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Tod im Basalt: Kriminalroman
Tod im Basalt: Kriminalroman
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eBook195 Seiten2 Stunden

Tod im Basalt: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Dem windigen Bauunternehmer Karl Rupp gehört das größte Basaltwerk in der Region. Mit seinen Geschäftspartnern und Mitarbeitern ist er alles andere als zimperlich, seine Frau hat er betrogen und seine Geliebte abserviert. Jetzt liegt er tot am Grund seines Steinbruchs, überrollt von einer Dampfwalze.
Schwer zu verkraften, was Kommissar Wetz und Kollege Kramer da vor sich haben. Noch schwerer kommen die Ermittlungen in Gang, zumal bei Kalli privat einiges im Argen liegt. Die plötzlich auftauchende Leiche eines Kindes, das vor fast vierzig Jahren auf geheimnisvolle Weise verschwand, und der Selbstmord eines unbescholtenen Nachbarn lassen die Ermittler tief in Rupps Vergangenheit forschen.
Gut, dass Mutti und Tante Jutta immer mit einem guten Rat zur Stelle sind und zur gleichen Zeit deutsche Fußballgeschichte geschrieben wird. Und was wäre Kalli ohne seinen treuen Freund Jockel?
SpracheDeutsch
HerausgeberCoCon Verlag
Erscheinungsdatum28. Apr. 2016
ISBN9783863148133
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    Buchvorschau

    Tod im Basalt - Michael Elsaß

    leid.

    Montag, 9. Juni 2014

    Eine Woche Urlaub in Thüringen, in Meuselwitz an der Schnauder, das war sehr schön. Eine Einladung der Partnergemeinde unseres Ortes. Da sind wir alle hingefahren, na klar. Wir haben viel gehört von machthungrigen Herzögen, und als offizielle Besucher der Stadt wurden wir herumgereicht. Wir hörten Geschichten von Lehnsherren, Hexenpogromen und Braunkohleförderung. So ohne die Silke hat das aber alles keinen Spaß gemacht.

    Nachdem ich im vergangenen Jahr den Brudermord in einer Millionärsfamilie gelöst hatte, bin ich oben geschwommen. Mit einer jungen Polizeischülerin ist es dann passiert. Für sie und für mich war es nichts Ernstes, aber Silke hat das ganz anders gesehen. Jetzt kann ich nur hoffen, dass sie mir noch eine Chance gibt. Ich sehne mich ziemlich nach ihr.

    Statt Silke sind halt die Mutti und die Tante Jutta mitgefahren. Und sie hatten dort eine tolle Zeit zusammen mit ihren Liebschaften. Die blühten so richtig auf. Ich finde es amüsant, wenn sich Menschen um die siebzig aufführen wie Teenager. Aber ich gönns ihnen.

    Der erste Tag nach dem Urlaub ist immer ein bisschen komisch. Viel Arbeit wartet, aber die Kollegen haben mir doch ein wenig gefehlt.

    In der Polizeidirektion treffe ich gleich auf Biggi. Mit ihr hatte ich vor Silke eine Affäre. Wir haben aber beide beschlossen, dass ein Mal genug ist und wir trotzdem Freunde sein können. Sie ist auch gerade erst aus dem Urlaub zurückgekommen, sie war mit ihrem neuen Freund eine Woche auf Gran Canaria. Alles war toll, „nicht nur das Wetter", zwinkert sie mir zu, und das freut mich, weil sie schon ein paar unglückliche Beziehungen hinter sich hat. Wir trinken Kaffee aus der sündhaft teuren Maschine von Polizeidirektor Dr. Roth. Der muss sich heute in Wiesbaden persönlich um den Fortgang seiner Karriere kümmern. Dr. Roth ist ein Karrieremensch, den sie aus Frankfurt nach Friedberg in die Provinz versetzt haben. Nachdem er in der Großstadt einigen Leuten auf die Füße getreten ist, bekam sein steiler Aufstieg einen Knick. Das wieder auszubügeln, fordert Roths ganze Energie. Aber dafür lässt er uns ziemlich in Ruhe.

