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Das Familienkind
Das Familienkind
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eBook198 Seiten3 Stunden

Das Familienkind

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Über dieses E-Book

Terry ist ein lustiges, schlaksiges Mädchen, das wegen ihren vielen Sommersprossen und roten Haaren auffällt. Genauso viel Aufmerksamkeit erhält ihre Mutter Teresa: Beachtung von den Männern wegen ihrer Schönheit und Kopfschütteln von den Verwandten wegen ihrer Eigenwilligkeit. Terrys junge und verwitwete Mutter gelingt es immer wieder sich Hals über Kopf zu verlieben, ihre Tochter bei ihren Geschwistern abzuladen und von heute auf morgen zu vereisen... – wie auch jetzt. Im Gegensatz zur Verwandtschaft hat Terry jedoch Verständnis für ihre Mutter und auch das Herumziehen macht ihr nichts aus. In Frankfurt lernt sie nette Spielgefährten kennen, womit das Abenteuer beginnt. Und als dann plötzlich ihre Mutter Teresa wieder auftaucht, freut sich Terry natürlich auch... Eine wunderschöne und mit viel Humor erzählte Alltagsgeschichte über eine aussergewöhnliche Tochter-Mutterbeziehung. Lesenswert!-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum1. Jan. 2017
ISBN9788711508664
Das Familienkind

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    Buchvorschau

    Das Familienkind - Lise Gast

    www.egmont.com

    »... und da es unter einer Glückshaube zur Welt kam, wurde ihm geweissagt, daß ihm alle Dinge im Leben zum Guten ausschlagen würden.«

    Gebrüder Grimm,

    Der Teufel mit den drei goldenen Haaren

    »Natürlich helfen wir dir, Teresa«, sagte Birgit. Sie waren am Haus in der Leopoldstraße in München angelangt und standen, sich verabschiedend, voreinander. Hier war kein Parkplatz zu bekommen, und so hatten sie die letzten fünfhundert Meter zu Fuß zurückgelegt, eng untergehakt, einander sehr nahe. »Ich helfe dir, ich nehme Terry erst mal zu uns. Nur behalten kann ich sie nicht, du weißt, warum. Aber alles wird sich finden. Zunächst fährt sie mit mir nach Frankfurt, zur Buchmesse, das macht ihr sicherlich Spaß, und wir wohnen bei Ernst, wie immer. Dort beraten wir und finden bestimmt eine Lösung für länger.«

    »Gut, danke«, sagte Teresa. »Ich komm nicht erst mit zu euch hinauf, Klaus soll nicht gestört werden.«

    »Und ich muß noch Roses Aufsatz durchsehen, ehe sie ihn ins reine schreibt. Sie meint, als Buchhändlerin sei ich dafür zuständig. Ach ja, solange sie noch mit ihren Sorgen und Schwierigkeiten zu uns kommen, muß man froh sein. Wenn erst die Zeit der Partys kommt ...«

    Sie sahen einander an und lachten kläglich. Birgits Tochter war vierzehn, vier Jahre älter als Terry. Heutzutage geht das Erwachsenwerden schnell.

    »Dann stehen wir es auch durch«, vollendete Birgit tapfer. »Und es braucht ja nicht – ich meine, es gibt doch Familien, in denen es nicht schiefgeht.«

    Teresa sah die Schwester zärtlich an.

    »Bei euch geht es nicht schief. Rose ist so nett, und sie hat wirklich einen verständnisvollen Vater. Mach’s gut, Birgit, und tausend Dank. Rose holt Terry also morgen!«

    Sie verabschiedeten sich. Teresa wand sich durch den Strom der Fußgänger auf der abendlichen Leopoldstraße hindurch, abwesend, in Gedanken versunken. Sie beachtete nicht, was rings um sie zu sehen war: Straßenmaler und Schmuckhändler, langhaarige und ungewaschene Gestalten beiderlei Geschlechts und dann wieder propper und nett angezogene junge Leute, eng umschlungene Liebespaare, verrückt geschminkte Mädchen und gefährlich ausschauende Männer. Dazwischen Touristen, die hierher kamen, um dies alles zu sehen und Schwabing zu erleben – Teresa sah nichts davon. Sie strebte ihrem Wagen zu, um nach Hause, nach Feldafing zurückzufahren, und das bedeutete um diese Zeit vollste Konzentration. Gut so, dann konnte sie nicht mehr nachdenken. Es fiel ihr nicht leicht, sich von Terry zu trennen. Sie hatten ein gutes Verhältnis zueinander, ihre zehnjährige Tochter und sie, aber gerade deshalb. Und es war ja auch nicht für ewig. Gerade weil sie Terry ein richtiges Zuhause schaffen wollte, gerade weil ...

