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Zweites Leben: Kriminalroman
Zweites Leben: Kriminalroman
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eBook263 Seiten3 Stunden

Zweites Leben: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Am Anfang von Peuckmanns neuem Krimi steht der brutale Überfall auf einen Geldtransporter. Mit einer Panzerfaust bedrohen die Täter die beiden Geldboten. Sie selbst tragen eine Clowns- und eine Horrormaske, als handle es sich um einen Karnevalsauftritt. Mehr als 700.000 Euro beträgt ihre Beute.
Anselm Becker ist verwirrt. Was hatte die Verkleidung zu bedeuten? Und vor allem, haben sie von den Geldboten oder von Bankangestellten einen Tipp bekommen? Aber die Überprüfung bringt nichts. Lange tappen Anselm Becker und seine Mitarbeiterin Sibel Dogan im Dunklen, bis Anselm Becker plötzlich auffällt, dass er in diesem Fall nicht mit der üblichen Polizeiroutine weiterkommt. Im Gegenteil, manchmal scheinen die Täter genau das Gegenteil von dem gemacht zu haben, was die Polizei annehmen musste. Erst als Anselm Becker das erkennt, spürt er, dass er den Tätern näher kommt und fühlt gleichzeitig, dass auch sie ihm näher kommen. Wer verfolgt hier eigentlich wen?
Nicht nur spannend wie seine drei Vorgängerbände ist dieser Krimi, er verbreitet zusätzlich eine geheimnisvolle, bedrohliche Stimmung.
Erst als ein Mord geschieht, ahnt Becker die Lösung und gerät prompt in Lebensgefahr.
Eines ist allen Anselm-Becker-Krimis gemeinsam. Hinter der spannenden Handlung schimmert wieder ein großes gesellschaftliches Thema auf, das diesmal weit zurückreicht. Bis in den deutschen Herbst, in die Zeit des Terrorismus.
SpracheDeutsch
HerausgeberAschendorff
Erscheinungsdatum5. Nov. 2008
ISBN9783402196632
Zweites Leben: Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Zweites Leben - Heinrich Peuckmann

    ASCHENDORFF

    CRIMETIME

    HEINRICH PEUCKMANN

    ZWEITES LEBEN

    KRIMINALROMAN

    Aschendorffs

    EPUB-Edition

    Vollständige E-Book-Ausgabe des im Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG erschienenen Werkes

    Originalausgabe

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Copyright © 2009/2012 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster

    ISBN der EPUB-Ausgabe: 978-3-402-19663-2

    ISBN der Druckaugabe: 978-3-402-12785-8

    Sie finden uns im Internet unter

    www.aschendorff-buchverlag.de

    1

    1.

    Wir sind kurz vor ein Uhr aus Richtung Unna gekommen und haben bei Bönen die Autobahn überquert.

    Wir waren genau im Zeitplan gewesen, denn es war nichts Ungewöhnliches passiert. Den ganzen Tag über war es diesig gewesen, deshalb habe ich nicht viel sehen können von dem Verkehr vor und hinter uns.

    ‚Pass auf’, habe ich zu meinem Kollegen gesagt, ‚du musst nicht rasen, wir sind gut in der Zeit.’ Er ist dann tatsächlich langsamer gefahren, als wir auf die Straße Richtung Hamm einbogen. Ich habe aufgehört, nach vorn zu starren, sondern habe durch das Seitenfenster auf die nebligen Felder geblickt. Es entspannt mich, mal nichts von dem Verkehr um mich herum mitzukriegen und auch nicht an das denken zu müssen, was wir hinter uns transportieren. Wenn man das dauernd tut, wird einem mulmig zumute.

