Die Sonnenkönigin: Die Sonne und ihr Mond
Von Louise Bourbon
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Über dieses E-Book
Als es heißt: "Le Roy est mort!", erhalten seine Kinder Briefe, mit denen das Schicksal Frankreichs in ihren Händen liegt. Sie setzen alles daran, die wahre Geschichte der großen, alles überdauernden Liebe ihrer Eltern zu erzählen und ihr Erbe anzutreten. Sie gehen zurück zu den Anfängen: den Jahren 1660 und 1661.
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Rezensionen für Die Sonnenkönigin
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Buchvorschau
Die Sonnenkönigin - Louise Bourbon
Inhaltsverzeichnis
Die Sonnenkönigin
Band 3
Die Sonne und ihr Mond
Louise Bourbon
Impressum
Über die Autorin
Préface
Prologue I
Prologue II
Prologue III
TEIL I
Kapitel 1 – König und Henker
Kapitel 2 – Ludwig II. von Bayern hat ein Geheimtreffen
TEIL II
Kapitel 3 – Marie Antoinette fürchtet um die Dokumente
Kapitel 4 – Die Königin kann nicht schweigen und schweigt dennoch
Kapitel 5 – Die Pläne der Königin
Kapitel 6 – Die Offenbarung des Königs
Kapitel 7 – Marie Anne erhält eine ungewöhnliche Botschaft
Kapitel 8 – Der Brief mit sieben Siegeln
Kapitel 9 – Der geheime Besucher
Kapitel 10 – Louis Augustes Schicksal
Kapitel 11 – Der Duc du Maine bricht sein Schweigen
Kapitel 12 – Der Herbst, der der Winter war
Kapitel 13 – Das Versprechen
Kapitel 14 – Und immer ist die Hoffnung
TEIL III
Kapitel 15 – Louis XVI findet die Liste
Kapitel 16 – Der Comte de Toulouse ist nicht des Königs Sohn
Kapitel 17 – Das Königreich des Meeres
Kapitel 18 – Das Geheimnis um das Königreich des Meeres wird gelüftet
Kapitel 19 – Louis XVIII will verbergen, was andere aufgedeckt haben
Kapitel 20 – Marie Antoinette setzt das Puzzle zusammen
TEIL IV
Kapitel 21 – Die Sonne und ihr Mond
Kapitel 22 – Der Tod des Gaston d‘Orléans
Kapitel 23 – Schicksal auf den ersten Blick
Kapitel 24 – Louises Familie geht nach Paris
Kapitel 25 – Eine wahrhaft königliche Hochzeit
Kapitel 26 – Der König zieht mit der Königin in Paris ein
Kapitel 27 – Nichts als Dunkelheit
TEIL V
Kapitel 28 – Das Erbe des Duc du Maine
Kapitel 29 – Die Dokumente des Königs
Kapitel 30 – La face du théâtre change
Kapitel 31 – Der König regiert selbst
Kapitel 32 – Die Prophezeiung für Louise
Kapitel 33 – Louise erfährt von ihrer Anstellung in Fontainebleau
Kapitel 34 – Louises Vorstellung bei Hofe
Kapitel 35 – Louise begegnet dem König wieder
Kapitel 36 – Man kann seinem Schicksal nicht entkommen
Kapitel 37 – Das Herz hat seine Gründe
Kapitel 38 – Wer ist Paravent für wen?
