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Tiergeschichten
Tiergeschichten
Tiergeschichten
eBook230 Seiten3 Stunden

Tiergeschichten

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Über dieses E-Book

Jede einzelne dieser Tiergeschichten ist ein Plädoyer dafür, dass Begegnungen immer auf Augenhöhe geschehen müssen, in der wir das Gegenüber, ganz gleich welcher Spezies es angehört, so annehmen, wie es ist. Und dass es für nicht-menschliche Tiere manchmal nicht leicht ist, die Menschen zu verstehen. Das ist wohl leicht nachvollziehbar, denn Menschen sind sehr komisch, im besten Fall. Meistens jedoch grausam und unerbittlich, wo sie sich überlegen fühlen. Gerade deshalb zeigen diese Geschichten auf, wie bereichernd es sein kann, voneinander zu lernen und miteinander zu sein.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum14. Apr. 2020
ISBN9783751908955
Tiergeschichten
Autor

Daniela Noitz

Daniela Noitz . Geschichtenerzählerin und Aktivistin mit Leidenschaft In einer durchstrukturierten, übertechnisierten Welt fehlt es an lebendigen Geschichten, die verbinden, Menschen zusammenbringen und zeigen, dass wir im Grunde genommen dieselben Hoffnungen, Wünsche, Sehnsüchte und Träume teilen. So erzähle ich von zutiefst Menschlichen, von der Liebe ebenso wie vom Schmerz, von Begegnung wie von Trennung, von Glück wie von Trauer. Alles Lebendige hat darin Platz. So entstanden in den letzten zehn Jahren über 700 Kurzgeschichten und 13 Bücher. Gerne erzähle ich meine Geschichten auch vor Publikum. Ihr könnt mich buchen Verschaffen Sie sich einen Überblick auf meiner Homepage novels4u.com.

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    Buchvorschau

    Tiergeschichten - Daniela Noitz

    Inhaltsverzeichnis

    Das Mädchen, das die Schweine liebte

    Rabe Onto

    Der entsorgte Hund

    Wie ein Schneeball in der Sonne

    Das Gebot des Moments

    Wenn es mir passiert ...

    Ich wünsche Dir eine Begegnung

    Fraglos

    Unverhofft

    Der alte Kater und der junge Hund

    Du hast Dich in mein Herz geschlichen

    Die rebellische Kuh

    Die Igelrettung

    Ein Herz für Tiere

    Leben um des Lebens willen

    Du hast sie Dir vertraut gemacht

    Rosa Nasen

    Ich seh, ich seh, was Du nicht siehst und das ist tot

    Ohn-Macht

    Weitere Bücher der Autorin:

    Das Mädchen, das die Schweine liebte

    Pippa saß in der Wiese und ließ sich von der Sommersonne wärmen. Warum auch nicht? Nur noch wenige Tage trennten sie von den Sommerferien, so dass sie das Leben in vollen Zügen genießen konnte. Neben ihr lag ein Buch aufgeschlagen in der Wiese. Sie hatte es beiseitegelegt, um dort weiterzuträumen, wo sie aufgehört hatte zu lesen, während ihr lockiges rotes Haar, wie immer, wild von ihrem Kopf abstand. Nicht nur den Namen, der in seiner vollen Länge Pippilotta lautete, hatte sie mit ihrem literarischen Vorbild, der Heldin der Kindertage ihrer Mutter, und wohl auch darüber hinaus, gemeinsam, nur, dass sie sich nicht Pippi, sondern Pippa nennen ließ. Das klang weniger niedlich. Und wenn Pippa vieles war, niedlich war sie nicht. Das war Astrid Lindgrens Heldin zwar auch nicht, aber das i am Ende des Namens schien es anzudeuten. Deshalb nannte sich das rothaarige Mädchen mit den Sommersprossen Pippa. Darüber hinaus war sie gleichermaßen aufmüpfig, rebellisch und selbstbewusst. Nichts vermochte sie unterzukriegen. Es hatte sie schon einige Kämpfe gekostet. Andere hätten es hingenommen und gut sein lassen. Nicht aber Pippa, die für das einstand, was ihr wichtig war und für die, die sich nicht wehren konnten. Doch an diesem warmen Sommersonnentag träumte sie vor sich hin, während ihre Hand den warmen, weichen Bauch von Lilly kraulte.

