Der magische Würfel
Von Helga Sadowski
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Buchvorschau
Der magische Würfel - Helga Sadowski
2018
© Mystic Verlag
Text: Helga Sadowski
Umschlagskonzept: Claudia Gornik
Umschlaggestaltung: Claudia Gornik
www.coverboost.de
unter Verwendung von Fotos
by Claudia Gornik/Helga Sadowski
Lektorat: Sven Haupt/Timo Arnold
Satz: Helga Sadowski
ISBN: 978-3-947721-06-1
Interessierte Leser und Autoren finden weitere Informationen auf unserer Website.
www.mysticverlag.de
Geschäftsführer: Timo Arnold
Adolf-Ludwig-Ring 69
66955 Pirmasens
Inhaltsverzeichnis
Ein harmloser Würfel aus Holz
Adolar, der kleine Drache
Vorräte für den Winter
Schloss Knopfulus
Roderich
Trock lernt Adolar kennen
Der große Drache
Adolars Tränen
Die Erlösung
Ein harmloser Würfel aus Holz
Am Waldrand unter einer abgestorbenen Baumwurzel stand ein altes, leicht verwittertes Häuschen mit einem roten Schindeldach. Davor befand sich ein verwilderter Garten. Efeu hatte die Baumwurzel schon fast ganz überwuchert. Es standen Rosenbüsche mit rosa-und orangefarbenen Blüten zu beiden Seiten der niedlichen Behausung.
Der Gartenzaun um das kleine Grundstück hatte schon bessere Tage gesehen. Vereinzelt waren ihm hier und da ein paar Bretter abhandengekommen. Das Tor hing schief in den Angeln.
Die Bewohner, ein altes Mäuseehepaar mit Namen Edeltraud und Ludwig Nager, hatten ihre besten Jahre schon hinter sich. Edeltraud trug fast immer eine geblümte Kittelschürze und hatte ständig irgendwo ein paar Lockenwickler in ihrem stark ergrauten Fell.
Ludwig ging leicht gebeugt an einem gewundenen Stock. Die Gicht plagte ihn manchmal sehr. Er trug eine verschlissene Strickjacke zu einer grünlichen Lederhose. Sein Kopf hatte bereits eine große kahle Stelle.
Immer wenn Edeltraud ihren Garten betrachtete, wurde ihr schwer ums Herz. Wie wunderschön gepflegt war er noch vor gar nicht allzu langer Zeit gewesen. Doch ihre Kräfte hatten irgendwann nicht mehr ausgereicht und so musste das Ehepaar Nager die Pflanzen sich selbst überlassen.
Kinder hatten sie keine, die ihnen hilfreich hätten zur Hand gehen können.
An einem schönen Spätsommertag sollte sich ihr ruhig dahingleitender Alltag grundlegend verändern.
Sie hatten gerade ihren Nachmittagstee getrunken und von Edeltrauds selbst gebackenem Walderdbeerkuchen gegessen, als es an der Eingangstüre klopfte.
Edeltraud erhob sich etwas schwerfällig von ihrem bequemen Sessel und ging nachsehen, wer da Einlass begehrte.
Sie öffnete. Vor ihr stand der Hausierer Grille mit einem verbeulten Zylinder auf dem Kopf und einem abgewetzten, dunkelgrünen Frack. Er hatte allerlei Nützliche, aber auch weniger brauchbare Dinge in seinem Handwagen. Edeltraud trat neugierig hinaus und beäugte seine Ware.
Da es hier in ihrer Einsamkeit nur wenig Abwechslung gab, kam ihr die kleine Störung ganz recht.
Der Hausierer zeigte ihr eifrig allerlei Dinge, die er mit wohl gewählten Worten anpries: „Liebe Dame, wenn Sie hier einmal schauen möchten, ein Angebot, das Sie unmöglich ausschlagen können. Er nahm eine Kaffeemühle aus seinem Handwagen und hielt sie seiner Kundin unter die Nase. „Sehen Sie, hier oben füllen Sie die Kaffeebohnen ein und drehen dann an diesem Schwengel.
Demonstrativ bewegte er eifrig die Kurbel im Kreis herum, als gelte es einen Rekord zu brechen. „Anschließend können Sie aus dieser Schublade hier den gemahlenen Kaffee herausnehmen." Nun ging er dazu über, die kleine Schublade unentwegt heraus und wieder hinein zu schieben.
„So einen fein gemahlenen Kaffee hatten Sie noch nie. Gibt ein hervorragendes Brühergebnis, können Sie mir glauben!" Erwartungsvoll schaute er Edeltraud an.
Weil diese nicht sehr interessiert zu sein schien, griff er noch einmal in seinen Handwagen. Er holte einen Tropfenfänger für Kaffeekannen hervor und fuhr mit einem neuerlichen Redeschwall fort: „So eine vortreffliche Mühle sollte in keinem Haushalt fehlen und sehen Sie werte Frau diesen wunderbaren, einzigartigen Tropfenfänger bekommen Sie noch gratis …! Ein Blick in ihr Gesicht ließ ihn mitten in seinem Redeschwall verstummen. Er kniff die Augen leicht zusammen. Seine Miene hellte sich schlagartig auf. „Ich weiß, was Sie nötig haben, meine allergnädigste Dame.
