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Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948: Ein Schiffsingenieur vor, im und nach dem 2. Weltkrieg – Band 76 in der maritimen gelben Reihe "Zeitzeugen des Alltags"
Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948: Ein Schiffsingenieur vor, im und nach dem 2. Weltkrieg – Band 76 in der maritimen gelben Reihe "Zeitzeugen des Alltags"
Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948: Ein Schiffsingenieur vor, im und nach dem 2. Weltkrieg – Band 76 in der maritimen gelben Reihe "Zeitzeugen des Alltags"
eBook335 Seiten3 Stunden

Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948: Ein Schiffsingenieur vor, im und nach dem 2. Weltkrieg – Band 76 in der maritimen gelben Reihe "Zeitzeugen des Alltags"

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Über dieses E-Book

Rudi wäre im Jahre des Erscheinens dieses Buches 100 geworden. Sein Sohn Heribert wertete nun den Nachlass aus und schrieb diesen hoch interessanten Lebensbericht eines Schiffsingenieurs in den bewegten 1930-40er Jahren auf: Von Schiffen und Weltmeeren: von den Kreuzfahrten der 'GENERAL VON STEUBEN' durchs Mittelmeer, dem Geheimtransport in den Spanischen Bürgerkrieg auf der 'BERLIN', über die Trampschifffahrt auf der 'ERLANGEN' zwischen Australien und der Ostküste der USA bis hin zum Transatlantik-Dienst auf der 'BREMEN' und der 'EUROPA'. Aber der 2. Weltkrieg bricht aus. Die 'BREMEN' geht in Flammen auf, und der Dampfer 'HANS SCHMIDT' muss im Mittelmeer als kärglicher Ersatz dienen. Rudi wird 'Blockadebrecher' auf dem legendären Katapultschiff 'SCHWABENLAND', später dann in Griechenland zum Nachschub der deutsch besetzten Inseln eingesetzt. Auf insgesamt sechs Schiffen fährt er durch die Ägäis, die allesamt versenkt werden. Das Lazarettschiff 'GRADISCA', auf dem Rudi krank in die Heimat transportiert werden soll, wird Ende 1944 von der Britischen Navy gekapert, und er landet für die nächsten zweieinhalb Jahre in einem Gefangenenlager in der Suezkanal-Zone in Ägypten.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum21. Juni 2014
ISBN9783847695028
Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948: Ein Schiffsingenieur vor, im und nach dem 2. Weltkrieg – Band 76 in der maritimen gelben Reihe "Zeitzeugen des Alltags"

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    Buchvorschau

    Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948 - Heribert Treiß

    Vorwort des Herausgebers

    Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche, ein Hotel für Fahrensleute mit zeitweilig bis zu 140 Betten. In dieser Arbeit lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

    Im Februar 1992 kam mir der Gedanke, meine Erlebnisse bei der Begegnung mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen, dem ersten Band meiner maritimen gelben Reihe „Zeitzeugen des Alltags": Seemannsschicksale.

    Insgesamt brachte ich bisher über 3.800 Exemplare davon an maritim interessierte Leser und erhielt etliche Zuschriften als Reaktionen zu meinem Buch.

    Reaktionen auf den ersten Band und die Nachfrage nach dem Buch ermutigten mich, in weiteren Bänden noch mehr Menschen vorzustellen, die einige Wochen, Jahre oder ihr ganzes Leben der Seefahrt verschrieben haben. Inzwischen erhielt ich unzählige positive Kommentare und Rezensionen, etwa: Ich bin immer wieder begeistert von der „Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg auch als schon veröffentlich hat. Alle Achtung!

    In diesem Band 76 können Sie wieder den Bericht über einen ehemaligen Seemann lesen, der von seinem Sohn zu dessen 100. Geburtstag aufbereitet wurde. Weltweite Seefahrt vor dem 2. Weltkrieg – und während des schrecklichen Krieges – und das Überleben und neue Leben nach dem Krieg werden hier in einer einmaligen historischen Dokumentation von einem Fachmann (Geschichtslehrer) präsentiert.