    Pippa und Lilly waren ein Team, seit sie zusammenlebten. Lilly war vor zwei Jahren auf die Welt gekommen. Auf ihrem kleinen Bauernhof, den Pippa gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren zwei Brüdern, bewohnte, hatten sie sechs Sauen als Mitbewohnerinnen, neben einigen Kaninchen, Hühnern und Gänsen. Doch Pippa liebte vor allem die Schweine, und am besten verstand sie sich mit Lilly. Nicht zuletzt wohl deshalb, weil die Mutter von Lilly bei der Geburt verstorben war und Pippa die Aufgabe zugesprochen bekommen hatte, das kleine Bündel Leben mit der Flasche aufzuziehen. Das war auch der Grund warum sie jetzt sechs Schweine hielten. Es waren eben jene sechs, die es geschafft hatten, trotz der widrigen Umstände, zu überleben. Hochsensible, aufmerksame und zugewandte Tiere waren das, wie Pippa sehr schnell herausfand, ohne dafür großartige wissenschaftliche Studien zu benötigen. Schließlich erlebte sie es Tag für Tag aufs Neue. Es war nicht so, dass sie eines dieser Mitgeschöpfe bevorzugen wollte oder für sie eines mehr wert gewesen wäre, als das andere, aber die besondere Nähe, die sich von Anfang an aufgebaut hatte, blieb bestehen. Wenn Pippa aus der Schule nach Hause kam, stand Lilly bereits am Tor und erwartete sie. Dann tollten sie miteinander über die Weide, spielten und hatten Spaß. Und manchmal, so wie an diesem Tag, lagen sie einfach nur auf der Wiese und ließen sich sonnen. Lillys Bauch war jetzt besonders weich. Bald würde sie zum ersten Mal gebären. Sehr bald sogar.

    „Drei Monate, drei Wochen und einen Tag dauert die Trächtigkeit bei Schweinen", hatte der Tierarzt, Dr. Leopold Wagenscheidt, zu Pippa gesagt.

    „Warum sagst Du Trächtigkeit und nicht Schwangerschaft?, hatte Pippa gefragt, die sich sicher war, dass es keinen Unterschied zwischen Schweinen und Menschen gab, außer dem Aussehen, aber sicher keinen in der Wertigkeit. Und irgendwie klang für sie das Wort „Trächtigkeit abwertend, als wäre es nicht dasselbe wie die „Schwangerschaft" bei Menschen. Jeder andere hätte wohl geantwortet, dass man das eben so sage. Das sei der Sprachgebrauch, doch Dr. Wagenscheidt war eben nicht jeder.

    „Interessant, dass Du das fragst, erklärte er rundheraus, „Ich habe darüber noch nie nachgedacht, doch jetzt, wo Du es sagst, erscheint es mir auch unsinnig. Du wirst sehen, dieses Mädchen hier wird sich genauso über ihre Babies freuen, wie jede andere Mutter. Sie wird sie sauber lecken. Das ist übrigens ein Unterschied zu den Menschen. Und sie wird sie versorgen, mit aller Liebe und Fürsorge, wie auch Menschenmütter es tun. Es gibt keinen Unterschied.

    Mittlerweile waren drei Monate und drei Wochen vergangen, und Lilly lag nach wie vor völlig entspannt im Gras. Natürlich hatte sie für sich und ihre Kleinen in einer Ecke des Stalls ein Nest gebaut. Alles war bereit. Sie mussten nur noch kommen. Drei Monate und drei Wochen, seitdem der Eber hier gewesen war, so war ihr zumindest gesagt worden. Natürlich glaubte Pippa nicht mehr an das Märchen, dass Eber einfach so auf Besuch kommen, wenn sie durch das Dorf laufen, denn das hätte sie bemerkt, wenn männliche Schweine das täten, aber sie hatte lange geglaubt, dass zumindest ein Eber gebracht wurde, der der Vater der Kleinen sein würde. Bis sie eines Besseren belehrt worden war.

    Pippa war mittlerweile 14 Jahre alt und wusste über die Art und Weise der Fortpflanzung bei Säugetieren Bescheid. So war es für sie klar, dass es eines männlichen und eines weiblichen Exemplars bedarf, wollte man Babies haben, doch als sie an jenem Mittwochvormittag, früher als geplant, aus der Schule nach Hause kam, wurde sie mit einer ganz anderen Wahrheit konfrontiert.

    Das erste, was ihr auffiel war, dass Lilly sie nicht am Tor erwartete, obwohl sie gemerkt hatte, dass Pippa kam. Deshalb ging sie in den Stall.

    Vielleicht hatte sich Lilly ja verletzt und konnte nicht aufstehen, doch was sie da zu sehen bekam, machte sie sprachlos.

