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Fremd: Der dritte Fall für Paul Backes
Fremd: Der dritte Fall für Paul Backes
Fremd: Der dritte Fall für Paul Backes
eBook243 Seiten3 Stunden

Fremd: Der dritte Fall für Paul Backes

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Über dieses E-Book

Paul Backes, Gelegenheitsdetektiv und Gerichtsreporter bei einer schwarzwälder Lokalzeitung, wird von seiner Ex-Frau um Hilfe gebeten: Réka, eine junge Frau war nach Deutschland gekommen, um zu heiraten. Aber die Ehe wird zum Desaster. Paul schließt messerscharf, dass er der falsche Mann für den falschen Auftrag ist. Nichtsdestotrotz begibt er sich in seiner unnachahmlich konsequenten Art nicht nur beinahe in die Irre, sondern auch noch in echte Gefahr und zu guter Letzt auf eine lange Fahrt, deren Ziel offen und deren Ausgang gänzlich ungewiss ist.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. Nov. 2014
ISBN9783735746375
Fremd: Der dritte Fall für Paul Backes
Autor

Walter Hornbach

Gelegenheitsautor, Hobby-Rossbauer, Fahrradfahrer und Lehrer.

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    Buchvorschau

    Fremd - Walter Hornbach

    Buch

    Paul Backes, Gelegenheitsdetektiv und Gerichtsreporter bei einer Schwarzwälder Lokalzeitung, wird von seiner Ex-Frau um Hilfe gebeten. Réka, eine junge Frau aus Ungarn, war nach Deutschland gekommen, um zu heiraten. Aber die Ehe wird zum Desaster. Paul schließt messerscharf, dass er der falsche Mann für den falschen Auftrag ist. Nichtsdestotrotz begibt er sich in seiner unnachahmlich konsequenten Art nicht nur beinahe in die Irre, sondern auch noch in echte Gefahr und zu guter Letzt auch noch auf eine lange Fahrt, deren Ziel offen und deren Ausgang gänzlich ungewiss ist.

    Autor

    Walter Hornbach, geboren 1952, lebt mit seiner Familie in einem kleinen Dorf in der Nähe von Freudenstadt, im Schwarzwald, genauer an der Grenze zum Kreis Rottweil. Zum Schreiben kam er vor allem durch die Arbeit an Sketchen und kleinen Theaterstücken.

    Dies ist der dritte Band mit Paul Backes, nach „Ein Kurt im Keller und „Hinterm Wald, auch bei BoD.

    Für Elvira

    Inhaltsangabe

    Alles Zigeuner oder was

    Waldsiedlung

    Klassentreffen

    Toni

    Réka und Lili

    Rabatz

    Jungs haben´s einfach schwer

    Zur letzten Träne

    Lauter nette Leute

    Susi

    An der Grenze

    Scheiß Karlsruhe

    Franz hat Grund zur Sorge

    Volkes Meinung

    Himmlischers Kontakte

    Verfolgung

    Vorurteile

    Wieder aufgetaucht

    Franz hat was zu berichten

    Nach Ungarn

    Budapest

    Finkbeiner am Ziel

    So eine Zigeunerin eben

    Nochmal Toni

    Ewa

    Kleingewerbe und eine E-Mail

    Alles Zigeuner oder so was

    Paul Backes schaute sich um. Ziemlich leer hier. Das Gelände zwischen den ehemaligen Fabrikmauern, über denen das Dach fehlte, war so groß, dass die paar Besucher sich darin verloren. Er warf einen Blick über die nebeneinander stehenden alten Reserveräder, alle nach der Normgröße auf einen langen Ständer aufgereiht.

    In der Ferne zwischen irgendwelchen anderen Regalen liefen zwei ältere Männer, sahen türkisch aus oder vielleicht aus Bulgarien, Rumänien, irgendwo „da unten", das konnte man ja sowieso nicht unterscheiden.

    Er schaute nach Lene hinüber, die stand auf der anderen Seite eines Regals, das mit alten Felgen voll gepackt war, schien aber eher vor sich hinzuträumen. Die passenden Felgen für Lenes Fiesta waren sowieso nicht da, alle zu groß. Die Radgröße des Fiestas gab es heute gar nicht mehr. Also hier auch Fehlanzeige, wie bei den Kotflügeln.

    „Komm wir gehen, sagte er zu Lene, „die gibt´s nicht.