    Hamburg, Juli 2014 Jürgen Ruszkowski

    Widmung

    Meinem Vater

    RUDI

    gewidmet zum 100. Geburtstag am 17.04.2014

    Prolog

    Rudis Sohn geht in Pension. Da räumt er erst mal richtig durch und auf. Das hat er sich seit Jahren vorgenommen. Eines Tages ist auch der Schrank dran, in dem die Papiere, Fotos und Briefe seiner Eltern liegen. Kunterbuntes Durcheinander. Vergilbte Briefe und blasse Schwarz-Weiß-Fotos. Bekanntes und Unbekanntes. Alles, was damals, vor fast 25 Jahren, bei der Haushaltsauflösung so übrig geblieben ist –bewahrenswert erschien.

    Eine Wunderwelt tut sich auf, von Schiffen und Weltmeeren: von den Kreuzfahrten der ‚GENERAL VON STEUBEN‘ durchs Mittelmeer, dem Geheimtransport in den Spanischen Bürgerkrieg auf der ‚BERLIN‘, über die Trampschifffahrt auf der ‚ERLANGEN‘ zwischen Australien und der Ostküste der USA bis hin zum Transatlantik-Dienst auf der ‚BREMEN‘ und der ‚EUROPA‘.

    Nach dem Studium an der Ingenieur-Schule in Bremen will Rudi ordentlich Geld verdienen. Aber der 2. Weltkrieg bricht aus. Die ‚BREMEN‘ geht in Flammen auf, und der Dampfer ‚HANS SCHMIDT‘ muss im Mittelmeer als kärglicher Ersatz dienen. Rudi wird ‚Blockadebrecher‘ auf dem legendären Katapultschiff ‚SCHWABENLAND‘, später dann in Griechenland zum Nachschub der deutsch besetzten Inseln eingesetzt. Auf insgesamt sechs Schiffen fährt er durch die Ägäis, die allesamt versenkt werden. Das Lazarettschiff ‚GRADISCA‘, auf dem Rudi krank in die Heimat transportiert werden soll, wird Ende 1944 von der Britischen Navy gekapert, und er landet für die nächsten zweieinhalb Jahre in einem Gefangenenlager in der Suezkanal-Zone in Ägypten.

    Aber auch die Briten können den Marine-Ingenieur brauchen: jetzt als ‚Chief‘ auf einem winzigen Fährprahm zur Munitionsversenkung vor Alexandria eingesetzt. Auf dem Truppentransporter ‚TUSCULUM VICTORY‘ geht es 1947 nach Deutschland zurück. Noch vor der Währungsreform wird er Schicht-Ingenieur auf einem Braunkohle-Kraftwerk. Gigantische Dampfer inmitten des Rheinischen Reviers. ‚FORTUNA‘ heißt das Dampfturbinen-Elektrizitätswerk. Nomen est omen. Ein Name, der das hielt, was er versprach.

    1936

    20. Januar: Der britische König Georg V. (1910-1936) stirbt. Sein Sohn Eduard/Edward VIII. wird sein Nachfolger.

    Februar: Olympische Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen.

    7. März: Einmarsch der Wehrmacht in das bis dahin entmilitarisierte Rheinland, auch in Köln.

    Mai: Ende des Abessinien-Krieges. Annexion Äthiopiens durch das faschistische Italien. Der italienische König wird zum Kaiser von Äthiopien proklamiert.

    Juli: Beginn des Spanischen Bürgerkrieges. Militärputsch General Francos.

    August: Olympische Sommerspiele 1. bis 16. August in Berlin.

    November: Die ‚Legion Condor‘ wird für den Einsatz in Spanien aufgestellt.

    Dezember: Eduard VIII., der als prodeutsch gilt, ist gezwungen abzudanken (Wallis Simpson).

