Und löschten unsere Passagiere: Lebenserinnerungen des Segelschiffkapitäns Michael Külken (1819 - 1903)
Von Michael Külken
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Über dieses E-Book
In seinen Lebenserinnerungen schildert er seine Erlebnisse (Begegnung mit Piraten, Stürme, Tauschhandel in Afrika, Verschiffung von Auswanderern nach Amerika etc.) und manches Amüsante und Interessante. Die Lebensumstände der Seefahrt des 19. Jahrhunderts werden auf unterhaltsame Weise dargestellt.
Michael Külken
Michael Külken ist der gleichnamige Ur-Ur-Enkel des Kapitäns und ist in Bremerhaven aufgewachsen. Heute lebt er in Bremen.
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Buchvorschau
Und löschten unsere Passagiere - Michael Külken
Und löschten unsere Passagiere
Titelseite
Vorwort des Herausgebers zum eBook
Vorwort des Herausgebers zur Printausgabe
1.Kindheit und Jugend
2. Reisen mit der Johanna Catharina
als Koch und Junge
3. Reisen mit der Minerva
und der Unternehmung
4. Reisen mit der Europa
als Matrose nach Baltimore
5. Mit der Emilie & Helene
als Matrose nach Westindien
6. Reisen mit der Rebecca
als Matrose nach Amerika
7. Südamerika als 2. Steuermann mit der Louise Caesar
8. Mit der Conradine
als 2. Steuermann nach West-Afrika
9. Mit der Conradine
als 1. Steuermann nach Haiti
10. Mit der Conradine
als 1. Steuermann nach Venezuela
11. Reisen mit der Alfred
als 1. Steuermann nach Amerika
12. Mit der Wursata
als Kapitän nach Nordamerika und Asien
13. Reise mit der Geestemünde
als Kapitän nach Asien
14. Mit der Geestemünde
als Kapitän nach Nordamerika
15. Mit der Geestemünde
nach New York, Alicante, Odessa
16. Mit der Geestemünde
als Kapitän nach Nordamerika
Impressum
MICHAEL KÜLKEN
UND LÖSCHTEN UNSERE PASSAGIERE
Lebenserinnerungen des Segelschiffkapitäns Michael Külken
(1819-1903)
Vorwort des Herausgebers zum eBook
1999 erschien dieses Buch als Printausgabe im Verlag H.M. Hauschild GmbH, Bremen. Leider ging der Verlag zwischenzeitlich in die Insolvenz und das Buch ist nur noch antiquarisch zu erhalten. Daher lag es auf der Hand, das Buch als eBook wieder allen Interessierten zugänglich zu machen.
Die in meinem Vorwort zur Printausgabe empfohlene Ausstellung „Aufbruch in die Fremde" gibt es nicht mehr. Das zwischenzeitlich eröffnete Auswandererhaus in Bremerhaven ist nicht nur ein hervorragender Ersatz, sondern eine auch international anerkannte Einrichtung zum Thema Migration.
Auf die in der Printausgabe veröffentlichten Bilder wurde im eBook mit Ausnahme des Covers (Ölbild der Wursata) und des Titels (Foto von Michael Külken) verzichtet. Gern stellt der Herausgeber diese aber zur Verfügung. Der Herausgeber ist im Internet unter www.kuelken.de auffindbar.
Bremen, im März 2020 Michael Külken
Vorwort des Herausgebers zur Printausgabe
Über 95 Jahre ist es her, daß mein Ur-Ur-Großvater Michael Külken seine Lebenserinnerungen niederschrieb. Bislang fanden seine Aufzeichnungen, die er für seine neun Enkel fertigte, fast ausschließlich im Familienkreis Beachtung. Ich freue mich daher sehr, dieses Buch nun einer breiten Leserschaft vorstellen zu können.