    Da stand ihr Wagen. Teresa schloß ihn auf, setzte sich, zog die Tür mit einem energischen Ruck zu. ›Wollen doch mal sehen, daß ich durchkomme, hier durch den Stoßverkehr, und sonst, durch diesen Engpaß. Wollen doch mal sehen, daß ich es schaffe! Sie haben es ja alle geschafft, meine vier Geschwister, oder sind noch dabei, es zu schaffen, Ernst, der sich anfangs so schwer tat in seiner Anwaltspraxis, Birgit mit Mann und Tochter und Halbtagsarbeit im Beruf, Corona – ja, die hat es wohl am schwierigsten zur Zeit, vier Kinder in dieser Enge –, und Sybille. Sybille sollte sich endlich entschließen, zu heiraten; Beruf allein ist auf die Dauer nicht das Wahre für sie. Ebensowenig wie für mich.‹

    Da war sie also wieder beim Thema angelangt. Aber sie drängte die Gedanken entschlossen zurück, jetzt hieß das Thema: Auf Ampeln aufpassen, auf die Vorfahrt achten, und das nimmt den ganzen Menschen in Anspruch an einem Abend im Münchner Verkehr.

    ›Es ist doch merkwürdig‹, dachte sie, als sie aus der Stadt heraus und im sozusagen gemäßigteren Autoklima angelangt war, ›überall hört man, daß sich Geschwister nicht vertragen. Daß sie sich in die eigene Familie zurückziehen, nur weg von Schwestern und Brüdern. Wir sind sehr unmodern – oder aber von morgen, denn vielleicht wird es wieder modern, gern Brüder und Schwestern zu haben.‹

    Es lag wahrscheinlich mit daran, daß sie, die fünf Geschwister, ein Bruder und vier Schwestern, ihre Eltern recht früh verloren hatten. Den Vater sogar sehr früh, Ernst war elf gewesen damals, und die Mutter auch zu früh, jedenfalls, als sie alle noch in der Ausbildung standen. Darum hatten sie sich wohl so eng aneinandergeschlossen, unwillkürlich, aber auch vorher schon vertrugen sie sich gut.

    Ernst hatte, als Mutter starb, ohne ein Wort die Stelle des Vaters übernommen, vielleicht auch, weil er Jurist war und in vielem helfen konnte. Birgit heiratete zeitig, Klaus Andres, den alle sehr gern hatten. Dann Corona, die auch, wie Birgit und Sybille, Buchhändlerin war. Nur Sybille, die Jüngste, war noch ledig. Teresas Ehe, die sehr glücklich gewesen war, leidenschaftlich glücklich, hatte nur zwei Jahre gedauert. Freilich war sie damals sehr jung gewesen, als sie heiratete, achtzehn. Ob es weiterhin gut gegangen wäre mit ihr und ihrem Mann – nun, müßig, darüber zu grübeln. Sie hatte ihn sehr betrauert, als er ihr so plötzlich und auf eine so schreckliche Art genommen wurde, und dann entschlossen einen Beruf ergriffen, den sie auch mit Kind, mit Terry, ausüben konnte: Krankengymnastik. Das lag ihr, sie hatte gute Hände, war gesund und widerstandsfähig, half gern – aber jetzt wollte sie wieder heiraten. Und das, fand sie, konnte ihr kein vernünftiger Mensch verdenken. Teresa Eckener zweifelte nicht einen Moment daran, daß sie einen Mann finden würde, das war es nicht. Auch ihre zehnjährige Tochter Terry war gewiß kein Hindernis, meinte sie. Sie überschätzte sich nicht, glaubte aber beurteilen zu können, daß ihre Chancen nicht schlecht waren. Groß, aber nicht zu groß, sehr schön gewachsen – lange Beine hatten sie alle, und dick war keine von ihnen –, wirkte sie von den vier Schwestern auf Männer zweifellos am meisten. Sie besaß eine ausgesprochen glatte Haut, sie bräunte schnell und behielt die Bräune bis tief in den Herbst hinein, diskret nachgeholfen durch Höhensonne, die ja zu ihrem Beruf gehörte. Sie zog sich geschickt an und hatte als einzige der Geschwister, die alle blauäugig und hellhäutig waren, grüne Augen, schilfgrüne. »Sowas wurde im Mittelalter verbrannt«, sagte Ernst manchmal, wenn er Teresa nachdenklich betrachtete. Und sie lächelte und fühlte sich in der Rolle der Beinah-Hexe gar nicht so schlecht.

