Edition, ergänzt um Nachworte. Ein aktueller Kommentar von Sebastian Ostendorf führt in das Werk ein. 100% Sachbuchklassiker. 100% vollständig, kommentiert, relevant.
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Buchvorschau
Heimatschutz - Heimatschutz Rudorff
Abbildungen
Einleitender Essay
Ernst Rudorff ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts nahezu vergessen. Kaum jemand würde diesen Namen mit einer Person des ausgehenden 19. Jahrhunderts verbinden, die den Gedanken des Heimatschutzes popularisierte. Dieses hier veröffentliche Buch wurde zu einem der programmatischen Grundfesten des „Bund Heimatschutz", der 1904 von Rudorff mitbegründet worden war.
Der Gedanke des Heimatschutzes war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches 1897 nicht völlig neu. Der Begriff Heimat war schon zur Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon um 1810 politisch aktuell und wurde durch die parallel stattfindende Bewegung der Romantik verklärt. Befeuert wurde die Idee des Heimatschutzes indessen vor allem nach der Reichsgründung 1871. In ihrem Gefolge von fallenden Zollgrenzen schritten die Industrie und Verstädterung immer weiter voran: Sie beschränkten sich nun eben nicht mehr auf die urbanen Zentren, sondern wirkten sich – zwar indirekt, aber spürbar- auch auf die ländlichen Gebiete aus.
Bemerkenswerterweise war es der Großstädter Ernst Rudorff, als Komponist und Professor an der Berliner Hochschule für Musik tätig, der den Gedanken aufgriff, dass sich die Lebenswelt der Menschen merklich veränderte. Die Gedankenwelt Ernst Rudorffs war maßgeblich durch seine Jugend geprägt. Er verbrachte einen Großteil seiner Sommerferien auf dem elterlichen Gut Knabenburg in Lauenstein – einem Dorf in Niedersachen. Später besuchte er mit seiner Berliner Familie regelmäßig das Gut. In Zusammenhang mit seinen Reisen durch die Mark Brandenburg und das Siebengebirge verfestigte sich bei Rudorff jene Idee des Heimatschutzes, die er in seinem Buch 1897 vorlegte und ab 1904 mit der Gründung des „Bund Heimatschutz" praktisch umzusetzen versuchte. Er war damit am Ende des 19. Jahrhunderts einer der ersten und aktivsten Naturschützer.
Mit seinem 1897 veröffentlichten Buch „Heimatschutz" erhob Ernst Rudorff als einer der ersten aus national‐konservativen Kreisen seine Stimme gegen die industrielle Veränderung der Lebenswelt und damit – so Rudorff – den Verlust nationaler Identität.
In diesem Zusammenhang wird auch verständlich, warum Rudorff sich dabei schon im Titel eines Begriffes bediente, der – wie oben erwähnt ‐ bis zum Erscheinen der Schrift nur in einem rein militärischen Sinne verwendet worden war: nämlich den Schutz der Heimat vor Gefahren von außen. Er verlieh diesem Begriff in Zusammenhang mit der drastischen Veränderung von Natur und Tradition eine neue Bedeutung. Das „Vaterland" musste gegen Feinde verteidigt werden, allerdings gegen keine militärischen aus dem Ausland. Vielmehr befürchtete Rudorff das Vergessen alter Sitten und Gebräuche speziell in den ländlichen Regionen.
Bei Rudorff findet eine Romantisierung der Natur und ihrer Schönheit statt. Die Zerstörung der Natur durch die Industrialisierung als auch der beginnende Tourismus sah er als Gefahr an. Aber Rudorff war nicht einfach ein früher Naturschützer im heutigen Verständnis, kein Begründer einer ersten „grünen Bewegung. Der gewaltige Unterschied zu der Naturschutzbewegung in Deutschland, wie sie seit den 1970er entstand, ist dabei der, dass Rudorff die Natur als Teil der nationalen Identität sah. In romantischer Verklärung verwies er immer wieder auf die kulturellen Errungenschaften in der Vergangenheit. In der habe angeblich kein Raubbau an der Natur stattgefunden, sondern, so behauptete Rudorff, man habe in Einklang mit ihr gelebt. Rudorff verband ein ästhetisiertes Bild der Natur mit einem konservativen Nationalismus. Urwüchsigkeit und Natürlichkeit wurde dabei in scharfer Abgrenzung zu den anderen Nationen als typisch deutsch deklariert. Eben deshalb lässt sich seine Schrift „Heimatschutz
nicht einfach mit unserem heutigen Verständnis von Naturschutz gleichsetzen. Sie gewinnt aber dennoch dahingehend an Aktualität, da hier Probleme wie Raubbau an der Natur mit gleichzeitigem Verlust von Identität wieder im Zuge der heutigen Globalisierung diskutiert werden.
Aus dem Vorwort zur Auflage 1926
Rudorffs„Heimatschutz" ist nicht allein die grundlegende Schrift für die vielseitige Bewegung, die dieses Wort heute umfaßt, sondern hat auch die Bezeichnung zum ersten Male geprägt. Es sind fast dreißig Jahre her, daß das kleine Buch zum ersten Mal erschien. Seitdem sind einige Neuauflagen gedruckt worden, die aber seit etwa einem Jahrzehnt vergriffen sind. Es ist daher eine Ehrenpflicht, das klassische Buch des Heimatschutzes nicht der Vergessenheit anheimfallen zu lassen, sondern sein Weiterbestehen in einer Form zu sichern, in der es immer wieder für die Allgemeinheit wirkungsvoll bleibt.