Die lebhaften Schilderungen der Reisen und der Lebensumstände der Seefahrt des neunzehnten Jahrhunderts machen nicht nur die damaligen Verhältnisse anschaulich, sondern sind durch die humorvolle Art des dreiundachtzigjährigen Verfassers eine amüsante Lektüre. Mein Vorfahre, der, wie ich, Michael Külken hieß, wurde am 18. August 1819 in Rekum geboren. Heute gehört Rekum zum Gebiet der Stadt Bremen. Sein Vater war der Kötner¹ Christoffer Külken, der seinen Unterhalt auch als Kahnschiffer verdiente; seine Mutter war dessen Ehefrau Greta Haesloop. Bereits der Ur-Großvater, der Kötner Caspar Hermann Külken (1724 - 1799), lebte in Rekum.
Michael Külken wohnte zunächst mit seiner Familie in Vegesack (heute ebenfalls Bremen), Sandstraße 5, bevor er 1854 nach Geestemünde übersiedelte. Dieser Umzug hing zweifelsohne damit zusammen, daß er nun Kapitän unter hannoverscher Flagge wurde und damit im bremischen Vegesack deplaziert war. Verheiratet war er mit der 1825 in Flethe geborenen Adelheid Koster. Aus der Ehe ging der Sohn Christian Külken hervor, der 1872 mit starker finanzieller Unterstützung seines Vaters in Geestemünde (heute Bremerhaven) ein Holzunternehmen gründete, das 113 Jahre bestand. Möglich ist, daß die Hinwendung des Kapitänssohnes zum Holzhandel durch die Verbindung zu Ernst Friedrich von Adickes möglich wurde, der zum einen Mitreeder der von Michael Külken als Kapitän gefahrenen Schiffe war, zum anderen aber auch ein Sägewerk in Dorum betrieb und den Bau eines Sägewerkes in
Geestemünde plante.
Michael Külken, der zunächst mit seinem Vater und dann bei fremden Schiffern auf Kähnen fuhr, wechselte schnell zur Heiligen Seefahrt
und konnte auf über 50 Reisen zurückblicken, die ihn als Koch, Junge, Matrose, Steuermann und Kapitän über alle Weltmeere führten. Anschließen übte er 17 Jahre eine Tätigkeit als Aufseher an Land aus. Er starb am 28. Januar 1903, also noch in dem Monat, in dem er seine Niederschrift beendete.
Die Herkunft und der Lebenslauf von Michael Külken ist für die Kapitäne der damaligen Zeit typisch: Aus einer anfänglich bescheidenen Kahn- und Küstenschiffahrt der kleinen Unterweserorte hatte sich aufgrund der Flußversandung und der verstärkten Nachfrage nach Schiffraum eine seegehende Flotte entwickelt. Aus Kahnschiffern wurden Seeschiffer.
Eine berufliche Lehrzeit von mindestens 10 Jahren mit abschließendem Examen, die Eheschließung zum Ende des zweiten Lebensjahrzehnts, Vermögensbildung und Mehrung, Aufgabe des Berufs im fünften Lebensjahrzehnt und oftmals eine Betätigung an Land,
² so wird der normale Lebensweg eines Kapitäns zu damaliger Zeit beschrieben.
Es ist nicht bekannt, ob sich der Kapitän Michael Külken bei der Abfassung seiner Lebenserinnerungen außer auf seine Erinnerungen und auf die Daten in seinem Seefahrtsbuch auf weitere Unterlagen stützte. Aufgrund der Vielzahl von Einzelheiten und Daten muß aber wohl angenommen werden, daß er auf Auf-zeichnungen zurückgreifen konnte, die er während seiner Reisen gemacht hatte.
Er war sicherlich ein gestandener und einfacher Mann. Man mag ihm daher nachsehen, wenn er aufgrund seiner gemachten Erfahrungen Pauschalurteile über Russen, Spanier oder Farbige fällt, die uns heute befremden mögen.
