Tödliche Verschwörung: Polizeithriller
Von Karl Traunmüller
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Über dieses E-Book
Der Autor Karl Traunmüller, selbst langjähriger Polizist, wirft einen ungeschminkten Blick auf eine Welt, die sonst im Dunkeln liegt. Eher widerwillig übernimmt Inspektor Lukas Schilling den Fall des nigerianischen Flüchtlings Enyeama. Endlose Verhöre, sinnlose Schreibarbeit und lästiger Bürokram, so denkt er sich. Als Enyeama nach seiner Erstvernahme spurlos verschwindet, wird Schilling stutzig. Er beginnt nachzuforschen und taucht in eine Parallelgesellschaft, in der Macht und Gewalt dominieren. Ein packender und nichts beschönigender Polizeithriller.
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Buchvorschau
Tödliche Verschwörung - Karl Traunmüller
1908)
EINS
Die stinkende Blechlawine staut sich in Schrittgeschwindigkeit durch die tägliche Verkehrshölle Wiens. Vorbei an Stadtbahnstationen und Prachtbauten zwischen Parkanlagen und Grünflächen. Tagaus und tagein. Gestresste Anrainer beschweren sich über Schmutz und Gestank. Schimpfen über unzumutbaren Lärm.
Um die Wiener-Gürtel-Straße herrscht facettenreiches Leben. In den Theatern am Kulturtreffpunkt werden Musicals und Opern gespielt. In den hippen Szenelokalen werden landesweite Trends gesetzt. Doch bei Einbruch der Dunkelheit legt die Wiener Rotlichtmeile ihr schillerndes
Neon-Make-up auf. Peepshows und Bordelle dominieren. Freizügige Bordsteinschwalben in knalligen Hotpants und hohen Schaftstiefeln stellen am Straßenstrich ihre Körper zur Schau. Rote Laternen beleuchten schwarzhaarige und blonde Sirenen in atemberaubenden
High Heels und Netzstrümpfen. Offenherzig räkeln Nutten sich in hautengen Bodys. Lässig werben sie mit prallen Hintern und gnadenlosen Brüsten um zahlungskräftige Freier. Aufreizend und verführerisch. Autofahrer verlangsamen ihr Tempo. Halten mit ihren Benzinkutschen in zweiter Spur. Stoßverkehr. Nutten gestikulieren. Leiern ein Geschäft an. Steigen zu oder winken ab. Anonyme Automaten-Cafés verleiten an fast jeder Straßenecke zum isolierten Spiel, während zwielichtige Gürtelbanden legendäre Stoßpartien organisieren. Das Kartenspiel mit zweiunddreißig Blatt doppeldeutscher Karten und sehr schlechtem Ruf. In den verrauchten Hinterzimmern der Nachtclubs frönen sie mit den Strizzis aus der Praterszene dem
verbotenen Glücksspiel. Bei einer illegalen Stoßpartie warnt der Schmierer vor anrückenden Polizeikontrollen. Geld zu Wucherzinsen hält der Saugerl jederzeit bereit und sorgt so für unversiegbaren Nachschub des schnöden Mammons.
Im grellen Lichtschein flackert die Leuchtreklame über dem verspiegelten Eingang zum angesagten Etablissement. Redlich verdingt der muskulöse Türsteher mit seinem markanten Bürstenhaarschnitt sich als Anwerber. Verteilt Rabattmarkern für die Peepshow.
Zehn Coins, plus zwei gratis, zum Schnäppchenpreis. Die Gutscheine für ein Freigetränk im Stripschuppen finden reißenden Absatz. Redegewandt, beinahe aufdringlich wirbt er um potente Kundschaft.