    Sie mußte sich darüber klar werden, wen sie heiratete. Dazu aber brauchte sie Ruhe. Deshalb hatte sie diese Reise gebucht, deshalb gab sie Terry für eine Weile weg. Birgit würde das Kukkucksei schon unterbringen, Birgit war die geborene Mutter, und sie hätte Terry liebend gern selbst behalten, aber das ging nicht, Teresa sah das ein. Birgits Mann, Klaus, arbeitete für die zweite Dienstprüfung, er war Lehrer, und da mußte sogar Rose tagsüber so viel wie möglich aus dem Haus. Es gibt eben Menschen, die vieles stört, was andere überhaupt nicht merken, und auf die muß man zeitweise Rücksicht nehmen.

    Ähnliches dachte Birgit, während sie zur gleichen Zeit die Treppe des düsteren Altbaus, in dem sie wohnten, hinauflief, schnell, schnell, sehnsüchtig wie eine Braut, die zu ihrem Liebsten eilt. Sie kam so gern nach Hause, so liebend gern. Immer, jedes einzige Mal, das sie von ihrem an sich sehr gern ausgeübten Halbtagsberuf heimkam zu Mann und Tochter, empfand sie das wie ein Fest. Sie, die am liebsten sechs Kinder gehabt hätte, war mit dem einen und dem Mann ihres Herzens so glücklich, wie manche andere Frau mit tausend erfüllten Wünschen es nicht ist. Atemlos erreichte sie die Etagentür und wollte läuten, Sturm läuten – Rose lauerte ja, das wußte sie –, bremste aber im letzten Augenblick ab. Den Schlüssel heraussuchen, nicht läuten, Klaus nicht stören, in der Einkaufstasche graben, suchen, fischen – da war er, und leise, leise ins Schloß hinein und umdrehen ...

    Rose hatte tatsächlich gelauert.

    »Grüß dich, Miem –« Dies war der derzeitige Ausdruck für Mutter, Rose erdachte immer neue. Sie stand, den Wellensittich auf der Schulter, der gerade dabei war, ihr Ohrläppchen zu beknabbern, und streckte der Mutter die Wange hin. Birgit tat nur so, als gebe sie ihr einen Kuß, sie wußte, mit vierzehn läßt man sich nicht mehr so gern von der Mutter zärtlich behandeln. Rose war größer als sie, hellblauäugig zu glattem, halblangem Haar. Sehr hübsch zur Zeit, fast schön, fand Birgit. Sie lachte. Es gab ein Sprichwort: »Mit Fünfzehn ist jeder Besen hübsch.«

    »Vater da? Arbeitet? Komm –« sie zog die Tochter in die Küche. »Ich war bei Teresa, du weißt ja. Ach Rose, sei so gut und pack den Kram aus. Wir müssen uns beeilen, heute kommen die Philosophen, und die sind leider immer pünktlich. Kant war so pünktlich, daß die Leute die Uhr nach ihm stellten, nach ihm und seinem täglichen Spaziergang.«

    »Er hatte immer Pudel, weil er fand, daß das die klügsten Hunde seien. Ach, wenn wir doch einen Hund hätten!« seufzte Rose. »Ja, ich pack aus, wo ist die Butter? Oder kriegen sie Margarine wie wir?«

    »Natürlich Butter, für die Gäste das Beste. Das meiste hab ich schon heute früh gerichtet, aber einiges eben doch noch nicht ...«

    Klaus und Birgit hatten sehr oft Besuch, es war eigentlich der einzige Luxus, den sie sich gönnten. Freunde und Kollegen von Klaus, Kolleginnen von Birgit, die Philosophen, wie sie einen Kreis Freunde nannten, die mit ihnen einmal eine Folge von Vorträgen über Philosophie gehört hatten, ein Professorenehepaar, das im selben Haus wohnte, Boxerkameraden von Klaus – Klaus war ein leidenschaftlicher Sportboxer –, Studenten. Heute also die Philosophen.

