Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Sommergäste in Sophienlust
Sommergäste in Sophienlust
Sommergäste in Sophienlust
eBook217 Seiten2 Stunden

Sommergäste in Sophienlust

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Ein unterhaltsamer Sommerroman über die unterschiedlichen Charaktere, die den Sommer in einer Pension am See verbringen: Als die Familie Berthold überraschend das Landhaus Sophienlust in Seewang in Oberbayern erbt, richtet sie kurzerhand einige Zimmer für Feriengäste her. Doch sobald die Gäste da sind, beginnen auch schon die Schwierigkeiten – sei es der Streit um das einzige Balkonzimmer, besondere Essenswünsche oder Fräulein Aurelius' Anziehungskraft auf Männer.-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum17. Aug. 2020
ISBN9788726629248
Sommergäste in Sophienlust

Mehr von Ell Wendt lesen

Ähnlich wie Sommergäste in Sophienlust

Ähnliche E-Books

Fiktion für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Sommergäste in Sophienlust

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Sommergäste in Sophienlust - Ell Wendt

    Ell Wendt

    Sommergäste in Sophienlust

    Ein heiterer Roman

    Saga

    Sommergäste in Sophienlust

    Coverbild/Illustration: Shutterstock

    Copyright © 1956, 2020 Ell Wendt und SAGA Egmont

    All rights reserved

    ISBN: 9788726629248

    1. Ebook-Auflage, 2020

    Format: EPUB 3.0

    Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

    SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

    – a part of Egmont www.egmont.com

    1

    Der fünfte März begann wie alle Tage; vielleicht war er um eine Schattierung grauer und trübseliger als seine Vorgänger.

    Beim Frühstück war Johannes schlechter Laune, weil er sich verschlafen hatte und zu spät dran war. Hinz, siebenjährig, schleckte den Honig vom Brot und mußte abwechselnd von Johannes und mir ermahnt werden. Schließlich war es so spät geworden, daß Johannes ihn im Wagen zur Schule nehmen mußte.

    Ich war froh, als beide fort waren. Es herrschte nun eine grämliche Stille in der Wohnung. Ich ging umher und wedelte mit dem Staubtuch über die Möbel. Alles kam mir verbraucht und aufbesserungsbedürftig vor im grauen, nichts beschönigenden Licht dieses Tages. Das Wohnzimmer müßte eine neue Tapete haben, dachte ich, und die Bezüge sind auch schon recht verschossen. Ich seufzte bei dem Gedanken, wieviel Geld nötig war, um dem Verfall erfolgreich zu steuern. Wenn man der Wissenschaft glauben darf, erneuert sich der Mensch alle sieben Jahre von Grund auf; warum ist es bei den Dingen unseres täglichen Lebens nicht ebenso?

    Meine Gedanken gingen zu Johannes. Wenn der neue Roman von Armin Pütter, den er im Herbst herausbringen will, ein Bombenerfolg wird — — Ich konnte mir die geringe Wahrscheinlichkeit dieser Hypothese nicht verhehlen. Johannes ist ein Idealist; er will das Publikum zu seinem Glück zwingen. Armin Pütters Bücher hingegen haben die Eigenschaft, im gleichen Maße an literarischem Wert zu gewinnen, in dem sie für den Durchschnittsleser ungenießbar werden. Der Vertrieb geistiger Erzeugnisse ist ein ebenso edles wie saures Brot! Wenigen Auserwählten gelingt es, damit auf einen grünen Zweig zu kommen.

    Manchmal kann ich mich des ketzerischen Gedankens nicht erwehren, daß Johannes besser getan hätte, Apotheker oder Delikatessenhändler zu werden. Vielleicht stellten wir dann heute eine wohlfundierte Familie dar! Auf keinen Fall jedoch werde ich Hinz gestatten, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, obwohl auch er schon einen unverkennbaren Drang zu künstlerischer Betätigung offenbart.