Kapitel 39 – Anne mischt sich ein
Kapitel 40 – Der König verlangt eine Erklärung
Kapitel 41 – Freundschaft zwischen Ungleichen
Kapitel 42 - Der erste Kuss
Kapitel 43 – Herz und Verstand
Kapitel 44 – Louise darf nur träumen
Kapitel 45 – Eine Leidenschaft, die Leiden schafft
Kapitel 46 – Louise flieht vom Hof
Kapitel 47 – Ein ganzes Königreich, aber keine Kammer für mich
Kapitel 48 – Der Comte de Saint Aignan betritt die Bühne
Kapitel 49 – Der Widerstand schwindet
Kapitel 50 – Der König hofft
Kapitel 51 – Spitzel
Kapitel 52 – Freundin werden ist nicht schwer …
Kapitel 53 - … Freundin sein dagegen sehr
Kapitel 54 – Louise flieht erneut und kehrt zurück
Kapitel 55 – Konspiration
Kapitel 56 – Raoul betritt die Szene
Kapitel 57 – Funken fliegen in Fontainebleau
Kapitel 58 – Worte, die nicht geheim bleiben
Kapitel 59 – Zug um Zug
Kapitel 60 – Fouquets Erpressung
Kapitel 61 – Colbert greift ein
Kapitel 62 – Colbert bietet seine Hilfe an
Kapitel 63 – Der König erfährt von Fouquets Machenschaften
Kapitel 64 – Quo non descendet?
Kapitel 65 – Vaut-il le compte?
Kapitel 66 – Alea iacta est
Kapitel 67 – Der König will nach Versailles
Kapitel 68 – Louise hat sich entschieden
Finis I
Finis II
Finis III
Erläuterungen
Postface
Danksagung
Die Sonnenkönigin
Band 3
Die Sonne und ihr Mond
LOUISE BOURBON
Impressum
Louise Bourbon
Die Sonnenkönigin – Die Sonne und ihr Mond – Band 3
ISBN Print:
978-3-946376-62-0
ISBN eBook:
978-3-946376-63-7 (ePub)
© 2020 Lysandra Books Verlag (Inh. Nadine Reuter),
Overbeckstraße 39, 01139 Dresden
www.lysandrabooks.de
Coverfotos: © Louise Bourbon; Sonnenmotiv: stock.adobe.com Nr.19504347
Coverdesign/Umschlaggestaltung: Takezo Graphic Dirk Schröck,
www.takezo-design.de
Lektorat/Layout/Satz: Lysandra Books Verlag
Kartenmaterial und Stammbäume sind nur in der Printversion enthalten.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Lysandra Books Verlags ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für die mechanische, fotografische, elektronische und sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung - auch auszugsweise - durch Film, Funk, Fernsehen, elektronische Medien und sonstige öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Über die Autorin
Louise Bourbon hat französische und deutsche Wurzeln und pendelt bevorzugt zwischen beiden Ländern hin und her.
Ihre Großmutter brachte ihr drei Leidenschaften nahe: die französische Sprache, Geschichte und Literatur. Insbesondere über Geschichte schrieb sie bereits zu Schulzeiten, noch auf einer alten mechanischen Schreibmaschine, ihr Tagebuch führte sie in französischer Sprache.
Regelmäßige Aufenthalte in Frankreich prägen noch heute ihr Leben, und ihr größter Wunsch ist es, dorthin zurückkehren zu können. Über 20 Jahre der historischen Recherche über das Frankreich des Sonnenkönigs und seiner vergessenen Königin haben genügend Material für mehrere Bücher hervorgebracht.
Bevorzugt erzählt sie die Dinge, die nicht im Geschichtsbuch stehen. Vielleicht sind sie gerade deshalb wahr.
www.louisebourbon.de
kontakt@louisebourbon.de
Außerdem von Louise Bourbon beim Lysandra Books Verlag erschienen:
Die Sonnenkönigin – Frankreichs vergessene Königin (Band 1)
Die Sonnenkönigin – Louises Lächeln (Band 2)
Märchen des Versailler Hofes nach Charles Perrault
Préface
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Geschichte, in die Sie in wenigen Augenblicken eintauchen werden, ist wahr. Sie ist der dritte Band meiner Reihe «Die Sonnenkönigin». Diese ist so konzipiert, dass die Bände unabhängig voneinander gelesen werden können. So gestatten Sie mir dieses Vorwort.
