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Der Lumpendämon
Der Lumpendämon
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eBook493 Seiten5 Stunden

Der Lumpendämon

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Über dieses E-Book

Im Jahre 1691 lehrte die Stadt Crossfall die Hexe Thessaly, wie man stirbt. Sie schlugen sie, sie schossen auf sie, sie hängten sie - aber nichts funktionierte. Als sie schließlich versuchten, sie bei lebendigem Leib zu begraben, hetzte die Hexe den Acker gegen sie auf. Der erste Mann starb, als ein Windstoß ihm das Fleisch von den Knochen pflügte. Eine Wurzel, geschleudert wie ein schmutziger Speer, fällte den Zweiten. Viele weitere Männer und Frauen starben. Der Prediger Fell spießte die Hexe mit ihrem eigenen Besen auf, aber sie zerrte ihn mit sich unter die Erde, um dort die Jahrhunderte abzuwarten.

Dreihundert Jahre später ermordet Maddy Harker ihren tyrannischen Ehemann Vic. Sie begräbt ihn in dem Acker, in dem sie bereits vor Jahren ihren gewalttätigen Vater beerdigt hat. In dem gleichen Acker, in dem der Geist von Thessaly Cross auf seine Wiederkehr wartet.

In drei Tagen wird Vic auferstehen - als ein Wesen aus Staub, Knochen und Hass.

Man wird ihn den Lumpendämon nennen.

Und die Hölle - und Thessaly - werden ihm folgen.

SpracheDeutsch
HerausgeberSteve Vernon
Erscheinungsdatum12. Apr. 2020
ISBN9781071539101
Der Lumpendämon
Autor

Steve Vernon

Everybody always wants a peek at the man behind the curtain. They all want to see just exactly what makes an author tick.Which ticks me off just a little bit - but what good is a lifetime if you can't ride out the peeve and ill-feeling and grin through it all. Hi! I am Steve Vernon and I'd love to scare you. Along the way I'll try to entertain you and I guarantee a giggle as well.If you want to picture me just think of that old dude at the campfire spinning out ghost stories and weird adventures and the grand epic saga of how Thud the Second stepped out of his cave with nothing more than a rock in his fist and slew the mighty saber-toothed tiger.If I listed all of the books I've written I'd most likely bore you - and I am allergic to boring so I will not bore you any further. Go and read some of my books. I promise I sound a whole lot better in print than in real life. Heck, I'll even brush my teeth and comb my hair if you think that will help any.For more up-to-date info please follow my blog at:http://stevevernonstoryteller.wordpress.com/And follow me at Twitter:@StephenVernonyours in storytelling,Steve Vernon

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    Buchvorschau

    Der Lumpendämon - Steve Vernon

    WIDMUNG

    Für meine Frau Belinda - ohne dich bin ich nur eine einsame, alte Vogelscheuche auf einem einsamen, alten Acker.

    BUCH EINS

    WIEDERGÄNGER

    PROLOG - SOMMER 1691

    Prediger Abraham Fell starrte hinab auf die Hexe Thessaly Cross, sein Atem stoßweise, als wäre er gerannt. Er beugte sich vor, ging dabei leicht in die Hocke, und legte einen weiteren Felsbrocken auf ihre Brust.

    „Wir schlugen dich mit Nussbaumholz, und wir schlugen dich mit Eisen, sagte er. „Und du hieltest jedem Schlag stand.

    Er bückte sich und hob wieder einen Felsen auf, wobei er sie nie aus den Augen ließ, ganz so als wäre sie eine gefährliche Schlange, die jeden Moment angreifen könnte.

    Er platzierte den Felsen auf ihr, direkt neben die anderen.

    „Wir schossen auf dich und die Kugeln brachen aus ihrer Flugbahn aus, als hätten sie Angst gehabt, in die Verderbnis deines Fleisches einzudringen."

    Mit einem Grunzen hob er den nächsten Felsen auf. Er war einfach nicht mehr der junge Mann, der er einst gewesen war - und das war auch nicht verwunderlich.

    Anblicke wie dieser ließen einen schneller altern als der bloße Lauf der Zeit es vermochte. 

    „Wir hängten dich mit einer Schlinge gewebt aus dem ergrautem Haar einer Witwe, einer Schlinge getränkt in den Tränen von Kindern, und du tratst um dich und lachtest hämisch, wie ein Höllendrachen im Wind."

    Er legte den Felsen ab, sank auf die Knie und hob einen weiteren Stein auf. Er hatte zu einer Art Rhythmus gefunden, was die Arbeit ein klein wenig erleichterte.

    „Wir versuchten es mit Feuer, doch selbst das versagte gegen dich."

    Das stimmte. Sie hatte einen Sturm von dem wolkenlosen Himmel herabgehext und die Feuersbrunst kalt ertränkt. Der junge Seth Hamilton, der ortsansässige Schmied, der als Einziger den Mut aufgebracht hatte, ihren Scheiterhaufen anzuzünden, war zu schwarzer Asche zerfallen.

