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Partystimmung
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eBook272 Seiten3 Stunden

Partystimmung

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Über dieses E-Book

Anselm Beckers dritter Fall führt ihn in das High Society Milieu Dortmunds. Marko Knäpper, ein Bauunternehmer, wird erschlagen in seiner Villa gefunden. Eine Spur führt in die Dortmunder Nordstadt – zu einem Musiker, der obdachlose Kinder und Jugendliche bei sich aufnimmt. Kurz darauf wird einer der Jugendlichen erschossen. Steht der Tod des Jungen in Verbindung mit dem Mord an Knäpper?
SpracheDeutsch
HerausgeberAschendorff
Erscheinungsdatum28. Feb. 2012
ISBN9783402196625
Partystimmung

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    Buchvorschau

    Partystimmung - Heinrich Peuckmann

    ASCHENDORFF

    CRIMETIME

    HEINRICH PEUCKMANN

    PARTYSTIMMUNG

    KRIMINALROMAN

    Aschendorffs

    EPUB-Edition

    Vollständige E-Book-Ausgabe des im Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG erschienenen Werkes

    Originalausgabe

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Copyright © 2008/2012 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster

    ISBN der EPUB-Ausgabe: 978-3-402-19662-5

    ISBN der Druckaugabe: 978-3-402-12751-3

    Sie finden uns im Internet unter

    www.aschendorff-buchverlag.de

    1

    1.

    Als das schwarze Gittertor mit den vergoldeten Spitzen

    im Scheinwerferlicht seines Alfa Romeo auftauchte, griff er nach der Fernbedienung, richtete sie auf das Tor und drückte fest auf den Knopf. Mit einem Ruck begannen sich die Torflügel nach innen zu bewegen. Einen Augenblick lang wartete er noch, dann fuhr er hindurch und benutzte sofort wieder die Fernbedienung, um das Tor hinter sich zu schließen.

    Er fuhr den Kiesweg hoch, an dessen Rand ein paar Markierungslampen angesprungen waren, und parkte den Wagen rechts neben der Villa. Hier war es stockfinster. Mit dem Blick in den Rückspiegel wartete er, bis die Lichter am Wegrand erloschen waren, dann stieg er aus. Er liebte es, sich dem Eingangsportal im Dunkeln zu nähern. Er stellte sich dann vor, dass sich die Villa im Tiefschlaf befand, und er es sei, der sie wieder zum Leben erweckte. Er und niemand anders.

    Alles war still, nur von der Straße hörte er das Geräusch vorbeifahrender Autos. Tief sog er die frische Abendluft ein.

    Plötzlich hatte er das Gefühl, dass für den Bruchteil einer Sekunde etwas in der Villa aufgeleuchtet war. Er stutzte. War es ein Lichtschein gewesen? Aber das konnte nicht sein. Er wohnte allein. Der einzige Mensch, der außer ihm einen Schlüssel hatte, tat alles, um so selten wie möglich hierher zu kommen. Gebannt schaute er zu dem Haus hinüber, das sich wie ein Ungetüm vor ihm erhob. Aber es leuchtete nichts mehr auf. Niemand war ihm zuvor gekommen, um es aufzuwecken. Lautlos und in völlige Dunkelheit getaucht lag die Villa da.

    Er schüttelte den Kopf. Nein, es konnte nichts im Inneren des Hauses geleuchtet haben. Wahrscheinlich hatte sich der Lichtschein eines Autos in einer Scheibe gespiegelt. Er wunderte sich über sich selber. Warum war er so ängstlich, das passte gar nicht zu ihm!

    Er ging auf die Eingangstür zu, tastete dabei nach dem Schlüssel in seiner Jackentasche und schloss die Tür auf. Gerade in dem Moment, als er sie einen Spalt breit geöffnet hatte, leuchtete es wieder. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, das war keine Spiegelung. Jemand war im Haus. Jemand hatte sich an etwas zu schaffen gemacht oder wartete auf ihn. Er zögerte. Sollte er die Polizei rufen? Ach was, wozu die Polizei? Das war etwas, das er selber regeln musste. War er ein Kerl oder eine Memme? Er ließ sich nicht einschüchtern, von niemandem!

    Vorsichtig schloss er die Tür und schlich sich an der großen Treppe vorbei zum Arbeitszimmer. Von dort, so schien es ihm, war der Lichtschein gekommen. Er lauschte. Ein schleifendes Geräusch war zu hören, als würden Schubladen aufgezogen und danach wieder zugeschoben. Verdammt, was hatte das zu bedeuten? Was erlaubte sich diese Person? Wut überkam ihn, er gab sich keine Mühe mehr, unentdeckt zu bleiben, stürmte hinüber, riss die Tür auf und hörte sich im selben Moment brüllen: „Was machen Sie da? Was fällt Ihnen ein?"