    ‚Geheult wie ein Schlosshund‘ – der Trennungsschock (1936)

    Er habe geheult wie ein Schlosshund, erzählt 25 Jahre später Vater Rudi dem 10jährigen Heribert, dem Erstgeborenen. Der hat gerade eine ‚Fünf‘ in Englisch verbockt, und der Sextaner braucht Trost und Zuspruch. Mutterseelenallein, fern der Heimat, sei ihm eine enge, kalte Kammer zugewiesen worden auf dem großen Schiff. Genau um 14:43 Uhr hatte er den D-Zug auf dem Kölner Hauptbahnhof bestiegen. Eltern und sein fünf Jahre jüngerer Bruder begleiten ihn bis auf den Bahnsteig, winken dem Zug nach Bremerhaven hinterher. Auch jetzt schon ein tränenreicher Abschied. Diese genaue Uhrzeit trägt Rudi in den kleinen grünen Taschenkalender ein, den er jetzt, da er sein Elternhaus verlassen, sich zu führen vorgenommen hat. Es ist ein Sonntagnachmittag – der 5. Januar 1936. Unmittelbar hinter der Hohenzollernbrücke, die den Rhein in Höhe des Doms überquert, überfällt ihn schon die erste Welle von Heimweh.

    In den letzten Wochen war er noch voller Zuversicht gewesen, hatte wie jeden Morgen ab 7 Uhr Fisch ausgefahren, Bekannte besucht und war auch – na ja – am letzten Freitag um 8.30 Uhr zum Sturmappell bei der SA angetreten. Das soll jetzt alles vorbei sein? Ein lachendes und ein weinendes Auge. Die Fahrerei, das Chauffieren, das Asten im Lager, das muss jetzt ein Ende haben. Das bietet ihm überhaupt keine Perspektive! Zwei Jahre schon, und immer noch nicht weiter. Er fühlt, wie die Zeit verrinnt. Das mag ja Ende 1933, als die Arbeitslosigkeit noch hoch und die Stellen rar waren, in Ordnung gewesen sein. Ein Unterschlupf bei der ‚Transitus‘-Speditionsgesellschaft als Automechaniker und Fahrer. Eine Sackgasse, nagt es an ihm.

    Dabei hat er doch die ‚Mittlere Reife‘ am Realgymnasium in der Kreuzgasse erlangt. Dass es nicht das Abitur war, das wurmt ihn noch immer. Halt die Zeiten! 1930 hatte die Wirtschaftskrise mit voller Wucht das Land erfasst. Gut, dass er bei der ‚Berlin –Anhaltischen Maschinenbau AG‘, Niederlassung Köln, eine Schlosserlehre antreten darf. Die väterlichen Beziehungen halfen. Aber auch das bitter genug. Wochenlang Klötzchen feilen neben zwei Jahre jüngeren Volksschülern. Eine raue Fortsetzung der Schulzeit. Sozusagen Rudis gymnasiale Oberstufe, nur diesmal im Blaumann. Ohne Schülermütze des altehrwürdigen Traditionsgymnasiums.

    Die Gesellenprüfung schafft er mit der Gesamtnote ‚fast gut‘ drei Jahre später im Mai 1933. Da sind die Nazis schon an der Macht und haben den langjährigen Oberbürgermeister Konrad Adenauer aus dem Kölner Rathaus vertrieben. Sogar bleiben darf er, Rudi, noch ein halbes Jahr bei der Firma auf väterliche Intervention hin. Dann ist endgültig Schluss. „Wir wünschen Herrn Treiß, der heute infolge der schlechten Wirtschaftslage aus unseren Diensten scheidet, für die Zukunft das Beste", schreibt die Maschinenbau-AG in ihrem Lehrzeugnis vom 4. November 1933.

    Vater Josef hatte wie so oft die rettende Idee, um der drohenden Arbeitslosigkeit zu entgehen. Rudi machte den Führerschein und trat in die Spedition ein, in der auch der Vater arbeitete. Vorübergehend, versteht sich. Bis die mauen Zeiten sich zum Besseren wenden mögen. Rudi und sein Vater halten Ausschau. Köln und das heimische Umland die erste Wahl, aber wenn sich nichts bewegt? Dann darf es auch Bremen und Bremerhaven sein, und dort trifft Rudi dann um 21 Uhr am 5. Januar 1936 ein, um jene besagte Kammer, eng und kalt, angewiesen zu bekommen.

    Am nächsten Morgen, die Tränen getrocknet, mustert er dann offiziell auf dem Dampfer ‚GENERAL VON STEUBEN‘ an.