    „Mögen die Steine dich erdrücken und der Staub dich fressen", sagte Fell und fügte noch einen Felsen hinzu - den insgesamt dreizehnten. Die Felsbrocken waren alle von ansehnlicher Größe, handverlesen, ein jeder zumindest so schwer wie die Leiche eines Kindes. Thessaly hätte von dem Gewicht zerquetscht werden müssen, doch trug sie die Last als bestünde sie lediglich aus Stroh und dürren Zweigen.

    „Wo hast du den Besen versteckt, Hexe?", fragte Fell.

    „Vielleicht steckt er in deinem Zapfloch, höhnte Thessaly. „Hast du ihn dort schon gesucht?

    Der Besen barg ihre Macht, und Fell fürchtete ihn - wenngleich er wusste, dass er das nicht sollte. Er war bloß ein Gegenstand, verwobene Weidenzweige, nichts weiter. Seine Großmutter fegte täglich den Kiefernboden ihrer Hütte mit genau so einem Besen, und sie war gewiss keine Hexe.

    Oder etwa doch?

    Er bückte sich nach einem weiteren Stein. 

    Thessaly spuckte ihm ins Gesicht. „Begrab das, du Wurm Gottes."

    Er ließ den vierzehnten Stein auf sie fallen. Ein hartes Geräusch erklang dabei, so als hätte die Hexe zu lange auf die Medusa geblickt und wäre versteinert. Er stöhnte vor Anstrengung und sie lachte über seine Mühen - was seinen Stolz schwer verletzte. 

    „Du musst für deine Verbrechen an Gott und dieser Gemeinschaft bezahlen", sagte Fell.

    Thessaly schnaubte. Das Geräusch hatte nichts Menschliches an sich. Ihr Schnauben klang schwerfällig, wie das eines Tieres - eines brünstigen Wildschweins. 

    „Ich bezahle dafür, dass ich mich geweigert habe, euch mein Land zu geben, entgegnete sie, während der Wind das Gras erbeben ließ. „Ich bezahle dafür, dass ich eure Felder verhext habe, als Antwort auf eure Gier. Ich bezahle für euer Vieh, das von dem grauen Gras gefressen hat. Mit der größten Freude bezahle ich für deine Tochter, Fell.

    Eliza.

    Verdammt sollte die Hexe sein.

    Fell schmeckte immer noch den Geruch von totem Fleisch, der sich in den hintersten Winkeln seiner Stirnhöhlen festgesetzt hatte. Er hatte die letzte verderbte Kuh erst an diesem Morgen getötet. Er hatte ihr mit seiner besten Spaltaxt den Schädel eingeschlagen. Das Metall der Klinge hatte sich in den Knochen gefressen und war dort steckengeblieben. Er hatte sich mit dem linken Stiefel an der Stirn der Kuh abstützen müssen, um die Axt wieder freizubekommen. Die unheiligen Rinder hatten sich nicht einen Schritt weit bewegt - nicht einmal, nachdem er die ersten beiden umgehackt hatte. Die verfluchten Tiere hatten einfach nur auf dem Feld gestanden, während der Wind mit sanftem Harfenklang durch ihre grauen, aufgewühlten Gedärme blies.

    Seine Tochter Eliza hatte er erlöst bevor er mit den Kühen anfing. Dann hatte er ihre Überreste verbrannt und ihre Asche auf dem Feld vergraben.

    Ihre leere Hülle hätte nicht einmal einen Wurm genährt.

    „Hat die Milch geschmeckt, Fell?, verhöhnte Thessaly ihn. „War sie der kleinen Eliza süß genug?

    „Hexe!", zischte Fell.

    Er schnappte sich einen Felsbrocken von der Größe eines Schädels, rieb seine Hand an dem rauen Granit, zeichnete ihn mit seinem Blut. Er würde diesen Stein, sein Blut, mit ihrem messen, schwor er voller Ingrimm.

    Doch erst musste er es wissen.

    „Wo hast du den Besen versteckt?"

    „Näher als du es dir vorstellen kannst."

    Sie spuckte erneut aus. Schleim besudelte das Gras. Der Wind wehte etwas heftiger, als Fell den Stein schleuderte. Der Granit splitterte, schlug Funken aus ihrem Fleisch. 

    Der Bauer in Fells Seele verspürte Angst. In trockenen Zeiten wie diesen konnte ein Funke leicht zu einem Lauffeuer anwachsen und die gesamte Nachbarschaft verzehren.

    „Ich verfluche dich, Fell. Ich verfluche dich und all jene, die an deiner Seite stehen, begann die alte Frau zu intonieren. „Lustig durch den Dornbusch, den Blutbusch, den Hügel, vorsichtig um den Distelhang herum, fängt sie deinen Schatten, hält ihn...

    Die Schaulustigen erstarrten, wie Vogelscheuchen im Winter. Angst, oder etwas Dunkleres, ließ sie an dem erdigen Boden zu ihren Füßen festfrieren. Fell stolperte rückwärts, fort von der Grube. Der Wind wehte stärker, wilder, während Thessaly immer lauter lachte.