    Auf meinem Schreibtisch prangt von seiner Hand ein getreues Porträt unseres wackeren kleinen Fordwagens, den Freund Tom, weniger seines prunkvollen Äußern, als vielmehr seines unverwüstlichen Motors wegen „August den Starken" getauft hat. August, ein Modell aus dem Jahre 1929, ist hochrädrig wie ein Zirkuskarren; von Stromlinie, Vorderradantrieb und Schwingachse ist ihm nichts an der Wiege gesungen worden. Dafür verbindet er das Aussehen unbestechlicher Rechtschaffenheit mit dem imponierenden Lärm eines Rennwagens. Wenn wir zu einer kleinen Sonntagsfahrt aufbrechen, strömt die Nachbarschaft an die Fenster, wo ihre Neugier sich alsbald in verständnisvolles Schmunzeln verwandelt.

    „Seid froh, daß ihr überhaupt einen Wagen habt", sagt Tom, der, als Maler einem noch weniger gewinnbringenden Beruf als wir ergeben, auf dem Fahrrad erstaunliche Leistungen im Überbrücken von Entfernungen vollbringt.

    An jenem fünften März kam die zweite Post wie gewöhnlich um elf Uhr. Sie brachte einen Einschreibebrief an Johannes. Ich drehte den gelben Umschlag mißtrauisch hin und her; er roch förmlich nach Steuer und Finanzamt! Nun wird er sich wieder ärgern, dachte ich, als ich den Brief auf Johannes’ Schreibtisch legte. Gelbe Umschläge mit Maschinenschrift pflegten im allgemeinen nichts Erfreuliches zu enthalten. Manuskripte waren hoch das Beste, was man von ihnen erwarten durfte, und auch sie stellten meist ein zweifelhaftes Vergnügen dar.

    Dieser Brief sah nicht nach Manuskript aus. „Dr. Hellbrich / Rechtsanwalt und Notar" stand links unten in der Ecke. Also doch nicht vom Finanzamt! Ich wurde sehr neugierig, aber ich versagte es mir heroisch, den Brief zu öffnen. Johannes und ich waren der Ansicht, daß die Gemeinsamkeit der Ehe sich nicht auf das Briefgeheimnis erstreckt.

    Auch Johannes betrachtete mittags den gelben Brief voller Argwohn. „Hoffentlich kein romanschreibender Rechtsanwalt, sagte er, „das hätte mir noch gefehlt!

    „Warum? fragte ich, „vielleicht käme einmal etwas Spannendes dabei heraus. Du mit deinem ewigen Armin Pütter — —

    Johannes hatte den Brief geöffnet, er las halblaut: „Sehr geehrter Herr Berthold — — teile ich Ihnen mit — — mangels Leibeserben — —" Sein Gesicht nahm einen ungläubigen Ausdruck an, seine Augen flogen über die Zeilen — —

    „Sag, ist es etwas Schreckliches?" fragte ich atemlos.

    Johannes ließ das Blatt sinken. „Eva, sagte er erschüttert, „wir sind Hausbesitzer geworden!

    2

    Es ist keine Kleinigkeit, sozusagen von einer Minute zur andern in den Besitz eines Hauses zu gelangen, das bisher allen Wünschen so unerreichbar gewesen war wie ein Schloß im Mond. Die Nachricht traf uns unerwartet wie der berühmte Blitz aus heiterem Himmel. Wir brauchten Zeit, unser Glück zu fassen.

    Rein äußerlich betrachtet, verhielt sich die Sache folgendermaßen: Wir hatten vor einigen Wochen die Nachricht von Onkel Theodors Tod mit der milden Trauer zur Kenntnis genommen, die man beim Ableben alter und entfernt lebender Verwandten zu empfinden pflegt. Der Onkel hatte das immerhin beachtliche Alter von 75 Jahren erreicht; fast ein Jahrzehnt lang hatten wir ihn nicht mehr gesehen. Er verbrachte seinen Lebensabend, von einer betagten Haushälterin betreut, in L., eine Tagereise von uns entfernt.