Mit quietschenden Reifen bremst ein schwarzes BMW M 635 CSi Coupé sich vor dem angesagten Rotlichttempel ein. Fahrer und Beifahrer springen aus dem aufgemotzten Sportschlitten und stürmen das Lokal. Entschlossen baut der Aufpasser seinen massigen Körper wie ein Bollwerk auf und stellt sich den Angreifern in den Weg. Lautlos bohrt sich die scharfe Klinge des Springmessers in seinen Körper. Blitzschnell. Mit tödlicher Präzision.
Mit weit aufgerissenen Augen geht der schwer verletzte Muskelberg zu Boden. Unter dem schwarzen Sakko färbt sich das weiße Hemd blutrot.
Wuchtig schlägt der silberfarbene Baseball-Schläger aus Aluminium auf der langen Theke ein. Das exklusive Walnussholz splittert. Barhocker gehen zu Bruch. Gläser zerspringen. Eingeschüchtert ziehen die spärlichen Gäste sich zurück. Fluchtartig verlassen sie das Lokal. Stripperinnen verkriechen sich in ihren Garderoben. Kreischen hysterisch. Nutten verstecken sich im Separee. Hektisch telefonieren sie mit ihren Zuhältern. Suchen Hilfe.
Nach wenigen Augenblicken ist der Spuk vorüber. Die Nachricht ist zugestellt und die Botschaft unmissverständlich angekommen.
Nur wenig später bahnen die Funkstreifen der Polizei sich mühsam mit Blaulicht und Folgetonhorn ihren Weg durch den Verkehrswahnsinn der Bundeshauptstadt. Rettung und Notarzt folgen Stoßstange an Stoßstange durch die schmale Rettungsgasse.
Noch vor dem Eintreffen der Einsatzkräfte machen die beiden Angreifer sich aus dem Staub und entkommen unerkannt. Mit dem Blut des Opfers besudelt, verschwindet das Springmesser im Donaukanal. Gemeinsam mit dem verbeulten Baseball-Schläger versinkt es im trüben Wasser.
Rettungssanitäter und Notarzt versorgen das schwer verletzte Opfer. Stillen seine Blutung. Dann bringen sie es in das nahe Krankenhaus und retten so sein Leben.
Bei den Verhören mit der Polizei geben die Zeugen sich verschlossen. Sie sind eingeschüchtert. Haben Angst.
Unterweltfehden werden gewaltsam ausgetragen. Endgültig und rigoros. Alltag im Milieu.
*
Bekim Salihi beschließt einen sofortigen Standortwechsel. Geboren in der Stadt der tausend Fenster, am Fluss Osum gelegen, gilt Berati als eine der ältesten Städte in Albanien. Aufgelistet im UNESCO-Weltkulturerbe. Bekim Salihi. Achtunddreißig Jahre alt. Hundertachtundachtzig Zentimeter groß. Hundertzehn Kilogramm schwer. Kräftige Statur. Hände wie Klodeckel. Sein Drei-Tages-Bart wirkt martialisch zum kahl geschorenen Schädel. Nicht ohne Stolz trägt Bekim die Visitenkarte der Geächteten auf seinem Körper. Totenköpfe und Stacheldraht. Schlangen und Dämonen. Häfenpeckerl. Drei Punkte, zwischen Daumen und Zeigefinger tätowiert, zeichnen Bekim als Steher aus. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Einer, der seine Kumpels nicht verpfeift. Ein harter Bursche. Geldeintreiber und Knochenbrecher. Ständig die Polente am Hals. Immer Zoff mit den Kontrahenten. Sein Strafregister ist lang. Vorsätzlich schwere Körperverletzung, schwere Nötigung und Erpressung. Nicht nur einmal saß er wegen dieser Delikte in Haft. Doch die Arbeit als Buckel für einen Rotlichtkönig am Wiener Gürtel wird ihm langsam zu stressig. Es zerrt an seinen Nerven. Reibt ihn auf.
Und so packt Bekim seine sieben Sachen. Er kehrt der Walzerstadt an der blauen Donau den Rücken. Er drückt das Gaspedal seines schwarzen BMW M 635 CSi Coupé durch und brettert mit überhöhter Geschwindigkeit über die Westautobahn.