    Das, was die Aufgabe eines strammen Ebers sein sollte, wurde von einem Menschenmann in weißem Kittel übernommen. Er hatte den vierbeinigen Mädels ein komisches Gestell aufgesteckt und der Same floss von einem Fläschchen in die Scheide. Am liebsten hätte Pippa alles weggerissen und dem Mann um die Ohren geschmissen, aber da hätte sie ihren Freundinnen möglicherweise Schmerzen zugefügt. Stattdessen fragte sie nur: „Macht es eigentlich Spaß den Vergewaltiger zu spielen?", woraufhin sich der Mann langsam umdrehte, sie ansah, aus nichtssagenden, wässrigen, blassblauen Augen, müde den Kopf schüttelnd.

    „Ich mache nur meine Arbeit, so wie jeder andere auch", sagte er gelassen

    „Spannend, dass man Vergewaltigung nun Arbeit nennt", ließ Pippa nicht locker, in der die Wut brodelte, wie in einem Druckkochtopf, der kurz davor stand zu explodieren, doch in diesem Moment kam Pippas Mutter herein, und zog sie vom Stall weg, über den Hof in die Küche.

    „Wie kannst Du das nur zulassen?", fragte Pippa fassungslos.

    „Es ist die billigste Möglichkeit, erklärte ihr ihre Mutter, „Und wenn wir nicht sparen, wo wir können, bringt das alles nichts ein. Ich wünschte, es wäre anders möglich.

    „Aber es wäre nicht nur, es ist anders möglich!", entgegnete Pippa triumphierend. Nicht, weil sie wusste, dass sie recht hatte, sondern weil sie ihrer Mutter einen Weg zeigen konnte, der sie aus dem Rad aus Qual und Elend herausführte, in eine Lebenwirklichkeit, in der alle Lebewesen, die auf diesem Hof zusammenlebten, glücklich sein konnten.

    „Und wie bitte soll das aussehen?", fragte ihre Mutter, während sie sich müde auf der Eckbank niederließ.

    „Du kennst doch den Hof von den Bleibtreus? Da dürfen die Tiere alle glücklich leben", meinte Pippa. Natürlich wusste ihre Mutter darüber Bescheid. Wer nicht im Ort? Doch weiters streifte man daran nicht an, denn das waren die mit dem neumodischen Zeugs, die Zugezogenen, die nichts Besseres zu tun hatten, als alles, was bisher selbstverständlich war im Ort, in den Dreck zu ziehen und zu modernisieren. Da galten weder Tradition noch Sitte. Die Bleibtreus selber waren zwar eine eingesessene Familie, doch die Maria jetzt mit dem Vegan-Hotel und dem Lebenshof, hatte sich weit von der Dorfgemeinschaft entfernt. Das hatte sie sich selbst zuzuschreiben, denn das machte man eben nicht.

    „Die tun sich leicht, die haben das Hotel dabei, aber wovon sollen wir dann leben? Hast Du darüber auch schon mal nachgedacht?", fragte ihre Mutter, und es war Pippa, als wollte sie tatsächlich eine Antwort haben, weil sie selbst einen Ausweg aus diesem Teufelskreis suchte, der notgedrungen Leid und Missbrauch bedeutete. Und Pippa hatte tatsächlich eine Antwort.

    „Es gibt in der Steiermark einen Hof, die bauen Kräuter an und leben gut davon, erwiderte Pipa dementsprechend, „Und Du kennst Dich ja mit Kräutern so gut aus. All die Dinge, die Du machst damit, Medizin und Kosmetik. Warum das nicht geschäftlich nutzen?

    Und Pippas Mutter dachte nicht nur darüber nach, sie setzte es in die Tat um. Während Pippa im Gras lag und Lillys Bauch kraulte, konnte man die verschiedensten Produkte aus Kräutern unter dem Namen „Sophies Kräuter – Weisheit aus der Natur" käuflich erwerben. Das Geschäft lief gut.

    Besser als gedacht. Nicht nur, dass sie davon leben konnten, es fiel noch nicht einmal auf, dass sich Pippas Vater während dieser Zeit aus dem Staub gemacht hatte, weil er sich nicht mehr als ganzer Mann fühlte, der für den Lebensunterhalt sorgte. Es war nicht unerwartet gekommen, doch er hatte zumindest genug Anstand gehabt, so lange zu bleiben, bis sich die Familie finanziell selbständig, also ohne ihn, über Wasser halten konnte. Pippa und ihren Brüdern war es nicht sonderlich aufgefallen, nachdem ihr Vater zumeist durch Abwesenheit geglänzt hatte. Mehr noch, Pippa hatte sogar den Eindruck, als wäre es für ihre Mutter eine Erleichterung, denn nun musste sie ihn nicht auch noch mitbetreuen.

