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Mord auf dem Bergbauernmarkt
Mord auf dem Bergbauernmarkt
Mord auf dem Bergbauernmarkt
eBook230 Seiten3 Stunden

Mord auf dem Bergbauernmarkt

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Über dieses E-Book

Das geschäftige Treiben auf dem Zellerfelder Bergbauernmarkt wird unversehens gestört: Ein Hotelier liegt erstochen in seinem Blut, und wieder werden Friederike Wolkenreich und ihre Freunde in den Strudel der Ermittlungen gezogen. Hat der Mord mit der neuen Freundin des windigen Rudolph Kahlhut zu tun? Carolin Kirsch, Escortdame und Bordellchefin, hat auf jeden Fall ihre Finger im Spiel. Aber wie groß ist das Interesse eines Braunschweiger Mafia-Clans an den Filetstücken im Oberharz? Es geht um viel: da sind die Golfplatzpläne des ehrgeizigen Bürgermeisters, eine illegale Cannabisplantage und nicht zuletzt der brutale Mord an einer Zeugin.

In ihrem 5. Wolkenreich-Krimi versteht es die Autorin Andrea Illgen, Spannung, Witz und eine unerwartete Liebesgeschichte zu einem unterhaltsamen Mix zu verquirlen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum30. Mai 2018
ISBN9783947167265
Mord auf dem Bergbauernmarkt
Autor

Andrea Illgen

Andrea Illgen ist gebürtige Braunschweigerin und hat als Konzertsängerin, Chorleiterin, Kirchenmusikerin, Dirigentin und Regisseurin gearbeitet. Nach 10jähriger Tätigkeit in Norwegen kehrte sie zurück nach Deutschland und zog mit ihrem Mann in den Oberharz. Seitdem lebt sie dort - umgeben von hohen Tannen - als Autorin der Wolkenreich-Krimis.

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    Buchvorschau

    Mord auf dem Bergbauernmarkt - Andrea Illgen

    Mord auf dem Bergbauernmarkt

    Wolkenreich im Harz 5

    Harzkrimi

    Copyright © 2018 by Andrea Illgen

    ePub-Edition, Version 1.0, 05/2018

    ISBN 978-3-947167-26-5

    ABBILDUNGSNACHWEISE:

    Umschlagmotiv »Death of an apple« © JGade | # 27711615 | depositphotos.com

    Umschlagmotiv »Blood stains« © Mizina | # 53932771 | depositphotos.com

    Porträt Autorin © Ania Schulz | as-fotografie.com

    LEKTORAT:

    Sascha Exner

    DRUCK:

    Frick Kreativbüro & Onlinedruckerei e.K., Krumbach

    VERLAG:

    EPV Elektronik-Praktiker-Verlagsgesellschaft mbH

    Postfach 1163 · 37104 Duderstadt · Deutschland

    Fon: +49 (0)5527/8405-0 · Fax: +49 (0)5527/8405-21

    E-Mail: mail@harzkrimis.de

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Vorwort

    Natürlich hat auch diese Geschichte keinen Bezug zu tatsächlichen Ereignissen. Alle Personen sind frei erfunden, auch wenn man vielleicht Ähnlichkeiten feststellen mag. Die Orte gibt es in der Mehrzahl, sind aber möglicherweise erzählerischen Notwendigkeiten angepasst.

    Ich widme meinen 5. Krimi an erster Stelle W., der mich unablässig inspiriert und ermuntert. Ich danke außerdem der Frau mit dem hellblauen Hanomag auf dem wunderbaren Zellerfelder Bergbauernmarkt, die mehr für dieses Buch getan hat, als sie ahnt, und Thomas J. dafür, dass er mich geduldig vor juristischen Fehleinschätzungen bewahrt.

    Inhaltsverzeichnis

    Titelseite

    Vorwort

    1: Ein Auto im Graben

    2: Haushaltsauflösung

    3: Der Jugendclub

    4: Donnerstag auf dem Bergbauernmarkt

    5: Der Stall brennt

    6: Der neue Kellner

    7: Die Trauerfeier

    8: Golfmania

    9: Im Supermarkt

    10: Der Donnertrank

    11: Ein Zeitungsartikel

    12: Rathaus und Goldener Löwe

    13: Stiftungsfest der Silberhütte

    14: Kauf-bei-uns

    15: Der Brief

    16: Rainer und Lilly

    17: Blue Moon

    18: Der Geschäftsführer

    19: Das Hinterhaus

    20: Der schwarze Tag

    21: Nach dem Überfall

    22: Ein Plan

    23: Suzuki VZR 1800

    24: Die Sache spitzt sich zu

    25: Der heilige Hubertus

    26: Geburtstag im Blue Moon

    27: Finale

    Über die Autorin

    Wolkenreich im Harz - Die Buchreihe

    1: Ein Auto im Graben

    Der kleine blaue Wagen lag schräg im Graben.