    Wir wußten, daß er herzleidend und seit dem Tode seiner Frau, der guten Tante Sophie, ohne rechte Lebensfreude gewesen war. So waren wir geneigt, den Tod in diesem Fall als freundlichen Erlöser zu betrachten. Es war uns bekannt, daß des Onkels ehemals beträchtliches Vermögen durch unglückliche Spekulationen stark zusammengeschmolzen war; kein Gedanke an Erbschaft hatte sich in unsere Wehmut um den guten Onkel eingeschlichen. Um so unverhoffter kam uns dieser Brief, in dem schwarz auf weiß zu lesen stand, daß Onkel Theodor mangels Leibeserben seinem Neffen Johannes Berthold das Landhaus Sophienlust in Seewang a. See, Oberbayern, vermache. Mit allem Inventar.

    Wir luden Tom zum Abendessen ein, das große Ereignis gebührend mit uns zu feiern. Tom, blond und von riesenhafter Statur, packte Johannes bei den Schultern und schüttelte ihn, bis ihm Hören und Sehen verging. „Gratuliere, alter Junge! rief er mit dröhnender Stimme, „haha, das nenne ich Glück — im Unglück, fügte er, des verstorbenen Onkels eingedenk, taktvoll hinzu.

    Auch Hinz war außer Rand und Band. „Warum hat der Onkel uns das Haus nicht schon früher geschenkt?" fragte er, als ich ihn zu Bett brachte.

    „Aber Herzchen, er wollte doch selber darin wohnen."

    „Wollte er gar nicht, rief Hinz, „Onkel Tom hat gesagt, er versteht nicht, warum der alte Knabe —

    „Putze dir ordentlich die Zähne", unterbrach ich streng, und nahm mir vor, Tom zur Vorsicht in Gegenwart des Jungen zu ermahnen.

    Hinz sprang mit einem Anlauf ins Bett und hupfte darin auf und nieder, daß die Federn krachten. „Ich freue mich, ich freue mich!" sang er nach einer selbst erfundenen Melodie und wollte anschließend wissen, ob wir nun immer in dem neuen Hause wohnen würden.

    „Das wird sich alles finden", sagte ich und deckte ihn zu mit der dringenden Aufforderung, er möge ein guter Junge sein und schnell einschlafen.

    Im Wohnzimmer setzte ich mich in einen der großen, mit buntem Cretonne bezogenen Sessel. Die Stehlampe mit dem geblümten Seidenschirm tauchte den Raum in sanftes Licht; alle Mängel an Wänden und Möbeln schienen ausgelöscht. Ich hörte Johannes sagen, daß Onkel Theodor seit Tante Sophiens Tod nicht mehr gern in Sophienlust geweilt habe. Das Haus sei mehrmals vermietet gewesen, doch nun stehe es schon seit geraumer Zeit leer.

    „Und wann werdet ihr hinausziehen?" fragte Tom.

    „Das ist eben die Frage, sagte Johannes bedächtig (diese Bedächtigkeit brachte mich manchmal zur Raserei), „wahrscheinlich werden wir es uns nicht leisten können, das Haus zu bewohnen.

    „Bist du wahnsinnig?" riefen Tom und ich aus einem Munde.

    Johannes lächelte überlegen. „Wie stellt ihr euch das eigentlich vor? hub er an, „Sophienlust ist kein Wochenendhäuschen, sondern eine ausgewachsene Villa mit mindestens zehn Zimmern und einem beträchtlichen Park. Um die Jahrhundertwende legte man Wert auf Geräumigkeit. Rechnet euch mal bitte die Steuern aus, Grundsteuer, Hauszinssteuer usw., von den übrigen Spesen gar nicht zu reden!

    Ich schwieg betreten, während Tom sich erkundigte, ob Johannes an die Möglichkeit glaube, das Haus zu einem annehmbaren Preis zu verkaufen.