    „Vater unser, begann Fell zu beten. „Beschütze uns vor dem bösen Zauber dieses Weibes.

    Thessaly lachte weiter.

    „Es ist kein Zauber, du Narr. Es ist nichts als ein Kinderreim, Fell. Ein harmloses Schlaflied. Vielleicht habe ich eure Felder ja gar nicht verhext. Vielleicht habe ich bloß meinen Besen nach einer diebischen Krähe geschwungen."

    Sprach sie die Wahrheit? 

    Fell erstickte seine Zweifel. 

    Thessaly Cross hatte Eliza ermordet, und Abraham Fell würde nicht ruhen, bis die Hexe endlich tot war.

    Er kniete sich hin und griff nach dem nächsten Stein.

    Doch sie blieb nicht stumm.

    „Hexen verfluchen niemanden, Fell. Nur Menschen tun das, zeterte Thessaly. „Sie verfluchen sich selbst und ihr erbärmliches Schicksal.

    „Du lügst," sagte Fell und zerrte den Stein aus der Erde.

    „Die Wahrheit! Ich spreche die Wahrheit. Hexen tanzen in sanften Kreisen. Wir folgen den Rhythmen von Zeit, Ebbe und Flut, und dem Wind, der die Knochen der Erde trocknet."

    Der Wind heulte. Eine verdrehte Wurzel schoss aus dem Staub. Fell wich zu spät aus. Die Wurzel wand sich wie eine Schlange. Sie wickelte sich um seine Handgelenke und hielt ihn fest.

    „Hexen pflanzen, was die Menschen mit ihren Tränen begießen, kreischte Thessaly. „Hexen säen das Leid, das die Menschen ernten müssen. Wisse dies, Fell. Wenn du einer Hexe schadest, pflanzt du einen Groll, so alt wie die Reue selbst.

    Fell zerrte an der Wurzel. Aus dem Augenwinkel sah er den Rest der Dorfbewohner, gefangen wie schreiende Hasen.

    „Ich habe dich, Fell. Ich habe euch alle. Jetzt sollt ihr sehen, was ein verhexter Acker wirklich ist."

    Und Thessaly erweckte das Feld zu unheiligem Leben. 

    Sie holte das tote Gras zurück. Die Halme schwirrten wie ein Wind aus Zähnen, schnitten sich durch die Männer und Frauen, die zu spät versuchten, zu fliehen. 

    Der erste Mann starb, einen Schrei auf den Lippen, als das Gras ihm das Fleisch von den Knochen pflügte. Eine Wurzel, geschleudert wie ein schmutziger Speer, spießte den Zweiten auf. Den Dritten fällte eine Lawine aus Felsbrocken, die durch die Luft auf ihn herabgeschleudert wurde. 

    Der Wind verfärbte sich grau mit Staub, Stroh und Fleisch. Die Erde öffnete große Krater, wie gierige Schlünde.

    Die Dorfbewohner starben alle, und sie starben schreiend.

    Nur Fell blieb übrig. 

    Er starrte auf das blutige Gemetzel, hilflos wie eine Maus in der Falle.

    „Hexen säen, Fell. Hexen säen, und die Menschen müssen ernten."

    Sie hob die Hände.

    Er sah grauen Schmutz unter ihren Fingernägeln.

    „Soll ich dir sagen, wo ich meinen Besen versteckt habe, Fell? Kannst du es erraten? Willst du es wirklich wissen? Ich habe ihn in deinem eigenen Acker vergraben."

    Der Besen erhob sich aus dem schmutzigen Leib der Erde, weniger als eine Armlänge von Fell entfernt.

    „Ich und mein Besen werden auf dich warten, Fell. Wir werden auf dich warten, wie Samen auf den Regen. Lebe mit diesem Wissen. Ich habe dir jeden genommen, den du kanntest, doch lasse ich dich leben, auf dass du dich fortpflanzen kannst. Ich lasse dich leben mit dem Wissen, dass ich eines Tages zurückkehren werde, um deine Nachkommen heimzusuchen."

    Fell bemühte sich um einen besseren Stand auf dem lockeren Boden. Er flehte zu Gott um Stärke, um Kraft. Er kämpfte gegen die Wurzel an.

    „Nun will ich dir zeigen, wie man eine Hexe begräbt", frohlockte Thessaly.

    Sie schlang ihre Arme um sich selbst, als umarme sie einen unsichtbaren Geliebten. Die Erde bewegte sich, antwortete auf ihren Ruf. Tausende Felsen erhoben sich aus dem Leib des Ackers und schwebten über ihrem schlichten Grab. Fell riss sich die Wurzel von den Handgelenken.

    Er spürte, wie sich die Haut von seinen Knochen löste.

    „Keine Nachkommen! Kein Fluch! Heute sterben wir gemeinsam", schrie er.

    Mit seinen schmerzenden, gehäuteten Händen zerrte er den Besen aus dem Boden. Er warf sich auf sie. Sein Gewicht trieb den Besenstiel direkt in ihr Herz. Ein Schwall stinkenden Bluts ergoss sich über sein Gesicht.

