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Leonardos Reise
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eBook174 Seiten2 Stunden

Leonardos Reise

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Über dieses E-Book

Mit Leib und Seele.

Bisher ist die Welt zu Paolo gekommen, in die kleine Stadt am Meer: Touristen aus aller Herren Länder boten dem wilden und freien Jungen reichlich Gelegenheit für erotische Erfahrungen. Doch seit dem Tag, an dem sein Bruder Leon mit einer Zirkustruppe verschwunden ist, sehnt sich auch Paolo in die weite Welt. In den Sommerferien bricht er auf, um Leon zu suchen, und diese Reise wird zugleich eine Erkundung seiner eigenen Begierden. Als er den Bruder schließlich wiedersieht, haben die beiden sich zu den zwei Seiten einer Medaille entwickelt: Hat die Liebe einen verborgenen Sinn, der zu entdecken ist, oder trägt sie ihren Sinn in sich selbst? Ein tabuloser Roman voller Sinnlichkeit.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Feb. 2011
ISBN9783863000011
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    Buchvorschau

    Leonardos Reise - Fabian Kaden

    5

    Das Sommerfest

    Der warme Abendwind strich um meine nackten Beine. Von unserm Haus bis zu Timo sind es mit dem Moped fünf Minuten über die Wiesen. Ich gab Gas.

    Anfang Juli feiert Timo immer seinen Geburtstag, dieses Jahr den fünfunddreißigsten, und ich durfte zum ersten Mal hin. Die Partys sind legendär. Sie begrüßen die Rückkehr des Sommers. Endlich gehörte ich dazu. Wann immer früher die Rede auf das Sommerfest kam und Timo meine Augen leuchten sah, strich er mir über den Arm und sagte leise: «Wenn du sechzehn bist, okay?»

    Seit ich denken kann, gehören Timo die Disco und das Hotel an der Seebrücke, wo mio Mom arbeitet – ich kenn ihn also schon mein Leben lang. Er hat ein Stück landeinwärts einen Bauernhof ausgebaut, um dem Trubel in seinen Goldgruben zu entgehen. Um die zwanzig handverlesene Gäste wurden erwartet – viele kannte ich noch nicht. Ich kam um neun, eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang, und obwohl ich im Groben Bescheid wusste, wie es bei Timos Sommerfesten zugeht, hatte ich endlos hin und her probiert, was ich anziehen sollte, und mich schließlich doch wieder für meine zerbeulte kurze Hose entschieden, die ich tragen werde, bis sie mir buchstäblich vom Arsch fällt. Amen.

    Es ist ein altes Gehöft mit Wohnhaus, Scheune und Stall, die zusammen einen weiten Innenhof bilden, in dem Timo einen Garten angelegt hat, der mittlerweile einem Urwald gleicht, mittendrin der große Natursteinpool. Ich hatte meinen kleinen Auftritt, marschierte durch die Gäste, die größtenteils schon nackt waren, grinste hierhin und dorthin, und weil ich nicht herumstehen wollte wie Falschgeld, warf ich meine Sachen ins Gras und sprang in den Pool.

    Am anderen Ende des Beckens erkannte ich Timos Lover, Sebastien, unbedingt französisch auszusprechen. Er war am Ende des Winters mit seinen Eltern für eine Ferienwoche im Hotel aufgetaucht, hatte Timo kennen gelernt, und seitdem lebte er bei uns in Borkenhagen. Sein Vater ist ein nubischer Geschäftsmann, ein Mann aus schwarzem Granit, die Mutter daneben eine blonde Elfe, immer lustig. Das Beste aus diesen zwei auffälligen Menschen fließt in Sebastien zusammen, und er scheint nicht mal zu merken, wie alle Welt ihn anhimmelt ...