    »Sperr den Vogel ein, wir müssen drüben nochmal lüften, Klaus hat bestimmt geraucht«, sagte Birgit und wickelte Butter und Käse aus, »morgen holst du Terry aus Feldafing, Teresa ist das auch am liebsten. Terry darf bei uns bleiben, und mit nach Frankfurt fahren. Freust du dich? Nur Radau machen dürft ihr nicht.«

    »Ich weiß, Vater ist geräuschempfindlich –« Rose stand, den Vogel auf dem Zeigefinger, den sie einladend vor die offene Käfigtür hielt. »Hopp, mein Kleiner, rin ins Vergnügen!«

    Der Wellensittich gehorchte. Rose hatte sehr viel Geschick mit Tieren, hatte dies wohl vom Vater geerbt, der ein großer Tierfreund war.

    »Terry darf mit nach Frankfurt? Die hat’s gut! Zu Ernst.« Ernst, noch unverheiratet, war der Abgott aller Nichten und Neffen. Er verstand sich ausgezeichnet auf Kinder aller Altersstufen, ein Jammer, daß er keine eigenen hatte. Birgit streifte diesen Gedanken wieder mit zärtlichem Bedauern, versuchte aber sofort, sich zu trösten. ›Vielleicht heiratet er ja noch.‹

    »Dich hab ich früher auch immer mitgenommen. Damals hatte Ernst seine schöne Wohnung noch nicht. Weißt du noch, die kleine unterm Dach? Und wir schliefen alle auf der Erde, alle, weil jeder fand, es wäre gemein, als einziger ein Bett zu haben.«

    »Ich weiß noch alles.« Rose lachte. »Er konnte so schön einen Affen nachmachen, einen Riesenaffen. Sich kratzen und Gesichter schneiden, und dabei trommelte er mit den Fäusten auf die Brust. Ich graulte mich furchtbar und wollte es trotzdem immer wieder sehen.«

    »Ja. So was macht er mit Vorliebe. Was haben wir immer gelacht mit ihm! Und ein Gastgeber, alle Achtung! Kocht selbst, und wie! Ich denke immer, wenn er doch noch heiratet, die Frau hat es mal nicht leicht.«

    »Ich würde ihn aber trotzdem wollen.« Rose erwischte eine Rosine aus dem Kuchen, den die Mutter gerade aufschnitt. »Aber er mich nicht. Wieviel ist er älter als ich? Zwanzig Jahre? Solche Ehen gibt es aber.«

    »Du und Ernsts Frau! Nun los, wir müssen den Tisch dekken. Ja, daß du nicht mitfahren kannst, ist schade! Wäre auch für Terry hübscher, wenn du mitkämst nach Frankfurt. Wenn du besser in Latein wärst, würde ich dich rausbitten aus der Schule. Aber so –«

    »Ach, das blöde Latein!« Rose schob ihre Unterlippe vor.

    »Wozu bloß, ich seh das nicht ein. Studieren kann man doch nicht, überall Numerus clausus, und wer in die Medizin will, eins Komma zwei. Das erreichte ich auch mit der größten Strebsamkeit nicht. Wozu dann überhaupt Abitur!«

    »Damit du deinen eigenen Kindern später bei den Schularbeiten helfen kannst«, sagte Birgit und nahm das Tablett. »Mach mir die Tür auf, bitte.«

    »Und die dann später wieder ihren eigenen? Hat das Sinn?« fragte Rose unbeirrt. Die Mutter blieb stehen, sah sie an.

