Fontane in Kreuzberg
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Die Luisenstadt und die Tempelhofer Vorstadt, aus denen am 1. Oktober 1920 der Berliner Bezirk Kreuzberg wurde, stand schon dem jungen Dichter Fontane durch verschiedene Wohnungen, wichtige Ereignisse, Freundschaften und Arbeitsbeziehungen nahe, sodass dieser Stadtteil für sein Leben und Wirken besondere Bedeutung bekommen hat. Schon seit den 1820er-Jahren wohnten hier Familienmitglieder: die Adressbücher melden für das Jahr 1820 den Großvater von Theodor Fontane, den »Kabinets-Secretair P. Fontan(e), Friedrichstraße 230; 1824 in Pension« – ebenso 1826, aber nach der »Kleinen Hamburger Str. 13 in ein eigenes Haus verzogen«. Theodor Fontane legte am 19. Dezember 1839 bei dem Kreisphysikus Dr. Natorp, Alte Jakobstr. 109, in der Nähe der Kommandantenstraße, die Apothekerprüfung ab. Als er am 30. Dezember 1840 von dieser Berufstätigkeit aus Burg bei Magdeburg nach Berlin zurückkehrte, nahm ihn sein alter Freund Fritz Hesselbach in seine Wohnung in derselben Alten Jakobstraße auf; hier erkrankte Fontane und lag sieben Wochen in dieser »Chambre garnie« an Typhus danieder, und dann erst konnte er im Frühjahr 1841 seine neue Stellung in Leipzig antreten.
Von 1865 bis 1880 arbeitete Fontane – immer wieder abbrechend – an dem Entwurf eines Berliner Gesellschaftsromanes, der im ganzen unausgeführt blieb und von dem nur Teile für andere epische Werke verwendet wurden. Er sollte den Titel »Allerlei Glück« bekommen, eine Reihe von skurrilen Gestalten mit sehr verschiedenen Zielen zeichnen und in der Dessauer Straße spielen.
Dass Fontane 1872 in dieser Wohngegend ursprünglich bleiben wollte, zeigt ein Brief vom 30. März an Mathilde von Rohr: »Meine Frau ist jetzt vor allem in Wohnungsnöten. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen schon schrieb, dass unser Haus verkauft ist, dass die Mieten mindestens verdoppelt werden und dass wir also a l l e ziehen. Eine vorzügliche Wohnung in der Dessauer Straße hat uns Tante Merckel vorgestern weggeschnappt. Ich persönlich teile übrigens nicht die allgemeinen Ängste; wir müssen natürlich 3 Treppen hoch ziehen und 100 Thlr. mehr bezahlen; c'est tout. Dafür kriegt man aber »was«. Dies schrieb Fontane nur wenige Gehminuten vom Hafenplatz entfernt, wohin er 1886 einen der Berliner Schauplätze von seinem Roman »Cécile« verlegte.
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Buchvorschau
Fontane in Kreuzberg - Rengha Rodewill
Prolog
Theodor Fontane arbeitete für einige Jahre als Apotheker in Berlin, bevor er seine Karriere als Schriftsteller begann. Geboren wird »Henri Theodore, fils de Louis Henri Fontane et de Emilie Labry«, am 30. Dezember 1819, im märkischen Neuruppin. Seine Vorfahren waren hugenottische Zuwanderer, die einst als protestantische Glaubensflüchtlinge aus Frankreich nach Brandenburg kamen. Im Jahre 1839 erhält er seine Approbation als Apotheker und arbeit einige Jahre in Burg bei Magdeburg, Leipzig, Dresden und Berlin – aber seine wahre Leidenschaft gilt dem Schreiben.
Die Luisenstadt und die Tempelhofer Vorstadt, aus denen am 1. Oktober 1920 der Berliner Bezirk Kreuzberg wurde, stand schon dem jungen Dichter Fontane durch verschiedene Wohnungen, wichtige Ereignisse, Freundschaften und Arbeitsbeziehungen nahe, sodass dieser Stadtteil für sein Leben und Wirken besondere Bedeutung bekommen hat. Schon seit den 1820er-Jahren wohnten hier Familienmitglieder: die Adressbücher melden für das Jahr 1820 den Großvater von Theodor Fontane, den »Kabinets-Secretair P. Fontan(e), Friedrichstraße 230; 1824 in Pension« – ebenso 1826, aber nach der »Kleinen Hamburger Straße 13 in ein eigenes Haus verzogen«. Theodor Fontane legte am 19. Dezember 1839 bei dem Kreisphysikus Dr. Natorp, Alte Jakobstraße 109, in der Nähe der Kommandantenstraße, die Apothekerprüfung ab. Als er am 30. Dezember 1840 von dieser Berufstätigkeit aus Burg bei Magdeburg nach Berlin zurückkehrte, nahm ihn sein alter Freund Fritz Hesselbach in seine Wohnung in derselben Alten Jakobstraße auf; hier erkrankte Fontane und lag sieben Wochen in dieser »Chambre garnie« an Typhus danieder, und dann erst konnte er im Frühjahr 1841 seine neue Stellung in Leipzig antreten.
