Vaterstolz: Ein Denk-Mal
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Über dieses E-Book
Dabei vergewissert sich der Verfasser nach dem Ende seines Berufslebens seiner eigenen Herkunft, seiner sozialen Traditionen, wesentlicher Charakterzüge, letztlich seiner Identität im Spagat zwischen Arbeiterklasse und Bildungsbürgertum.
Und löst damit ein Versprechen ein, das er dem Vater am letzten Tag seines Lebens gegeben hat: „Haalt mer en jood Aandenken“.
Natürlich bleibt da auch die Hoffnung, dass diese Linie durch die eigenen Kinder und deren Kinder eine Fortsetzung findet. Wohin auch immer…
The show must go on oder: Der Sinn des Lebens ist… das Leben!
Werner Kronenberg
Werner Kronenberg, Jg.1953, ist pensionierter Schulleiter, verheiratet, 2 erwachsene Kinder und 4 Enkel und lebt im Bergischen Land. Er hat 2 Bücher zum semiprofessionellen Amateurtheater ("Nieder mit dem Krippenspiel!" I + II) und ein Erinnerungsbuch über seinen Vater und seine eigene Kindheit ("Vaterstolz") veröffentlicht.
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Buchvorschau
Vaterstolz - Werner Kronenberg
DAS BUCH BRAUCHT KEINE WIDMUNG.
ES IST EINE.
Alles, was ich erzähle, ist erfunden.
Einiges davon habe ich erlebt.
Manches, von dem, was ich erlebt habe,
hat stattgefunden.¹
1 Mathias Brandt, Raumpatrouille, 2016
Inhalt
Vorwort: VATER unser
Einleitung: Von Vätern und Söhnen
I. Ein Schicksalstag
II. Biographisches
1. Sagen Bilder mehr als Worte?
2. Drei Lebensläufe
III. Magic Moments – Große Stunden des kleinen Mannes
1. Der Schock fürs Leben
2. Wehr Dich!
3.Berufswünsche
4. Der Eismann kommt
5. Feuerwehrfest – Im Jahre einmal
6. Stalingrad und kein Ende
7. Wir sind wieder wer!
8. Erziehung Fehlanzeige?
9. Der Vater als Sohn
10. Hair! – Lange Haare, kurzer Sinn?
11. Das Kind im Manne
12. Nie mehr derselbe
13. Exkurs: Und warum kein Mutterbuch?
Ausblicke: Wie der Vater, so der Sohn? – The show must go on!
Vorwort: VATER unser
Mit Vätern kennt sich jeder irgendwie aus. Weil jeder einen hat/hatte. Das ist so ähnlich wie mit der Schule. Jeder hat eine feste oder gar vorgefasste Meinung und er/sie/es lässt niemand kalt.
Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass in genuin patriarchalischen Gesellschaften trotz feministisch-matriarchalischer Umbrüche in den letzten fünf Jahrzehnten der VATER noch immer im allgemeinen Sprachschatz wie im gesellschaftlichen Bewusstsein wenn nicht mehr exklusiv und dominant, so doch noch fest verankert ist. Daran wird auch #metoo nichts ändern.
Ob nun religiös verbrämt mit dem StammVATER Abraham (der nicht mit der Wimper zuckte…; man erinnert sich schaudernd), dem KirchenVATER (den fast keiner gelesen hat), dem einst gefürchteten BeichtVATER (am liebsten ein unbekannter) oder gar dem Heiligen VATER (mein Vater saß Ostern immer vor dem Fernseher und nahm tiefernst den Segen Urbi et Orbi aus Rom entgegen). Oder ob umgekehrt säkular-ideologisch verpackt im VATER Staat, dem man die Steuern schuldet, oder gar dem VATERland, für das es sich angeblich zu sterben lohnt (dulce et decorum est pro patria mori). Da fühlte ich mich von Jugend an mehr den VATERlandslosen Gesellen oder gar den VATERlandsverrätern nahe, als die man uns Kriegsdienstverweigerer in den frühen 70-er Jahren diffamieren wollte.
Gern feierten wir in (post)pubertären Jahren mit Bollerwagen und Kölsch-Fässchen den VATERtag ohne jede Berechtigung, fühlten uns gleichzeitig rund um ‘68 in einer VATERlosen Gesellschaft nach dem politischen VATERmord an der Tätergeneration (Beate Klarsfelds Ohrfeige für Kurt Georg Kiesinger im Nov.1968 hatte für uns para-religiösen Kultstatus), bevor die neunmalklugen Söhne dann selbst zu Erzeugern wurden, VATERfreuden erleben durften, VATERschaftstest über sich ergehen lassen mussten, zum mehr oder weniger guten HausVATER mutierten oder sich gar als ÜberVATER fühlten, der dem Sohn vorwarf, kein Weltwissen mehr zu haben (mein Sohn antwortete darauf einmal lapidar: »Du hast von unserer Welt doch überhaupt keine Ahnung!«)
Ja, wie der VATER, so der SOHN!
Diese kleine lexikalische Reise durch das Wort- und Spannungsfeld der Generationsbeziehungen mag reichen, um Relevanz und Dominanz des ganz speziellen Verhältnisses zu unserem biologischen, sozialen oder geistigen VATER zu unterstreichen.