    Die Kaffeemaschine schäumt die Milch so schön auf, das kriegen die sonst nur in Italien hin. Wenn der Roth weg ist, dann wollen alle an die Maschine. Und Biggi ist eben die Vorzimmerdame von Dr. Roth und darf die Maschine bedienen. Wie ich so meinen Latte Macchiato schlürfe, stürzt Edgar Schwatz rein. Das ist der Kripochef und nach Roth der wichtigste Mann in der Polizeidirektion.

    „Wetz, wo treiben Sie sich rum? Ich hab Sie die ganze Zeit schon gesucht. Sie werden gebraucht. In Echzell hat man einen Toten gefunden. Sieht übel aus. Fahren Sie da mal hin! Und nehmen Sie Kramer mit, der braucht Praxis."

    Oh nee, ausgerechnet Kramer. Das ist der Neue, der einem so auf die Nerven geht, weil er mit seinen Mutmaßungen dauernd daneben liegt. Und die äußert er leider ziemlich oft. Der Bursche ist Mitte zwanzig, kann ganz gut schießen und schnell laufen. Der ist aber so dürr, dass selbst meine zierliche Silke den aus den Socken hauen könnte. Kramer hat Jura studiert und will sich für „künftige Aufgaben" qualifizieren. Ein Theoretiker, wie er im Buch steht. Der ist so schlau, er weiß nicht nur alles, er weiß alles sogar besser.

    Kramer wartet schon im Hof bei unserem neuen Opel-Dienstwagen.

    „Ich fahr lieber mit meinem Eigenen", rufe ich.

    Und so trabt er zu mir herüber. Über den Wagen lästert er: „Coole Karre. Noch aus dem letzten Jahrtausend?"

    „Junger Mann, das ist ein Mercedes 280 S, Baujahr 1986. So eine Qualität wird schon lange nicht mehr gebaut, das ist ein Auto, von dem Staatsmänner träumen, und keine ‚coole Karre’."

    „Oh Entschuldigung, ich wusste ja nicht ... Ich bin übrigens der Robert."

    „Prima Robert, ich bin der Herr Wetz. Kannst aber auch ‚Chef’ zu mir sagen."

    Den Rest der Fahrt schweigen wir. Von der Polizeidirektion in Friedberg fahren wir über die Dörfer. Jetzt im Juni ist der Raps verblüht. Weizen und Roggen stehen noch saftig auf den Äckern. In drei oder vier Wochen färbt sich alles goldgelb, die Ernte beginnt. Das Gesicht der Wetterau hat sich in den letzten Jahren ziemlich verändert. Keine dreißig Kilometer sind es von hier in die Metropole Frankfurt. Viele Wetterauer verdienen ihr Geld in der Großstadt, und nicht wenige Großstädter sind hier aufs Land gezogen. Das Landleben behagt aber nicht jedem. Da werden schon mal die Kollegen von der Schutzpolizei angerufen, weil ein Bauer am Sonntag die Gülle ausfährt. Auch unsere Sprache hat sich verändert. Der Wetterauer Dialekt wird immer seltener gesprochen. Der Kreis kümmert sich jetzt darum, der Landrat hat sogar einen Wettbewerb ausgeschrieben. Im Alltag wird immer mehr geschliffenes Hochdeutsch gesprochen, auch bei uns in der Polizeidirektion; und Kramer ist dafür so ein ganz besonderes Beispiel. Der bringt es sogar fertig, alte Hasen bei der Dienstbesprechung zu verbessern, weil die den „hessischen Komparativ, wie Kramer sagt, benutzen. Dabei heißt es bei uns schon immer „größer wie statt „größer als". Das ist nun mal unsre Sprache.

    Verändert hat sich auch die Landschaft. Noch vor einigen Jahren war die Zuckerrübe die vorherrschende Ackerpflanze, in Friedberg gab es sogar eine Zuckerfabrik. Heute wachsen überall Energiepflanzen auf den Feldern.

