Bautzen II Mit Stasi-Zentrale: Fotodokumentation, Zeitzeugenberichte
Von Rengha Rodewill
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Über dieses E-Book
Die Berliner Fotografin und Autorin Rengha Rodewill ist jahrelang den Spuren politischer Gefangener in der ehemaligen DDR gefolgt, die - wie in Bautzen II - nach ihrer Verhaftung zu "Nummern" geworden sind. 2010 begann ihre fotografische Arbeit in der Sonderhaftanstalt Bautzen II. Keine so detaillierte Beschreibung, auch die Darstellung eines Zeitzeugen kann die persönliche Erfahrung historischer Stätten nicht ersetzen. Kein Wort kann so tief berühren wie der Anblick eines authentischen Ortes. Mit dieser Fotodokumentation und den Erfahrungen ehemaliger Häftlinge aus dem "Stasi-Gefängnis Bautzen II" will die Fotografin an einen Ort erinnern, der wie kein anderer für die Willkür und das Misstrauen der DDR stand, und einen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten. 1951 übernahm das für das gesamte Gefängnis zuständige Innenministerium der DDR die Justizvollzugsanstalt Bautzen, als "Objekt II" wurde das Gerichtsgefängnis wieder eine Außenstelle von Bautzen I, genannt das "Gelbe Elend". 1956 richtete das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in Bautzen II eine Sonderhaftanstalt ein, es wurde zu einem Hochsicherheitstrakt mit 200 Haftplätzen für Sondergefangene wie Regimekritiker, Spione oder Kriminelle mit prominentem Sonderstatus ausgebaut. 1963 wurde das Haus von Bautzen I getrennt und als eigene Strafanstalt geführt. Zur Tarnung blieb es nominell eine Einrichtung des Innenministeriums der Staatssicherheit unter Minister Erich Mielke. Im Dezember 1989 erfolgte die Auflösung des MfS, alle politischen Gefangenen wurden freigelassen.
Rodewill machte sich 2011 auf die Suche nach weiteren Spuren in der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg, um in "Mielkes verlassener Stadt" zu fotografieren. Der "unheimliche Block", ein gigantisches Viertel in der Normannenstraße, mit seinen Gebäuden war für Rodewill der Inbegriff des Grauens; die Machtzentrale der DDR-Staatssicherheit, der SED-Diktatur. Die ersten Aufnahmen entstanden im "Haus 22", wo sich ursprünglich das Stasi-Museum befand, und weitere Fotos im "Haus 1" nach seinem Umzug im Jahr 2012. Im "Haus 7" befindet sich jetzt das Stasi-Unterlagen-Archiv-Berlin, Rodewill konnte auch da weiteres dokumentieren. Dies waren alles deprimierende Momente und schockierende Erfahrungen für die Fotografin, die sie nicht loslassen sollten.
2014 folgte der beeindruckende Schwarz-Weiß Bildband "Hoheneck – Das DDR-Frauenzuchthaus" - Dokumentarische Erkundungen in Fotos mit Zeitzeugenberichten und einem Vorwort von Katrin Göring-Eckardt.
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Buchvorschau
Bautzen II Mit Stasi-Zentrale - Rengha Rodewill
Das Buch
Ab nach Bautzen! – Inbegriff des Stasi-Terrors
Keine detaillierte Beschreibung, nicht einmal die Beschreibung eines Zeitzeugen, kann die persönliche Erfahrung historischer Stätten ersetzen. Kein Wort kann so tief berühren, wie der Anblick eines authentischen Ortes. Dies gilt für einen Ort, an dem Menschen leiden mussten, insbesondere wenn er durch eine gut gemeinte Renovierung noch nicht für Betrachter zugänglich gemacht wurde.