Die Geschichte, die ich im Rahmen dieser Reihe erzähle, ist wahr und das Ergebnis von fünfundzwanzig Jahren Recherche. Eine Recherche, die sich oft jenseits der bekannten Pfade zugetragen hat – auf Dachböden, bei Privatleuten, die echte Schätze ihr Eigen nennen, bei Schlossbesitzern, deren Schloss zwar nur noch als Ruine steht, denen es aber gelungen ist, über Generationen Dokumente zu bewahren.
Die französische Revolution war für Frankreich in jeder Hinsicht ein Umbruch. Der Teil der aristokratischen oder wohlhabenden Bevölkerung, dem noch die Flucht gelang, nahm wahllos Gegenstände und Dokumente mit; einige davon haben ihren Weg nach Frankreich zurückgefunden, andere sind an den neuen Orten verblieben, beispielsweise in London, Turin oder sogar in den Staaten. Manche der Erben sind der französischen Sprache nicht mehr mächtig und wissen gar nicht, welche Schätze sie beherbergen. Andere wiederum wissen es sehr genau, doch wagen es nicht, diese preiszugeben. Man mag es im 21. Jahrhundert kaum glauben, aber der von mir thematisierte Kampf zwischen der jüngeren Linie Orléans und der älteren Linie Bourbon existiert immer noch, ebenso wie die Auseinandersetzung um die Preisgabe der wahren historischen Vorgänge.
Louise de La Vallière spielt in der offiziellen Geschichte lediglich eine untergeordnete Rolle, ihr historisches Leben wird 1674 mit ihrem Eintritt ins Kloster beendet.
Doch ihr Lebensweg war ein anderer als der heute bekannte – man kann sagen, dass man einige Jahre ihres bekannten Lebens verfälscht und vierzig Jahre ihres restlichen Lebens gestohlen hat.
Geschichte ist kein starres Konstrukt, die sogenannten Erkenntnisse nicht unabänderlich.
«Geschichte ist die Lüge, auf die man sich geeinigt hat», wusste Voltaire selbst sehr genau, denn sein Werk «Le siècle de Louis XIV» war eine Auftragsarbeit des Königs Louis XV, der einiges Interesse daran hatte, Königin Louise vergessen zu machen und Sœur Louise de la Miséricorde, diesen Namen nahm Louise während ihrer Zeit im Kloster an, am Leben zu erhalten.
In Frankreich räumen mittlerweile manche Historiker ein, dass die Vaterschaft Louis XIII in Zweifel zu ziehen ist, andere wagen sich einen Schritt weiter und benennen Mazarin offen als biologischen Vater, um nur eines der vielen Beipiele zu nennen. Auf meinem Facebook-Profil und meiner Website können Sie nachlesen, wie alles begann, was mich an der offiziellen Geschichte hat zweifeln und selbst recherchieren lassen.
Dokumente, Briefe, Fragmente, Interviews, Gemälderekonstruktionen und vieles mehr habe ich in den über zwanzig Jahren meiner Recherche herangezogen, die Texte übersetzt und mit eigenen vermischt, denn mir ist ein weiteres Anliegen wichtig:
Ich bin der Auffassung, dass man Geschichte so erzählen sollte, wie sie die beteiligten Personen erlebt haben könnten. Es ist mir wichtig, ihre Gedanken und Empfindungen so aufzuzeichnen, dass ich sie nicht mit den sehr wandlungsfähigen Erkenntnissen des 21. Jahrhunderts bewerte, sondern so, wie sie sie selbst bewertet haben dürften.
Deshalb ist die vorliegende Geschichte ein Roman und kein Sachbuch. Um auch den Werdegang mancher Dokumente aufzuzeigen, habe ich mit dem Duc du Maine und der Princesse de Conti die Generation nach Louis XIV und seiner Königin Louise zu Wort kommen lassen. Einige Generationen später wissen Louis XVI und seine Königin Marie Antoinette noch um die Geheimnisse des französischen Königshauses, die ihren Weg bis nach Bayern und dessen König Ludwig II. fanden.
