Scout auf einer Geisterfährte: G.F. Barner 244 – Western
Von G.F. Barner
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G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität.
Der Pima schwieg, wenn es nichts mehr zu sagen und niemanden mehr gab, den man rufen konnte. Der Indianer verfolgte unbewegten Gesichtes, wie die vierzehn Männer und der Lieutenant stehenblieben und einige sehr blaß wurden. Zwei Mann hatten die Seilwinde betätigt, zwei weitere am Seil gezogen, denn ein menschlicher Körper ist schwer in die Höhe zu ziehen, wenn er keine Möglichkeit hat, sich an der Mauer abzustützen und anderen Männern die Arbeit des Heraufziehens leichter zu machen. Zuerst war Corporal Harry Quinton in den Brunnen gestiegen. Man hatte ihn hinabgelassen, und er hatte das Seil um den Mann ganz unten im Brunnen geschlungen. Es war wenig Wasser im Brunnen – ein karges Land, das gerade ausreichte, um hundertzwanzig Rinder, sieben Pferde und vier Menschen zu ernähren. Doch bei diesen konnte keine Rede davon sein. Sie waren eher ziemlich erschöpft und arbeiteten doch stumm und verbissen. Nachdem Quinton das Seil um den Mann im Brunnen geschlungen hatte und heraufgeklettert war, hatten sie gezogen. Und nun hing der Mann eine Handbreit über dem gemauerten Brunnenrand in der Schwebe – Ein Toter, den jeder gekannt hatte. Einmal hatten sie ihn Tom genannt – oder auch Lansing, Tom Lansing. Er war sechsundvierzig Jahre alt geworden und wäre vielleicht sechzig geworden, wenn er nicht in den Cababi Mountains gelebt hätte. Er war tot und steif und keine sechs Stunden auf dem Weg ins Nichts, in den Himmel oder die Hölle. Der Pima – einer der Indianerscouts aus Camp Lowell bei Tucson – richtete seine dunklen Augen auf die fern im Süden gelegenen Santa Rosa-Berge. Dann glitt sein Blick weiter zu dem Chief-Scout. Joe Lattimer kauerte in der Uniform ohne Rangabzeichen an den rauchenden Balken und atmete den süßlichen Leichengeruch ein. Dann wuchtete er den Balken hoch. Das Holz polterte, als es auf die Reste der geborstenen Mauer schlug. Der Pima beobachtete aus zusammengekniffenen Augen, wie Lattimer das Kind herauszog. Es hatte unter dem Balken gelegen, das Feuer hatte sein Kleid und die Haare verbrannt.
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Scout auf einer Geisterfährte - G.F. Barner
G.F. Barner
– 244 –
Scout auf einer Geisterfährte
G.F. Barner
Der Pima schwieg, wenn es nichts mehr zu sagen und niemanden mehr gab, den man rufen konnte. Der Indianer verfolgte unbewegten Gesichtes, wie die vierzehn Männer und der Lieutenant stehenblieben und einige sehr blaß wurden.
Zwei Mann hatten die Seilwinde betätigt, zwei weitere am Seil gezogen, denn ein menschlicher Körper ist schwer in die Höhe zu ziehen, wenn er keine Möglichkeit hat, sich an der Mauer abzustützen und anderen Männern die Arbeit des Heraufziehens leichter zu machen.
Zuerst war Corporal Harry Quinton in den Brunnen gestiegen. Man hatte ihn hinabgelassen, und er hatte das Seil um den Mann ganz unten im Brunnen geschlungen.
Es war wenig Wasser im Brunnen – ein karges Land, das gerade ausreichte, um hundertzwanzig Rinder, sieben Pferde und vier Menschen zu ernähren. Es gab wirklich nicht viel Gras in dieser Gegend, zumeist nur Sand, Kakteen und Staub, der in Mund und Nase drang, die Augen brennen ließ und die Menschen mürrisch und gereizt machte…
Doch bei diesen konnte keine Rede davon sein. Sie waren eher ziemlich erschöpft und arbeiteten doch stumm und verbissen.
Nachdem Quinton das Seil um den Mann im Brunnen geschlungen hatte und heraufgeklettert war, hatten sie gezogen. Und nun hing der Mann eine Handbreit über dem gemauerten Brunnenrand in der Schwebe – Ein Toter, den jeder gekannt hatte. Einmal hatten sie ihn Tom genannt – oder auch Lansing, Tom Lansing. Er war sechsundvierzig Jahre alt geworden und wäre vielleicht sechzig geworden, wenn er nicht in den Cababi Mountains gelebt hätte.
Er war tot und steif und keine sechs Stunden auf dem Weg ins Nichts, in den Himmel oder die Hölle.
Der Pima – einer der Indianerscouts aus Camp Lowell bei Tucson – richtete seine dunklen Augen auf die fern im Süden gelegenen Santa Rosa-Berge. Dann glitt sein Blick weiter zu dem Chief-Scout.