    »Der kann sich freuen, dass er nicht zur anderen Seite weggekippt ist«, sagte Christian und fuhr scharf rechts ran.

    Fand ich auch, denn auf der anderen Seite fiel die Innerstetalstraße kräftig ab Richtung Prinzenteich, beliebter Badesee der Umgebung mitten im Buntenbocker Forst, von hohen Tannen umgeben, mit kleinen Liegewiesen, die zum dunkelgrünen Wasser hin abfallen. Jetzt war niemand da, denn es war Anfang September und schon ganz schön kühl. Wir stiegen aus und gingen auf die Frau zu, die gerade versuchte auszusteigen, was sich als recht mühsam erwies, denn sie musste ziemlich steil nach oben. Wir hielten die knarrende Tür auf und zogen an ihr, bis sie neben uns stand.

    »Da kam ein Idiot mir mitten auf der Straße entgegen, ich musste in den Graben fahren, sonst wären wir kollidiert.« Die dunklen Haare fielen ihr ins Gesicht, von dem wegen der dunklen Brille nicht viel zu sehen war. »Ich hab schon überall gesucht, weil ich jemand anrufen wollte. Ich komme hier doch nicht allein raus. Aber ich kann mein Handy nicht finden.« Sie hielt sich am Autodach fest.

    »Sind Sie verletzt?«, fragte ich. Sie wirkte etwas konfus, was ich nicht weiter verwunderlich fand. »Auch mit Handy hätten Sie kein Glück«, sagte ich. »Hier ist keine Mobilfunkdeckung.«

    »Und was soll ich jetzt machen? Nein, ich bin nicht verletzt.«

    »Christian, glaubst du, wir kriegen ihn da raus?«

    Der hatte mir schon den Rücken zugewandt und ging zu seinem kleinen sinnlosen weißen Alfa Romeo. Es ist so ein Ding, mit dem man nicht durch Schnee fahren kann und, klappt man unvorsichtigerweise das Dach auf, von jedem LKW auf der Autobahn die Abgase mitten ins Gesicht geblasen kriegt. Außerdem sieht es lächerlich aus, wenn er seine langen Beine unter der Lenksäule verstaut.

    Christian ist ein Freund aus der Schulzeit, den ich vor drei Jahren hier oben wiedergefunden habe. Nicht, dass ich ihn gesucht hätte. Unsere zarte, bisweilen auch durchaus heftige Studentenliebe hatte er übel verraten. Hier oben auf den Hochebenen des Oberharzes in Clausthal-Zellerfeld waren wir zu einer Art Waffenstillstand gekommen. Ich bin inzwischen anderweitig verheiratet, wovon ich allerdings nicht viel habe. Denn mein lieber Mario tourt seit einem halben Jahr durch verschiedene Universitäten in Zentral- und Südafrika, wo er Vorträge und Seminare abhält. Es geht immer um Fördertechniken in Berg- und Tagebau. Ich verstehe nicht, wieso er nicht zwischendurch mal nach Hause kommt, aber das ist eine andere Geschichte.

    Christian setzte mit einer eleganten Flanke über die Tür des Alfas, was seinem langen grau-schwarzen Pferdeschwanz einen kräftigen Schwung gab. Das macht er übrigens immer, wenn er angeben will. Wir waren zusammen unterwegs, weil ich mein eigenes Auto wegen einer Auspuffreparatur in die Werkstatt bringen musste. Christian hatte sich erboten, mich aus Osterode abzuholen. »Es sei denn, du willst lieber Bus fahren, Friedchen.« Ich hasse es, wenn er mich Friedchen nennt. Aber weil er zur Abwechslung mal etwas Nettes anbot, schluckte ich es herunter. Natürlich mussten wir mit offenem Verdeck fahren, was regelmäßig meine Haare verzottelt und mich bei diesen Temperaturen in eine dicke Jacke zwingt.