Entgegen der offiziellen Geschichtsschreibung gehe ich von folgenden Tatsachen aus:
- Die natürlichen Kinder des Königs haben Louise de La Vallière zur Mutter. Die Marquise de Montespan hatte zwar als Folge eines von ihr erpressten Schauspiels die theoretische Position einer Favoritin, war aber niemals die Geliebte des Königs. Ihre vorgeblichen Kinder hat nicht sie selbst, sondern Louise zur Welt gebracht.
- Das letzte Kind der Montespan, der Comte de Toulouse, wurde zwar von ihr geboren, hat aber nicht den König zum Vater.
- Die Marquise de Maintenon war lediglich die Erzieherin der königlichen Kinder und Enkel.
- Louis XIV hat nach dem Tod der Königin Marie Thérèse ein weiteres Mal geheiratet, und zwar Louise de La Vallière, die durch ihren Ehenamen die gleichen Initialen besitzt wie ihr Gatte. Man kann die beiden miteinander verschlungenen L in und an verschiedenen Bauwerken bewundern.
- Louise de La Vallière, die durch ihren Ehenamen Louise de Bourbon heißt, ist Frankreichs vergessene Königin.
Wenn Sie mir bis hierher gefolgt sind, danke ich Ihnen sehr! Ich lade Sie nun ein, mit mir einzutauchen in eine bekannte unbekannte Zeit der französischen Geschichte und aus der vergessenen Königin eine Königin zu machen, an die man sich (wieder) erinnert und der man ihren verdienten Platz in der Geschichte zurückgibt.
Prologue I
Hohelied des Salomon, 8,6-7¹
Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz,
Wie ein Siegel auf deinen Arm.
Denn die Liebe ist stark wie der Tod,
Und Missgunst unbeugsam wie das Totenreich.
Ihre Gluten sind Gluten aus Feuer,
Ihre Gluten sind die Flammen des Allerhöchsten.
Die größten Flammen können die Liebe nicht auslöschen,
Und die Ströme können sie nicht überwältigen.
Opferte ein Mann alle Besitztümer seines Hauses für die Liebe,
würde man ihn verachten?
¹ Original : Le Cantique des Cantiques nach der Segond Bibel. Aus dem Cantique des Cantiques stammen auch die Verse, die der König von Charpentier anlässlich seiner Vermählung mit Louise hat vertonen lassen.
Prologue II
Le destin mêle les cartes et nous jouons.
Das Schicksal mischt die Karten, und wir spielen damit.
Arthur Schopenhauer
Château de Chaumont¹, 1574
Der weise Mann runzelt die Stirn.
«Majesté, ich muss Euch abraten. Ich muss.»
«Aber ich muss es wissen, Maestro. Ich muss. Warum sträubt Ihr Euch?»
«Es ist eine Frage des Gewissens, Madame.»
Cathérine de Médicis², seit fast dreißig Jahren Königin von Frankreich, lacht auf.
«Man sagt, Messire, Ihr besäßet ein solches nicht.»
«Und von Euch sagt man», erwidert Cosimo Ruggieri³ungerührt, «Ihr besäßet ein solches nur, wenn es Euren Zwecken dienlich ist.»
Die dunklen Augen der Königin richten sich auf ihren Magier, wie manche ihn nennen.
«Seit Jahrtausenden verlassen sich Menschen, die dazu ausersehen sind, zu herrschen, auf weise Männer wie Euch. Sie wollen Eure Prophezeiungen glauben, insbesondere, wenn es um die Frage der Thronfolge geht.»
Die Königin lacht erneut auf. Es ist kein freundliches Lachen.
«Und Ihr habt bekommen, was Ihr wolltet», entgegnet Ruggieri.
«Nach vierzehn Jahren der Sterilität wurdet Ihr plötzlich … fruchtbar. Sehr fruchtbar. Und ich habe Euch gegeben, was Ihr wolltet. Ihr selbst habt in meinen Spiegel geschaut.»
Ungehalten schüttelt die Königin den Kopf.