    „Nein, sagte Johannes düster, „wer kauft heute schon ein großes Haus?

    „Na also", sagte Tom befriedigt, als sei damit alles aufs beste geregelt.

    „Was soll das heißen?" fragte Johannes gereizt.

    „Daß ihr selber darin wohnen werdet", verkündete Tom.

    „Aber ich sage dir doch gerade —"

    In mir schoß ein Gedanke empor wie eine Leuchtrakete. „Wir müßten natürlich die Wohnung während der Sommermonate schließen."

    Johannes sah mich mißbilligend an. „Und das Büro?" fragte er.

    „Wozu habt ihr den braven August? kam mir Tom zu Hilfe, „außerdem kannst du jederzeit bei mir übernachten.

    Johannes schwieg nachdenklich. Dann erklärte er in einem Ton finsterer Endgültigkeit, er habe den ganzen Nachmittag mit Berechnungen zugebracht. Wie man es auch drehe und wende, das Haus sei zu groß und zu kostspielig für eine Familie von drei Personen.

    Nun konnte ich nicht länger an mich halten. „Wir werden das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden", rief ich frohlockend.

    Johannes und Tom sahen mich erwartungsvoll an.

    „Indem wir in Sophienlust wohnen und zahlende Gäste aufnehmen werden, fuhr ich siegesgewiß fort, „wenn jeder pro Tag zehn Mark zahlt —

    „Hör auf, hör auf, schrie Johannes, „du bist verrückt geworden!

    „Warum? fragte Tom, „ich finde, sie ist vernünftiger als du.

    Ich sandte einen dankbaren Blick zu Tom hinüber. Johannes lächelte mit beleidigender Skepsis, aber dann begannen wir doch, den Plan zu erörtern. Die Rechnung mußte aufgehen, wenn wir imstande waren, genügend Gäste aufzunehmen. In diesem Fall müsse sich sogar ein Überschuß herauswirtschaften lassen, behauptete Tom.

    Johannes starrte, von Zweifeln bedrängt, vor sich hin. „Wir werden morgen hinausfahren und uns das Haus ansehen, entschied er schließlich, „seit zehn Jahren hat Onkel Theodor es nicht mehr bewohnt. Ich könnte mir vorstellen, daß es eine ziemliche Bruchbude ist.

    „Um so romantischer wird es werden, sagte Tom, „schon der Name Sophienlust strotzt von Romantik. Die Gäste werden sich darum reißen, zu euch zu kommen. Sei kein Narr, Johannes! Das Schicksal gibt euch höchstpersönlich eine Chance!

    Aber Johannes, pessimistisch von Natur, ließ sich nicht ohne weiteres gewinnen. Er fragte düster, ob ich mir darüber klar sei, daß wir auf jedes Privatleben verzichten müßten, falls der Plan sich verwirklichen lasse.

    Ich lachte. Im Augenblick kam mir alles ungeheuer einfach vor. Der geldliche Erfolg würde uns für jede Entsagung entschädigen. „Denk nur, Johannes, wir werden es zu Wohlstand und Ansehen bringen. Niemand wird in Zukunft sagen können, daß wir einem brotlosen Beruf obliegen. Und wenn obendrein der Roman von Armin Pütter ein Bombenerfolg wird —"

    „Stop! rief Tom lachend, „deine Phantasie schießt ins Kraut, meine Liebe!

    3

    Am nächsten Tage fuhren wir hinaus nach Seewang a. See. Der sechste März gab dem fünften an Unfreundlichkeit nichts nach. Ein kalter Regen schlug gegen die Windschutzscheibe und zwang Johannes, den Scheibenwischer in Tätigkeit zu setzen, eine Maßnahme, zu der wir uns ungern entschlossen, denn der Scheibenwischer hatte die Gepflogenheit, sich festzuhaken und unsere Fahrt mit dem hartnäckigen Tack-Tack eines Maschinengewehrs zu begleiten. Einer von uns mußte dann aussteigen, um ihn zu seiner Pflicht zurückzuführen.