    Er saß mit angezogenen Knien am Beckenrand und beobachtete einen Studenten, sommers Kellner auf der Seebrücke. Der hockte vor zwei thailändischen Jungs, die an einem Stehtisch Martini tranken, und denen er abwechselnd die Schwänze lutschte. Sebastien, keine fünf Schritte entfernt, saß alleine da und schaute zu. Das helle Braun seiner trockenen Haut schimmerte im Sonnenuntergang, und als er mich erblickte, winkte er mir zu und entblößte sein strahlendes Gebiss. Ich wunderte mich. Bisher war er immer eher scheu gewesen, sogar abweisend, und jetzt das. Er schien sich zu freuen, er strahlte mich an! Verwechselte er mich mit irgendwem? Er ging nie zum Strand, wie wir anderen. Als er aufstand, sah ich Sebastien zum ersten Mal nackt. Er war nicht viel größer als ich, vielleicht einsfünfundsiebzig, aber seine Brust und seine Schultern waren kantiger und breiter, ohne dabei massig zu wirken. Er war noch ein Junge, aber ein bisschen schimmerten schon die Konturen des Mannes durch, der er mal werden würde. Er hielt sich sehr gerade, und in dem kurzen Moment, bevor er kopfüber ins Wasser sprang, sah ich seinen Schwanz, noch schwer vom Anblick der Thais mit dem Studenten – und schon war er gesprungen und neben mir wieder aufgetaucht.

    «Paolo, he! Schön!» Nein, er verwechselte mich nicht.

    «Ja, ich freu mich auch.»

    «Bist du gerade gekommen?»

    «Ja, eben gerade. Hab ich schon was versäumt?»

    «Weiß nicht, siehst ja.» Er deutete ins Rund, wo sich an jeder Ecke irgendwas anbahnte. Die Spannung lag wie eine straffe Folie über der Anlage, und für einen Moment schienen Sebastien und ich die einzigen zu sein, die noch Smalltalk machten. «Aber ich denke, nicht», sagte er. «Nach allem, was ich gehört habe, geht es ja die ganze Nacht über.»

    «Hab ich auch so gehört. Es geht, bis es nicht mehr geht.»

    «Genau.» Wir grinsten uns an, hungrig und verlegen. «Ich muss die Pferde noch reinholen, bevor es dunkel ist.»

    «Soll ich dir helfen?»

    «Wenn du willst. Klar, gerne.» Wir kletterten aus dem Wasser. Er gab mir ein Handtuch und stopfte sich ein paar Erdbeeren in den Mund. Hier und da standen Tische im Garten, voll mit Platten aus der Hotelküche, leichte Sachen zumeist, dazu zwei mannshohe Kühlschränke mit Getränken. Sebastien lief barfuss los, nur mit seinen bis unters Knie hochgekrempelten Jeans, und so beschränkte auch ich mich auf meine kurze Hose.

    Die beiden Pferde warteten auf der Koppel am Waldrand, keine zweihundert Meter entfernt. Timo hatte sie für Sebastien gekauft, und von mio Mom wusste ich, dass Sebastien überlegte, hier zu bleiben und sich mit einem kleinen Reiterhof selbstständig zu machen. «Magst du Pferde?», fragte er.

    «Doch. Eigentlich alles, was lebt.»

    Nach einem langen Tag im Freien wollten die Tiere in ihren Stall und kamen uns in freudigem Trab entgegen. «Das ist Paolo», stellte uns Sebastien vor. «Und das ist Harkan, und das ist Erna. Pass auf, Erna sabbert gerne.»

    «Wie kommt es zu den Namen?»

    «Ich erzähl es dir. Aber nicht heute. Ein andermal, okay?»

    Stand man auf der leicht ansteigenden Koppel, sah man weiter unterhalb unser Haus liegen, ungefähr auf halber Strecke zwischen Timo und dem Strand. «Da wohne ich.»

    «Ich weiß.» Irgendwas lag ihm noch auf der Zunge, doch er schluckte es runter. «Timo mag deine Mutter sehr», sagte er stattdessen. «Und euch auch, dich und deinen Bruder.» Er polkte eine Klette aus Harkans Mähne und sah mich nicht an. «Ich finde es gut, dass du ihn suchen gehst. Ich würde auch gehen, wenn ich ... Wenn ich einen Bruder hätte.»

    «Danke, dass du das sagst.» Ich nickte ihm zu. «Weil ich manchmal selber denke, ob ich vielleicht übertreibe. Ich meine, er ist alt genug. Und wenn er abhaut, wird er sich was dabei gedacht haben.»