    Er drehte sein Auto an der nächsten Gelegenheit und setzte sich vor den blauen Wagen, der immer tiefer zu sacken schien, denn der Boden des Grabens war aufgeweicht von den langen Regenfällen der letzten Woche. In Windeseile war ein Abschleppseil an beiden Autos befestigt, was dazu führte, dass seine ursprünglich weiße Hose mittlerweile eine Art Tarnfarbe angenommen hatte. Er blitzte mich kurz an aus seinen schmalen schwarzen Augen. »Gute Werke fordern Opfer, Friedchen.« Damit stieg er wieder ein und begann zu ziehen. Außer dass seine Reifen durchdrehten und es in und an beiden Autos unangenehme Knackgeräusche gab, tat sich gar nichts. Er stellte den Motor ab und stieg aus. »Das wird leider nichts.« Das Seil wurde abmontiert, was die letzten weißen Stellen der Hose beseitigte. »Wir schicken wen, der Sie rauszieht.«

    Die Frau und ich hatten weitgehend stumm dem Fortschritt der Dinge zugesehen.

    »Danke«, sagte sie, »nur blöd, dass ich mein Handy nicht finden kann. Ich muss es in dem Haus in Buntenbock liegengelassen haben. Wenn ich es hätte, könnte ich ja selbst anrufen. Weiter oben gibt es sicher ein Netz. Ich war auf einer Haushaltsauflösung. Irgendwer hat gesagt, es gäbe dort einen Tanner-Mehlhaus.«

    »Tanner-Mehlhaus? Den Harzer Maler?«, fragte ich. »Er hat früher in meinem Haus gewohnt.« Genau genommen in der umgebauten Bergmannskapelle am Barbaraschacht, die ich seit damals bewohne, als ich in den Harz zog. Das kann man aber den Leuten nicht in zwei Sätzen erklären, deshalb lasse ich es und rede von ›meinem Haus‹.

    »Ja, war aber nichts. Es gab nur den üblichen Plunder alter Leute.«

    Sie öffnete ihre Autotür, was nicht ganz ohne Kraftanstrengung möglich war. Vielleicht gab es in dem Moment einen kleinen Windstoß, was eine notwendige Luftbewegung verstärkte, jedenfalls fand ich, dass es aus der offenen Autotür heraus süßlich roch.

    Christian stand wieder neben mir. »Es riecht ein bisschen süßlich aus Ihrem Auto«, sagte er grinsend. »Vielleicht lüften Sie kräftig, falls sich ein empfindlicher Mensch nähert.« Er legte einen Arm um meine Schulter. »Was meinst du, Friedchen, sollen wir nicht der Frau zu ihrem Handy verhelfen?«

    Vertraut, aber ärgerlich, ärgerlich, aber vertraut – so war es, seinen Arm um mich zu fühlen. Doch die Zeiten sind vorbei. Ich schüttelte ihn ab. »Von mir aus, ich muss nur gegen sieben spätestens im Café sein.«

    Das Tango-Café, am Clausthaler Kronenplatz gelegen, gehört mir. Da ich häufig unterwegs bin, mache ich da nicht mehr viel außer Buchführung und springe ein, wenn vom Personal jemand ausfällt. Wir sind eine Art Familienbetrieb. Allerdings ohne verwandt zu sein. Ich habe keine näheren Verwandten mehr. Meistens bin ich irgendwo und singe, denn damit verdiene ich mein Geld.

    »Das ist nett.« Die Frau öffnete die Heckklappe zur Ladefläche und setzte sich hin. Sie saß zwar recht schief, aber sie fand es wohl bequemer, als im Stehen auf uns zu warten. Mit einer nervösen Bewegung strich sie sich halbherzig die dunklen Haare hinters Ohr, wo sie aber nur teilweise landeten und auch gleich wieder zurückfielen. Ich fand ihren Dank etwas lauwarm. Ich wäre enthusiastischer gewesen. Aber gut, wir hatten ihr Telefon ja noch nicht. »Wenn Sie nach Buntenbock reinfahren, ist es gleich links.« Sie beschrieb das Haus und auch den Platz, wo sie es liegengelassen haben könnte. »Gleich hinter dem Hof mit dem Harzer Höhenvieh. Zuständig ist so ein Kraftprotz. Dessen Opa ist glaube ich gestorben.«

    2: Haushaltsauflösung

    Zu unserem Erstaunen trafen wir auf Joschi.

    »Dein Opa ist tot?«, fragte ich und überlegte zum zigsten Mal, was man angemessenerweise bei solchen Gelegenheiten sagt.