    Erst als die Sonne untergegangen war, stand Lilly schwerfällig auf und zog sich in den Stall zurück, während Pippa in ihr Zimmer ging. Wie lange es wohl noch dauerte, bis Lilly ihre Babies zur Welt bringen würde?

    * * *

    Es war ein anstrengender Tag gewesen, mit Lilly-Kuscheln und in der Sonne liegen und das Leben genießen. Deshalb schlief Pippa sehr schnell ein.

    Sie träumte. Natürlich von Lilly. Pippa stand neben ihr im Stall. Sie hatte 13 Ferkel zur Welt gebracht. Sorgfältig achtete die frischgebackene Mutter darauf, dass jedes der Kleinen seinen Platz bekam. Zufrieden tranken sie. Dann schliefen sie ein. Ein Bild, das idyllischer nicht sein konnte. Da kam ein Mann in einem weißen Kittel, trat ganz nahe an die Mutter und ihre Babies heran. Kurz betrachtete er jedes einzelne der Kleinen, bevor er gekonnt diejenigen herauszog, die mit Penis und Hoden versehen waren. Eines nach dem anderen legte er auf den Rücken, machte zwei gekonnte Schnitte durch die Bauchdecke, legte die Hoden frei und riss sie aus.

    Das Blut spritzte Pippa ins Gesicht. Die markerschütternden Schreie der malträtierten Tiere gellten durch den Stall. Sie wollte den Mann wegstoßen, doch sie konnte sich nicht bewegen.

    Und dabei grinste er noch, als hätte er Vergnügen daran, den Tieren Leid zuzufügen.

    Schweißüberströmt fuhr Pippa aus dem Schlaf hoch.

    „Passiert das tatsächlich?", fragte Pippa ihre Mutter, als sie Minuten später neben ihr in der Küche stand.

    „Ja, das wird so gemacht und ist auch erlaubt", antwortete Sophie traurig.

    „Und warum wird das gemacht?", ließ Pippa nicht locker.

    „Weil sonst das Fleisch angeblich einen unangenehmen Eber-Geschmack hat, meinte Sophie, „Den schmecken allerdings nur 5% der Konsumenten.

    „Aber warum kann man ihnen dann nicht irgendein Schmerzmittel geben?, fuhr Pippa fort, „Ich meine, Hunde und Katzen werden doch auch kastriert, aber sicherlich nicht so.

    „Da würde ein Aufschrei durch die Welt gehen, wenn man das bei Katzen und Hunden so machen würde, sagte Sophie süffisant, „Aber es sind ja nur Schweine. Und dann darf man eines nicht vergessen. Wenn man die Kastration so aufwändig betreiben würde, wie bei Katzen oder Hunden, käme es dem Landwirt viel zu teuer. Das rentiert sich nicht. Da kommt es immer noch billiger, wenn ein Teil der Ferkel bei der schmerzhaften Prozedur selbst oder an den Folgen sterben.

    „Machen wir das auch?", stellte Pippa nun die Frage, die ihr am meisten am Herzen lag.

    „Nein, natürlich nicht", antwortete Sophie entrüstet, „Aber wir haben bis jetzt im Direktvertrieb verkauft. Da rechnete sich das.

    Und jetzt haben wir sowieso umgestellt."

    Erleichtert ging Pippa in den Stall um nach Lilly zu sehen. Diese lag, zufrieden und glücklich, wie es Pippa erschien, in der Ecke des Stalls, in der sie ihr Nest gebaut hatte. Und siehe da, 13 kleine Ferkel schliefen neben ihr. Lilly sah auf, als sie Pippa kommen hörte. Als die frischgebackene Mutter erkannte, um wen es sich handelte, schloss sie zufrieden die Augen wieder.

    „Und das hast Du alles ganz alleine geschafft", dachte Pippa, und war mächtig stolz auf ihr Lieblingsschwein. 13 Ferkel, wie aus ihrem Traum. Dann erst besah sie sich die Babies genauer. Pippa wollte sie nicht stören, so friedlich wie sie schliefen. Wohlgeformt und gesund sahen sie aus. Alle, bis auf eines, das etwas abseits lag und kleiner als ihre Geschwister zu sein schien.