    Nachdem ich zum dritten Male ausgestiegen war, wandte ich mich mit der Frage an Johannes, ob er es für möglich halte, daß wir uns einen neuen Wagen leisten könnten, falls wir über Erwarten zahlreiche Gäste bekämen. Johannes schnob verächtlich durch die Nase. Er war stark von August in Anspruch genommen, der auf der holperigen Straße am Seeufer einer kundigen Hand bedurfte. Seewang war von der Stadt in vierzig Minuten mit dem Auto zu erreichen. August benötigte eine Stunde, um die Strecke zu bewältigen. Wir fuhren mit Getöse in den kleinen Ort ein und hielten an, um einen Einheimischen nach der Wohnung des Schreiners Xaver Windschagl zu fragen, der die Schlüssel zum Hause in Verwahrung hatte.

    Wir waren nie zuvor in Sophienlust gewesen, da wir zu einer Zeit nach M. zogen, als der Onkel schon seinen ständigen Wohnsitz in L. hatte. Es war uns nur bekannt, daß das Haus etwa zehn Minuten vom Ort entfernt, in stiller Abgeschiedenheit am Seeufer lag.

    Xaver Windschagl war nicht zu Hause; statt seiner erbot sich seine Gattin Rosina, uns nach Sophienlust zu begleiten. Sie war eine rüstige Frau in den Vierzigern, deren Dirndlgewand viel Molliges umschloß; während der kurzen Fahrt beklagte sie wortreich sowohl Onkel Theodors Tod als auch Sophienlust, dem die verschiedenen Mieter arg zugesetzt hätten.

    „Ein so ein herrliches Haus", seufzte Frau Windschagl, als wir von der Landstraße abbogen und nach einer kurzen steilen Abfahrt durch ein hölzernes Gatter, das ehemals grün gewesen sein mochte, das Landhaus erreichten.

    Wir verließen August und schauten uns beklommen um. Sophienlust war genau das, was man sich um die Jahrhundertwende unter einem Landhaus vorgestellt hatte. Zweistöckig, mit weißem Verputz und roten Sandsteineinfassungen an den Fenstern, mit trutzigen Giebeln und einem massiven runden Turm, der jedem Schloß zur Zierde gereicht hätte und zum Überfluß von einem winzigen Türmchen gekrönt wurde, lag das Haus wie ein Alptraum aus der Ankersteinbaukastenzeit vor uns.

    Rundbogenfenster schauten uns an, deren oberes Drittel grün und obendrein mit Seerosenornamentik geschmückt war; hier und da gab es kleine hölzerne Balkons, sie waren der Fassade wie Vogelnester angeklebt. Sophienlust mochte vor dreißig Jahren ein pompöses Bauwerk gewesen sein; heute standen wir, Kinder einer sachlichen und zweckbetonten Zeit, mit frommem Schauder davor.

    „Allerhand, was?" sagte ich kleinlaut zu Johannes, während Frau Windschagl die Haustür aufschloß. Johannes sagte gar nichts.

    Nun standen wir in der großen Diele. Die Luft hier drinnen hatte eine verzweifelte Ähnlichkeit mit dem kühlen und atemraubenden Hauch, der einem aus Grüften entgegenweht. An den Wänden war der, weiße Verputz abgebröckelt; ein lebensgroßes Gemälde, irgendeinen Vorfahren aus Onkel Theodors Familie darstellend, schien ironisch so viel verschollene Romantik zu belächeln.

    Wir durchschritten die Räume stumm und andächtig wie ein Museum. Onkel Theodor hatte es mit dem Altdeutschen gehalten: wir fanden dunkel getäfelte Wände und Butzenscheiben im Erker des Speisezimmers; wir fanden ein Büfett von unwahrscheinlichen Ausmaßen, mit Zinnen und Türmchen verziert. Es gab viel Zinn

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1