Dominant und sinnbildlich thront das barocke Benediktinerkloster Stift Melk am Donauufer. Bekim hat keinen Blick für die Schönheiten entlang der Strecke. Bei Sattledt verlässt er den asphaltierten Fleckerlteppich und folgt der Bundesstraße 138 bis nach Wels. Er übersiedelt nach Oberösterreich. In einer kleinen Wohnung eines Freundes aus der albanischen Heimat findet er vorläufigen Unterschlupf.
Als glühender Anhänger der Ushtria e Kosoves folgt er einer Vision. Er hat einen Traum.
Bekim hat sich dem bewaffneten Kampf für die Unabhängigkeit des Kosovo verschrieben. Er hält Kontakt zur paramilitärischen Organisation in seiner Heimat. Sein Ziel, der Zusammenschluss aller von ethnischen Albanern besiedelten Gebiete in Serbien, Mazedonien, Montenegro und Griechenland unter der Patronanz des Mutterlandes Albanien.
Bekim taucht unter. Er hofft auf großstädtische Anonymität im heruntergekommenen Maria-Theresia-Hochhaus in Wels. Einst der ganze Stolz der aufstrebenden Messestadt, ist der vierundzwanzigstöckige Maresi-Tower heute dem Verfall preisgegeben.
Gemessen an der Einwohnerzahl, lässt die oberösterreichische Messestadt mit einer der höchsten Kriminalitätsraten des ganzen Landes immer wieder aufhorchen. In dieser Wertung hält sie mit der Bundeshauptstadt locker mit.
In der Welser Otto-Loewi-Siedlung herrscht eine explosive Stimmung. Bewohner aus dreißig Nationen sorgen für ein heißes Pflaster. Politiker aus Stadt und Land wollen das konfliktreiche Zusammenleben mit Integrationsprojekten entschärfen. Sie organisieren Deutsch-Kurse, verteilen Benimm-Knigge für Flüchtlinge und Folder mit Piktogrammen für Analphabeten.
In der lokalen Drogenszene hat Wels sich zur verrufenen Metropole hochgearbeitet und sich einen zweifelhaften Ruf geschaffen. Rund um den zentralen Kaiser-Josef-Platz verkommen die Straßen zu Umschlagplätzen für Drogen aller Art. Junkies und Dealer prägen das Straßenbild. Drogensüchtige setzen sich am helllichten Tag einen Schuss. Liegen in Tiefgaragen. Lungern auf Spielplätzen umher. Hilflos agierende Politiker heischen in den Medien um jede freie Wählerstimme. Doch sie dreschen nur leere Phrasen. Sie wollen der ausufernden Kriminalität mit Videoüberwachung an sogenannten Hotspots in der Innenstadt zu Leibe rücken. Sie versprechen abschreckende Präventivmaßnahmen und technische Unterstützung für die zu Tode reformierte Exekutive bei der Aufklärung von Straftaten. Hinweisschilder informieren Passanten vom überwachten Bereich und dienen zugleich als Warnung für potenzielle Falotten. Einschlägige Lokalitäten werden behördlich geschlossen. Doch das Problem verlagert sich nur. Alles paletti. Die drohende Gefahr scheint für die Verantwortlichen in der Stadtregierung gebannt. Bekim wähnt sich im Schlaraffenland. Er genießt die himmlischen Zustände im urbanen Raum. Kurz nach seiner Ankunft hört er sich um und macht sich schlau. Bald schon steigt er in den lukrativen Drogenhandel ein. Er zerschneidet Plastikkanister. Experimentiert mit starken Magneten. Tüftelt. Zielstrebig setzt er seine famose Geschäftsidee in die Tat um. Binnen kurzer Zeit verdient er sich dabei eine goldene Nase.