Von 1865 bis 1880 arbeitete Fontane – immer wieder abbrechend – an dem Entwurf eines Berliner Gesellschaftsromanes, der im ganzen unausgeführt blieb und von dem nur Teile für andere epische Werke verwendet wurden. Er sollte den Titel »Allerlei Glück« bekommen, eine Reihe von skurrilen Gestalten mit sehr verschiedenen Zielen zeichnen und in der Dessauer Straße spielen. Theodor Fontane hat in seinen Werken häufig das gesellschaftliche Leben seiner Zeit dargestellt, einschließlich der Rolle von Dienstboten. In seinen Romanen und Erzählungen finden sich Passagen, die auf die sozialen Hierarchien und Beziehungen zwischen Hausmädchen und ihren Dienstherrinnen eingehen. Ein Werk, das sich mit diesem Thema befasst, ist die Novelle »Schach von Wuthenow«. In dieser Novelle spielt die Beziehung zwischen dem Protagonisten und seinen Bediensteten eine wichtige Rolle. Ein weiteres Beispiel ist der Roman »Effi Briest«, in dem die Figur Effi während ihrer Zeit im Haus ihrer Eltern und später als junge Ehefrau die Interaktionen mit Dienstboten erlebt. Auch in »Der Stechlin« finden sich Passagen, die die verschiedenen sozialen Schichten und die Abhängigkeiten zwischen den Herrschaften und der Dienerschaft beleuchten.
Fontanes Texte bieten Einblicke in die sozialen Strukturen und das Leben seiner Zeit, einschließlich der Rollen und Positionen von Dienstboten in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. »Effi Briest«, veröffentlicht im Jahr 1895, gilt als Meisterwerk des deutschen literarischen Realismus. Das Buch behandelt Themen wie gesellschaftliche Normen, Moral, Ehe und individuelle Freiheit. Die Geschichte dreht sich um die junge Effi, die in eine arrangierte Ehe mit einem deutlich älteren Mann gerät und schließlich in einem Netz aus Eifersucht, Betrug und Konventionen gefangen ist. Der Roman ist nicht nur für seine präzise Darstellung der Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts bekannt, sondern auch für Fontanes psychologische Einsicht in seine Charaktere. Jedoch ist es wichtig zu beachten, dass Fontane viele andere Werke geschrieben hat, darunter Romane, Novellen, Gedichte und Reiseberichte, die ebenfalls seinen Einfluss auf die deutsche Literaturgeschichte zeigen. »Effi Briest« ist jedoch eines seiner bekanntesten und am meisten studierten Werke.
Die »vertraulichen Tee-Sitzungen«, die »heitren, zwanglosen Abende« bei dem Stiftsfräulein Mathilde von Rohr in der Behrenstraße 70, die Fontane sehr bedachtsam von den »Gesellschaften gewöhnlichen Stils« unterscheidet, sind ein Ruhepunkt des mit den »Wanderungen« beschäftigten »Kreuz-Zeitungs-Redakteurs«. Die »von Herzen kommende und daher herzerquickende Hospitalität« der Rohr hat er stets gelobt und die bei ihr »verplauderten Stunden« zu den glücklichsten seines Lebens gezählt.
Theodor Fontane schreibt am 5. Januar 1872 an Mathilde von Rohr in Dobbertin: »Mein gnädigstes Fräulein, […] die gütig liebenswürdige Art, in der Sie mir das Efeu und Tulpenbaum umrankte Zimmer, dazu die gotischen, immer gastlichen Parterre-Räume zu freundlicher Verfügung stellen. Es ist leider zu weit, sonst hätten Sie vor mir gar keine Ruhe, und ich würde alle 6 Wochen einmal auf drei Tage erscheinen, um die verbrauchten Nerven durch Ruhe, frische Luft und Rotwein wiederherzustellen.« Botanisch hatte es Fontane besonders ein großer Tulpenbaum angetan, den er beim Blick aus ihrem Fenster bewundern konnte.