    Mein Kollege hat leise angefangen zu pfeifen, wie immer, wenn er sich wohl fühlt, aber ich habe diesmal nicht mit Gesumme eingestimmt, wie wir das manchmal machen. Ich hatte nämlich im Rückspiegel plötzlich zwei grell aufleuchtende Scheinwerfer entdeckt, die sich mit hoher Geschwindigkeit näherten. Sie gehörten zu einem Wagen, der direkt auf uns zuschoss und ich habe gedacht: Warum rast der denn so? Ist ihm nicht klar, wie gefährlich das ist bei diesem Wetter? Gleichzeitig bin ich unruhig geworden. Will der was von uns, habe ich gedacht. Im selben Moment war mir klar, dass ich aufpassen musste und den Wagen keine Sekunde lang aus den Augen verlieren durfte. Ich weiß nicht mehr, wie ich darauf kam, es war so ein Gefühl, das mich nicht mehr los ließ, mehr nicht.

    Kurz darauf sah ich, dass der Wagen, ein Ford Transit, langsamer wurde und sich der Abstand zwischen uns nicht mehr verringerte. Für einen Moment habe ich aufgeatmet. Einer, der nicht weiß, was er will, habe ich gedacht. So was kommt öfter vor. Ich habe wieder aus dem Seitenfenster geschaut und versucht, vor mich hinzuträumen.

    Aber ein paar Sekunden später sah ich, dass der Wagen plötzlich an uns vorbeischoss, das heißt, gesehen habe ich das gar nicht richtig. Ich habe nur einen Schatten bemerkt, der vorbei flog. Jetzt war ich sicher: Da stimmt was nicht. Es ist zwar normal, dass uns jemand überholt, aber dieses Tempo und dann der Wechsel der Geschwindigkeit, mal schnell, mal langsamer, dann rasend schnell, ist völlig ungewöhnlich. Aber zunächst sah es so aus, als wäre nichts dran an meiner Befürchtung. Der Wagen behielt sein hohes Tempo bei, als er uns überholt hatte und schien sich zu entfernen. Die Strecke war frei, keine Autos hinter uns, keine, die uns entgegen kamen. Dann aber bremste er scharf, ganz plötzlich, wie aus heiterem Himmel. Mein Kollege musste ebenfalls heftig auf die Bremse treten, wir schlitterten über den Asphalt, gerade in dem Moment, als ein dicker Baum am Wegrand stand. Als wir daran vorbei rollten, löste sich ein Schatten hinter dem Baum und sprang auf uns zu.

    ‚Pass auf, das ist eine Falle’, habe ich geschrien. ‚Zieh an dem Wagen vorbei, fahr weiter!’

    Aber es war zu spät gewesen. Mein Kollege versuchte zwar noch, von der Bremse aufs Gaspedal zu wechseln, aber da gab es plötzlich einen fürchterlichen Knall, direkt an meiner Beifahrertür. Für einen Moment war ich wie betäubt. Als ich wieder zu mir kam, war die Beifahrertür offen und ich spürte etwas Kaltes in meinem Nacken."

    Der Mann verstummte. Er atmete ein paar Mal heftig ein und aus, als hätte er einen Jogginglauf hinter sich. An­selm Becker drängte ihn nicht, weiterzuerzählen, er konnte sich vorstellen, was der Mann durchgemacht hatte. Er musste ihm Zeit lassen, wenn er einen genauen Bericht von ihm haben wollte. Etwas anderes ging nicht.

    Auch er atmete tief durch, wandte den Blick von dem Mann ab, der vor ihm auf dem Beifahrersitz eines Streifenwagens saß und die Füße auf den Asphalt der Straße gestellt hatte und blickte hinüber zu den Feldern, über die der Nebel waberte. Dort, wo er sich auflöste, trat die feuchte Ackerkrume hervor. Es wehte ein kalter Wind herüber, der sich aber nicht in den kahlen Bäumen am Straßenrand verfing, sondern über die Straße hinweg blies und vertrocknete Blätter und Papierfetzen in den Straßengraben fegte. Anselm stellte den Kragen seiner Jacke hoch und steckte die Hände in die Taschen.

    Der Kollege des Mannes saß mit hängendem Kopf in einem Polizeibulli. Seit Anselm angekommen war, hatte er seine Haltung nicht verändert, deshalb hatte Anselm erst gar nicht versucht, ihn anzusprechen. Es würde noch lange dauern, bis der Mann ansprechbar war. Zu tief saß der Schock.