    Das Weidenreisig am Ende des Besens stand in alle Richtungen ab, wie die Zacken eines wütenden Sterns. Fell sah kleine, unvorstellbare Zähne am Ende eines jeden Zweigs aufblitzen. Sie schienen ihn anzugrinsen.

    Dann fiel der Besen über ihn her. 

    Er fraß sein Gesicht, als wäre seine Haut nichts weiter als die Schale eines Apfels. Er spürte, wie die glühend heißen, wurmartigen Zweige an ihm nagten. Er spürte, wie sie sich durch seine Schädelknochen bohrten und brannten. Sie krochen in die weiche Masse seines Gehirns und knabberten an seinen Gedanken.

    Ihm blieb nur noch Zeit für einen letzten Schrei.

    Der Besen fraß auch diesen. Er schluckte jeden Krümel von Abraham Fells Schmerz und Panik, während er ihn immer tiefer hinab in das Loch zerrte, in dem die Hexe lag. Die Felsen lauerten über ihnen, als wären sie Hände, bereit zu applaudieren. Thessaly schob ihn von sich herunter. Sie schob ihn fast aus dem Grab.

    „Lebe, Fell. Lass das Fleisch wieder zuwachsen, deinen geöffneten Schädel erneut bedecken. Krieche zurück von der Schwelle des Todes. Mein Fluch soll bestehen bleiben. Diese Erde wird zu kalt für mich. Ich werde auf dich und deine Nachkommen warten, in den Tiefen der Hölle."

    „Nein! Fell warf sich erneut auf sie. „Der Fluch endet hier.

    Er ließ sich mit aller Wucht fallen. Er spürte, wie der Besen seine Rippen durchstieß. Er verstärkte den Druck, spießte sich selbst an dem Besenstiel auf. Das Weidenholz zersplitterte in seinem Inneren. Es nagelte ihn an Thessaly, die sich unter ihm wand. Er spürte die Bewegungen ihrer Knochen unter ihrem Fleisch, wie zappelnde Würmer in der Erde.

    Beinahe entkam sie ihm.

    Er biss in ihre Lippen, zerrte an dem gräulichen Fleisch. Der Schmerz riss sie aus ihrer Konzentration. Der Zauber entglitt ihr, und die Felsen über ihnen prasselten auf sie herab. Sie versiegelten das Grab, schlossen den Besen, die Hexe und Fell vollständig ein.

    Nichts bewegte sich mehr.

    Der Mond ging auf, strich über den Himmel wie ein träges Gespenst und verbreitete sein fahles Licht auf dem Schlachtfeld.

    Da, plötzlich, schob sich eine kleine, graue Gestalt aus dem felsigen Grab. Die haarlose Haut glänzte im kühlen Licht des Mondes, wie der Balg einer tot geborenen Ratte.

    Das Wesen kroch davon, verschwand in der Dunkelheit, die das Feld umgab.

    Eine einsame Eule schrie erbarmungslos.

    ...baaald...

    KAPITEL EINS - Dreihundert Jahre Später

    * 1 *

    Ich werde sterben, dachte Maddy. 

    Und es ist alles meine Schuld.

    Sie starrte auf das dunkle Glas des Küchenfensters, auf ihr eigenes Spiegelbild darin, und die Augen ihrer toten Mutter starrten zurück. Die Geisteraugen stellten eine Frage.

    Was wirst du jetzt tun, Mädchen?

    Maddy wusste es nicht.

    Vic stand mitten in der Küche und ruderte mit den Armen wie eine Windmühle. Zigger schlich um seine Beine herum, die Augen groß und bleich wie verfaulte Monde, und hoffte auf Futter.

    Schon wieder.

    „Was zur Hölle hast du dir gedacht?", brüllte Vic.

    Maddy spürte, wie ihre Knochen sich streckten, durch die Bodenbretter hindurch, in die Erde darunter. Sie spürte, wie ihre Knochen Wurzeln schlugen, Samen trieben. Was hatte sie sich gedacht? Sie hätte schon vor Jahren davonlaufen sollen.

    Jetzt saß sie in der Falle. 

    Genau wie ihre Mutter.

    Vic brüllte weiter. Das war eines der wenigen Dinge, in denen er gut war. „Ich komme ein kleines bisschen später nach Hause und du machst so etwas. Was hast du dir dabei gedacht?"

    Maddy bereute nicht, was sie getan hatte. Sie bereute nur, dass sie sich dabei so dumm angestellt hatte. Sie war wütend gewesen. Sie hätte wissen müssen, dass es Ärger geben würde. Sie musste jetzt ruhig bleiben, so ruhig wie nur irgendwie möglich. 

    Sie betrachtete ihr Spiegelbild, als sie antwortete.

    „Ein kleines bisschen später? Es ist schon fast Mitternacht. Du hättest anrufen können."

    „Das Münztelefon in Bensons Restaurant war kaputt. Irgendwer hat eine verdammte Nacktschnecke in den Apparat gestopft."