    Dampfer ‚GENERAL VON STEUBEN‘

    Der Norddeutsche Lloyd expandiert in jenen Jahren, nachdem das wirtschaftliche Tal durchschritten ist und die Rüstungsindustrie mächtig gefördert wird. Während der vorangegangenen Wirtschaftskrise hatte der Lloyd Tausende von Stellen abgebaut. Nun suchen die Herren Reeder dringend Ersatz. Da nehmen sie auch Binnenländer, gar Kölner, die das Meer das erste Mal zu Gesicht bekommen.

    Rudi wird, da er eine abgeschlossene Maschinenbaulehre und auch Praxis vorweisen kann, als Ingenieur-Assistent eingestellt. Gleich darf er in das Innere der ‚STEUBEN‘ eintauchen und die ganze Woche lang Kondensatorrohre dichten. Arbeit gibt es zu Hauf. Da es reichlich zu essen gibt, schon zum Frühstück Graupensuppe, Brot und Brötchen, Spiegel- und gekochte Eier und das in großen Mengen, scheint der Hänfling, der ‚Rögel‘, wie man in Köln sagt, über den ersten Kummer, das Heimweh, hinweg getröstet zu sein. Aufgekratzt berichtet er den Eltern in einem der zahlreichen Briefe: „Gestern hatten wir zum Beispiel Fleischsuppe, Weißkohl und Frikadellen." Etwas ganz Besonderes in Zeiten wie diesen. 70 Reichsmark, vielleicht auch 100 mit Überstunden, netto wird er im Monat verdienen (Brief 1/36). Das müsse eisern gespart werden, denn das Ziel sei ja klar: Nach den drei Jahren geforderter Fahrenszeit will er unbedingt die Ingenieur-Schule in Bremen besuchen. Im Augenblick müsse er sich nur einkleiden – eine blaue und eine weiße Uniform und natürlich auch die passenden Mützen. Das koste erst mal. Der Rest, die Decken, Kissen, aber auch die Arbeitsanzüge, sollen ihm die Eltern mit einem Expresspaket schicken. Dieses trifft auch pünktlich am Samstagmorgen mit der Post ein (Brief 1a/36). Der Bootskurs ist dann für die nächste Woche angesetzt.

    Da kommt Rudi dann dem Salzwasser noch näher, wenn es auch nur das Hafenbecken ist. ‚Fieren‘ und ‚pullen‘ sind die beiden Königsdisziplinen des Bootfahrens. „Dann werden wir fies getriezt, wenn was Besonderes los ist, heißt es immer: der Kölner ran. Dann wühle ich, dass die Funken fliegen. (Brief 2/36). Donnerstags gibt es dann schon 20 Mark Vorschuss und samstags die Schlussprüfung im Bootskursus. Wohlgelaunt vermerkt er im Tagebüchlein am 18. 01.: „Gut bestanden. Und abends gibt es als Dreingabe einen „Flottenabend. Die ‚BREMEN‘ liegt gleich nebenan. Da sind die ersten beiden Wochen auch schon um, und er zieht, vom Trennungsschock erholt, eine erste Bilanz: „Ich habe mich bald an alles gewöhnt. Es sind ganz nette Leute hier. Der 1. und der 2. Ingenieuroffizier sind ganz ruhige Leute. Mit denen kann man ganz gut auskommen. (Brief 1/36).

    Jetzt packt ihn die Abenteuerlust, und er möchte endlich auf Fahrt gehen, die Welt besichtigen: „Wenn ich hier auf der STEUBEN bleibe, werde ich viel Schönes zu sehen bekommen. (Brief 2/36). Ach ja – da war doch noch ein Problem zu erledigen. Er bittet die Eltern: „In der SA nehmt mir bitte noch einen Monat Urlaub. Alles andere später. (Brief 1/36)