    Anselm blickte sich um. Der Transporter stand quer auf der Straße, das Heck in Richtung Straßenrand. Die Hecktüren standen offen, genauso wie sie ihn vorgefunden hatten. Gleich vier Streifenwagen, zwei Passats, zwei Bullis, parkten drum herum, dazu ein paar Privatwagen, darunter sein Golf. Die Kollegen in ihren weißen Arbeitsklamotten waren mit der Spurensicherung beschäftigt, Wermann leitete den Einsatz, Sibel Dogan, seine Mitarbeiterin, sah ihm dabei zu. Auch heute trug sie wieder ihre Lieblingskleidung, schwarze Jeans und eine schwarze, eng sitzende Jacke, passend zu ihrem Haar.

    Anselm wandte den Blick von ihr ab und beobachtete ebenfalls eine Zeitlang das Treiben, dann wandte er sich wieder dem Mann zu.

    „Weiter! Was geschah dann?"

    „Ich habe gleich gespürt, dass das Kalte in meinem Na­cken die Mündung einer Pistole war. So fest hat die Person schräg hinter mir sie in meinen Nacken gedrückt, dass ich den Kopf nicht wenden konnte, um zu sehen, wer es war. Die Person hat auch gar nicht sagen müssen, dass ich aussteigen soll. Mit dem Druck der Pistolenmündung hat sie mich so dirigiert, dass ich es ohne Aufforderung tat. Mein Kollege ist auch ausgestiegen, zuerst habe ich geglaubt, dass er ebenfalls mit einer Pistole bedroht würde. Aber das ging ja gar nicht, die Fahrertür war fest verschlossen gewesen. Er musste sie von sich aus geöffnet haben. Erst als ich auf der Straße stand und nach vorn blickte, habe ich gesehen, warum er es getan hatte. Da stand zwischen unserem und dem anderen Wagen eine zweite Person auf der Straße, die ein spitz zulaufendes Ding auf uns gerichtet hielt, das an einer Stütze angebracht war, die die Person an die Schulter gepresst hatte. Ich habe einen Moment gebraucht bis ich kapierte, dass es eine Panzerfaust war. Trotz Panzerfaust und Pistole im Nacken habe ich noch immer nicht begriffen, in welcher Situation wir uns befanden, denn die Person, die da vor uns stand, trug eine Maske. So eine Clownsmaske, wie man sie bei Karnevalsfeiern aufsetzt. Es war ein ironisch grinsendes Gesicht, so dass ich gedacht habe, die Sache ist gar nicht ernst gemeint, sondern ein dummer Spaß, um uns einen Schrecken einzujagen. Ja, das habe ich tatsächlich geglaubt, denn als der Pistolendruck in meinem Nacken nachließ, konnte ich aus den Augenwinkeln sehen, dass auch die zweite Person eine Maske trug. Das war eine Horrormaske, die aber mit dem Blut, das ihr aus dem Mund zu laufen schien, ebenfalls komisch wirkte. Es hat nicht viel gefehlt und ich hätte gelacht. Mein Gott, wenn ich daran denke …

    Erst nach einem heftigen Stoß mit der Pistole in die Seite und dem Winken, dass wir zur Hintertür unseres Wagens gehen sollten, war mir endgültig klar, dass es ernst war und dass wir uns in Gefahr befanden. In schrecklicher Gefahr! Mein Gott, wenn der Typ mit der Panzerfaust schießt, habe ich plötzlich gedacht, wenn der die Nerven verliert und abdrückt, dann gibt es uns im nächsten Moment nicht mehr. Dann bleiben von unserem Transporter vielleicht noch ein paar Trümmer übrig, aber von uns gar nichts mehr.