Und alle betroffenen Männer machen dieselbe Erfahrung: VATER werden ist nicht schwer (meistens jedenfalls nicht!), VATER sein dagegen…? Na, wir werden sehen. Natürlich wäre alles leichter, wenn das Wörtchen »wenn« nicht wär, dann…
Das aber ist nicht der VATER des Gedankens, von dem dieses Buch ausgeht und zu dem es zurückkehrt. Wie schon viele andere vor ihm auch.
Einleitung: Von Vätern und Söhnen
Das Phänomen ist ebenso wenig neu wie das aus ihm resultierende Problem. »Qui suis-je, où vais-je, d’où suis-je tiré?« ² hat es Voltaire nach dem Erdbeben von Lissabon 1755 prägnant in eine Formel gebannt, die uns auf die gemeinsame Suche nach der Klärung unserer Identität zurückwirft: genealogisch (da liegt bei mir noch einiges im Dunkeln), psychologisch, ideologisch, sozial (dazu soll dieses Buch beitragen).
Was haben da die Söhne (und Töchter) nicht alles unternommen, um ihr Verhältnis zum eigenen Vater zu beschreiben, zu verarbeiten, ggf. zu bewältigen! Der folgende kurze Literaturbericht soll nur die Bandbreite sowie unterschiedliche Kategorien dieser schriftlichen/literarischen Verarbeitungen abstecken, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und eine wünschenswerte Vertiefung zu erheben. Der Leseprozess hat mir und meiner Erinnerung aber auf die Sprünge geholfen und Orientierung gegeben, um den eigenen, ganz persönlichen Zoom anzusetzen.
Wer dächte nicht zuerst an Franz Kafkas (nie abgeschickten) Brief an den Vater (1919), von dem man immer noch nicht weiß, ob es sich wirklich um die Abrechnung mit dem vermeintlich oder tatsächlich tyrannischen Hermann Kafka oder doch eher um eine masochistische Selbstanalyse des saft- und kraftlosen Sohnes Franz handelt, der eigenes Unvermögen jeglicher Art in das schuldhafte Handeln des Vaters projizierte.
Solche Anklagen und Generalabrechnungen sind Legion. Man denke an die schmerzhaften Auseinandersetzungen und Abgrenzungen der Söhne von NS-Verbrechern, deren Identitäten zeitlebens von den Schatten ihrer Herkunft belastet blieben: Wer hätte da je mit Wolf-Rüdiger Heß³, Martin Bormann junior⁴, Albert Speer junior⁵ oder Niklas Frank⁶ tauschen wollen? Für kein Geld bzw. Privileg der Welt, das sie in ihrer Kindheit genossen haben mögen.
Leichter ist das natürlich literarisch verarbeitet, d.h. fiktional verpackt, wie in Ulla Hahns Unscharfe Bilder (2003) oder Bernd Sülzers Vaterflucht (1995). Beide sind auf der Suche nach der vermuteten Schuld der Väter und arbeiten sich an der Mauer des Schweigens ab, bis ihnen eigene Zweifel kommen. Da kann der autobiographische Anteil getrost ungeklärt bleiben.
Dann ist es schon motivierender, das Leben der Opfer zu rekonstruieren wie in Wiebke Bruhns Buch über ihren Vater, den Widerstandskämpfer Hans Georg Klamroth: Meines Vaters Land (2004). Da muss man sich weder vor Gott noch den Menschen legitimieren. Im Gegenteil. Freispruch inbegriffen.
Im Schatten großer, wenn auch angesehener Väter haben auch Männer gestanden, die einfach – völlig unabhängig von der öffentlichen Position des Vaters – nach Liebe und Zuwendung gierten wie wir alle. Walter Kohl, Sohn des Jahrhundertkanzlers, hat ein (Klage)Lied davon gesungen: Leben oder gelebt werden: Schritte auf dem Weg zur Versöhnung, 2014. Eine Kindheit in Fremdbestimmung.
Interessanter, weil widersprüchlicher ist aber der Fall zweier Söhne eines anderen »ÜberVaters«, Willy Brandt, die sich sehr unterschiedlich erinnern und positionieren: Lars Brandts Kindheitserinnerungen Andenken (2006) und Matthias Brandts Kindheitsgeschichten in Raumpatrouille (2016). Während der eine (Lars) den V. (so die gängige Chiffre für W. Brandt) vorwiegend in seiner ganzen Ambivalenz erlebte (»ein siamesisches Widerspruchsgebilde, sich irgendwie zwischen Licht und Schatten verdoppelnd, zusammengewachsen an ungewisser Stelle, mit einer konkreten und einer abstrakten Hälfte«⁷), in der sich Vater und Sohn offenbar gut eingerichtet hatten⁸, schildert ihn der andere (Matthias) liebevoll ironisch als relativ lebensuntüchtigen, nicht des Radfahrens mächtigen (»Ich hätte besser auf ihn aufpassen sollen, dachte ich noch.«⁹) und oft schwer nahbaren Mann. Und dann doch diese ungeheuer