    Christian zeigte sich als Herr der Lage. »Du hast doch keinen Opa mehr, oder? Was machst du hier?«

    Joschi ist ein Freund von uns, Mitglied im lokalen Motorradclub der Flying Devils. Wie soll man ihn beschreiben, ohne ins Klischee zu verfallen? Er ist groß und breit, mit wirklich sehr vielen Muskeln, die er hingegeben pflegt durch seine schweißtreibenden, selbstquälerischen Ausflüge ins Zellerfelder Fitnessstudio. Sein sorgfältig glattrasierter Kopf, um nichts breiter als der Hals, ist recht klein im Vergleich zum massigen Körper. Um seinen Mund verläuft eine dünne quadratische Bartlinie, eine schwarze Schlangentätowierung ringelt sich den Hals herauf und endet mit aufgerissenem Maul vor dem linken Ohr. Was aus den engen T-Shirts heraussieht, die er mit Vorliebe trägt, ist immer braungebrannt. Obwohl man es nicht vermuten möchte, ist Joschi eine Seele von Mensch, wie man so schön sagt, ein Mann, der alten Frauen die Tasche trägt und verwundeten Tieren hilft. Aber er ist auch der unglaublichste Schürzenjäger, den ich kenne, und hat einen kulturellen Hintergrund, der gegen Null tendiert. Ich kenne ihn über meinen Barkeeper Konni, Präsident der Flying Devils. Das sind alles nette Motorradfahrer, nicht solche, die einem den Arm brechen, Rennen durch Spielstraßen fahren und Drogen verkaufen. Obwohl – Drogen ... ich fand, dass es auch hier leicht süßlich roch.

    Christian brachte es auf den Punkt. »Kiffst du hier etwa, während du ...«

    »Nix, Alter, hier riecht es nur nach alten Leuten.«

    Was ich unverschämt fand. Ich bin allergisch gegen unfreundliche Ausdrücke über alte Menschen. »Und was machst du dann also hier?«, fragte ich.

    »Nur ´n bisschen aufpassen, Leuten Sachen erklären und so.« Seine Augen sind groß, braun, rund und unschuldig. Was erheblich trügt, wie wir aus Erfahrung wissen.

    »Ich sehe niemanden.« Christian drehte eine Unsäglichkeit in den Händen, eine nackte Dame, die einen Schleier um sich wirbelt, gefertigt aus weißem Porzellan, an vielen Stellen abgestoßen, hier und da mit unregelmäßigen Goldverzierungen. »Was soll dies Ding kosten?«

    »´n Fünfer, Alter.«

    »Christian, stell das Ding weg und such das Telefon, verdammt«, sagte ich.

    Er grinste, wie nur Christian grinsen kann. »Ich wollte sie dir zum Geburtstag schenken, schade, jetzt ist die Überraschung vorbei.« Er drehte sich zu Joschi, der völlig deplatziert zwischen den Scheußlichkeiten eines Haushaltes stand, die weitgehend aus den 60er Jahren stammten. »Hier soll irgendwo ein großes Bild hängen, eine Harzlandschaft oder so was.«

    »Hinten vorm Durchgang rechts. Ich mach dir Licht an, warte.«

    Ich setzte mich auf etwas, was bei meinen Großeltern Clubsessel geheißen hatte, ein benopptes Etwas mit schrägen Beinen ohne Armlehne. »Und du verkaufst dies Zeug hier?«

    »Na ja, war kaum wer da. Der Besitzer dachte, es wäre eine gute Idee, vor dem Abtransport morgen einen Tag einzuschieben, wo einzelne Sachen vielleicht noch verkauft werden. Morgen wird dann der ganze Scheiß ausgeräumt.«

    »Und wie kommst du an den Job?«

    »Einfach so, weiß nicht.«

    Das war die Höhe. »Du weißt doch, wie du an den Job kommst.« Ich sah, dass Joschi unruhig wurde. »Und hier riecht es nach Cannabis. Hast du einen durchgezogen?«

    In dem Moment kam Christian zurück. »Ich hab´s. Wir können los.«

    »Hör mal, das stinkt doch zum Himmel.« Ich wollte mich jetzt richtig aufregen, was aber nicht klappte, weil Christian mich zur Haustür zog.

    »Wir müssen los, Friederike, du hast selbst gesagt, du hast es eilig. Wir sehen uns, Joschi.«

    »Klar doch, alles cool, Alter.«

    Aber das hörte ich nur noch halb, denn Christian hatte mich aus der Haustür gezerrt.