«Majesté, Ihr habt die Gesichter Eurer Söhne darin gesehen. Ich sagte Euch zuvor, dass die Drehung ihrer Gesichter die Anzahl ihrer Regierungsjahre auszudrücken vermag.»
«Ja», flüstert Catherine de Médicis und ringt die Hände. Die Bilder sind in ihrem Geist, in ihrem Herzen, gefangen und martern sie nun.
François II, der Kindkönig. Sein Kopf drehte sich nur ein einziges Mal. Nun liegt er seit vierzehn Jahren in der Königsgruft von Saint-Denis. Mit dem Jahr des Herrn 1560 endete auch sein Leben. Zu jung und zu krank, um Nachkommen zeugen zu können, folgte ihm sein Bruder als Charles IX auf den Lilienthron. Dreizehn Mal drehte sich sein Gesicht im Spiegel. Und seit dem 30. Mai liegt auch er in der Gruft von Saint-Denis.
Nun also Henri III⁴. Ihm hat der Spiegel des Astrologen fünfzehn Jahre vorausgesagt, die er noch zu leben habe – und dann … nichts mehr.
Das Geschlecht der Valois wird untergehen,
das Haus Bourbon wird auferstehen.
So lautet sie, die Prophezeiung, die sie martert, seitdem sie davon weiß. All ihre Mühen, die unzähligen Schwangerschaften nach der jahrelangen Unfruchtbarkeit, das Dulden der Diane de Poitiers, die über zwanzig Jahre lang die Gefährtin des Königs gewesen war und ihre junge Ehe überschattet hat. Manchmal glaubt sie, die Duchesse de Valentinois, wie sie sich am Hofe nannte, habe einen Zauber auf sie gelegt, um ihren Schoß zu verschließen. Zwanzig Jahre älter als der König, konnte sie ihm genau eines nicht geben: ein Kind. Der einzige Grund für sie, eifersüchtig auf die Königin zu sein.
Und nun – soll das Haus Valois mit Henri III erlöschen? Das darf nicht sein. Niemals, niemals, niemals.
Henri III ist noch jung, er kann angeleitet werden. Und er braucht eine Frau. Eine, die Kinder gebären kann.
Die Königin seufzt. Diese Eskapade, die ihren Sohn kurzfristig zum König von Polen machte, ist doch lächerlich! Die Thronerbin sollte er heiraten, eine Frau, die zu diesem Zeitpunkt 49 Jahre alt war. Pah. Nach offizieller Auslegung hat Henri III Polen verlassen, um den französischen Thron besteigen zu können. Und nun muss er sich krönen lassen und sich vermählen, um die Linie der Valois fortzusetzen. Ruggieris Spiegel hat schließlich nicht das Gesicht ihres jüngsten Sohnes, des Duc d’Alençon⁵, gezeigt. Also muss Henri III Nachfolger haben. Er muss.
Doch sie will Gewissheit, und dafür braucht sie die Kenntnisse des Magiers.
«Madame», unterbricht der Astrologe ihre düsteren Gedanken, «ich rate Euch ab. Dringendlich.»
Die Königin fährt zu ihm herum, ihre Hände fassen seinen Kragen.
«Ihr sagt das, weil Ihr etwas wisst, Messire. Und ich befehle Euch zu sprechen!»
«Tut das nicht, Majesté», sagt Ruggieri traurig. «Was immer ich Euch sagen kann, wird Euch keinen Frieden geben.»
«Ihr könnt die Prophezeiungen lesen, die für das Haus Frankreich geschrieben stehen», faucht sie, «und ich will Kenntnis darüber, Ruggieri. Vergesst nicht, wer Euch groß gemacht hat, Messire. Noch einmal, ich befehle es Euch. Sprecht.»
Ruggieri windet sich, wendet den Blick ab, tritt zum Fenster und schaut hinaus.
«Es wird Nacht sein für lange Zeit. Der Löwe muss aus neuem Blut geboren werden, denn die alte Linie ist verderbt und krank. Ein neuer Baum auf kranker Erde.