Die Fontanes ziehen ins Johanniterhaus, Potsdamer Straße 134 c. Das »alte Judenweib«, das bislang dort hauste, schockiert Emilie mit den Worten: »Na, Freude soll er hier nicht erleben.« Diese Prophezeiung kommt Fontane wie ein »alter, halbversteckter Judenfluch«, der für ihn als wirkungslos angesehen wird, als Rohr ihm schreibt: »Sie und Ihre liebe Frau bringen Segen in jedes Haus, in der unausgesetzten Tätigkeit und der dankbaren Anerkennung dessen, was Gott Ihnen schenkt.«
Fontanes Erfahrung als Apotheker und sein umfassendes Wissen über die menschliche Natur sowie medizinische und wissenschaftliche Themen beeinflussten seine literarische Arbeit. Seine Werke zeichnen sich oft durch genaue Beobachtungen, psychologische Tiefe und realistische Darstellungen der Gesellschaft aus.
Teil 1
Theodor Fontane in Kreuzberg
von Hans E. Pappenheim (1969)
Zum 30. Dezember 1969.
Persönlichkeit, Werk und Lebensleistung Theodor Fontanes sind in den letzten 50 Jahren als so umfassend erkannt worden, dass die Würdigung des Romanciers Berlins zu seinem 150. Geburtstag an dieser Stelle nur unter Begrenzung auf ein Teilgebiet Berlins geschehen soll, der Luisenstadt und der Tempelhofer Vorstadt, aus denen am 1. Oktober 1920 der heutige Bezirk Kreuzberg wurde. Dieser Bereich stand schon dem jungen Dichter durch verschiedene Wohnungen, wichtige Ereignisse, Freundschaften und Arbeitsbeziehungen nahe, sodass dieser Stadtteil für sein Leben und Wirken besondere Bedeutung bekommen hat. Schon seit den 1820er-Jahren wohnten hier Familienmitglieder: die Adressbücher melden für das Jahr 1820 den Großvater von Theodor Fontane, den »Kabinets-Secretair P. Fontan¹, Friedrichstraße 230; 1824 in Pension« – ebenso 1826, aber nach der »Kleinen Hamburger Straße 13 in ein eigenes Haus verzogen«. Theodor Fontane legte am 19. Dezember 1839 bei dem Kreisphysikus Dr. Natorp, Alte Jakobstraße 109, in der Nähe der Kommandantenstraße, die Apothekerprüfung ab. Als er am 30. Dezember 1840 von dieser Berufstätigkeit aus Burg bei Magdeburg nach Berlin zurückkehrte, nahm ihn sein alter Freund Fritz Hesselbach in seine Wohnung in derselben Alten Jakobstraße auf; hier erkrankte Fontane und lag sieben Wochen in dieser »Chambre garnie« an Typhus darnieder, und dann erst konnte er im Frühjahr 1841 seine neue Stellung in Leipzig antreten.² Um einem Irrtum vorzubeugen: Am 1. April 1844 trat Fontane als Einjährig-Freiwilliger ins 2. Btl. des Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiments ein, doch lag dies damals noch in der Neuen Friedrichstraße, also am Alexanderplatz³; der Neubau für die »Franzer« entstand erst ab 1865 in der Pionierstraße, jetzt Blücherstraße.