    «Siehst du», sagte Sebastien leise. «Vielleicht ist es das, was er sich gedacht hat. Dass du dich auf den Weg machst, um ihn zu finden.» Die Pferde stampften mit den Hufen, um uns zu erinnern, dass es sie auch noch gab. Sebastien ging mit dem schnaubenden, tänzelnden Harkan voran, und ich nahm die ruhige Erna am Riemen und folgte ihm. Die Sonne tauchte eben in die Wasserlinie ein, als wir den Stall erreichten, und plötzlich vermisste ich Leonardo so sehr, dass es mir den Atem verschlug. Ich schaute noch einmal zurück, sah diese Landschaft unserer Kindheit in dem weichen, rötlichen Licht, und spürte eine jähe Sehnsucht, die nicht verstehen konnte, was meinen Bruder fortgezogen hatte.

    Erna riss mich fast um, als Sebastien ihre Tür geöffnet hatte, und machte sich gnurbsend über ihre frischen Möhren her. Sebastien lachte über meine Faxen, Pferdeknecht, an der Wand zerquetscht, und er riegelte die Box zu und rief: «Nun ist das Untier in seinem Verlies und wird keinem mehr was zu Leide tun.»

    «Oh, mein Held, mein Retter, wie kann ich Euch dafür jemals danken?»

    «Gebt Eurer Fantasie die Zügel frei, mein Prinz. Was immer ihr tut, wird wohlgetan sein.»

    Weiter fiel uns nichts ein. Ein Nachtfalter flatterte taumelnd in dem gelblichen Lichtschein der Deckenfunzel herum. Wie von weit her drangen die Geräusche des Festes, und auf einmal hatte Sebastien seine fröhliche Selbstsicherheit verloren und wirkte wieder so scheu wie bei unseren früheren kurzen Begegnungen im Hotel oder im Supermarkt. Er schlug sogar seine Augen nieder. Ich küsste ihn vorsichtig, es geschah wie von selbst und kam mir vor, als küsste ich ihn wach. Er rührte sich nicht. Ich küsste ihn noch einmal. «Darf ich das?», flüsterte ich. Statt einer Antwort schlang er seine Arme um meine Schultern und presste sich an mich. So standen wir ein paar reglose Augenblicke im Stallgang, in dem warmen Geruch der Pferde und des frisch gestreuten Strohs. Sebastiens Hände fuhren über meinen Körper. Ja, er war erwacht. Er stülpte seine weichen, gewölbten Lippen auf meinen Mund und küsste mich, tiefe, nasse Erdbeerküsse, und als er seinen Unterleib gegen mich drückte, spürte ich, dass sein Schwanz hart geworden war.

    Ich konnte es wieder nicht fassen, vier, fünf Monate kaum ein Hallo, und jetzt das. «Zu den andern zurück?», fragte er. «Oder noch etwas bleiben?» Seine Augen waren größer und dunkler als sonst, und er sah mich an, als hinge von meiner Antwort sein Leben ab.

    «Entscheide du», flüsterte ich. Warum flüsterte ich?

    «Bleiben», sagte er heiser. Zentnerlasten fielen von mir ab, hundert Futtersäcke und ein Elefant. Jetzt, wo es heraus war, fühlte ich mich so leicht und glücklich, dass meine Alarmsirenen aufheulten. Vor einer Stunde hatte es in meiner Welt noch keinen Sebastien gegeben, und auf einmal stand ich mit weichen Knien vor ihm und verliebte mich offenbar Hals über Kopf. Das ist mein Problem: Ich verliebe mich mit Lichtgeschwindigkeit. Das liegt bei uns in der Familie, wie es scheint. Man könnte zwar sagen, es geht genauso schnell wieder vorbei, aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist, dass etwas davon bleibt und ein Teil von mir wird. Ich weiß nicht, wie viele Herzkammern ein Mensch besitzt, aber mein Herz hat wohl sehr viele Kammern, und wenn ich das für mein Leben nach vorne verlängere, müssen es Hunderte sein, und in jeder Kammer wohnt einer von den Jungs, in die ich mich verliebt habe, und manchmal wünschen sie mir alle im Chor eine gute Nacht – dann lächle ich mich in den Schlaf und träume von ihnen.