    Erfreut drehte sie sich auf dem Absatz um und marschierte Richtung Kasse des Schrottplatzes. Genauer gesagt zum Durchgang durch das querstehende Hauptgebäude der Karlsruher Autoverwertungs-GmbH, wie es richtig hieß. Sie mussten kurz anstehen. Paul sah sich um. Vorne an der Querstraße, in circa 50 Metern Entfernung, fiel ihm eine Leuchtreklame ins Auge: „Du und Ich stand da und darunter etwas kleiner: „Freundschaften. Sah irgendwie nach Schmuddelecke aus, war auch ein toller Platz für ein Partnerinstitut oder was auch immer das war, hier so gegenüber der Schrotthandlung. Daneben eine Peugeot Vertretung, gegenüber Cadillac und Chevrolet, die ultimative Waschstraße nicht zu vergessen und gleich nebenan der ADAC Notdienst, auf den gerade eine junge Frau im gelben Warn-Outfit zustrebte. Ihre schwarzen Strubbelhaare standen ein wenig zu Berge und sie zündete sich kurz vor Schichtbeginn noch schnell eine Zigarette an.

    Gewerbegebietsarchitektur. Und trotzdem musste er zugeben, dass das eine Gegend war, die ihm zusagte, nicht so schön und aufgeräumt wie der Schwarzwald, mit seinen Postkartenmotiven an jeder Ecke, sondern einfach Blech und Plastik, zermürbt vom Lauf der Zeit, Industrieruinen neben farblosen Zweckbauten, vielleicht auch Postkartenmotive, aber der etwas anderen Art. Das erinnerte ihn an zu Hause, an die Saar, an die aufgerissene Industrielandschaft. Wenn man auf der Autobahn an der Saar entlangfuhr und gewissermaßen von hinten in die Werkhallen oder auf die vergammelten Rückseiten irgendwelcher Fabriken schaute. Und Autoschrottplätze sowieso, die hatten schon immer eine seltsame Anziehungskraft auf ihn ausgeübt, dieses Sammelsurium alter Herrlichkeiten, die Geschichten erzählten, froh und tragisch, voller Lebenslust und voller Angst, reduziert auf einen Haufen Schrott. Schon als Junge, kaum dass er den Führerschein bekommen hatte, war er oft in solchen Irrgärten herum geklettert und hatte nach irgendwas gesucht, nach dem passenden Teil, das es nicht gab oder nach dem magischen Ding, von dessen Existenz er selbst noch keine Ahnung hatte.

    „Nix gekauft, bzw. nix gefunden, sagte er zu dem Mann an der Kasse und ging hinter Lene durch den schmalen Durchlass zwischen Kasse und Absperrgitter. Hinter ihnen hatten sich zwei jüngere Männer eingereiht, die auch ohne etwas zu kaufen auf den Vorplatz durchgegangen waren und dort stehen blieben. Der eine suchte in seinen Taschen herum, wahrscheinlich nach Zigaretten, der andere wartete. Der hintere murmelte irgendetwas, was Paul nicht verstand, worauf der vordere etwas von sich gab, was wie „Pension auf Staatskosten, ganz umsonst, hahaha klang. Er amüsierte sich noch ein bisschen.

    Dann: „Wie wär’s, kucke mir mal noch beim Udo rein, wär doch lustig, odder?"

    „Meise!" war die Antwort, diesmal so laut, dass man sie verstehen konnte, was wohl so viel bedeuten sollte, dass das keine so gute Idee war.

    Dann geschah etwas. Die Wirklichkeit verschob sich, rutschte gewissermaßen auf dem Pflaster aus, wenigstens kam es Paul später so vor. Als er sich überlegte, immer und immer wieder, ob er das wirklich erlebt hatte.

    Peng. Pause. Peng, Peng. Es knatterte, als ob man Erbsen in eine leere Dose fallen lassen würde. Vielleicht ein bisschen heller. Der Mann, der neben ihm stand, gab einen japsenden Laut von sich, klappte einfach zusammen, griff sich an die Schienbeine und begann vor sich hin zu jammern. Sein Kumpel starrte entsetzt auf ihn hinunter. Paul schaute zu Lene, die stand da, wie erstarrt.

    „Runter, da hat jemand geschossen."

    Er zerrte an Lenes herabhängendem Arm und brachte sie zu Fall, lag halb auf ihr, halb neben ihr.

    Er hörte einen aufheulenden Motor, sah wie sich auf der Zufahrtsstraße, zuerst in Zeitlupe, dann immer schneller, ein blauer BMW von der Bordsteinkante löste und davon fuhr, drinnen zwei Männer, der Fahrer hatte wohl eine dunkle Jacke an, dann war es ruhig, still.

    Eine komisch lastende, schwere, heiße Stille. Zu heiß. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.

    Paul schreckte hoch.