    Erste Seebeine – eine Saison auf dem Kreuzfahrtschiff

    Es könnte mal losgehen, denkt Rudi in seiner dritten Woche auf dem Passagierdampfer ‚GENERAL VON STEUBEN‘, der immer noch in Bremerhaven liegt. Die beiden Uniformen sind angeschafft, das Sparkonto auf der Bank eingerichtet. Rudi wundert sich selbst über sein schmuckes Äußeres und über den gepflegten Umgang, der in der Assistentenmesse herrscht. In großer Uniform müssen sie zum Essen erscheinen, der weiße Kragen, der Schlips und auch die tägliche Rasur sind obligatorisch. „Wat es nit all gitt versucht er sich auf Niederdeutsch. First Class Bedienung durch Messejungen und eine sagenhafte Karriere „vom dreckigen Chauffeur zum Unteroffizier der Handelsmarine (Brief 2/36). Viel Geld wird er verdienen eines Tages, wenn es so weiter steil nach oben geht. Der Zweite Ingenieur, das hat er in Erfahrung gebracht, verdient immerhin 450 Mark im Monat. „Das ist Sache!" (Brief 2/36), aber davon kann er vorerst nur träumen und muss vor allem viel lernen. Die guten Ratschläge an seinen kleinen Bruder lauten dann auch: Schön auf das Gymnasium gehen, zu Hause bleiben und dort etwas werden.

    Besatzung auf dem Passagierdampfer ‚GENERAL VON STEUBEN‘

    So ganz wohl ist ihm noch immer nicht hier im hohen Norden an Bord, bei aller Prahlerei. Viel zu tun gibt es: Die Feuerlöschventile, die Pumpen ausbauen, neue Ventile einschleifen, den Not-Dynamo bedienen – und dann ist es auch schon wieder Samstag. Es geht aber immer weiter mit den Reparaturen und Wartungsarbeiten. Die vierte und auch die fünfte Woche. Rudi bereitet sich auf seine erste Saison vor. Das mit seiner SA-Mitgliedschaft glaubt er jetzt endgültig geregelt zu haben: „An die SA habe ich ein Austrittsgesuch gerichtet. Es hat ja doch keinen Zweck mehr; denn Bordstürme gibt’s hier nicht und den Beitrag umsonst bezahlen kommt nicht in Frage. Bei so viel Prinzipientreue in Geldangelegenheiten, da bleibt einem die Spucke weg. Seine Eltern weist er an: „Wenn einer kommt von der SA und will die Uniform holen, gebt ihm nur ja nichts. Man kann nie wissen, wie man’s braucht. Wohl wahr – vor allem hat er das khakibraune Zeug ja aus eigener Tasche bezahlt. In die Kirche geht er sonntags auf Geheiß der Mutter, auch wenn das katholische Gotteshaus in dieser norddeutschen Diaspora ganz weit draußen liegt (Brief 3/36).

    So entschlossen und gestärkt sticht dann Rudi in der zweiten Februarwoche in See zu einem Kurztrip über den Kanal nach London. Ob dann denn auch alles klappt zum Saisonauftakt, bevor die erste Runde der Mittelmeerreisen beginnt? Nach einer Woche inklusive Stadtbesichtigung London per Bus sind Schiff, Passagiere und Mannschaft wieder in Bremerhaven.

    Seit der letzten Saison 1935 wird die ‚GENERAL VON STEUBEN‘ nur noch für Kreuzfahrten eingesetzt, nicht mehr im Liniendienst nach New York. Fast 500 Kreuzfahrtpassagiere werden von einer Mannschaft so um die 350 auf dem Mittelmeer hin und her geschippert.

    Drei Ingenieur-Assistenten der ‚STEUBEN’

    Wird denn Rudi als Binnenländer überhaupt nicht seekrank, das erste Mal so auf hoher See? Kein Wort darüber, man wird‘s oder auch nicht! In Lissabon ist Karneval, so wie in Köln, und das Wetter ist noch prächtig (Brief 4/36). Ganz im Gegensatz zu dem „schrecklichen Sturm (Brief 6/36) vor Gibraltar. Bei diesem Orkan in den Hafen zu kommen ist unmöglich. Nur ein Boot muss unbedingt zu Wasser gelassen werden, um die Post zu holen. Nicht umsonst betitelt sich die ‚STEUBEN‘ auf der Rückseite ihrer Bordkarte als „Doppelschrauben-Postdampfer. Außer der Bootsbesatzung muss auch immer einer von der Maschine mitfahren, um den Motor zu bedienen. Warum sich gerade Rudi freiwillig meldet, ist unerfindlich. Von oben sehen die Wellen eben viel niedriger und beinahe harmlos aus. Er berichtet seinen Eltern: „Ich habe mich gemeldet. Aber das Boot war noch nicht unten, da hat es mich schon gereut, so was habe ich noch nicht erlebt. Haushohe Wellen warfen das Boot durcheinander…" (Brief 6/36).