Joe Lattimer kauerte in der Uniform ohne Rangabzeichen an den rauchenden Balken und atmete den süßlichen Leichengeruch ein. Dann wuchtete er den Balken hoch. Das Holz polterte, als es auf die Reste der geborstenen Mauer schlug.
Der Pima beobachtete aus zusammengekniffenen Augen, wie Lattimer das Kind herauszog. Es hatte unter dem Balken gelegen, das Feuer hatte sein Kleid und die Haare verbrannt. Man sah die schreckliche Kopfwunde.
Es ist mit einem Tomahawk erschlagen worden, dachte der Pima und krauste seine Stirn. Ein Kinderschädel hält nichts aus.
Aber das Gesicht des Pimas blieb wie versteinert.
Der Wind wehte über Tote und Lebende auf dem Boden der Lansing Ranch in den Cababi-Bergen hinweg.
»Hebt ihn an!« sagte Amos Raiden, und es war, als fände seine Stimme keinen Widerhall, denn es gab keine aufrecht stehende Mauer mehr, an der sie hätte zurückprallen können. »Legt ihn ab!«
Zwanzig Yards weiter, wo das kleine Maisfeld lag und jetzt nur noch eine verbrannte öde Fläche gähnte, kniete John Mattingly.
Er war immer ein Schweiger gewesen, ein Mann mit einem mürrischen, verschlossenen Gesicht, dessen Trägheit zahllose Vorgesetzte zur Raserei gebracht hatte. Seine Bewegungen waren ihnen zu lahmarschig gewesen.
Mattingly war kalkweiß geworden, denn vor ihm lag Esther Lansing, und jeder wußte, daß er sie geheiratet hätte, sobald er zum Sergeant befördert worden wäre.
Er würde sie nie mehr heiraten. Sie war sehr schön gewesen, ein großes, kräftiges Mädchen mit blondem Haar und vollen Brüsten. Wie oft hatte Esther seine Hand gehalten und ihn angelächelt.
Vorbei!
Es gab nichts mehr, was irgend jemand hätte schön nennen können.
»Joe«, stöhnte Mattingly. »Joe!«
Es war kein lautes Stöhnen, und doch klang es, als schrie Mattingly um Hilfe. Immer wieder hatten sie alle nach Joe Lattimer geschrien oder gebetet, daß er kommen möge, wenn sie in der Klemme gesteckt hatten. Lattimer war der Rettungsanker der Armee in Arizona, ein ruhiger Mann mit breiten Schultern, einem harten, kantigen Gesicht, sehr hellen Augen und dunklen, an den Schläfen bereits ergrauten Haaren. Aber er war so jung wie sie, keine dreißig Jahre alt. Und doch behaupteten manche Leute, er wäre hundert Jahre alt und hätte zwei Leben hinter sich.
In Arizona gab es junge Burschen, die kaum sechzehn Lenze erlebt hatten, im Wesen und nach der Erfahrung dennoch sechzig Jahre alt sein mußten. Lattimer war uralt, wenn man diesen Maßstab anlegte.
*
Der Chief-Scout warf einen Blick zu seinem Lieutenant, dessen brauner Wallach den Geruch nach verbranntem Fleisch nicht vertrug und nervös tänzelnd zurückdrängte. Dann ging Chief-Scout Lattimer los. Das dünne Ärmchen des Kindes fiel in Asche, die aufwirbelte und vom Wind davongetrieben wurde.
»Mach schnell, Joe!«
Mehr wollte Lieutenant Harris nicht sagen. Es lag ihm fern, Lattimer anzutreiben, denn der wußte besser als Harris, was er und wie schnell er es zu tun hatte. Den Lieutenant drängte es lediglich, diesen Platz so schnell wie möglich zu verlassen. Die Dämmerung mußte in einer halben Stunde einsetzen. Und nachts war es kaum möglich, die Fährte jener Indianerhorde zu verfolgen, die sie aufspüren, gefangennehmen oder vernichten sollten, wenn es sonst keinen anderen Weg gab.
»Ja«, sagte Joe Lattimer mit sanfter Stimme, die so typisch für sein Wesen war. Er verlor nie die Ruhe und kämpfte ohne jegliche Gefühlsregung. Er gehorchte eben den Befehlen und ließ weder Haß noch Wut erkennen, wenn er zum Beispiel einen Mann niederschlagen mußte. Lattimer war die Beherrschung selbst.
Als er neben John Mattingly stand und ihm die Hand auf die Schulter legte, senkte der den Kopf.
»Yellow Hand, Joe?« fragte er nach einigen Sekunden mit lauerndem Blick. »Wie viele dieser ›Ausgestoßenen‹ sind es gewesen?«
»Etwa zwanzig, John.«
»Warum hier? Warum denn ausgerechnet hier, verdammt?«
»Pferde und Mais«, sagte der ChiefScout. »Er will durch die Halbwüste nach Süden. Dort findet er kaum Wasser, und er hat auch zu wenig Pferde. Hier fand er alles.«
Nun hatten sie alle die Erklärung, die er ihnen bisher nicht gegeben hatte. Ein Trupp ausgestoßener, streunender Indianer, vom eigenen Volk verjagt, brauchte für den langen Marsch Ersatzpferde und Futter.