    Sebastien nahm meine Hand und zog mich in eine leere Stallbox, wo Strohballen gestapelt waren und an den Wänden Zaumzeug hing. Er streichelte meine Schläfe. Ich ergriff seine Hand und drückte mein Gesicht hinein. Wir küssten uns wieder, und unsere Körper drängten zuei­nander. Ich spielte mit meiner Zungenspitze an Sebastiens Brustwarzen, kaum größer als Stecknadelköpfe. Sie wurden hart. Er keuchte. Ein Zittern durchlief ihn. Ich öffnete seinen obersten Hosenknopf. Er legte den Kopf zurück und schloss seine Augen. Zuerst wollte ich mir alle Zeit der Welt lassen mit den vier Aluknöpfen seiner weiten, zerlumpten Jeans, aber plötzlich hielten wir es beide nicht mehr aus und zerrten uns gegenseitig die Hosen herunter. Sebastien stöhnte laut auf, als wir unsere steifen Schwänze gegenei­nander pressten. Ich fasste seine Arschbacken an, sie waren glatt und fest wie Lederbälle. Eng umschlungen rieben wir uns aneinander, und mehr brauchte es nicht; wir kamen im selben Moment. Ich fühlte, wie unser Sperma zwischen unsern Bäuchen hochschoss. Wir blieben umarmt stehen, bis unser Atem wieder ruhiger ging. Dann begann Sebastien, mich trocken zu lecken wie ein Fohlen, meine Brust, meinen Bauch und meine Eier, meinen Schwanz. Ich streichelte seinen Kopf. Die Stoppeln seines kurzgeschornen Haars waren hart wie Draht.

    Wir gingen zurück zu den andern. Die Luft hatte sich kaum abgekühlt. Lampions beleuchteten den Garten. An der Außenwand der Scheune war eine große Spielwiese aufgebaut; dort lag Timo mit dem Studenten. Sie sprachen leise miteinander. Ich sah, dass sie gerade abgespritzt hatten, ihre Schwänze schimmerten träge und nass, und auf Timos Brust klebten diese Spritzer, die man immer erkennt. Als er uns kommen sah, stand er auf, und wir küssten uns zur Begrüßung auf die Wange. «Hast du einen Moment Zeit?» Er lächelte Sebastien zu und ging mit mir hinüber in das einstöckige Wohnhaus, das ich letztes Jahr Weißen geholfen hatte, zusammen mit Leon ...

    Auf der Schwelle hockte ein schmalgliedriger Junge mit einem ledernen Halsband und mampfte Obstsalat. Er war in meinem Alter, vielleicht etwas älter, aber durch seine Zartheit kam er mir noch jünger vor. Wir schauten uns neugierig an. Timo strich ihm im Vorübergehen über den Kopf, und als wir drinnen waren, drehte sich der Junge nach uns um. Er trug Stoffturnschuhe und eine Badehose, und seine Haut war auffallend hell, als würde er die Sonne meiden oder überhaupt nur nachtaktiv sein – ein kleiner Vampir.

    «Setz dich, Paolo.» Überall auf dem rostroten Sandsteinboden von Timos Wohnraum lagen Kleidungsstücke der Gäste verstreut. Ein schneeweißes Sweatshirt fiel mir auf und ich fragte mich, wem es gehörte. Timo ging zum Regal und kam mit einem Briefumschlag zurück. «Hier. Nimm das von mir an, ich bitte dich. Du wirst es brauchen.»

    Ich wagte nicht, den Umschlag zu öffnen, und fühlte durchs Papier die Geldscheine.

    «Mach nicht so ein Gesicht. Steck es ein.» Er schnappte ein Handtuch, das überm Sessel hing, und schlang es sich um die Taille. Dann setzte er sich neben mich auf das alte Ledersofa und fragte: «Weißt du schon, wie du vorgehen willst? Wo du anfängst?»

    «Denkst du auch, dass ich spinne?»

    «Nein, nein. Abgesehen davon, ob wir uns Sorgen machen, ob es Grund dafür gibt ... Wenn Leon nicht gefunden werden will, dann findet ihn niemand, sicherlich. Aber wir wissen es nicht. Und es ist sein Part. Umgekehrt geht es ja auch um dich dabei.»

    «Heißt das, ich sollte fahren?»

    «Ganz genau.»

    «Erinnerst du dich an den Zirkus letzten

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