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Lesereise Kopenhagen: Der Philosoph und die Meerjungfrau
Lesereise Kopenhagen: Der Philosoph und die Meerjungfrau
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eBook111 Seiten1 Stunde

Lesereise Kopenhagen: Der Philosoph und die Meerjungfrau

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Über dieses E-Book

Figuren aus den Geschichten Hans Christian Andersens, Ansichten der bunten Häuser und der alten Segelschiffe am Nyhavn-Kanal, dazu ein paar fröhlich winkende Radfahrer - das waren über lange Zeit die bevorzugten Motive, mit denen die dänische Hauptstadt für sich warb. Man präsentierte sich als verträumte, kleine Märchenstadt und schuf damit Klischees, die sich bis heute gehalten haben.
Mittlerweile ist allerdings eine Imagekorrektur nötig geworden, denn das Kopenhagen des 21. Jahrhunderts ist eine sehr dynamische, stark wachsende Metropole. Seit im Jahr 2000 die sechzehn Kilometer lange Brücke über das Meer, hinüber nach Schweden, eröffnet wurde, hat sich die Stadt zum ökonomischen und kulturellen Zentrum der gesamten Øresund-Region entwickelt. Dort, wo sich früher alte Hafen- und Industrieanlagen befanden, entstanden groß angelegte neue Stadtviertel, die mit Bauten von Stararchitekten wie Jean Nouvel, Henning Larsen oder Bjarke Ingels zu international viel beachteten Schauplätzen moderner Architektur- und Designentwicklung wurden. Immer noch freilich ist die Skulptur der kleinen Meerjungfrau die am meisten besuchte Sehenswürdigkeit der Stadt, in der man aktuelle Trends durchaus auch mit der typisch dänischen Gemütlichkeit - der hygge - zu verbinden weiß.
SpracheDeutsch
HerausgeberPicus Verlag
Erscheinungsdatum25. Feb. 2013
ISBN9783711751669
Lesereise Kopenhagen: Der Philosoph und die Meerjungfrau

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    Buchvorschau

    Lesereise Kopenhagen - Barbara Denscher

    Flinke Kellner bringen Öl

    Die Dänen und ihre Sprache

    Ingen Pauser ist »lang, weiß, schlank, blond«, und sie hat eine »Schnuppernase« – davon ist jener Deutsche, der, offenbar im Auftrag einer Zeitung, zu einer Besichtigungstour nach Kopenhagen gekommen ist, fest überzeugt. Allerdings hat er Ingen noch gar nicht zu Gesicht bekommen, sondern nur der Ankündigungstafel eines Kopenhagener Tanzlokals entnommen, dass abends die Auftritte von zwei Orchestern und Ingen Pauser auf dem Programm stünden. Und da, wie er meint, die »nordischen Frauen« mehr als alle Französinnen »locker, kokett« und »der Liebe ergeben« seien, werde es wohl nicht schwer sein, Ingen auch ein wenig näher kennenzulernen. Schon träumt er von einer gemeinsamen Reise in irgendein kleines, romantisches Städtchen in Jütland, von abendlichen Spaziergängen, vertrauten Gesprächen – und manchem mehr … Als er aber, nach einer ausgedehnten Stadtbesichtigung, endlich voll Ungeduld in das Tanzlokal kommt, erwartet ihn nicht die Traumfrau, sondern eine herbe Enttäuschung. Denn von Ingen ist weit und breit keine Spur. Dafür aber spielen die beiden Orchester den ganzen Abend unentwegt, ohne Pausen. Denn das war mit der Ankündigung gemeint gewesen: Ingen pauser – Keine Pausen!

    Diese Episode steht im Mittelpunkt der kurzen Erzählung »Eine schöne Dänin«, die Kurt Tucholsky 1927 in der Vossischen Zeitung publizierte. In satirischer Weise beschrieb er darin jene Schwierigkeiten, die das Dänische – trotz aller sprachgeschichtlichen Nähe – Deutschsprechenden bereiten kann. Denn Tucholskys Protagonist irrt, wenn er glaubt, dass zumindest im Geschriebenen vieles leicht zu erraten sei: »So viel Plattdeutsch und Englisch verstehen wir auch bei Regenwetter«, brüstet er sich – und hält dann eben die dänische Form des Pronomens keiner/keine für die ortsübliche Variante des Vornamens Inge. Er ist damit einem »falschen Freund« aufgesessen – oder doch vielmehr einer »falschen Freundin«. Wobei schon alleine das Wort falsch für Missverständnisse bei sprachlichen Annäherungsversuchen zwischen Dänisch und Deutsch sorgen kann. Denn was im Deutschen falsch im Sinne von inkorrekt oder fehlerhaft ist, wird im Dänischen als forkert bezeichnet, falsk hingegen bedeutet trügerisch, unglaubwürdig und auch hinterlistig.

    Eine ganze Schar von falschen Freunden hätte Tucholskys Kopenhagenbesucher wohl erwartet, wenn er mit Inge in ein Restaurant gegangen wäre. Erfreulich ist es natürlich, wenn der Kellner flink ist, noch besser, wenn er außerdem auch rask ist. Besonders schnell – hurtig – muss er aber deshalb nicht sein, denn flink bedeutet freundlich und rask gesund. Mit seinen Englischkenntnissen wird der ausländische Gast vielleicht erschließen können, dass das vom Kellner – tjener – angebotene öl (auf der Speisekarte øl geschrieben) sprachlich mit Ale verwandt ist und somit in Biergläsern serviert wird. Auf den Salat hingegen kommt olie. Vorsicht ist bei zu viel flæsk geboten, das zwar etymologisch mit dem deutschen Fleisch zu tun hat, aber im Dänischen lediglich den Speck bezeichnet – die Fleischgerichte sind unter kød zu finden. Beliebte Beilage dazu sind bløde kartofler, womit keine Herabwürdigung des Knollengewächses gemeint ist, sondern der Hinweis, dass die Kartoffeln auch entsprechend weich – blød – gekocht sind. Keinerlei Bedenken braucht man auch bei gammel ost zu hegen. Da ist nichts vergammelt, sondern es handelt sich um gut gereiften alten Käse – über den die Dänen oft Zwiebel streuen und manchmal auch, als besondere Spezialität, ein wenig Rum gießen. Velbekomme! – Guten Appetit also!