Wie auch seinen Lebenserinnerungen zu entnehmen ist, war die Schulausbildung, die er genoß, nur mäßig. Entsprechend muß man sich auch die Orthographie vorstellen: Die Schreibweise der Worte wählte er oft nach Gehör, der Satzbau ist gelegentlich unverständlich, und ganze Absätze schrieb er mitunter ohne Punkt und Komma. Zudem klingt hin und wieder auch das Plattdeutsche durch, oder er benutzte - wie bei Seeleuten oft gebräuchlich - englische Begriffe. Für den Herausgeber bestand nun die Schwierigkeit, einerseits, soweit möglich, die urtümliche Sprache zur Geltung kommen zu lassen, andererseits aber die Lesbarkeit durch richtige Schreibweise, Interpunktion und verständlichen Satzbau zu gewährleisten. Ich hoffe, den richtigen Mittelweg gefunden zu haben. Der Unterschied soll an einem kleinen Beispiel demonstriert werden:
Original
Den 13ten müßen wier alle wieder an Land und müßen erst durch den Quarenten denn die Rüssen sind auch noch eben so Verrückt als die Spanier, den 14ten wahr es sehr schlechtes Wetter und könnten nicht in Hafen kömmn, den 15ten kamen wier in Hafen aber es wahr ein Hafen da man mit etwas schlechtes Wetter sein Schiff verlieren kann.
Abschrift
Den 13ten mußten wir alle wieder an Land und mußten erst durch die Quarantäne, denn die Russen sind auch noch ebenso verrückt wie die Spanier. Den 14ten war es sehr schlechtes Wetter und konnten nicht in den Hafen kommen. Den 15ten kamen wir in den Hafen, aber es war ein Hafen, in dem man bei etwas schlechtem Wetter sein Schiff verlieren kann.
Die damals gebräuchliche Schreibweise des Datums (z.B. ... am 6ten März ...) hat der Herausgeber beibehalten. Die kursiv gesetzten, unterstrichenen Überschriften sind vom Herausgeber hinzugefügt worden. Es sei noch darauf hingewiesen, daß der Verfasser als Ziel der Reisen häufig Bremen
genannt hat, auch wenn die Reise tatsächlich nach Bremerhaven führte. Zu erklären ist dies dadurch, daß die Stadt Bremerhaven von Bremen als Hafen an der Unterweser 1827 gegründet wurde und somit zu Bremen gehörte.
An dieser Stelle möchte ich allen danken, die an der Verwirklichung dieses Buches mitgewirkt haben. Hier sind insbesondere Herr Prof. Kapitän Manfred Hövener von der Hochschule Bremerhaven, Herr Dr. Hartmut Bickelmann, Leiter des Stadtarchivs in Bremerhaven, Herr Reinhard Hoheisel-Huxmann vom Deutschen Schiffahrts-museum sowie Herr Thomas Begerow zu nennen, deren fachkundige Begleitung und Anregungen sehr hilfreich waren. Das Heimatmuseum Schloß Schönebeck sowie Herr Dr. Peter-Michael Pawlik stellten freundlicherweise Bilder zur Verfügung.
Schließlich möchte ich allen interessierten Lesern einen Besuch der Ausstellung Aufbruch in die Fremde
neben dem Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven empfehlen. Diese ansprechend gestaltete Erlebnis-Ausstellung führt den Besucher in die damalige Zeit zurück. Man kann hautnah nacherleben, was die Menschen zum Verlassen ihrer Heimat getrieben hat, was sie auf der Seereise über den Atlantik auf den Auswandererschiffen erleben konnten und was sie in der ersehnten neuen Heimat erwartete.
Loxstedt, im Frühjahr 1999 Michael Külken
Besitzer eines Bauernhauses ohne eigenen Landbesitz
Vgl. Thomas Begerow: Zur Sozialstruktur und sozialen Mobilität der seefahrenden Bevölkerung im späten 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel des bremischen Hafenortes Vegesack, Magisterhausarbeit, Berlin 1997, S. 31 und S. 64
1.Kindheit und Jugend
M. Külken, geboren in Rekum, Amt Blumenthal, den 18ten August 1819
Alle, so wie wir herangewachsen sind, mußten wir von 7 bis 8 Jahren an, alles im Hause, alle Arbeit mit verrichten, die Mädchen so gut wie die Knaben. Schule hatten wir sehr wenig. Im Sommer mußten wir Gartenarbeit mit verrichten, und im Winter saßen wir dann alle und strickten, denn ein jeder