    Halt, wo, was? Er musste zuerst zu sich finden. Wo war er? Ach ja, in Lenes Bude in Heidelberg. Nächster Tag.

    Sie hatten noch ziemlich lange in Karlsruhe auf der Hauptwache zugebracht, waren nach allem befragt worden, was sie da zu suchen gehabt hatten, einen Satz Felgen für das Auto seiner Tochter eben, was sie gesehen oder nicht gesehen hatten? Sie hatten nichts gesehen. Einen BMW, blau, hatten sie gesehen und die zwei Typen neben ihnen. Nummer? Könnte irgendwas mit OG gewesen sein, Ortenaukreis, Offenburg.

    Und weil es dann schon spät war, vielleicht auch, weil die Sache ihm keine Ruhe ließ, war er nicht nach St. Ingbert zu seinem morgigen Klassentreffen weitergefahren, sondern war mit Lene in ihre Bude nach Heidelberg und hatte dort übernachtet.

    Der Mann, der getroffen worden war, war natürlich nicht tot, Gott sei Dank, nur an den Beinen verletzt. Er lag im Krankenhaus, so viel war ihnen mitgeteilt worden. Sonst nichts. Nicht wie er hieß, ob er schwerer oder leichter verletzt war, ob er wusste, wer geschossen hatte. Aber von dem zweiten Mann hatte Paul doch einiges erfahren, obwohl es sich ja auch nur um eine angst- oder wutverzerrte Hilfserklärung handeln konnte, den Versuch, etwas zu erklären.

    Lene und er hatten draußen auf dem Flur vor den Büros im Polizeipräsidium gesessen, und warteten darauf befragt zu werden. Das ging alles eher bürokratisch zu, man musste warten, bis man dran kam.

    Der zweite Mann, der, der nicht getroffen worden war, saß mit etwas Abstand neben ihnen. Typ langes schmales Gesicht, braune Haare, kurz und jetzt ziemlich zerzaust, Mimik unbewegt, stier geradeaus. Plötzlich sagte er: „Das war die Ex von dem, oder der Bruder von der, oder was weiß ich wer.

    Sich von da unten eine Frau besorgen, die sind so gefügig, so geil, eben noch richtige Frauen, die nicht dauernd an den Männern rummäkeln. Da hat der Mann noch was zu sagen. Da gilt er noch was.

    Der hat sie doch nicht alle. Lass doch die Finger von denen, hab ich immer zu ihm gesagt, das bringt doch nix, nur Ärger. Gedroht hat sie ihm. Umlegen wollte die ihn. Und dann guckt der wieder nach einer neuen, auch von da unten. Verletzte Ehre oder was weiß ich. Alles dasselbe Pack, Ungarn, Bulgaren, Rumänen, das sind doch alles Zigeuner. Da gibt’s doch noch die Blutrache. In der Türkei, da haben sie doch vor ein paar Jahren 15 Leute umgelegt, bei einer Hochzeit. Auch wegen so etwas. Ja, Geschäfte kann man da machen, aber selber?"

    Lene hatte zu ihm herüber geschaut und stirnrunzelnd die Augen aufgerissen.

    Paul war sich nicht ganz klar gewesen, ob er eigentlich zu ihnen sprach oder nur so in die Gegend. Auf jeden Fall war es noch einige Zeit in ähnlicher Weise weitergegangen. Als sie aber nichts geantwortet hatten, war der andere dann wieder in sein Brüten verfallen und hatte weiter über „die da unten nachgedacht, wer auch immer das war, wahrscheinlich die da, irgendwo „auf dem Balkan.

    Lene musste dann rein.

    Und einige Zeit später, als sie fertig waren, waren sie dann nach Heidelberg gefahren.

    Er drehte sich um und schaute aus dem Fenster. Was für ein Zufall. Dass Lene, seine Jüngste, doch ausgerechnet in Heidelberg angefangen hatte zu studieren, wo doch auch Toni und er dort studiert hatten. Toni, die Mutter seiner Sprösslinge, das heißt inzwischen musste man ja schon…, ja was eigentlich sagen, was sagte man zu beinahe erwachsenen Kindern, er hatte keine Ahnung. Also er und Toni hatten in ferner Vergangenheit einmal … und jetzt, waren sie schon fast zehn Jahre getrennt. Zehn Jahre. Zehn Jahre aus Blödheit, weil er gemeint hatte…, ja was denn. Er hörte auf zu denken, es funktionierte sowieso noch nicht so richtig und schaute wieder aus dem Fenster, gegenüber auf das Schulgebäude.