    Vic hatte immer eine Ausrede parat. Bei Gott, sie hatte das so satt. Sie hatte eine Menge Dinge satt. Mit Vic verheiratet zu sein hatte eine Menge Spaß gemacht, anfangs, aber der Spaß hatte sich schnell in Ernst verwandelt. Vic war fies geworden, kaum dass er seine mit billigem Strass besetzte Leine um ihren Finger geschlungen hatte.

    „Du warst nicht bei Benson, sagte Maddy. „Du warst in der Kneipe und hast deinen Gehaltsscheck versoffen. Wahrscheinlich hast du auch mit dem kürzesten Rock im ganzen Lokal herumgeflirtet, darauf wette ich.

    Vics Gesicht verzog sich zu einem vielsagenden Grinsen. 

    Er war ein so dermaßen kompletter Mistkerl. 

    Er versuchte nicht einmal, es zu verbergen.

    „Ein Mann hat das Recht, sich zu entspannen. Abgesehen davon war ich sehr wohl bei Benson, auf eine Tasse Kaffee."

    Sie hatte die Streitereien satt, aber was konnte sie sonst tun? Sich von ihm scheiden lassen? Sie konnte keine Unterhaltszahlungen von ihm erwarten. Vic würde bloß lachen und wegfahren, und das wäre es dann - sie würde von Sozialhilfe leben müssen. 

    Auf keinen Fall.

    Lieber tot und begraben als Sozialfall.

    „Ich rieche Bourbon", merkte sie an und bereute es umgehend.

    Vics Augen verengten sich zu Schlitzen aus geschliffenem Glas.

    Maddy war zu weit gegangen.

    „Vielleicht ist deine Nase gebrochen und dein Geruchssinn deswegen gestört, schlug er vor. „Das kommt vor.

    So etwas von bescheuert. Sie hatte nicht vorgehabt, ihn wütend zu machen. Sie sollte hier und jetzt aufgeben, sich entschuldigen, den Streit beenden - bloß war ihr nicht danach. 

    Sie lockerte ihre Muskeln und machte sich bereit, sich wegzuducken. 

    Sie schaffte es meistens, den ersten paar Schlägen auszuweichen.

    „Du hättest anrufen können, beharrte sie. „Münztelefon hin oder her. Du hättest Jack bitten können, dass er dich das Telefon hinter der Theke benutzen lässt. Es hätte ihm bestimmt nichts ausgemacht.

    Vic fuhr über ihre Worte wie mit einem Bulldozer. „Red keinen verdammten Quatsch, Mädchen. Jack Benson lässt nie jemanden sein Telefon benutzen. Da müsste schon die Küche brennen."

    „Du hättest es versuchen können."

    „Auch egal. Mein Zuspätkommen ist keine Entschuldigung für das, was du getan hast."

    „Es war kalt geworden", erklärte sie zum zehnten Mal.

    „Wofür haben wir eine Mikrowelle?"

    „Die Mikrowelle ist kaputt, genau wie Bensons Münztelefon."

    Fast hätte er gelacht. Zu schade, dass er es nicht tat. Es hätte den Streit beendet, doch leider, ohne Grund oder Vorwarnung, fing Zigger an zu bellen. Vic trat ihm kräftig gegen die Rippen. Der Hund jaulte auf.

    „Halt die Klappe, Köter."

    Der Tritt hätte ihm helfen sollen, sich abzureagieren, aber so funktionierte Vic nun einmal nicht. Jedes bisschen Gewalt stachelte ihn nur weiter an, wie ein Schürhaken ein Feuer.

    „Ich will endlich wissen, was du dir gedacht hast, knurrte er, in seinen Zorn verbissen wie ein Hund in seinen Knochen. „Warum du das getan hast. 

    „Es war kalt geworden, wiederholte sie. „Es war kalt geworden, ich war müde und es war schon fast Mitternacht. Der Hund hat etwas zu fressen gebraucht. Wenn du Hundefutter gekauft hättest, wie ich dich gebeten hatte, hätte ich ihm nicht dein Essen geben müssen.

    „Das ging nicht, es lief ein Hockeyspiel im Fernsehen, entgegnete Vic. „Wieso verstehst du das nicht?

    Er hob die Stimme, wie ein beleidigter kleiner Junge. Er war einfach zu dämlich. Ihm war nicht einmal ansatzweise bewusst, was für ein kompletter Scheißkerl er war. Maddy musste beinahe lachen, aber das hätte er gewiss als Provokation verstanden.

    Sie hegte keine Selbstmordabsichten.

    Noch nicht. 

    Sie bemühte sich um Frieden.

    „Schau, Vic, es gibt noch Salami im Kühlschrank, wenn du magst. Ein paar saure Gurken und Ketchup sind auch noch da. Ich kann dir gerne ein paar Scheiben Brot toasten und dir ein Sandwich machen."

    „Ich will keine stinkige Salami, und dein eingelegtes Zeug macht mich krank. Ich will mein verdammtes Abendessen, und ich will es jetzt."

    Von unter der Tischplatte hervor, wo er in Sicherheit war, fing Zigger erneut an zu bellen. Seit er nichts mehr sehen konnte, machte er das ständig. Sein Gekläff hallte von den rattengrauen Küchenwänden wider, bis es schien, als wollte der Verputz bröckeln.