Mit flinken Händen durchstöberte er seine Kurzwaren. Knöpfe, die auf Pappkärtchen befestigt waren, bunte Bänder, Schnürsenkel und allerlei Krimskrams wurden unbeachtet zur Seite geschoben.
„Gestern habe ich ihn noch gesehen, murmelte er. „Wo habe ich ihn nur? Aha! Da ist er ja!
Triumphierend hielt er einen polierten, unscheinbaren Holzwürfel hoch. Fragend schaute Edeltraud den Hausierer an. Ihre Stimme zitterte leicht: „Was ist das und was soll es kosten?" Irgendetwas ging von diesem Würfel aus. Sie konnte sich seiner Anziehungskraft nicht erwehren. Begehrlich streckte sie ihre Hände nach ihm aus.
„Oh!, antwortete der Händler mit einem Augenzwinkern. „Das Ding schleppe ich schon sehr lange mit mir herum.
Geheimnisvoll machte er eine Pause. Leckte sich kurz über die Lippen, bevor er weitersprach. „Es heißt, dass es sich hierbei nicht nur um ein Stück feinstes Pflaumenholz, sondern um einen magischen Würfel handelt. Er soll sich sogar öffnen, wenn man an die Liebe glaubt, Gnädigste. Er hielt kurz inne. „Doch – nein – verzeiht, sicher seid Ihr schon ein wenig zu alt dafür, wie mir scheint! Was habe ich mir nur dabei gedacht?
Ein Seitenblick auf seine Kundin verriet ihm, dass sie nicht widerstehen konnte.
Die Alte errötete leicht und bestand kichernd darauf, ihn trotzdem zu kaufen. Er überließ ihr den Würfel für zwei Mäusesilbertaler und machte sich mit einem breiten Grinsen im Gesicht schleunigst davon.
Na, dachte der alte Hausierer und rieb sich vergnügt die Hände. Endlich habe ich jemanden für den Würfel gefunden. Die alte Froschhexe Amanda Zwickelstoff hatte ihn mir schon vor vielen Jahren überlassen, mit der Bitte, ihn nur an jemanden zu verkaufen, der ihn unbedingt haben will. Zwei Mäusesilbertaler Verdienst noch dazu, das lobe ich mir. Pfeifend ging er seinem nächsten Ziel entgegen.
Edeltraud trug inzwischen das – in ihren Augen edle Stück – glückselig lächelnd ins Haus.
Ludwig saß immer noch am Küchentisch und schaute seiner Frau erwartungsvoll entgegen. Sie trug den eben erworbenen Holzklotz wie etwas sehr Kostbares in ihren alten, verarbeiteten Händen zu ihm in die Küche.
„Na, fragte er schelmisch, seine Zeitung sinken lassend, „hast du dir wieder etwas Unnützes andrehen lassen, mein Engel?
Verlegen senkte Edeltraud ihren Blick und hielt ihm ihren Einkauf entgegen.
Er nahm den Würfel und stellte ihn behutsam auf den Küchentisch. Sie beäugten gemeinsam das auf Hochglanz polierte Holzstück mit der hübschen, teilweise lilafarbenen Maserung, gründlich von allen Seiten. Nicht die Spur eines Deckels konnten sie finden. Das Ding schien aus einem Stück gefertigt zu sein.
Ludwig hob es ein wenig an und rüttelte daran. Aus dem Inneren vernahmen sie ein leises Klappern. Ratlos legte er den Holzwürfel zurück und zuckte mit den Schultern. Er kratzte sich am Kopf, genau an der Stelle, wo schon seit einigen Jahren kein Fell mehr wachsen wollte.
„Was mag dieses Ding für einen Zweck haben?, fragte er. „Man kann ihn nicht öffnen, obwohl etwas in ihm ist. Wie ist das da hineingekommen?
„Der Hausierer hat gesagt, erläuterte Edeltraud mit wichtiger Miene, „es sei ein magischer Würfel und er öffnet sich nur für Leute, die an die wahre Liebe glauben!
Ludwig schaute seiner Frau über den Würfel hinweg tief in die Augen und meinte überzeugt:
„Dann muss er für uns bestimmt gewesen sein, meine Liebe!"
Seine Worte bekräftigte er mit einem dicken Kuss.
Ein lautes Klappern unter ihnen ließ sie auseinanderfahren.
Erstaunt schauten beide auf den Würfel hinab. Er hatte sich wie von Geisterhand in ein helles Blau verfärbt und die Maserung des Pflaumenholzes war verschwunden. Erneut machten sie sich gemeinsam daran, herauszufinden, ob er sich nicht doch öffnen ließe. Leider waren alle Bemühungen vergebens.
Plötzlich bildeten sich auf einer Seite des quadratischen Behälters einige komische Zeichen.
„Was das wohl zu bedeuten hat?", flüsterte Edeltraud