    Gestern hat es geregnet, die Luft ist klar, der Turm auf dem Feldberg, dem höchsten Berg des Taunus, ist im Westen deutlich zu erkennen. Vor mir liegt im Norden der Vogelsberg, der den Ruf der Rauheit hat. Ganz zu unrecht. Zumindest jetzt im Sommer präsentiert er sich mit dem Auf und Ab seiner geschwungenen Linien irgendwie lieblich.

    Ich heiße eigentlich Karl-Heinz, so nennt mich aber niemand. Meine Freunde sagen Kalli zu mir. Das muss sich Kramer aber erst noch verdienen. Wir fahren jetzt auf der „Hohen Straße". Kilometerlang führt die alte Handelsstraße aus dem Mittelalter nach Echzell. Rechts und links liegen fruchtbare Äcker, hier hat sich die Wetterau ihren Ruf als Kornkammer erhalten. Tausendmal bin ich schon hier gefahren. Den Weg finde ich im Schlaf, und immer wieder erwische ich mich dabei, dass ich träume und an andere Dinge denke als an die Straße vor mir. Wenn ich dann in die Bachgasse komme, bin ich manchmal richtig überrascht. Echzell ist meine Heimat, hier bin ich geboren und hier würde ich niemals weggehen.

    Schwatz hat mir die Wegbeschreibung zum Steinbruch Rupp mitgegeben, dabei kenne ich mich hier ziemlich gut aus. Der befindet sich in Bingenheim, einem Ortsteil von Echzell. Wie an vielen Stellen in der Wetterau liegt auch hier das Vulkangestein des Vogelsbergs direkt unter der Oberfläche. Vogelsbergbasalt ist erstklassiges Material für den Straßenbau und wird in unserer Region an vielen Stellen gewonnen. Der Betrieb von Rupp ist einer der größten in der Region.

    Der Steinbruch liegt am Rande des Dorfes, die Zufahrt führt über eine Anhöhe. Dort steht ein Polizeiwagen, und die Kollegen der Schutzpolizei regeln den Verkehr. Vor allem versuchen sie, die Dorfbewohner davon zu überzeugen, dass es hier nichts zu sehen gibt. Ein Kollege schiebt die Schranke hoch, als ich mit meinem Benz ankomme.

    Der Schupo kennt mich, und ich kenne den Steinbruch. Ich habe im Steinbruch oft als Kind gespielt, auch wenn es verboten war. Mein Kumpel Jockel ist dabei einmal übel gestürzt und hat sich den Arm gebrochen, da waren wir beide zwölf. Dabei hat er vor Schmerzen das Bewusstsein verloren, ich bin zum nächsten Haus gerannt und habe Hilfe geholt. Danach gab es nicht nur mächtig Ärger zu Hause, sondern auch das Versprechen, nie mehr in den Steinbruch zu gehen.

    An dieses vor fünfundzwanzig Jahren gegebene Versprechen denke ich, als ich mich mit dem Wagen wie in einer lang gedrehten Spirale nach unten schraube. Fast vierzig Meter tief haben sich die Bagger und Sprengmeister in das Vogelsberggestein gegraben. Am Grund des Steinbruchs schaue ich auf das, was vor mir liegt. Ich glaube, in den nächsten fünfundzwanzig Jahren werde ich auch nicht mehr herkommen.

    Auf dem geschotterten Boden liegt etwas, was einmal ein Mensch gewesen sein muss. Davor steht eine große Straßenwalze, mit der der Teer und der Aufbau von Straßen verfestigt und geglättet wird. Der Geruch, den dieses Etwas verströmt, ist übel. Der Todeszeitpunkt muss schon ein paar Tage zurückliegen. Dicke Schmeißfliegen verrichten überall dort, wo Blut und Fleisch liegen, ihre Arbeit.

    Praktikant Kramer verabschiedet sich mit würgenden Geräuschen, und auch mir ist der Appetit vergangen. Ich blicke auf den zweiten Kollegen von der Schutzpolizei.

    „Ich hab die Spurensicherung und den Pathologen aus Gießen schon bestellt."