    „Ruhe!", brüllte Vic und trat nach dem Tisch und dem Hund darunter.

    Lass dich nicht provozieren, sagte Maddy zu sich selbst, aber etwas wuchs da in ihr und wurde mit jedem Moment, der verging, größer.

    „Ich dachte mir", begann Maddy, während sich ihr Gehirn abmühte herauszufinden, wie sie das Thema wechseln könnte.

    Nur ganz kurz glitt ihre Aufmerksamkeit ab, aber mehr brauchte Vic nicht. Er packte ihr Kinn und drehte ihr Gesicht herum, so dass sie ihm in die Augen sah.

    „Du dachtest was, Maddy? Was hast du dir gedacht? Was hast du dir jemals in deinem gottverdammten Leben gedacht?"

    Er schob sein Gesicht näher an sie heran, ragte über ihr auf. Er hätte das gar nicht nötig gehabt. Vic war ohnehin groß, ein Totempfahl von einem Mann, mit breiter Stirn und kantigem Kinn, umrahmt von einem Dickicht dunkler, zerzauster Haare. Maddy fühlte sich klein, wenn sie nur neben ihm stand. Das hatte mit der Zeit eine Art langsame Erosion tief in ihrer Seele bewirkt. Mit jedem Jahr hatte Vic sie sich ein wenig kleiner fühlen lassen, hatte sie zurechtgestutzt, bis sie schließlich kaum mehr als ein Schatten war.

    An manchen Tagen fühlte sie sich, als wäre sie nichts weiter als eine Marionette, die an seinen Schnüren tanzte.

    „Falls du endlich gelernt hast, wie man denkt, dann will ich das aber genauer wissen", fuhr Vic fort.

    Das Etwas in ihrem Inneren wurde noch größer. Jeder Atemzug schmerzte wie Messer in ihrer Lunge, und ihr Herz hämmerte wie ein verrückter Schlagzeuger. Es ist ein Herzinfarkt, dachte sie. Ich habe einen Herzinfarkt.

    „Maddy? Hörst du mir zu?"

    Gott, bin ich froh. Bald ist es vorbei. Er kann mich begraben, wo er will.

    Es ist mir egal.

    Zigger kläffte und rutschte über den Fußboden.

    „Halt die Klappe, Köter, knurrte Vic. „Schlimm genug, dass du mein verdammtes Essen gefressen hast.

    Maddy presste die Augen zu. Blaues Licht explodierte hinter ihren geschlossenen Lidern, als würde jemand ein Feuerwerk in ihrem Kopf veranstalten.

    Mein Gott.

    Es ist ein Schlaganfall, dachte sie. Ein Schlaganfall, oder ein Herzinfarkt, oder vielleicht so etwas wie ein Aneurysma.

    Was auch immer es war, es konnte nicht schlimmer sein als ein Leben mit Vic.

    Genau da schnippte Vic mit den Fingern, einen Zentimeter von Maddys Gesicht entfernt, und riss sie von der Schwelle ihres eingebildeten Todes zurück.

    „He!", schrie er.

    Maddy öffnete erschreckt die Augen.

    „Hörst du mir zu?"

    Sie starrte ihn an. Es war kein Herzinfarkt, aber etwas war es ganz bestimmt. Ein blauer Lichtpunkt erschien auf Vics Brust. Maddy wusste, dass das blaue Licht irgendwie aus ihrem Inneren gekommen sein musste. Es war kein bewusster Gedanke. Eher eine Art Gefühl.

    Der Punkt schwebte über seinem Herzen, flimmernd, wie ein blaues Glühwürmchen.

    „Also?"

    Sie sah ihre Chance und ergriff sie.

    „Es war kalt geworden, Vic. Dein Abendessen war kalt geworden, und das Fett hatte sich abgesetzt, und ich dachte, du wärst bei Benson, und das ist schließlich ein Restaurant, also habe ich angenommen, du würdest dort essen. Hast du das etwa nicht gemacht?"

    Da war sie, die rettende Kavallerie. Sie hatte ihm die Schuld zugewiesen. Sie hatte ihn in die Defensive gedrängt. Das würde klappen, wie immer. Sie hatte ihn in seiner Lüge gefangen. Jetzt musste er weiterlügen, um sein Gesicht zu wahren.

    Sie hatte gewonnen. Wieder einmal.

    Es war ihr egal. Es fiel ihr nicht einmal wirklich auf.

    Sie war zu sehr damit beschäftigt, das blaue Licht anzustarren. Was war es bloß? Vielleicht kam das Licht ja gar nicht von ihr. Vielleicht kam es von woanders. Von einer dieser Laserpistolen, wie man sie im Kino sah. Was, wenn da ein Scharfschütze draußen in der Dunkelheit auf dem Acker war und auf ihre Küche zielte? Sich bereit machte, zu schießen? Würde es ihr etwas ausmachen, wenn Vic in kleine Stücke zerschossen würde?