    »Ich hab schon Halmers in Wildemann angerufen, der will gleich kommen und die Frau aus dem Graben ziehen. Los jetzt, wir müssen dort sein, ehe sie weg ist.«

    Während wir auf der Bundesstraße die vorgeschriebenen 70 km/h Richtung Einmündung Innerstetalstraße fuhren, arbeitete ich mich an Christian ab.

    »Wieso lässt du mich nicht in Ruhe meine Fragen stellen? Das stank doch zum Himmel. Joschi wollte noch nicht mal sagen, wieso er in dem Laden stand und Ramsch verwaltete. Und er hat gekifft, das roch man zehn Meilen gegen den Wind.«

    »Ich weiß, Friedchen, ja, ich hab´s auch gerochen. Und ja, es ist merkwürdig, dass Joschi da steht. Aber er wollte nicht reden, verstehst du, er wollte nicht. Wir hätten ihn nur ...«

    »... in Verlegenheit gebracht, ich weiß. Er hätte wahrscheinlich gelogen oder Müll erzählt. Du hast ja Recht.« Was ich sehr ungern zugebe.

    »Was du sehr ungern zugibst, gib´s zu.« Über seinen schönen Satz lachten wir, bis wir an der Pannenstelle ankamen. Halmers war schon da und befestigte gerade ein dickes Seil an dem blauen Auto im Graben.

    »Hier hab ich schon mehr Leute aus dem Graben geholt. Vor allem im Sommer, wenn die Leute Hunderte von Metern die Straße lang parken. Das führt regelmäßig dazu, dass sie nur noch einspurig befahrbar ist. Wenn dann einer rauffährt und es kommt ihm wer entgegen, ist es aus. Na ja, alle können kommen und baden«, er wischte sich mit dem schmutzigen Handschuh über die Nase und hinterließ eine Ölspur, »Einheimische wie Touristen, aber um eine anständige Verwaltung der Ergebnisse von Harzwerbung kümmert sich keiner. Vielleicht gibt´s hier ja irgendwann genug Parkplätze abseits der Straße.« Halmers brachte seine Beschwerden ausgesprochen munter vor, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Er wollte sich eigentlich gar nicht beklagen, es war seine Art, ein Gespräch zu führen und die Anwesenden bei Laune zu halten.

    Die Frau wollte Christian einen Zehneuroschein in die Hand drücken als Dank für das wiederbeschaffte Handy, aber er wehrte sich. »Geben Sie Halmers den für die Kaffeekasse, der freut sich«, sagte er. Christian, der Ritter.

    Wir beobachteten noch, wie der Unimog – sanft wie den Finger aus der Butter – das Auto aus dem Graben zog, und verschwanden dann schnell Richtung Clausthal zum Tango-Café.

    3: Der Jugendclub

    Zwei Tage später fragte mich Christian, ob ich nicht vielleicht Lust hätte mitzukommen zur Eröffnung des neuen Zellerfelder Jugendclubs. »Es gibt ein deftiges Buffet, Friedchen, das ist doch was für dich. Mettbrötchen mit Zwiebeln und Schwarzbrot mit Harzer Käse, du weißt schon.«

    Dafür bin ich zwar empfänglich, kann aber gut darauf verzichten, es auf diese Art und Weise unter die Nase gerieben zu bekommen. Er betrachtete mich amüsiert, weil er wusste, dass ich zusagen würde. Ich hasse Angelegenheiten wie Johannisbeersößchen an Hechtschaum und ähnlich hochtrabende Restaurantangebote, wo man eine einsame Garnele unter einer stählernen Kuppel präsentiert kriegt. Ich mag deftiges Essen, und Fleisch gehört für mich – in Maßen natürlich – nun einmal zur normalen Ernährung.

    Also ging ich mit, was sich lohnte, denn das Buffet war ein Traum aus hochgetürmten Mettwurststücken, gefüllten Tomaten, Soleiern, sauren Gurken, Harzkäsetalern, kaltem Braten und gehackten Zwiebeln. Das frisch gebackene Brot duftete durch den ganzen Raum.

    Es war ordentlich voll. Rudolph Kahlhut, unser Bürgermeister, redete als erster, ein Schlitzohr nach Strich und Faden, der sich mit Vorliebe in teure starkfarbige Anzüge kleidet. Er hat eine Menge mit uns zu tun, denn er beauftragt hier und da Christian mit der

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