Gewiß, manches darin erscheint uns heute stark romantisch und manche Forderung in dieser Fassung weit über das Ziel hinausschießend. Hätte der Heimatschutz sich für alle Zeiten auf Gesichtspunkte von 1900 festgelegt, so wäre er schon innerhalb der hinter uns liegenden kurzen Spanne von kaum dreißig Jahren nicht lebensfähig geblieben, sondern von der gewaltigen, umwälzenden Entwicklung, der er sich in die Speichen geworfen hätte, überrannt worden. Zwar deuten Rudorffs grundlegende Gedanken durchaus den Weg an, den wir seither einschlagen mußten. Wir haben uns keine Untreue gegen unseren Altmeister vorzuwerfen, wenn wir uns den berechtigten Anforderungen der Wirtschaft nicht verschließen, sondern – selbst wegsuchend –dafür eintreten, daß auch bei allem Neuschaffen neben den Erfordernissen des Zwecks auch die der Schönheit zu durchgeklärtem Ausdruck gelangen. Gerade dann handeln wir im Sinne des Rudorffschen Grundsatzes: von den wahrhaft schöpferischen Werken unserer Vorfahren zu lernen, wenn wir mit der gleichen Unbefangenheit und Klarheit und ebenso wohlbedacht wie sie den Zeitforderungen dienen. Es wäre also eine ganz falsche Einstellung, wenn man sagen wollte, das Buch wäre „veraltet". Worte, die aus einem so ursprünglichen und tiefen Gefühl für Schönheit und Reinheit der Natur entsprungen sind, veralten nie. Wo Rudorff für unser Gefühl ungerecht gegen Technik und manches andere zu sein scheint, läßt sich vielleicht über das Maß hin und her feilschen, und man wird nicht umhin können,im Zwange der wirtschaftlichen Notwendigkeiten von heute manches Stück Natur mehr preiszugeben, als uns selbst lieb ist. Rudorff wäre nie, auch wenn er das Heute noch erlebt hätte, dazu berufen gewesen, das Hohe Lied der Technik zu singen. Seine Stärke liegt in dem unbestechlichen und sicheren Gefühl dafür, daß die freie und unberührte Natur für den Menschen etwas Unentbehrliches und über sein Wissensbedürfnis hinaus Notwendiges bedeutet, und daß er nicht etwa nur um einen ästhetischen Genuß ärmer wird, wenn er diesen ihm bisher gemäßen und vertrauten Hintergrund seines Lebens zerstört, sondern daß er sich damit auch Umweltsbedingungen schafft, die seinem Wesen über kurz oder lang verderblich werden müßten.–
Ich möchte noch angeben, wie weit und aus welchem Grund wir Veränderungen an dem vorliegenden Text vornahmen. Zunächst haben wir alle Stellen weggelassen, die auf irgendwelche Tagesereignisse Bezug nehmen, heute aber kaum mehr Interesse erwecken. Wo freilich Erwägungen von grundsätzlicher Bedeutung vorgetragen werden, sind diese ungekürzt beibehalten worden. Da gewissen von Rudorff berührten Einzelfällen auch jetzt noch grundsätzliche Bedeutung zukommt, erschien es erwünscht, sie auch vom heutigen Standpunkt aus zu beleuchten. Dies ist in einer Reihe von Anmerkungen der Schriftleitung geschehen, die am Schluß des Buches den Anmerkungen Rudorffs beigefügtsind. An Rudorffs Schrift selbst waren nur hier und da einige unwesentliche Änderungen mehr äußerlicher Natur notwendig. Endlich lag mir ein Handstück des Verfassers vor, in das er selbst eine Reihe von Verbesserungen eingetragen hatte.
Den Herausgeber verband eine herzliche und auf beiden Seiten gleich fest verankerte Freundschaft mit dem Verfasser. Obgleich ein Menschenalter an Jahren sie trennte, fanden sie sich doch sogleich, als sie sich in ihren Schriften kennenlernten. Und wer je diesem gütigen Menschen mit den Kinderaugen unter dem weißen Haar, mit seiner sprühenden und kampffrohen Jugendlichkeit nahetreten durfte, wird dies als einen unverlierbaren Gewinn für sein ganzes Leben behalten.
Prof. Dr. Paul Schultze‐Naumburg Saaleck, Frühjahr 1926
Heimatschutz
Die Welt ist rauh und dumpf geworden,
Die Stimm‘ entfiel ihr nach und nach,
Die einst in tönenden Akkorden
Zum off‘nen Ohr des Menschen sprach.
Den Baum der Phantasie entbildert
Nun des Verstandes kalte Hand,
Die Blume des Gefühls verwildert,
Der Quell der Dichtung stockt im Sand.
Rückert
Ein spanischer Novellist schreibt über die Modernisierung von Sevilla: „Die Lokalfarbe und die Nationalphysiognomie schwinden dahin, dank diesem modernen Prokrustes, den man Zivilisation nennt. Aber eine solche Ansicht darf man nicht laut werden lassen, ohne daß sie sofort von der Stimme der Allgemeinheit erstickt wird, die einzig von dem modernen Prinzip der materiellen Wohlfahrt durchdrungen und beherrscht ist." Dies gilt nicht nur für Sevilla, sondern für alle Welt. Wer heute mit tieferen Bedürfnissen des Gemüts seine Zelle verläßt, um draußen Erquickung zu suchen, der muß sich von vornherein auf Nackenschläge gefaßtmachen. Und das von Jahr