Sie waren nicht im Morgengrauen gekommen, wie es ihren Gepflogenheiten entsprach, sie hatten sich die Mittagszeit ausgesucht und dann angegriffen, als alles ruhte und kaum arbeitete, weil die sengende Hitze irgendeine Arbeit im Freien unerträglich gemacht hätte.
»Hm«, sagte der Pima-Indianer. Die Pimas waren wirklich nie Apachenfreunde gewesen und dienten der Armee als Scouts. »Sie sind nach Süden geritten.«
Der sehnige Sergeant Jim Keefer kam mit Corporal Ashley heran. Beide trugen Klappspaten. Keefer blieb stehen, um abzuwarten, ob Mattingly sich fassen würde.
»John, hast du dich gefangen?« fragte der Chief-Scout leise. »Wenn du es selbst tun willst…«
»Ja«, sagte Mattingly. Seine Stimme klang so heiser, als wäre ihm die Kehle zu eng. »Ich mache es selbst. – Keefer, hilfst du mir?«
Der Sergeant nickte. Ashley hielt Mattingly den Schanzspaten hin, den der faule Mattingly nahm, aufklappte und in den Boden stieß. Danach zog er sich am Spaten hoch, blieb sekundenlang so stehen, starrte auf das nackte, verstümmelte Mädchen, das einmal seine Braut gewesen war, und ging dann mit schleppenden Schritten zu seinem Pferd, um die Decke zu holen.
»Joe«, fragte Lieutenant Howard Harris, indem er seinen Braunen herumzog, »holen wir die Horde ein?«
»Kann sein, vielleicht morgen früh«, antwortete der Chief-Scout. Er wechselte einen Blick mit dem Pima, der wieder nach Süden auf die Santa Rosa-Berge deutete. »Du meinst, sie sind bereits durch die Berge auf dem Weg in die Halbwüste, Sha?«
Der Pima hieß eigentlich Shanopack, aber der Name war zu lang, und sie nannten ihn darum einfach Sha.
»Viel Sand, viel Wind, schlechte Spur«, sagte der Pima kehlig. »Gehen Süden, immer Süden.«
»Du glaubst, er will zur nächsten Wasserstelle, Sha?«
»Ja, gut Wasser. Gehen immer Süden.«
»Nein!«
Lieutenant Harris hob erstaunt den Kopf, als Lattimers bestimmtes Nein kurz und trocken kam.
»Nein?« fragte der Pima und schüttelte den Kopf. »Gehen Süden – viel, gut Wasser, ja.«
Lattimer beugte sich herab, ergriff einen herumliegenden Stock und strich den von vielen Huftritten und Füßen zertretenen Sand glatt. Der Stock zeichnete einen Kreis, dann eine gezackte Linie und weiter im Südwesten die nächste Linie, vor der zwei weitere Kreise entstanden.
Lieutenant Harris sah von oben auf die Zeichnung herab, und er begriff mühelos, was der Chief-Scout, dessen Vater schon Armee-Scout gewesen war, in den Sand gemalt hatte.
Der erste Kreis bezeichnete diese Ranch inmitten der Cababi Mountains, im Südwesten lagen die Santa Rosa-Berge, und dort stellte der eine Kreis die von Bürgern zumeist mexikanische Abstammung bewohnte Stadt Santa Rosa dar. Der zweite Kreis mußte die Blue Water Stagecoach Station, ein von Lehmmauern umgebener Gebäudekomplex andeuten.
Der Pima schüttelte den Kopf, als Lattimer eine Linie genau nach Süden bis in die südlichen Ausläufer der Santa Rosa-Berge zog. Dann jedoch knickte die Linie im scharfen Winkel nach Norden um und führte bis kurz vor die Blue Water Station. Ein paar Striche stießen nun auf einen dritten Kreis inmitten der von keiner Kettenlinie unterbrochenen Fläche im Süden vor, und Harris wußte, was dort war: die Wüste.
»Limpo Waterhole?« fragte Harris gespannt, und er deutete den Kreis richtig. »Das Limpo-Wasserloch in der Wüste? Was soll das bedeuten, Joe?«
Der Chief-Scout sah zu ihm hoch und zuckte die Achseln.
»Wenn ich Apache wäre«, sagte er geduldig wie jemand, der etwas erklären muß und nicht sicher ist, daß man ihn sofort versteht, »würde ich zwei Krieger hinschicken und die Wasserstelle für andere unbrauchbar machen lassen. Ein paar Beutel Alkalistaub genügen. Er kann auch Poison-Chollas zerschneiden und ins