Theodor Fontane, um 1874
In Bethanien
Anfang März 1848 hatte Pastor Ferdinand Schultz (1811–1875), ein Freund der Eltern Fontanes, diesem angeboten, für auskömmliches Gehalt, freie Wohnung und Verpflegung im Diakonissenhaus Bethanien die pharmazeutisch-wissenschaftliche Ausbildung von zwei Krankenschwestern zu übernehmen. Zu diesem christlichen Krankenhause, einer Gründung Friedrich Wilhelms IV., war am 23. Juli 1843 der Grundstein gelegt, der Bau nach den Entwürfen des Baurats Theodor Stein (1802–1876) ausgeführt und am 10. Oktober 1847 eröffnet worden; er stand damals noch frei und wie ein italienischer Palazzo auf dem zur Bebauung vorbereiteten Köpenicker Feld zwischen dem Luisenstädtischen Kanal und dem Mariannenplatz. Für 1¼ Jahr kam Fontane hier – seit Juni 1848 – seiner Aufgabe nach, die ihm auch die Möglichkeit für ruhiges literarisches Schaffen gab. In seinem autobiografischen Werk »Von Zwanzig bis Dreißig«⁴ hat er diese Zeit in den drei Kapiteln »Bethanien und seine Leute«, »Zwei Diakonissen« und »Wie mir die bethanischen Tage vergingen« recht unterhaltsam beschrieben. »Ich war nun also in Bethanien eingerückt und hatte in einem der unmittelbar daneben gelegenen kleineren Häuser eine Wohnung bezogen. In eben diesem Hause, dem Ärztehause, waren drei Doktoren einquartiert …« (Geheimrat Dr. Bartels, Dr. Wald, Dr. Wilms). Fontanes Tätigkeit ist auch in der Geschichte dieses Hauses⁵, und zwar ohne Bezugnahme auf seinen späteren Werdegang vermerkt: »…die Bereitung der Arzneien sollte durch eine dazu ausgebildete Diakonisse geschehen.« Als solche fungierte anfangs Schwester Pauline Jakobi seit 1847 in Bethanien, die aber ein Jahr später krankheitshalber ausschied. Da eine ausgebildete Apothekenschwester nun fehlte, »so wurde für die Bereitung der Arzneien einstweilen dem Apotheker Fontane übergeben, welcher hierfür eine monatliche Remuneration von 60 Mark erhielt. Gleichzeitig unterwies er die Schwester Emmi Dankwerts in seiner Kunst, und es gelang ihm, sie so weit zu bringen, dass sie am 22. November 1849 die vorgeschriebene Prüfung zur Zufriedenheit bestand. Schwester Emmi übernahm nun die Apotheke, und sie ist seitdem ausschließlich durch Schwestern besorgt worden.«
Die Apotheke in Bethanien mit dem Rezeptiertisch
Federzeichnung v. Hans Hartmann
Wir nennen auch die zweite, durch den jungen Apotheker erfolgreich zum Examen geführte Diakonisse: Aurelie von Platen. – Als sein Auftrag am 30. September 1849 abgelaufen war, gab er den Apothekerberuf offiziell auf, zog im Oktober 1949 nach der Luisenstraße 12 im Norden, heiratete am 16. Oktober 1850 und widmete sich nun ganz dem Journalismus und der Literatur, vertrat aber seit dem 4. April 1851 fünf Wochen lang die Apothekenschwester in Bethanien. Im Sommer und Herbst 1853 war er hier zur Überwachung seiner Gesundheit (Tbc-Verdacht). Nach eigenem Zeugnis hat er in seiner bewegten Jugend kaum wieder so schöne, friedvolle und poetische Zeiten gehabt wie in den VA Jahren in »Bethanien«. Die Apotheke – ein »hohes Eckzimmer«, ist bis heute unverändert erhalten und mit einem Porträtfoto Fontanes geschmückt.
Mit Dr. Friedrich Robert Wilms (1824–1880), dem späteren Chefarzt von Bethanien, blieb Fontane seit seinem Lehr-Aufenthalt in diesem Hause befreundet. Im Januar 1859 verweilte Fontanes Mutter hier zum Besuch des Predigers Schultz. Fontane schrieb darüber an seine Gattin am 9. 1.: »Gestern früh fuhr ich nach Bethanien. Ich fand Mutter ziemlich wohl …« Mit dem Geistlichen stand Fontane noch 1868 in Beziehung. – Als Wilms am 24. September 1880 verstorben war, schrieb Fontane am 2. November an seinen Verleger Wilhelm Hertz:⁶ »… Über Wilms Tod sprechen wir mal mündlich. Ich hab ihn von Jugend an sehr hoch gestellt. Er hatte die Beschränktheit der Größe und war nur scharf mit dem Messer in der Hand. Natürlich auch ein Apothekersohn. Alles Bedeutende wurzelt zuletzt in Radix Ipecacuanhae usw. (= brasilianische Heilwurzel). Uns wenigstens kleidet dieser Glaube.« (Auch W. Hertz war der Sohn eines Apothekers). Fontane hat Wilms als bedeutenden Chirurgen in »Effi Briest« erwähnt. Seine Büste steht noch heute auf dem Mariannenplatz vor dem Hauptportal von Bethanien (von Siemering)⁷.