    Die Passagiere und auch die Besatzung wohnen diesem Spektakel bei. Neugierig-mitleidig, aber auch sensationslüstern, schauen sie von der sicheren Reling aus. Jetzt hat Rudi eine ‚große Nummer‘ beim Ersten Offizier, der ihm 10 Zigarren als Anerkennung spendiert. Als Belohnung für „sein tapferes Verhalten vor dem Feinde" – sprich der stürmischen See – darf er dann von Palermo aus an einem Auto-Ausflug der Passagiere nach Segesta teilnehmen und die antiken Tempel Siziliens bewundern. Wohl dem, der ‚Seebeine‘ hat!

    Über Neapel geht es nach Genua, wo die erste Reise dann endet und die Passagiere das Schiff verlassen und mit dem Zug ins kalte Deutschland zurückfahren.

    Viele Stationen und Landgänge – Lissabon, Madeira, Casablanca, Malaga, Sizilien, Neapel hat er gesehen und mitgemacht. Die Liegezeiten auf einem Kreuzfahrer sind eben ausführlich. Das alles das erste Mal – die weite Welt.

    Will er die Eltern, den jüngeren Bruder lediglich trösten, wenn er immer ein Haar in der Suppe finden will? „Heiß ist es hier durchaus nicht. Es ist noch richtig Winter. (Brief 6/36) Die Fotos zeigen „zwei kölsche Seemänner und ihre aufgekrempelten Hemdärmel in Casablanca. Die heimwehgetränkte Perspektive verengt sich in der Ferne: „Rosenmontag waren wir in Madeira, dort war der Karneval ganz groß" (Brief 6/36).

    Dann kommt er zu einem krassen Urteil: „Um landschaftliche Schönheit braucht Ihr mich gar nicht zu beneiden, denn schön ist es hier gar nicht. (Brief 6/36) Das Heimweh überkommt ihn wieder, und der 22jährige möchte wieder das „Rudimännchen seines Vaters sein, der stets auf ihn aufgepasst hat (Brief 5/36). „Am schönsten ist es doch in Deutschland" (Brief 6/36). Dieses wird er aber so schnell nicht wiedersehen, denn die zweite Reise geht ins östliche Mittelmeer, ebenso wie die dritte.

    Abreise-, Ankunfthafen ist stets Genua oder auf der anderen Seite Venedig, wo die Passagiere mit Sonderzügen aus Deutschland eintreffen oder dorthin fahren. Ab RM 250, das absolute Sonderangebot – so werden die Lloyd-Reisen nach dem Süden auf Plakaten beworben (Dirk J. Peters, S. 52). Weit über dem durchschnittlichen Monatslohn. Eine märchenhafte Sonne beleuchtet die Karte des gesamten Mittelmeers. Eine Gruppe von romantisch gewandeten Arabern verleiht dem Ensemble die exotische Würze.

    Insgesamt fünf dreiwöchige Mittelmeer-Fahrten wird Rudi in diesem Frühjahr 1936 absolvieren, bis er Anfang Juni nach Bremerhaven zurückkehren darf. Ausgereist war er am 18. Februar. Seekrankheit war nie ein Thema, aber ein „kleines Heimweh" (Brief 5/36) hatte ihn nie verlassen während dieser vier Monate.

    Literatur: Dirk J. Peters, Der Norddeutsche Lloyd, Von Bremen in die Welt", „Global Player der Schifffahrtsgeschichte, Bremen 2007

    Schulden beim Freilager – der Fotoapparat

    „Wenn es geht, werde ich mir auf See, wenn alles zollfrei ist einen Fotoapparat kaufen" (Brief 2/36). Das schreibt er an seine Eltern schon im

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