Er wird Licht über das verdunkelte Europa bringen. Seine Strahlen werden es wieder erhellen, und seine Frau, die Herrscherin des Mondes, wird seine Strahlen widerspiegeln. Sie ist stark, sie, die ihn stützt. Sie wird nicht sichtbar sein, und doch umso sichtbarer. Dies ist die Prophezeiung, dies ist die Offenbarung. Sie sind zusammengeschmiedet durch das Los, zusammengefügt durch die Liebe und vereint durch Gott.»
Schweigen senkt sich über das Gemach.
Nein, nein, nein, wüten die Gedanken in Cathérine de Medicis. Wir sind noch nicht zu Ende. Prophezeiungen sind nicht in Stein gemeißelt. Das Gesicht des jungen Henri de Bourbon⁶ steigt vor ihren Augen auf. Auch ihn hat sie im Spiegel gesehen, als nächsten König Frankreichs nach Henri III.
Nein, nein, nein. So hat sie nicht gewettet. Wenn Valois untergehen soll, dann soll es Bourbon auch. Sie hat Mittel, um das zu sprechen, was man Flüche nennt. Und sie wird es tun.
¹ Zu Chaumont und seiner Geschichte siehe Erläuterungen.
² Catherine de Médicis (1519-1589), siehe Personenverzeichnis
³ Zu Ruggieri siehe Erläuterungen.
⁴ Henri III (1551-1589), König von Frankreich seit 1574, siehe Personenverzeichnis
⁵ François de France (1555-1584) Duc d’Alençon, verstarb, ohne den Thron zu besteigen, an Tuberkulose.
⁶ Henri IV (1553-1610), König von Frankreich und Navarra, siehe Personenverzeichnis
Prologue III
Si Dieu pouvait tout à coup être condamné à vivre la vie qu'il inflige à l'homme, il se tuerait.
Wäre Gott plötzlich dazu verdammt, das Leben zu erleben, das er den Menschen auferlegt, würde er sich umbringen.
Alexandre Dumas
Château de Versailles, August 1715
Aus den Aufzeichnungen des Königs Louis XIV¹
Ich hasste es. Jedes Mal, wenn ich gezwungen war, ein Todesurteil zu unterzeichnen, hasste ich, dafür meine Unterschrift leisten zu müssen. Doch ich tat es, etliche Male. Danach überkam mich häufig eine solche Übelkeit, dass ich mich in der Stille unserer privaten Gemächer erbrach. In der Nacht suchte ich den Leib meiner Frau, meinen warmen, weichen Trost gegen die Härte dieser Welt.
Der König steht nicht über dem Gesetz. Er macht das Gesetz, er vertritt das Gesetz. Doch er ist auch das Gesetz, das durch die Ahnen, die Herrscher vor ihm, überantwortet worden ist. Ein König darf nicht zu weich sein. Gütig, ja, mon Dieu, wie sehr habe ich mich darum bemüht, ein gütiger Herrscher zu sein. Aber nicht weich. Nicht zu nachgiebig, denn die geifernden Hunde zu den Stufen des Throns warten schon. Die Gefahr für den König geht nicht vom Volk aus, sondern von denen, die ihm am nächsten sind.
Gleiches gilt für Gefahr für die Königin. Diese Gefahr habe ich unterschätzt. Und nun, da ich weiß, wer mir meine Frau genommen hat aus den übelsten Motiven des menschlichen Daseins, verfluche ich mich dafür, nicht hart sein zu können. Würde ich die Liste der Täter offenbaren, geriete das Königreich ins Wanken. Allein das geschriebene Wort bleibt mir, um mein Gewissen zu erleichtern, weil ich die Mörder meiner Frau entkommen lasse, mehr noch. Meine Strafe ist es, diese Verbrecher in meiner Nähe zu wissen, sie zu ertragen, in ihre Gesichter zu sehen und zu wissen, dass sie wissen. Der König steht nicht über dem Gesetz. Dem Staate gebührt immer und in allen Dingen der Vorrang.