Im Kuglerschen Hause, Friedrichstraße 242
1851 wohnt »Schriftsteller Th. Fontane« Puttkamerstraße 6, ist 1852 »Luisenstraße 35« gemeldet, in denselben Jahren finden wir die Apotheker-Witwe Fontane, also seine Mutter, Köthener Straße 37⁸. In diese Zeit fällt Fontanes Verkehr im Hause des Kunsthistorikers und Dichters Franz Kugler (1808–1858), ein künstlerischer Mittelpunkt der Hauptstadt, in dem Waagen, Eggers, Lübke, Burckhardt, Menzel, Drake, neben Storm, Heyse und Geibel auch der junge Fontane aus und ein gingen. Dieser lernte hier 1852 Theodor Storm und 1854 auch Eichendorff kennen. Prof. Kuglers Haus lag am Südende der Friedrichstraße (Nr. 242) nahe am Belle-Alliance-Platz, es wurde 1861 umgebaut und 1893 abgebrochen⁹. – Viel Freundesliebe erfuhr Fontane auch in der Familie des Geheimrats Karl Hermann Frhr. v. Wangenheim, Lindenstraße 48, dessen Töchter Ida und Elsy er 1853 bis 1855 unterrichtete¹⁰. Mit Fontane befreundet war auch der Maler, Dichter und Kunstschriftsteller Hugo von Blomberg (1820–1871), der, seit 1848 in Berlin, um 1850 dem »Tunnel über der Spree«¹¹ beitrat und 1857 dessen Mitglieder in Porträtskizzen festhielt¹². Ein schweres Erlebnis (vor 1867) in seiner Familie erschütterte Fontane noch auf lange: Hugo von Blomberg ging »gern mit seinen Kindern spazieren, am liebsten nach einem am Fuße des Kreuzbergs gelegenen Kaffeegarten, wo gute Spielplätze waren«. Dabei sprang der 9-jährige Sohn Hans beim Spiel in einen Stachelbeerstrauch und zog sich eine Augenverletzung zu, die trotz ärztlicher Hilfe nach zwei Tagen zum Tode führte.¹³
Tempelhofer Straße 51
Nachdem er am 6. April 1859 Potsdamer Straße 33 eine Sommerwohnung bezogen hatte, erfolgte am 29. September 1859 der Umzug nach Tempelhofer Straße 51¹⁴ (später Belle-Alliance-Straße, heute Mehringdamm 3/5), wo er bis 1863 wohnte und die Erstausgabe seiner »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« schrieb. Das Haus wurde 1910 abgerissen. Der auf der anderen Straßenseite (seit 1853) »trutzig mit Zinnentürmen aufragenden früheren Kaserne des 1. Gardedragonerregiments, ›Königin Victoria von Großbritannien und Irland‹ setzte er im ›Stechlin‹ durch eine der Hauptfiguren des Romans, den Rittmeister v. Stechlin, ein literarisches Denkmal«¹⁵. Aus jenen Jahren zwei Erinnerungen Fontanes an die Bernburger Straße, die damals erst teilbebaut war und die beide die »Neue Preußische Kreuzzeitung« betreffen. Hier wohnte ihr Mitredakteur, Fontanes Freund Georg Ludwig Hesekiel (1819–1874), Dichter und Romancier, der hier zunächst mit einer Bolle-ähnlichen Milchhandlung Schiffbruch erlitten hatte. Schräg gegenüber der damals vor der Vollendung stehenden St. Lukaskirche wohnte der Chefredakteur der Kreuz-Zeitung. Ihm stattete Fontane einen Bewerbungsbesuch ab, der seine Mitarbeit ab 1. Juni 1860 für die folgenden 10 Jahre sicherte.¹⁶
Hirschelstraße 14
Im April 1863 zog Fontane nach Alte Jakobstraße 171 und am 1. Oktober 1863 nach Hirschelstraße 14¹⁷, später Königgrätzer Straße 25, das heutige Grundstück Stresemannstraße 109, Ecke Dessauer Straße. Am 11. Februar 1896 schreibt Fontane an den Seminardirektor Ernst Gründler in Barby über die Anfänge seines Romans »Vor dem Sturm«, die in jener Wohnung während des preußisch-österreichischen Feldzuges gegen Dänemark entstanden:
»Das Buch ist schon aus dem Winter 1863/64, und ich schrieb abends und nachts die ersten Kapitel – die, glaub’ ich, auch die besten geblieben sind während die österreichischen Brigaden unter meinem Fenster vorüberfuhren; und wenn zuletzt die Geschütze kamen, zitterte das ganze Haus, und ich lief ans Fenster und sah auf das wunderbare Bild: die Lowries¹⁸, die Kanonen, die Leute hingestreckt auf die Lafetten, und alles von einem trüben Gaslicht überflutet. Ich wohnte nämlich damals in der Hirschelstraße (jetzt Königgrätzer) an der Ecke der Dessauer Straße. Die Stadtmauer (von den Jungens schon überall durchlöchert) stand noch, und unmittelbar dahinter liefen die Stadtbahngleise, die den Verkehr zwischen den Bahnhöfen vermittelten (gemeint ist die alte Verbindungsbahn, die 1851 eröffnet und 1871 durch die noch bestehende Ringbahn ersetzt wurde)¹⁹. Dann lag das Buch zwölf Jahre still, während welcher Zeit ich die Kriege von 1864, 1866 und 1870 beschrieb, und erst im Herbst 1876 nahm ich die Arbeit wieder auf. Es war eine sehr schwere Zeit für mich. Das Gedicht, das Lewin schreibt: ›tröste dich, die Stunden eilen‹, gibt meine Stimmung von damals wieder. Alles besserte sich indessen wirklich.« Unter Emilie Fontanes Hand – ein Brief an den Gatten ist Berlin d 20t Mai 68, 25 Königgrätzerstraße datiert – »entwickelte sich in der Hirschelstraße 14 … ein recht behagliches Dichterheim« (Fricke)²⁰ und Fontane schreibt beim Auszug: »Es waren neun glückliche Jahre, die wir in dieser Wohnung zugebracht haben … Im Übrigen wünschen wir aufrichtigst, dass die nächsten neun Jahre nicht unglücklicher verlaufen mögen als die Epoche von 1863–1872. Es waren, wie die besten, so auch die interessantesten Jahre meines Lebens.«
Auch Familienmitglieder zogen damals in diese Wohngegend: 1864 übersiedelten sein Schwager Hermann Sommerfeldt und Jenny, geb. Fontane (†1904 als Witwe in Berlin), in die von ihnen erworbene Luisenstädtische Apotheke, – in der Nähe wohnte auch Fontanes Tunnelgenosse, der Kunsthistoriker, später Prof. an der Kunstakademie, Friedrich Eggers (1819–1872), und zwar, wie Heinrich Seidel berichtet, »in einem Hinterhause der Hirschel-, später Königgrätzer Straße, 3 Treppen hoch«.²¹ Das epische Alterswerk, die Berliner Romane, entstanden in der letzten Fontane-Wohnung, Potsdamer Straße 134 c (seit 1938: Potsdamer Straße 15). Der Schauplatz der »Poggenpuhls« (1890–1895 entworfen) lag sogar in der nahen Großgörschenstraße, umgeben von Straßen, die nach Heerführern der Freiheitskriege benannt sind, aber die Gesprächsthemen der »Poggenpuhls« gehen ins alte Brandenburg zurück, und der Theaterbesuch von Oheim und Neffe gilt Ernst von Wildenbruchs »Quitzows«, die am 9. Februar 1888 uraufgeführt und von Fontane besprochen worden waren.²² Die Gegensätzlichkeit von Kgl. Schauspielhaus und Luisenstadt geht am besten aus dem Hinweise Schreinerts²³ hervor, der nachwies, dass zu »gleicher Zeit im American-Theater in der Dresdner Straße nahe Moritzplatz eine Parodie Quitzows von Ernst Zahmenbruch, Musik von Schulzenstein, verfasst von Martin Böhm (1844–1912)« gespielt wurde!