    Als Dessert und sprachliches Gustostück servieren die Dänen ihren Gästen gerne rødgrød med fløde – Rote Grütze mit Sahne. Diese populäre Süßspeise muss schon beim Aussprechen halb verschluckt werden, nur so kommen die vier D-Laute richtig über die Lippen. Denn das für das Dänische charakteristische weiche D ist – so der Ausspracheleitfaden – ein »stimmhafter Lispellaut«, ähnlich dem th im Englischen, allerdings ist »die Zunge weiter zurückgezogen als beim th«. Bei der roten Grütze ist dies schwierigste Zungengymnastik, und es ist kein Wunder, dass rødgrød med fløde zum klassischen Schibboleth für das Dänische wurde.

    »Zum Sprechen eignet sich die dänische Sprache weniger – sie zerschmilzt den Hiesigen auf der Zunge und eilt leichtsilbig dahin, und alles ist ein einziges Wort, und es ist sehr schwer«, meint Kurt Tucholskys Kopenhagenbesucher, der hoffentlich bei seinen Essensverabredungen auf den richtigen Zeitpunkt geachtet hat. Denn das dänische middag bedeutet nicht unbedingt Mittagessen, sondern ist lediglich die Bezeichnung für eine Hauptmahlzeit – und heutzutage wird middag fast immer abends gegessen. Das Mittagessen hingegen wird als frokost bezeichnet, also eigentlich als Frühstück. Dieses wiederum heißt morgenmad. Damit sind nicht nur Deutschsprechende zu verwirren, sondern auch die Schweden, bei denen frukost tatsächlich das Frühstück ist. »Die Schweden wachen erst auf, wenn wir schon längst beim Mittagessen sind«, lautet daher auch einer jener populären kleinen Seitenhiebe gegen den großen Nachbarn, mit dem man aber doch in positivem skandinavischem Einverständnis lebt und sich auch sprachlich recht gut versteht. Denn so wie das Norwegische, das Isländische und das Färöische gehören auch das Dänische und das Schwedische zur Gruppe der sogenannten nordgermanischen Sprachen, die einander in vielem sehr ähnlich sind. Umso lieber scheint man daher auf einzelne Bedeutungsdifferenzen hinzuweisen – und diese entsprechend zu interpretieren. Wenn es etwa um die Frage geht, was denn die Dänen von den Schweden unterscheide, wird von den Ersteren gerne auf das kleine Wort rolig verwiesen. Dieses bedeutet im Dänischen ruhig, im Schwedischen hingegen lustig. Dies sei typisch für das unterschiedliche Temperament dies- und jenseits des Øresunds, meinen die Dänen: »Was die Schweden als lustig empfinden, ist für uns immer noch recht ruhig!« Und gerne wird dazu auch jene Anekdote über einen schwedischen Touristen erzählt, der nach Kopenhagen kam, um sich zu amüsieren. Dem Taxifahrer, der ihn vom Hotel abholte, sagte er, dass er ihn irgendwohin fahren solle, wo es roligt zugehe, wirklich sehr, sehr roligt wolle er es haben. Er dachte an ein Vergnügungsviertel – der dänische Fahrer aber brachte ihn zum größten Friedhof der Stadt: Mehr roligt als hier gehe es doch nicht, meinte er. Besonders gefällt den Dänen, dass es im Schwedischen auch einen rolighetsminister gibt. Zwar bedeutet das Wort in der Nachbarsprache so viel wie Spaßmacher – direkt, als »falscher Freund«, ins Dänische übersetzt wird daraus aber ein Ruheminister. Und ein solcher, so meint man, hätte sicher einigen Erfolg – denn »Politiker quatschen ohnehin oft viel zu viel«.

    Eine politische Entscheidung war es, die 1948 zur Reform der dänischen Rechtschreibung führte. Der damalige Unterrichtsminister Hartvig Frisch verordnete seinen Landsleuten zwei wesentliche orthografische Änderungen. Die eine war der Umstieg auf die Kleinschreibung nach englischem Muster, was allgemein akzeptiert wurde. Heftige Proteste aber gab es gegen die Einführung des Buchstabens å, der für ein offen ausgesprochenes o steht. Zuvor war der Laut mit Doppel-a geschrieben worden – so etwa blaa, was blau bedeutet und »blo« ausgesprochen wird. Nun also musste blå geschrieben werden. Ebenso war es natürlich mit allen Ortsbezeichnungen: Aalborg wurde zu Ålborg, Aarhus zu Århus und Aabenraa zu Åbenrå. Vermutlich hatte der Minister erwartet, dass man gerade in diesen Städten über diese Änderung sehr glücklich sein werde. Schließlich war dort stets geklagt worden, wie ärgerlich, ja für den Nationalstolz kränkend es doch sei, dass die Namen von Ausländern – vor allem von deutschsprachigen – so konsequent falsch ausgesprochen werden. Doch gerade in Åbenrå, Ålborg und Århus gab es den heftigsten Widerstand gegen das sogenannte bolle-å. Denn durch das A mit dem bolle, dem Knödel, obendrauf fiel man von Platz eins in der alphabetischen

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