Louise, vergib mir. Pardonne-moi.
¹ Louis XIV (1638-1715), König von Frankreich und Navarra, siehe Personenverzeichnis
TEIL I
1793 - 1867
Le monde est gouverné par l'intérêt personnel.
Die Welt wird von Eigeninteressen regiert.
Friedrich Schiller
Kapitel 1 – König und Henker
Je ne veux pas être ton bourreau;
je te fuis, pour ne pas te faire souffrir.
Tu me dis que le meurtre est dans mes yeux …
Ich will nicht dein Henker sein;
ich fliehe dich, um dich nicht leiden lassen zu müssen.
Du sagst mir, dass ich die Bluttat in meinen Augen trage …
William Shakespeare
Paris, 1793
Ich. Ich weiß es auch. Ich bin Hüter eines der größten Geheimnisse der Geschichte Frankreichs. Gestattet, dass ich meinen Namen noch nicht preisgebe, aber ich weiß.
Denn meine Familie ist mit der Königsfamilie seit Jahrhunderten verbunden. Ebenso wie der König stehe ich über dem Gesetz. Er erwirkt es, ich führe aus.
Er regiert mit dem Zepter. Mein Zepter ist das Beil. Das Beil des Henkers. Und ebenso wie das Amt des Königs ist das unsere erblich. Die Mitglieder meiner Familie können dieser Bürde nicht entgehen. Einige haben es versucht – vergebens. Sie sind wie der König dazu verdammt, sie anzunehmen und weiterzureichen. Eine neue Generation. Könige und ihre Henker.
Sanson. Sans-son. Ohne Laut. Unser Familienname ist symbolisch, denn wir sprechen nicht über das, was wir gesehen oder erfahren haben. Wie unser Wappen – eine geborstene Glocke ohne Klöppel. Auch sie ist zum Schweigen verdammt, bringt keinen Ton hervor. Nie. Aber wir schreiben auf und bewahren. Das, was wir erfahren, das, was uns anvertraut wurde. Alles.¹
¹ Zu Sanson und seiner Familie siehe Erläuterungen.
Kapitel 2 – Ludwig II. von Bayern hat ein Geheimtreffen
Ils me traitent de fou. Est-ce que Dieu, quand il m'appelle une fois, me nommera de la même façon ?
Man nennt mich einen Narren. Wird Gott, wenn er mich einst zu sich ruft, mich ebenso nennen?
Ludwig II. von Bayern
Paris, in den Katakomben des Louvre, 1867
Aus den Aufzeichnungen Ludwigs II. von Bayern¹
Dunkel, feucht und kalt ist es hier unten. So stelle ich mir die Kellerverliese der Conciergerie²vor, des Gefängnisses, in dem Marie Antoinette³, die das Unglück hatte, zum falschen Zeitpunkt Königin von Frankreich zu sein, ihre letzten Tage verbrachte. Wo sie vegetierte, eingesperrt mit tausenden anderer Menschen, die das Pech hatten, von nobler Geburt zu sein. Vielleicht hatten sie irgendwann mit ihren Nachbarn gestritten. Jemanden zu denunzieren gehörte zum Gesellschaftsbild der französischen Revolution.
An diesem Ort hier bin ich wegen einer anderen Frau. Auch sie trug einst die Krone einer Königin von Frankreich. Doch während die Märtyrerkönigin Marie Antoinette nie in Vergessenheit geraten ist, ist Louise de La Vallière⁴ im Dunkel der Geschichte verschwunden.