    »Du hast eigentlich recht. Es ist beinah wirklich so –« Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Deshalb wird aber doch übersetzt, da hilft dir kein Gott. Hast du heute schon?«

    »Nein, ich war schwimmen. Aber wenn heute die Philosophen kommen –«

    »Dann, spekulierst du, hilft dir einer dabei? Der Blaschke vielleicht? Und diktiert es dir gleich ins reine?«

    »Oder der Müller«, sagte Rose unerschüttert. »Der kann es auch. Wozu sind sie denn alle Humanisten?«


    Und nun waren sie also alle in Frankfurt bei Ernst. Das heißt, sie waren nicht alle da, die fünf Geschwister. Corona, die Vielbeschäftigte, die mit ihrer Familie auf dem Lande wohnte, konnte Mann und vier Kinder nicht allein lassen. Teresa, Terrys Mutter, war verreist. Aber Sybille wurde noch erwartet.

    »Aha – es handelt sich um Terry«, sagte Ernst. »Teresa verreist?« Er stellte die Gläser auf den Tisch. »Und das Kuckucksei hat sie dagelassen, damit wir es in einem unserer Nester unterbringen? Komm, Kuckucksei, für dich hab ich Orangensaft. Oder trinkst du schon Bier, als Münchner Kindl?«

    »Wir wohnen in Feldafing und nicht in München«, korrigierte Terry.

    »Entschuldige, du hast recht. Ja, also Teresa –«, er sah Birgit an, und diese erwiderte seinen Blick. ›Später‹, verstand er.

    Terry setzte ihr Glas ab. »Weil Mami wieder heiraten will«, verkündete sie. Die Erwachsenen mußten lachen. »Na denn – außerdem, warum soll sie nicht?« fragte Ernst.

    »Sie soll ruhig. Ich hab nichts dagegen. Darf ich den Fernseher anmachen?« bat Terry. »Ist heute was Lustiges? Du hast doch bunt.«

    »Eigentlich solltest du ja im Bett sein«, mahnte Birgit freundlich. »Wann gehst du denn zu Hause schlafen?« »Wann ich will. Mami sieht nicht auf die Uhr«, sagte Terry fröhlich.

    »Aber wir. Wir sehen wohl auf die Uhr«, grollte Ernst und rollte die Augen, »ich zähle jetzt bis drei. Eins – zwei –«

    »Ich kann ja gar nicht. Ich hab ja keins!« triumphierte Terry. »Wo ist bitte ein Bett für mich?« Sie kannte bereits die Wohnung, besaß ein blitzschnelles Orientierungsvermögen.

    »Ja, wo?«

    Ernsts Junggesellenwohnung bestand aus einem einzigen, lang gestreckten Raum, an den sich seitlich die Küche, zwei Badezimmer und ein Schlafgemach anschlossen. Besuch wurde auf Couchen untergebracht oder auf dem sogenannten Schneewittchen-Sarg, einer langen Truhe mit Schaumgummiauflage. Im großen Raum aber hielt man sich auf, jetzt und voraussichtlich noch lange. Wohin also mit Terry?

    »Kann sie in dein Bett? Dann schlaf ich daneben, und für Sybille ist auch noch Platz«, sagte Birgit. »Und du wirst hier in die Sporthalle verstoßen. Geht das?«

    »Klar. Gute Nacht, Terry.« Er winkte. Terry gehorchte wie ein gutdressiertes Hündchen. Birgit wunderte sich. Ernst hatte wirklich eine erstaunlich geschickte Art mit Kindern.

    »Wollen wir auf Sybille warten?« fragte Birgit. »Sie muß bald da sein. Ach, Ernst, wieder mal Buchmesse! Wunderbar! Ich freue mich jedes Jahr wieder. Erstens sowieso, Fachsimpelei, alte Gesichter, neue Gesichter, lauter Leute, denen das Buch wichtig ist – und dann, weil wir uns da wiedersehen. Zu schade, daß Corona dies Jahr nicht kann. Auf alle Fälle rufen wir sie aber an, ja?«

    »Natürlich, sobald Sybille da ist. Übrigens –« Da läutete es, und Birgit sprang auf.

    »Das ist Klaus! Laß – ich geh schon –«

    Es kam zu keinem zweiten Läuten, so schnell war sie am Apparat. »O Klaus –« Ernst beobachtete, wie ihr Gesicht sich verklärte. So lange schon verheiratet, und noch so verliebt! Nachsichtig lächelnd begab er sich in die Küche.

    Gleich darauf erschien Sybille, die Jüngste der Geschwister. Sie brachte

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