    Wo war eigentlich seine Lene, ging’s ihr gut? Wie hatte sie eigentlich diesen Schock verwunden? Er hatte nicht mitbekommen, dass sie aufgestanden war, sie hatte auf dem Boden auf einer Isomatte geschlafen und ihm gnädigerweise das Bett überlassen.

    „Papa, das ist doch klar, dass ich auf dem Boden schlaf, sonst kannst du morgen wieder nicht krabbeln!" – Super! Wie rücksichtsvoll! Er war eben doch ein alter Knacker!

    Die Tür ging auf und sie kam herein, frisch geduscht, Handtuch um die Brust gewickelt. Wahrscheinlich war er doch aufgewacht, als sie aufgestanden war.

    Sie schien ganz normal, wie immer, als wenn nicht gestern auf sie geschossen worden wäre. Vielleicht war das heute nichts Besonderes mehr, im Zeitalter von Youtube und Facebook. Man musste jederzeit und immer mit allem rechnen, ob nun virtuell oder real, wo war da der Unterschied, oder gab es überhaupt einen, war doch sowieso alles irgendwie mega. Ja, das war doch wahrscheinlich das richtige Wort. Oder? Wahrscheinlich eher auch wieder nicht! Sicher lag er doch mal wieder mega daneben.

    „Hi, Paps! Alles o.k., gut geschlafen?"

    „Hm", brummte er vor sich hin, fuhr dann aber fort:

    „Sag mal lieber, ist mit dir alles ok? Wegen gestern mein ich."

    „Na ja, weiß auch nicht so recht, aber ich mach einfach mal was zum Frühstücken und dann können wir ja ein bisschen quatschen."

    Paul war das auch recht und er ging ins Bad, damit sie sich in Ruhe anziehen konnte. Mit Vätern und ihren zwanzig Jahre alten Töchtern ist das ja nicht immer ganz so locker, vor allem wenn sie nicht zusammen lebten, schon länger nicht mehr zusammen lebten.

    Als sie es sich dann in der winzigen Küche gemütlich gemacht hatten, konnte er zunächst einmal nichts anderes, als es zu genießen, hier in Heidelberg zu sitzen, beim Frühstück und an seine Zeit hier zu denken, dieses Gefühl in der Altstadt zu Hause zu sein, runter zu laufen zum Bäcker, alles in Reichweite zu haben oder zumindest mit dem Fahrrad schnell hinkommen zu können. Das war schon etwas ganz besonderes. Das fehlte ihm doch manchmal in seinem Schwarzwaldidyll, hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen. So kam er sich wenigsten manchmal vor, in seinem Häuschen. Da war er aufs Auto angewiesen, als rasender Gerichtsreporter sowieso. Nix Fahrrad oder vor dem Frühstück mal kurz runter zum Bäcker und Brötchen kaufen.

    Er rutschte den Hocker an die Wand, lehnte sich dagegen und nahm einen ersten Schluck Kaffee aus der Tasse, die Lene ihm eingeschenkt hatte. Dann schmierte er sich ein Marmeladebrötchen und biss hungrig hinein. Der Hunger war ihm nicht vergangen. Trotz gestern!

    Lene fing an, ebenfalls kauend:

    „Ich dachte zuerst …, nein ich glaub, ich hab gar nichts gedacht, ich hab’s überhaupt nicht kapiert, dass da jemand geschossen hat. Das gibt’s doch gar nicht. Oder?"

    „Ja, so geht’s mir auch, man kann’s kaum glauben, dass das wirklich passiert ist." Paul hatte fertig gekaut, geschluckt und auf einmal hatte er doch das Gefühl, als hätte er einen Kloß im Hals.

    „Und dann dieser Typ da, der Kumpel von dem, der da angeschossen worden ist. Lene war nun doch richtig aufgebracht, „der war ja doch auch die Härte, oder die beiden, obwohl ich ja von dem anderen nicht so viel mitbekommen hab. Aber irgendwie waren die ja auch nicht ganz sauber. Dass der dann auch gleich jemand Schuldigen bei der Hand gehabt hat, ohne überhaupt irgendeinen Hinweis. Dass das ein Ausländer, jemand aus dem Osten gewesen sein soll, dabei sind die doch die Typen, die kaputt im Kopf sind, sich ne Frau zu besorgen! Was sind denn das für Typen, die so was machen.

    Sie hatten schon gestern Abend kurz über das „Gespräch" mit dem zweiten Mann gesprochen. Für Paul war das jetzt nur noch der zweite Mann.