Meine Tarnung ist der Besuch der Pariser Exposition Universelle⁵. In der Menge der illustren Persönlichkeiten, die die technischen Errungenschaften dieses modernen Jahrhunderts bestaunen, bin ich unauffällig, so dachte ich. Doch obgleich ich inkognito reise, hat die Pariser Journaille ihre Arbeit erledigt – zu gut, muss ich sagen. Nun muss ich mich während des Tages auf dem Champ de Mars zeigen. Doch mein eigentliches Anliegen ist ein anderes. Mein Hinterfragen gewisser Dinge hat die Aufmerksamkeit einiger weniger Menschen geweckt, und nun hoffe ich, Antworten auf all meine Fragen zu erhalten.
Ich fröstele und ziehe meinen Mantel enger um mich herum. Die Person, die mich treffen will, lässt auf sich warten. Die Fackel in meiner Hand brennt nur spärlich, erlaubt wenig Sicht. Und ich bin allein. Keine Begleitung, so wurde mir befohlen. Und ich, König von Bayern, gab diesem Befehl nach.
Ein Ort der ewigen Kälte ist das hier. Wenn man Pech hat, ist dieser Ort ein ewiges Grab. Das Gurgeln der Wasser der Seine ist deutlich zu hören. Meine Hand fasst wie von selbst in meine Rocktasche, greift die Miniatur, die mich auf dieser Reise begleitet.
Königin Louise lächelt mich an. Sie lächelt nur leicht, fast scheu, schüchtern, als sei sie noch unsicher darüber, ob sie wirklich an diesen Platz gehört, auf den der Sonnenkönig sie erhoben hat. Und doch ist es ein Lächeln, das Mund und Augen erreicht. Und nun scheint es, als ob sie aufmunternd in meine Augen sehe. Nur Mut, lieber Freund. Nur Mut.
Die Miniatur gleitet mir fast aus der Hand, als mir jemand auf die Schulter tippt. Ich fahre herum.
«Majestät», sagt der Unbekannte, der ebenso wie ich in einen pechschwarzen Mantel gehüllt ist, und deutet eine Verbeugung an.
«Ich freue mich, dass Ihnen dieses kleine Rencontre pässlich ist.»
«Wer sind Sie?» Keine Zeit für höfisches Geplänkel.
Hinter der Maske kann ich das Gesicht des Fremden nicht sehen, doch in seiner Stimme höre ich das Lachen.
«Sie werden es erfahren, Majestät. Zur rechten Zeit.»
Mein Gegenüber deutet auf das Medaillon, das meine Finger noch immer umkrampfen.
«Sie sind ein Suchender, Majestät. Ich habe die Antworten.» Er lacht. «Nun. Zumindest einige davon.»
«Was wissen Sie?», frage ich mit angehaltenem Atem.
«Das werden Sie erfahren. Zunächst möchte ich Ihnen etwas zeigen. Sie müssen allerdings mutig genug sein, mir zu folgen.»
Der Unbekannte lacht erneut.
«Folgen? Wohin?»
«Tiefer in diesen schwarzen Schlund hinein. Was ich Ihnen zeigen möchte, befindet sich in einem der Kellergewölbe unter dem Louvre, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Einem Bereich, der höher liegt und vor den Wassern der Seine geschützt.»
«Ich fasse zusammen», sage ich gedehnt, «ich kenne Sie nicht. Nicht Ihren Namen, nicht Ihre Intention. Niemand weiß, dass ich hier bin. Wenn ich dieses unterirdische Labyrinth nicht mehr verließe …»
Der Fremde nickt.
«Ihr Misstrauen habe ich einkalkuliert, Majestät. Genügt Ihnen das?»
Seine Hand gleitet in seine Rocktasche, zieht ein vergilbtes Stück Stoff heraus, reicht es mir. Ich erkenne die königlichen Lilien, die eingestickte Krone, einige dunkle Flecken, als habe sich jemand damit den Schweiß von der Stirn gewischt.
«Was ist das?»
«Das Taschentuch, das der Märtyrerkönig⁶ bei sich trug, als er seinen letzten Gang tat.»
Ich taumele zurück.
«Mon Dieu!»
«Folgen Sie mir nun?»
Ich nicke stumm mein Einverständnis.
«Bleiben Sie dicht