    „Oben an der Bürobaracke, er zeigt in Richtung Ausgang, wo in zweihundert Metern Entfernung zwei zu Büros umfunktionierte Baucontainer stehen, „wartet Herbert Winkler. Der ist Vorarbeiter hier im Steinbruch, er hat den Toten gefunden und uns verständigt.

    „Wann war das?", frage ich, nur um überhaupt etwas zu sagen, denn das könnte ich auch im Bericht nachlesen.

    Mich macht das jedes Mal fertig, wenn jemand so plötzlich ums Leben kommt. Man möchte vielleicht glauben, dass man sich an den Tod gewöhnt. Aber das ist nicht so. Ich gewöhne mich nicht daran, und den Kollegen geht es nicht anders. Man könnte selbst das Opfer sein oder vielleicht sogar der Täter. Die meisten Morde werden nicht von gefühlskalten Bestien verübt. Oft ist Töten ein Ausdruck von Schwäche, von der Unfähigkeit, mit einer Situation fertig zu werden. Die Folge eines lange aufgestauten Hasses, von dem der Getötete vielleicht nicht einmal was gewusst hat.

    Wenn ein alter Mensch nach einem erfüllten Leben stirbt, vielleicht nach langem Leiden, empfinde ich Mitgefühl mit den Angehörigen. Tritt aber der Tod so plötzlich durch einen Unfall oder ein Verbrechen ein, wirft er alle Pläne, die dieser Mensch noch hatte, über den Haufen. Das ist meine Angst, die bei jeder Begegnung mit dem Tod in mir hochkommt. Gibt es ein Leben nach dem Tod? Gibt es in diesem Jenseits eine Strafe für das Böse, was man hier auf Erden tut? Hoffentlich ist es so. Ich kenne einige Gauner, die deutlich mehr als nur ihre Gefängnisstrafe verdient hätten.

    Ich stelle mir das Leben als eine Menge von Möglichkeiten vor, die wir mehr oder weniger nutzen. Was aber passiert mit den ungenutzten? Bekommt man sie für ein neues, für ein anderes, höheres Leben zurück?

    Mit diesen Gedanken gehe ich zum Vorarbeiter Winkler, den der Kollege wieder zum Tatort geschickt hat und stelle mich vor. Er sieht ziemlich mitgenommen aus. So ein Anblick kann auch den stärksten Bauarbeiter umhauen.

    „Ich kenn Sie doch, Sie waren doch früher immer mit ihrem Kumpel Jockel in Günnis Kneipe."

    Da trifft mich der Mann an meiner empfindlichsten Stelle. Der Günther, den alle Günni nennen, betreibt meine Stammkneipe, aber seit Silke nicht mehr dort arbeitet, sondern für ein halbes Jahr bei ihrem Bruder an der Ostsee, gehe ich da nur noch selten hin.

    „Ja, stimmt, sage ich und frage, um abzulenken: „Sie kennen den Toten?

    Er zuckt mit den Schultern.

    „Das Audo vom Scheff steht hier, un die Hos kommt mer bekannt vor. So ne ähnlische hatt unsern Scheff aach. Also der Herr Rupp. Aber des kann auch en Zufall sein." Seine Stimme klingt zittrig.

    Zu erkennen ist von dem Menschen, der mit dem Gesicht im Asphalt liegt und von einer zehn Tonnen schweren Straßenwalze überrollt wurde, rein gar nichts mehr. Seine Identität können nur noch die Forensiker klären. Ich frage ihn deshalb, ob es hier in der Vergangenheit irgendwelche Auseinandersetzungen gegeben hat. Spuren eines Kampfes sind auf den ersten Blick nicht zu sehen.

    „Ach wisse Se, geredt werd viel. Gesehe un gehört habb ich selber nix. Wenden Sie sich bitte an die Geschäftsleitung, die wird Ihnen mehr sagen können", sagt er plötzlich auf Hochdeutsch.

    So leicht lasse ich mich aber nicht abwimmeln.

    „Herr Winkler, so einfach können Sie sich das nicht machen. Da ist ein Mensch gestorben. Wenn Sie etwas wissen, das zur Aufklärung des Verbrechens beitragen kann, müssen Sie das jetzt sagen."

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