    Sie beschloss, abzuwarten. Sie würde es schon merken.

    „Hörst du mir zu, Mädchen?"

    Sie nickte unbestimmt, wie verzaubert von dem blauen Punkt.

    Vic verdrehte angewidert die Augen. „Wach auf, Strohgehirn! Jesus, du siehst aus wie ein Schlafwandler. Hörst du zu? Hallo?"

    „Ich höre zu, Vic."

    Aber das tat sie nicht. Das tat sie schon seit Jahren nicht mehr. Vic hatte einfach nichts Neues zu sagen. So weit es ihre Ehe betraf, hatte er vor langer Zeit aufgehört, sich weiterzuentwickeln.

    Der blaue Lichtschein wurde breiter. Fast wie das Bild auf dem alten Fernseher ihres Vaters beim Ausschalten, nur umgekehrt.

    „Du hörst einen Dreck zu. Himmel noch einmal. Ich weiß beim besten Willen nicht, warum ich dich jemals geheiratet habe. Dein Papa hatte recht, weißt du. Du bist dumm und hässlich."

    Das tat weh. 

    „Ich bin nicht hässlich, Vic. Vielleicht bin ich dumm, aber ich bin ganz bestimmt nicht hässlich."

    Das stimmte. Maddy war immer hübsch. Kein Filmstar, das nicht. Sie war auf eine zähe Art hübsch, wie eine Wiesenblume in voller Blüte. Strohblondes Haar, glatt wie poliertes Holz - und Augen, die ihr Vater stets als kornblumenblau bezeichnet hatte. Eine kleine, unregelmäßige Wölbung am Nasenrücken, und die Nase ein wenig nach unten gekrümmt, wie ein Fluss, der eine Biegung macht. Die Schenkel etwas dünn von der Arbeit und den Sorgen, aber nach ein paar Jahren mit Vic konnte man nichts anderes erwarten.

    „Du bist dürrer als eine Bohnenstange, und wenn deine Titten noch weiter herunterhängen, hinterlässt du bald Schleifspuren beim Gehen."

    Das war eine grausame Wahrheit. Maddys Brüste krochen Jahr für Jahr näher an ihren Bauch heran. Mittlerweile verdeckten sie beinahe schon die kreisförmige Ansammlung fünf winziger Narben, die Vic ihre Rippenlöcher nannte. Aber was konnte sie dagegen tun? 

    Sie festnageln?

    „Es ist das Gesetz der Schwerkraft, Vic, erklärte sie. „Früher oder später geht es mit uns allen abwärts. Das lässt sich nicht verhindern. Nur Ärger kommt wieder hoch.

    Sie starrte weiter auf den blauen Punkt, sah zu, wie er wuchs. Vic schien das blaue Licht überhaupt nicht zu bemerken, egal, wie groß es wurde. Der Punkt begann sich zu verändern, als wollte er eine bestimmte Form annehmen.

    „Jetzt fängst du schon wieder an, beschwerte sich Vic. „Wenn du die Hausarbeit anständig erledigen würdest, anstatt immer nur herumzuträumen, käme ich vielleicht besser gelaunt nach Hause.

    Das war eine dreiste Lüge. Vic wusste nicht, was gute Laune war, außer, wenn er getrunken hatte, und nicht einmal das barg irgendeine Garantie.

    Das blaue Etwas wuchs zu einer Gestalt heran. Es sah aus wie eine Art Lumpenpuppe und wurde immer noch größer. Vic schlug zur Bestätigung seiner Worte mit der Faust auf den Küchentisch. Salz- und Pfefferstreuer klapperten in ihrem hölzernen Ständer. 

    Maddy bemerkte es nicht. 

    Sie starrte nur auf das schwebende, blaue Bild direkt zwischen ihr und Vic.

    Das Bild eines vor langer Zeit verstorbenen Mannes.

    „Wie lange willst du diesem Unfall auf Beinen diese Art Scheiße noch durchgehen lassen?", fragte Maddys toter Vater.

    * 2 *

    Helliard Jolleen fuhr einen Mercury, genau wie sein Papa. Zwei verschiedene Schattierungen Rot überdeckten die verbliebenen rostigen Flecken des ursprünglichen rotbraunen Farbtons. Duane bezeichnete die Kombination als Marsmenschentarnfarbe. Helliard dachte dabei lieber an Flammen, oder Blut. 

    Heute waren es Flammen UND Blut.

    Helliard war sich einer Sache ganz sicher.

    Einer Sache, die ihm sein Papa vor sehr langer Zeit erklärt hatte.

    „Der Tod lauert überall, Junge. Er wartet gleich hinter der nächsten Ecke auf dich und springt dich an, wenn du es am wenigsten erwartest. Wenn du daran glaubst, macht dich das stark. Das Erste, was du lernen musst, ist den Tod nicht zu fürchten."

    Helliards Papa, der früher an Hank Snows Seite Gitarre gespielt hatte und der einer vollgesogenen Zecke die Katze unter dem Hintern wegschießen konnte, hatte Helliard zwei Dinge beigebracht: den Rhythmus, und das Töten.