Wöchentlich fährt er, ohne einen Führerschein zu besitzen, ins benachbarte Ausland. Er passiert die unbesetzte Grenzstation in Weigetschlag. Pässe und Autos der Grenzgänger zu kontrollieren, obliegt seit dem Schengen-Abkommen den Beamten des Polizeipostens in Bad Leonfelden. Einmal wöchentlich kontrollieren die Beamten das verlassene Grenzhäuschen und sehen nach dem Rechten. Nach dem Wegfall der Personenkontrollen beschränken sie sich auf Stichproben im geschaffenen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtes in der Europäischen Union.
Bekim folgt dem Sündenpfuhl mit umtriebigem Straßenstrich bis nach Vyssi Brod. Vorbei an Spielhöllen und Bordellen. Er besucht seine windigen Geschäftspartner in Tschechien. Crystal Meth steht an oberster Stelle auf seinem Einkaufszettel. Methamphetamin als Substanz wird in Hunderten Chemie-Küchen illegal hergestellt.
Bekim deckt sich mit Crystal Meth und Heroin ein. Versorgt sich mit Marihuana und Kokain. Nach dem erfolgreichen Deal schlendert er, als harmloser Tourist getarnt, durch das kleine Städtchen. Er besucht den bunten Straßenmarkt. Gartenzwerge aus Plastik und kitschige Vogelhäuschen, wohin das Auge blickt. Feuerwerkskörper zu jeder Jahreszeit. Gefährlicher Kracher-Mist. Ramschbuden mit Billig-Taschen und Fake-Bekleidung dominieren das Straßenbild.
Klein-Vietnam breitet sich immer weiter aus. Einheimische Händler verschwinden und können mit den Dumpingpreisen der geschäftlichen Monokultur nicht mithalten.
Outlet-Center überschwemmen den Markt. Im ehemaligen tschechischen Zollamt blüht ein asiatisches Geschäftszentrum.
Bei einem der vielen Händler erwirbt Bekim ein Springmesser. Zwanzig Zentimeter Klingenlänge. Auf beiden Seiten geschärft. Eine tödliche Waffe. Es wechselt für zwanzig Euro seinen Besitzer. Für fünfzehn Euro kauft er einen mit asiatischen Ornamenten verzierten Schlagring. In Österreich als verbotene Waffen illegal, werden diese hier öffentlich feilgeboten und ungeniert an den Mann gebracht.
Bekim macht sich auf die Suche nach geeigneten Opfern. Mit einem starken Magneten versehen, haften die Plastikbehältnisse an der Bodenplatte jedes Fahrzeuges. Dann missbraucht er die harmlosen Ausflügler als ahnungslose Drogenschmuggler. Zurück in Österreich wartet er geduldig einen günstigen Augenblick ab, um wieder an sein wertvolles Eigentum zu gelangen.
Mit hohem Gewinn verscherbelt er das gefährliche Suchtgift an die Junkies in der Messestadt. Der geniale Plan des Bekim Salihi scheint vom Erfolg gekrönt zu sein. Das Geschäft blüht. Sein Erfolgsrezept geht auf.
ZWEI
Am Hauptbahnhof in Linz herrscht geschäftiges Treiben. Mehrmals in Folge wurde das Bahnhofsgebäude der oberösterreichischen Landeshauptstadt vom Verkehrsbüro Österreich mit dem Titel Schönster Bahnhof Österreichs prämiert.
Von drei Ebenen aus können die Reisenden über das Mittelgeschoss zu den Bahnsteigen gelangen. Eilige Passanten erledigen ihre Einkäufe in einem der zahlreichen Geschäfte. Hungrige laben sich in den verschiedenen Restaurants. In der Clublounge der österreichischen Bundesbahnen warten die Fahrgäste der ersten Klasse auf ihre internationalen Anschlusszüge.
Als Prestigeobjekt ehrgeiziger Lokalpolitiker ist die Linzer Straßenbahn als Mini-U-Bahn unterirdisch an den Hauptbahnhof angebunden. Drei Grad Außentemperatur