    Wir haben dann zusammen die Tür unseres Geldtransporters aufgeschlossen, es geht ja nur, wenn wir das gemeinsam machen, und wir hatten dabei den Typen mit der Horrormaske und der Pistole in der Hand immer hinter uns. Ich habe gesehen, dass meinem Kollegen die Hände genauso zitterten wie mir und als es nicht schnell genug klappte, spürte ich sofort wieder die Pistole im Rücken. Im selben Moment, als die Tür offen war, kam der Typ mit der grinsenden Maske angelaufen, jetzt aber ohne Panzerfaust. Vermutlich hatte er sie inzwischen im Ford Transit abgelegt. Er riss die ersten beiden Kassetten aus dem Transporter und lief an uns vorbei zu seinem Auto. Ein paar Sekunden später war er zurück und riss die nächsten Kassetten heraus. Ich habe das gesehen und gestaunt, wie schnell und vor allem lautlos das ging. Aber richtig begriffen habe ich es nicht. Es kam mir vor wie in einem Film, den ich aber gar nicht sehen wollte. Noch zweimal kam er zurück und als ich erwartete, dass er zum fünften Mal angerannt kommen würde, weil sich noch zwei Kassetten im Wagen befanden, ertönte plötzlich ein Schuss. Aus, habe ich gedacht, aus und vorbei. Endgültig. Mit mir oder meinem Kollegen. Oder mit uns beiden. Ich habe für einen Moment an meine Kinder gedacht. Jetzt wirst du nie erfahren, was aus ihnen werden wird, habe ich gedacht. Sie werden alleine durchkommen müssen, ohne deine Hilfe, ohne deinen Rat. Aber es war merkwürdig, mein Kollege stand weiter ungerührt neben mir und auch ich verspürte keinen Schmerz. Erst da merkte ich, dass die Luft aus einem der Hinterräder entwich.

    Dann hörte ich, dass auch der Typ hinter uns losrannte. So schnell ging das alles, dass ich zuerst gar nicht begriff. Erst als ich das Quietschen von Reifen hörte und augenblicklich später sah, wie der Transit an uns vorbeiraste in die Richtung, aus der wir gekommen waren, wusste ich, dass die Gefahr vorüber war und wir mit dem Leben davon gekommen waren. Erst da begriff ich richtig, dass das Geld weg war, mehr als eine halbe Million. Weg. Von einem Moment zum anderen."

    Der Mann hob den Kopf und sah Anselm an, als wollte er fragen, was er von seinem Bericht hielt. Anselm nickte. Das war anschaulich gewesen, er konnte sich vorstellen, wie der Überfall abgelaufen war. Aber er hätte auch genickt, wenn der Bericht weniger ergiebig gewesen wäre. Es war wichtig, den Zeugen zu bestärken und sein Vertrauen zu gewinnen. Und wie konnte man das besser als mit vorsichtigem Lob? Es half bei den weiteren Befragungen, die Zeugen gaben dann mehr von dem preis, was sie dachten oder vermuteten. Trotzdem, Anselm hatte noch jede Menge Fragen, aber er merkte, dass er dem Mann eine Verschnaufpause gönnen musste.

    Sibel drehte sich zu ihm um. Als sie sah, dass er die Befragung unterbrochen hatte, winkte sie ihn heran. Anselm steckte wieder die Hände in seine Taschen.

    „Bist du weitergekommen?", fragte sie, als er neben ihr stand.

    „Ich habe einen Überblick, wie der Unfall stattgefunden hat."

    „Schon erste Spuren?"

    Anselm schüttelte den Kopf. „Nichts bis jetzt."

    Sibel nickte. „Dachte ich mir."

    „Wieso dachtest du das?"

    „Weil es zu schön wäre, wenn mal was auf Anhieb klappt. Aber wir wissen ja zur Genüge, dass das bei uns nicht passiert."

    Anselm grinste. „Und bei euch?"

    „Den Ablauf hat dir der Mann ja bestimmt erzählt. Den Geldtransporter ausbremsen, dann die Beifahrertür aufsprengen. Das macht man mit ein bisschen Sprengstoff, Zünder drin und … bumm, so leicht geht das. Man muss natürlich genau dosieren, sonst fliegt einem der ganze Wagen um die Ohren, aber das ist für routinierte Leute nicht schwierig, meint Wermann."

    „Also Profis?", fragte Anselm.

    „Vermutlich."

    „Und sonst?"

    „Reifenspuren, weil die Diebe ihren Wagen scharf gewendet haben. Sonst nichts."

    „Klar, antwortete Anselm, „wäre ja auch zu schön, wenn ‘s anders wäre.