    Oder bildete sich Pippa das nur ein? Sie beschloss noch abzuwarten. Außerdem war es höchste Zeit für die Schule.

    Pippa ging relativ gerne in die Schule. Nicht zuletzt wegen ihrer besten Freundin Leo, die sie sprichwörtlich aus der Sandkiste kannte.

    Eigentlich hieß sie Leonore, doch das war ihr zu umständlich. Deshalb ließ sie sich Leo rufen, was immer wieder zu Missverständnissen führte, die nicht ganz ungewollt waren. Leo jedenfalls war das genaue Abbild von Pippa, nur in dunkel gehalten. Schwarze statt roten Haaren, ein dunkler Teint, was wohl darauf zurückzuführen war, dass ihr Vater Italiener war, aber ebenso lockig und widerspenstig wie Pippas. Diesmal konnte sie es kaum erwarten, dass die Glocke das Ende der letzten Stunde verkündete. So schnell sie konnte wollte sie zu Hause sein. Keine Frage, dass Leo ihre beste Freundin begleitete.

    Als Pippa und Leo den Stall betraten, bot sich ihnen ein ähnlich idyllisches Bild wie am Morgen.

    Der einzige Unterschied war, dass die Babies nun wach waren und mit Hingabe bei der Mutter tranken, alle, bis auf das eine. Es lag ein wenig abseits, so wie am Morgen. Es schien sich seitdem nicht gerührt zu haben. Irgendetwas stimmte da nicht. Vorsichtig traten die Mädchen an das kleine Bündel Leben heran. Es hatte die Augen geschlossen und rührte sich nicht. Aber es atmete. Ohne lange zu überlegen packte Pippa es in eine Decke. Lilly sah ruhig zu, als würde sie wissen, dass Pippa ihrer Kleinen nur helfen wollte. Dann nahm sie das Baby in den Arm und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu Dr.

    Wagenscheidt. Pippa war fest entschlossen alles zu machen, dass dieses kleine Leben, das doch gerade erst begonnen hatte, es auch behalten konnte. Wirklich alles.

    So schnell sie konnten und so schonend für das kleine Schweinemädchen wie möglich, liefen sie zum Haus des Tierarztes Dr. Leopold Wagenscheidt. Seine Ordination lag am Hauptplatz des Ortes, im Erdgeschoss eines jovialen Biedermeierhauses, das sich in den Ort irgendwie verirrt zu haben schien. Im ersten Stock, über den Räumlichkeiten der Ordination, befand sich seine Wohnung. Ein kurzer Blick auf die Tafel beim Eingang bestätigte, dass sie außerhalb der regulären Ordinationszeiten gekommen waren.

    „Was machen wir jetzt?", fragte Pippa entmutigt.

    „Trotzdem anläuten. Die Kleine kann nicht warten", entschied Leo resolut, und ein kurzer Blick auf das Bündel in Pippas Armen bestätigte, dass sie recht hatte. Aber es gab sowieso kein Zurück mehr, denn Leo hatte bereits geläutet.

    „Was wollt ihr hier?", wurden die Mädchen besonders freundlich von einer behäbig wirkenden Frau mit Schürze begrüßt.

    „Wir müssen unbedingt zum Herrn Doktor", erklärte Leo, die sich nicht beirren ließ, weder durch den Ton, noch durch den Blick, der Pfeile auf sie abzuschießen schien.

    „Worum geht es?", fragte die Frau, in der Pippa die Gattin des Arztes erkannte.

    „Mein Ferkel stirbt", sagte Pippa nur kurz.

    „Dann kommt zu den Ordinationszeiten", war die mitleidlose Antwort. Fr. Wagenscheidt wollte die Türe wieder schließen, doch da kam ihr Leo in die Quere, die wohl die Absicht erkannt und den Fuß dazwischen gestellt hatte.

    „Haben Sie nicht gehört was meine Freundin gesagt hat? Die Kleine stirbt und braucht dringend ärztliche Hilfe", meinte sie, so laut, dass es wohl sämtliche Nachbarn hören mussten.

    „Der Herr Doktor ist gerade beim Essen, und wegen sowas werde ich ihn sicher nicht holen", entgegnete die Angetraute des Arztes ungerührt.

    „Weswegen wirst Du mich nicht vom Essen holen?", drang eine sonore Stimme aus dem Hintergrund zu ihnen.

    „Diese aufdringlichen Gören wollen allen Ernstes, dass Du Dein Essen wegen eines Ferkels kalt werden lässt", meinte die Angesprochene.

    Inzwischen hatte der Doktor die Türe geöffnet und einen

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