    „Ja, da hast du Recht, das ist irgendwie armselig. Paul hörte sich selbst reden und stellte fest, dass das etwas lau klang und zur Bekräftigung, wie um sich selbst zu beweisen, dass das moralisch wirklich nicht zu rechtfertigen sei, fügte er noch hinzu: „Frauen kaufen oder sich über einen Katalog oder übers Internet zu besorgen, das ist wirklich das Letzte, ich hab auch nicht die leiseste Ahnung, wie man sich auf eine solche Beziehung einlassen kann. Aber wahrscheinlich kann man sich sowieso nicht vorstellen, was für Vorstellungen manche Männer noch von einer Beziehung haben. Ganz abgesehen von den Frauen, die das meistens machen, um zu Hause ihre Familien zu versorgen und keine Ahnung haben, was da auf sie zukommt. Was für eine Sorte Mann. Aber ich glaub, das stellt man sich sowieso besser nicht vor, was da alles passiert in dem Bereich, die Übergänge sind da ziemlich fließend.

    „Wie, fließend?", fragte Lene nach.

    „Na zur Prostitution, Zwangsprostitution und all dem. Aber das ist für mich sowieso ein Buch mit sieben Siegeln, irgendwie oder besser gesagt, in die Ecke hat´s mich noch nie gezogen." Er schwieg und schmierte sich noch ein Brötchen. Tiefergehender wollte er sich eigentlich wirklich nicht äußern, auf jeden Fall nicht zu seiner Tochter. Ob das so ganz stimmte, was er da gerade behauptet hatte, also die Idiotie mancher Männer oder das Schwein im Manne überhaupt, im Allgemeinen und im Besonderen, und all das, was damit zusammen hing? Was er vielleicht auch selbst nicht noch konkretisieren wollte.

    Lene genügte das wohl als Antwort, vielleicht war er da aber auch einfach der falsche Gesprächspartner oder der falsche momentan. Auf jeden Fall sprang sie plötzlich auf, schaute ihn zunächst ein wenig schräg an, umärmelte ihn dann, drückte ihm einen Kuss auf sein schütteres Haupthaar und meinte: „Papa, du bist einfach super!" Paul wusste nicht so recht, wie ihm geschah, blieb aber zunächst einfach mal auf seinem Stuhl sitzen, das war sicheres Terrain und kam sich mal wieder ziemlich breit, eckig und unbeweglich vor. Vielleicht hatte ihn ja deshalb damals Toni in seinem selbst verschuldeten Selbstmitleidssumpf sitzen lassen, vielleicht war er ja auch zu oft sitzen geblieben.

    Waldsiedlung

    Nachdem sich Paul bei Lene verabschiedet hatte, stand er nun unten auf der Straße und überlegte, was zu tun sei. Auf die Idee, mit Lene zu dieser Autoverwertung in Karlsruhe zu fahren, der einzigen Richtung Heidelberg, die er kannte - man konnte sie sogar von der Autobahn aus sehen - war er ja nur gekommen, weil er sowieso ins ferne Saarland zu einem Klassentreffen wollte. Er war sich selbst nicht so ganz darüber im Klaren, warum eigentlich. Noch dazu zu einem Einschulungstreffen. Fünfzig Jahre Einschulung, das musste man sich mal vorstellen oder lieber auch wieder nicht. Obwohl er nach der Grundschulzeit dort weggezogen war, hatten die es geschafft seine Adresse ausfindig zu machen. Wahrscheinlich hatte er gedacht, dass das belohnt werden musste, und zugesagt.

    Momentan war ihm allerdings nicht ganz danach zumute. Aber immerhin hatte er so einen Grund gehabt, Lene zunächst nach Karlsruhe zu begleiten, er war dort schon mal gewesen, wegen seines vorherigen Autos, des alten Mondeos, und fand den Platz sehr gut sortiert. Er hatte sich den Freitag in der Redaktion frei geschaufelt, war ja sowieso im Grunde sein eigener Herr, und sie waren gestern Mittag losgefahren, das Murgtal runter Richtung Karlsruhe. Und dann wollten sie noch nach Heidelberg, so hatten sie sich das vorgestellt, dass man dann noch was essen gehen könnte oder ins Kino. Aber daraus war ja jetzt nichts geworden.

    Auf sie war geschossen worden! Auf Lene und ihn. Sie hatten im Grunde ja direkt daneben gestanden und konnten von Glück sagen, dass sie nicht auch getroffen worden waren. Das, was er zu Lene gesagt hatte, über die Mutmaßungen des zweiten Mannes und die möglichen Hintergründe, das war ja nur die eine Seite. Die andere Seite war einfach die Tatsache, dass er wissen wollte, wer das gewesen war. Im Fernsehen sah das

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