    Jetzt war es Sibel, die grinste.

    Anselm starrte noch einmal auf das offene Heck des Geldtransporters. Wie ein gähnender Schlund kam er ihm vor. An der Seite des dunkelblauen Wagens prangte in gelber Schrift, nicht zu groß aber doch erkennbar, der Firmenname: Weltes Sicherheitstransporte. In der Ferne bemerkte er plötzlich einen Hubschrauber. Er wusste, dass es der Polizeihubschrauber sein musste, der die Autobahn nach dem flüchtenden Transit absuchte. Es war ja klar, dass die Diebe über die Autobahn geflüchtet sein mussten, weshalb sonst hatten sie ihren Transit gewendet, weshalb sonst hatten sie den Überfall ganz in der Nähe der Autobahnauffahrt Bönen verübt? Aber Anselm hatte wenig Hoffnung, dass sie ihn noch erwischen würden. Zu viel Zeit war verstrichen zwischen Überfall und ihrer Ankunft am Tatort. Zu nah lag die Autobahnauffahrt nach Hannover oder Richtung Ka­mener Kreuz.

    Er schaute auf die Uhr. Es war kurz nach vierzehn Uhr, dienstags. Die Woche hatte noch gar nicht richtig begonnen und dann so was, dachte er. Aber wo stand geschrieben, dass er es einfach haben sollte, ausgerechnet er, Anselm Becker. Rautert, sein Chef, würde ihn das auf jeden Fall fragen, falls er von Anselms Gedanken wüsste. Nein, jemand wie er war nicht auf die Welt gekommen, damit irgendetwas glatt lief. Nicht in seinem Beruf und auch sonst nicht.

    Er rieb sich das Kinn und spürte die Stoppelhaare. Wenn er nach Hause kam, müsste er sich sofort rasieren. Bei seinem ausgeprägten Kinn stand ihm kein Zweitagebart. Nach Hause, dachte er. Wo war das überhaupt, sein Zuhause? War das seine Junggesellenwohnung in Werne oder war es die Wohnung von Tanja in Münster? Er schüttelte den Kopf. Das war jetzt nicht das Problem, über das er nachdenken müsste. Jetzt musste er erst mal ein anderes lösen.

    Er bemerkte, dass ihn sein Zeuge erwartungsvoll anschaute. Also hatte er jetzt selbst ein Interesse daran, dass die Befragung weiterging. Er trug einen Dienstanzug mit der Aufschrift der Firma auf dem Jackett.

    „Können Sie den Ford Transit ein bisschen genauer beschreiben?", fuhr Anselm mit der Befragung fort.

    „Nur, dass er weiß war. Und alt. Ich hatte sogar das Gefühl, dass er ein paar Rostflecke hatte. Aber so genau habe ich das in der Aufregung nicht gesehen."

    Gut, Anselm nickte und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Das war im Wesentlichen das, was sie schon aus Rauterts Bericht erfahren hatte, als er sie hierher beordnet hatte.

    „Und die Täter? Ich meine, ist Ihnen noch was anderes an denen aufgefallen, außer dass sie Masken trugen? Zum Beispiel, ob sie jung oder älter waren?"

    „Über das Alter kann ich nichts sagen, außer dass sie nicht sehr alt gewesen sein können. So wie der eine mit den Kassetten gerannt ist, da war das bestimmt kein Opa."

    „Und sonst?"

    „Der mit der Panzerfaust war kräftig, der andere kleiner, etwas zierlich sogar."

    „Ach. Anselm war überrascht. „Kann es sein, dass es Mann und Frau waren?

    „Mann und Frau? Der Mann blickte ihn an. „Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Beide trugen weite, dunkle Anoraks, so dass ich ihren Körperbau nicht sehen konnte. Aber jetzt, wo sie es sagen … Er schwieg einen Moment lang. „Obwohl, vorstellen kann ich mir das nicht, fuhr er dann fort. „So wie die zur Sache gegangen sind, kann das eine Frau? Jedenfalls waren es Profis.