Als ich 2006 in Potsdam die »Verbotene Stadt« in der Nauener Vorstadt aufsuchte, war ich zutiefst erschüttert, denn hier befand sich die Untersuchungshaftanstalt des Geheimdienstes der Millitärspionageabwehr der sowjetischen Besatzungsmächte in der SBZ bzw. DDR, das später in »KGB-Militärstädtchen Nr. 7« unbenannt wurde. Das Gefängnis befand sich in der Leistikowstraße 1, direkt gegenüber vom Neuen Garten Potsdam. Durch einen heruntergekommenen Eingang betrat ich das Gefängnis und war schockiert, weil sich alles noch in seinem ursprünglichen Zustand befand. Ich atmete den Schrecken ein, der seit vielen Jahren in den alten Mauern herrschte. Das Schicksal der Inhaftierten, der Anblick von Folterzellen und die abstoßenden Räume, in denen Menschen unter grausamen Haftbedingungen leben mussten, ließen mich nicht mehr los. Also beschloss ich, den Spuren von Gefangenen zu folgen und die Gefängnisse zu besuchen, in denen sie später die Verurteilten einsperrten, wo sie nach willkürlichen Festnahmen zu »Nummern« gemacht wurden. Dort wollte ich fotografieren, mit meinen Bildern die Tyrannei des DDR-Regimes dokumentieren.
Walter Jankas Autobiografie »Spuren eines Lebens« fiel mir in die Hände. Ich las über das Unrecht, das diesem kritischen Geist zugefügt worden war, von der KZ-Haft des Jungkommunisten und der Ermordung seines 26-jährigen Bruders Albert unter den Nationalsozialisten bis zu seiner eigenen Inhaftierung als DDR-Kritiker in Erich Mielkes Strafvollzugseinrichtung Bautzen II. Ich habe mich dann intensiv mit dem Schicksal anderer Bautzen-Häftlinge auseinandergesetzt, die keine Prominente waren und deren Festnahme Aufmerksamkeit erregte, sondern einfache DDR-Bürger, die als Gegner der SED angesehen wurden, sowie um festgenommene Personen aus dem »Westen«, die zum Beispiel Fluchthilfe geleistet hatten. Da Bautzen II als Gefängnis der DDR inoffiziell direkt der Staatssicherheit unterstand, waren die Häftlinge der Willkür des Regimes völlig ausgeliefert. Die Berichte der Inhaftierten über ihre Festnahme und ihre Inhaftierung waren äußerst dramatisch und schockierten mich zutiefst. Es ging nicht nur um schlechte Haftbedingungen, sondern auch um Folter. Ich erfuhr, dass tagsüber in den Zellen kein Schlaf erlaubt war und das die Gefangenen auch durch nächtliche stundenlange Verhöre vom Schlaf abgehalten wurden. Die Demoralisierung durch Isolationshaft war an der Tagesordnung, und insbesondere die Quälerei in einer Arrestzelle war eine der raffiniertesten Folterungen. In Zellen, die als »Tigerkäfige« bezeichnet wurden, die aufgrund einer zusätzlichen Gittertür den Zugang zur Toilette verhinderte, versuchte das Regime den Willen der Gefangenen zu brechen. Im Ministerium für Staatssicherheit (MfS), das unter dem Minister Erich Mielke für diese unmenschlichen Verhältnisse in der Berliner Normannenstraße zuständig war, arbeiteten bis zum Ende der DDR rund 90.000 Mitarbeiter. Der hermetisch von der Außenwelt abgeschlossene Komplex wurde von bewaffneten Sicherheitskräften militärisch geschützt. Die Festgenommenen kamen zuerst dorthin, wurden eingesperrt, verhört, eingeschüchtert, manchmal gefoltert, in die Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit Berlin-Hohenschönhausen überführt und dann in die Strafvollzugseinrichtung Bautzen II überstellt, die sie vollständig zerstören wollte.
2010 begann meine erste fotografische Arbeit in Bautzen II, in der ich eine Schwarz-Weiß Fotoserie produzierte. Nur wer diesen Ort der Erinnerung in Sachsen aus eigener Anschauung kennt, kann die bedrückende Atmosphäre erahnen und aus den Bildern und Worten dieser Dokumentation das Gesehene und Gehörte in Erinnerung rufen. Als Beispiele werden acht Kurzbiografien von ehemals inhaftieren Frauen und Männern ausgewählt. 2011/2012 entstanden weitere Fotoarbeiten. In der ehemaligen Stasi-Zentrale Berlin-Lichtenberg, im Machtzentrum der DDR-Staatssicherheit, konnte fotografiert werden, und ich hatte auch den Zugang zum Stasi-Unterlagen-Archiv-Berlin, in dem eine Reihe von Fotos