    „So lange du am Leben bist, Helliard, so lange musst du kämpfen, klar? Die meisten Leute, wenn sie kämpfen sagen, dann meinen sie sich prügeln. Ich nicht. Sich prügeln, das ist etwas für Kinder. Wenn ich kämpfen sage, meine ich töten. Einen Mann, der in einen Kampf hineingeht mit der Bereitschaft zu töten, den kann man nicht besiegen. Also musst du lernen zu töten. Und das Töten, das ist genau wie ein Country Song. Es hat einen Rhythmus, so einfach wie atmen, oder tanzen, egal ob du jemanden erschießt, erstichst, oder schlicht und ergreifend zu Brei drischst."

    Das war Papas Wahrheit, und eine gottverdammte Lüge. 

    Helliard wusste das jetzt, mit absoluter Gewissheit.

    Verdammt!

    Er riss den roten Mercury herum, was die Hälfte von Duane Telfords Kartoffelchips in seinem Bart verteilte.

    „Scheiße, Helliard!, fluchte Duane, während er versuchte, sich den Rest seiner Chips in den Mund zu stopfen. „Willst du mich umbringen?

    Duane war ein fettes, nutzloses Arschloch. Unter normalen Umständen hätte Helliard ihn nicht weiter beachtet. Heute jedoch, nach dem Besuch im Krankenhaus, fühlte sich Helliard weit abseits von normal.

    „Halt deine verfluchte Klappe, Duane. Du frisst sowieso zu viel. Deine Wampe wird noch dein Tod sein, das schwöre ich."

    Helliard wischte sich eine rote Haarsträhne aus dem Auge. Seine Haare waren auch ein Geschenk seines Papas. Er behauptete, die Farbe wäre das angeborene Feuer der Jolleens, das aus ihren Köpfen auszubrechen versuchte.

    „Scheiße, Helliard. Seit du aus dem Krankenhaus gekommen bist, führst du dich dreckiger auf als eine rostige Axt. Was zur Hölle ist los mit dir?"

    Helliard dachte an das Krankenhaus. Er dachte an seinen Papa. Er dachte an das, was zu tun er sich nicht getraut hatte.

    Es war ihm alles zu viel.

    „Halt deine beschissene Klappe, bevor ich deinen Arsch durch deine Zähne trete, Duane."

    „Ach Scheiße, Helly, deinetwegen habe ich fast alle meine Kartoffelchippies ausgestreut", beschwerte sich Duane und zupfte sich die größeren Krümel aus dem Bart.

    „Chips, Duane. Nicht Chippies. Das Zeug heißt Chips. Abgesehen davon frisst du verdammt noch einmal zu viel."

    „Ich wachse," sagte Duane.

    „Du wächst mir auf die Nerven und sonst gar nichts. Jetzt halt deine beschissene Klappe, okay?"

    Duane hielt die Klappe. Die Leute hielten immer die Klappe, wenn Helliard es ihnen befahl. Helliard war ein harter Hund.

    Ja, klar. Sicher doch.

    Er zog eine Zigarette aus der Packung in seiner Hemdtasche. Er ließ sein Zippo aufschnappen und gleichzeitig aufflammen, ohne in der Bewegung innezuhalten. So mochte Helliard es - cool und knallhart, ohne großes Nachdenken.

    Bloß fühlte er sich gerade gar nicht so cool. Nicht nachdem er seinen Papa in dem Krankenhausbett gesehen hatte, mit weniger Fleisch auf den Knochen als ein dürres Stück Reisig. Nicht nachdem sein Papa ihn so angestarrt hatte, mit dieser Bitte in den Augen, diesem Wunsch, dass Helliard den Mumm aufbrachte, sich die Große Scheiße zu schnappen und...

    „Scheiß Krebs."

    Ein Gewächs hatte sein Papa es genannt. Als wäre es irgendeine beschissene Art Unkraut.

    „Jesus."

    Sein Papa hatte ihm das Feuerzeug zu seinem zwölften Geburtstag geschenkt. Angeblich stammte es direkt aus dem Zweiten Weltkrieg. Auf einer Seite war ein Schriftzug aufgeprägt. SO WIRST DU ERNTEN stand da, in großen, geschwungenen Buchstaben, lauter Schnörkel und Haken, die ihn an die Fleischerhaken in einem Schlachthof erinnerten. Antik oder nicht, das Feuerzeug funktionierte verdammt gut.

    Es flammte immer beim ersten Versuch auf, jedes Mal.

    Kein Vergleich zu diesem billigen Plastikdreck.

    Er nahm einen langen, heißen Zug und hustete ein paarmal, um die Atemwege zu reinigen. Er sollte mit diesem Scheiß aufhören. Die Zigaretten hatten seinen Papa umgebracht. Früher oder später würde das Tabakmonster auch Helliard die Rechnung präsentieren.

    Darauf geschissen.

    Er nahm einen weiteren Zug. Er blies den Rauch in Richtung Duane, einfach weil er es konnte.

    „Drecksscheiße, Helly!"

    Die Ärzte

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