    Sie haben nicht zufällig Vorurteile gegenüber Frauen, wollte Anselm erwidern, unterließ es aber. Er wollte die Aussage des Mannes haben, nicht ihn verunsichern oder gar ärgern.

    „Möglich, dass es Profis waren, antwortete er stattdessen. „Deshalb haben sie auch Handschuhe getragen, stimmt’s?

    „Handschuhe? Ne, die hatten sie nicht an. Handschuhe habe ich an denen nicht entdeckt."

    Anselm sah den Mann ungläubig an. Das war doch nicht möglich! Leute, die so ein Ding abzogen und keine Handschuhe trugen, so was gab’s gar nicht!

    „Sind Sie auch sicher?"

    „Ganz sicher. Das war’s doch, wohin ich am meisten geschaut habe. Auf die Hände des Diebes, der die Kassetten weggeschleppt hat."

    Ja dann. Anselm blickte hinüber zu Herbert Wermann und den anderen Leuten von der Spurensicherung. Dann würden sie vielleicht doch Spuren finden und die Sache wäre schnell erledigt. Aber glauben konnte er es immer noch nicht. Handschuhe waren die primitivste Sicherheitsmaßnahme, wieso sollten die Diebe ausgerechnet die vernachlässigt haben? Waren sie sich so sicher, dass sie nichts anfassen würden? Aber wer konnte das schon?

    „Und ihre Stimmen?, fragte er weiter, „haben Sie vielleicht daran etwas erkannt? Klang eine vielleicht weiblich?

    „An den Stimmen habe ich gar nichts erkannt, antwortete der Mann. „Einfach deshalb nicht, weil die kein Wort gesprochen haben.

    „Keines?"

    „Keines! Alles ging durch Zeichen und außerdem so schnell, dass Reden völlig überflüssig war."

    Jetzt verstand Anselm überhaupt nichts mehr. Diebe, die kein Wort sprachen, um sich nicht über ihre Stimme zu verraten, die aber keine Handschuhe trugen und folglich in Kauf nahmen, dass sie Fingerabdrücke hinterließen. Das passte doch nicht zusammen. Sie müssten diese Aussage noch mal bei dem Fahrer des Geldtransporters überprüfen.

    Er blickte wieder hinüber zur Autobahn. Der Hubschrauber war verschwunden. Schon dort hinten, direkt an der Auffahrt, war die Straße gesperrt worden. Solange sie hier Spuren sicherten, wurde der Verkehr über Bönen umgeleitet. Aber sonst, das war ja klar, war die Straße gut befahren. Mensch, dass er daran nicht gedacht hatte!

    „Was meinen Sie, wie lange der Überfall gedauert hat?"

    Der Mann zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht, ich habe ja nicht auf die Uhr geguckt. Aber es ist rasend schnell gegangen."

    „Wie viel Minuten ungefähr?"

    „Vier, vielleicht fünf Minuten."

    Anselm staunte. Wenn das stimmte, wäre es ja wirklich rasend schnell gewesen.

    „Trotzdem, rief er und merkte selbst, wie seine Stimme dabei lauter wurde, „während der Überfall ablief, müssen doch Autos vorbei gekommen sein. Das ist doch eine viel befahrene Straße.

    „Autos nicht, aber ein Motorradfahrer."

    „Ja und? Hat der Fahrer nichts gemacht? Der muss doch gesehen haben, was passiert."

    „Gemacht direkt hat er nichts. Nur das Visier hochgeklappt, rübergeglotzt und als er die Masken gesehen hat, ist er weitergefahren."

    „War das alles?" Anselm schüttelte den Kopf, die Sache wurde immer rätselhafter.

    „Doch, antwortete der Mann. „Etwas hat er noch gemacht. Ich glaube, er hat gegrinst. Jedenfalls kam es mir so vor. Vielleicht hat er das alles für einen Karnevalsscherz gehalten. Die Grinse- und die Horrormaske, ist ja jetzt, Ende Januar, die Zeit dafür.

    „Für einen Karnevalsscherz? Glauben Sie das im Ernst?"

    „Na ja, oder für einen anderen Spaß, was weiß ich. Versteckte Kamera oder

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