Bei Bismarck im Habsburger Hof
Zu einem besonderen Tage kehrte der Dichter einmal in die alte Wohngegend zurück: Am 24. Februar 1891 wurde Fontane im Hotel »Habsburger Hof« Bismarck vorgestellt²⁴. Dieses lag gegenüber dem Anhalter Bahnhof am Askanischen Platz an der Ecke der Bernburger und Königgrätzer Straße (1944/45 kriegszerstört)²⁵. Hier stand, wie Herbert Roch²⁶ (1962) in dem Kapitel »Bismarck, Borsig, Bebel« in einer politischen Analyse des Verhältnisses Fontanes zu Bismarck sagt, »dem entlassenen Deichhauptmann des Reiches anlässlich eines Empfanges gegenüber, einem grollenden, auf seinen Stock gestützten Riesen, der die Dämme errichtet hatte, die das Ganze zusammenhielten … der Fürst hatte sich seiner erinnert, natürlich: der Wanderer durch die Mark Brandenburg … Das schönste, bleibende Bismarck-Gedicht sollte er erst nach dem Tode des Fürsten schreiben.« – Diese einzige Begegnung erfolgte 1891. In den Jahren 1889 bis 1894 arbeitete Fontane an »Effi Briest«, Schauplatz: zum Teil Königgrätzer Straße, und hier ist auch einmal das Hotel Habsburger Hof erwähnt.
Kreuzberg als Schauplatz im epischen Werk Fontanes
In dieses Gerüst von Einzeldaten unterschiedlicher Bedeutung sei nun die Frage eingefügt, wie die jahrzehntelange Anwohnerschaft Fontanes im jetzigen »Kreuzberg« sich in den Altersromanen ausgewirkt hat. Reuter²⁷ stellte in der jüngsten Fontane-Biografie (1969) dazu grundlegend fest: Die Exaktheit und Detailtreue von Fontanes Alterswerk zeugen Seite für Seite davon, wie er die Ergebnisse der Beobachtungen (auf täglichen Spaziergängen) zu nutzen wusste. Unermüdlich prüfte er die Richtigkeit jedes Satzes an der Wirklichkeit … Dass sich die Angaben in Fontanes Berliner Romanen mit Stadtplan und Adressbuch nachkontrollieren lassen, ist nur ein Zug unter vielen … Wie waren die Wohnungen eingerichtet, die Häuser gebaut? Wie verliefen die Straßen, wie war die Umgebung? – diese und ähnliche Fragen legte sich der Erzähler immer von Neuem vor …« Von 1865 bis 1880 arbeitete Fontane – immer wieder abbrechend – an dem Entwurf eines Berliner Gesellschaftsromanes, der im ganzen unausgeführt blieb und von dem nur Teile für andere epische Werke verwendet wurden. Er sollte den Titel »Allerlei Glück«²⁸ bekommen, eine Reihe von skurrilen Gestalten mit sehr verschiedenen Zielen zeichnen und in der Dessauer Straße spielen. Das Vorbild zu den Hauptfiguren (= Heinrich Brose), der ehemalige Apotheker Wilhelm Rose, hatte Dessauer Straße 29 seine Wohnung gehabt, sein berühmter Bruder, der Mineraloge, Nr. 27. Wie für andere epische Arbeiten hatte Fontane auch für den Brose-Roman Situationsskizzen entworfen, u. a. für Broses späteres Wohnhaus und für die Wohnung einer weiteren hier geplanten Gestalt, des erdachten »Registrators Pappenheim« und seiner Tochter Bertha, die nach Höherem strebt und eine Schauspielschule besucht²⁹. »Das Fragment«, schreibt Herbert Roch³⁰ (1962) zusammenfassend, enthält eine Fülle von liebenswürdigen Bosheiten auf die Gesellschaft der Epoche, die sich die gute dünkte und doch nur beschränkt war.« Dass Fontane 1872 in dieser Wohngegend ursprünglich bleiben wollte, zeigt ein Brief vom 30. März an Mathilde von Rohr³¹: »Meine Frau ist jetzt vor allem in Wohnungsnöthen. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen schon schrieb, daß unser Haus verkauft ist, daß die Miethen mindestens verdoppelt werden und daß wir also alle ziehen. Eine vorzügliche Wohnung in der Dessauer Straße hat uns Tante Merckel vorgestern weggeschnappt. Ich persönlich theile übrigens nicht die allgemeinen Ängste; wir müssen natürlich 3 Treppen hoch ziehen und 100 Thlr. mehr bezahlen; c’est tout. Dafür kriegt man aber was.«
Dies schrieb Fontane nur wenige Gehminuten vom Hafenplatz entfernt, wohin er 1886 einen der Berliner Schauplätze von »Cécile« verlegte.
Cécile am Hafenplatz
Bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg (und bis zur Trockenlegung des Hafens des Landwehrkanals 1960) bezeichnete der Straßenname »Am Hafenplatz« noch den Kai eines wirklichen Hafenbeckens und in diesem kurzen Straßenzuge – einer Reihe von hochherrschaftlichen Häusern,