    Dann sah er die Person, direkt vor seinem Schrank mit den Schubladen unten und den Aktenregalen darüber stand sie, eine Taschenlampe in der Hand, die sie schnell ausschaltete. Er brauchte einen Moment, bis er verstand, dann drückte er den Lichtschalter. Für einen Moment waren sie in gleicher Weise geblendet.

    „Ach, so ist das. Seine Stimme wurde leiser, bekam dafür aber einen bedrohlichen Unterton. „Jetzt verstehe ich. Ist ja klar, was du hier suchst. Versuch bloß nicht, mir was vorzumachen. Aber dass ich dich dabei erwischen würde, damit hast du wohl nicht gerechnet, stimmt‘s? Du hast geglaubt, du kannst hier unbemerkt reinkommen, dir das holen, was du haben willst und dann verschwinden. Aber darin hast du dich getäuscht. Lass sofort meine Schubladen in Ruhe, hast du gehört. Geh weg da. Und überhaupt, was fällt dir ein, hier einzudringen? Hier darf nur rein, wen der liebe Marko einlädt. Hast du gehört? Nur wem ich es erlaube, sonst niemand! Ja, komm ruhig, komm ruhig auf mich zu. Aber lass die Hände dabei unten. Verdammt, hast du gehört, du sollst die Hände unten lassen.

    Seine Stimme wurde lauter, die nächsten Sätze schrie er.

    „Nimm sofort die Hände runter, verdammt noch mal, und leg meinen Pokal weg. Den habe ich errungen nach hartem Kampf. Willst du mich etwa damit bedrohen? Mit meinem eigenen Pokal? Wage es nicht, du Ratte, das sage ich dir, wehe, wenn du es wagen solltest … Verdammt, was machst du da? Lass das, hör sofort auf damit!"

    Er riss seine Arme hoch, aber es war zu spät. Er spürte einen Schlag gegen seinen Unterarm, im selben Moment einen heftigen Schmerz, den er ungläubig zur Kenntnis nahm und der ihn unaufmerksam werden ließ. Für einen Augenblick nur, aber lang genug, um schutzlos zu sein für einen zweiten Schlag, den er zuerst gar nicht richtig spürte. Nur ein plötzliches Dröhnen nahm er wahr, das sich von der linken Stirnseite im ganzen Kopf ausbreitete. Ein Dröhnen wie von einer riesigen Maschine.

    „Elendes Schwein!", schrie er und spürte gleichzeitig, wie ihm die Beine wegknickten, wie er den Halt verlor, nach hinten stürzte, ohne sich dabei mit den Händen abstützen zu können und hart auf dem Boden landete. Das Dröhnen blieb, dieses furchtbare Dröhnen, das keinen klaren Gedanken zuließ und nach und nach ergänzt wurde von einem stechenden Schmerz, der ihm das Gefühl gab, als wollte sein Schädel zerplatzen. Nur mühsam schaffte er es, seine Hand zu heben, um sich über die Stirn zu wischen, aber er konnte die warme Flüssigkeit nur spüren, er schaffte es nicht mehr, die Hand vor seine Augen zu führen. Blut, dachte er, was sollte es anderes sein als Blut?

    Alles wurde verschwommen, alles außerhalb von ihm zog sich zurück. Dazu gehörten auch die Schritte, die sich jetzt rasch entfernten, während das Dröhnen im Kopf nachließ, langsam zuerst, dann immer schneller, genauso wie der Schmerz. Stattdessen wurde es leer in seinem Kopf, so leer, wie er es noch nie gefühlt hatte. Was ist los mit mir, dachte er. Was war das für ein Dröhnen gewesen und was ist das jetzt für eine Stille? Warum entfernte sich alles, warum wurde alles kleiner, immer kleiner? Dann sah er noch einen Lichtpunkt ganz weit weg und dann umgab ihn Nacht. Nur noch tiefschwarze, lautlose Nacht.

    2

    2.

    Anselm beugte sich über sie. Er küsste ihren Hals, ließ

    seine Zunge über die weiche Haut ihres Halses gleiten, streichelte ihren warmen, festen Busen, während sie begann, immer schwerer zu atmen. Er genoss es, ihren heftigen Atem zu hören, während seine Zunge tiefer glitt, ihren Busen erreichte, so dass er ihre Brustwarzen zwischen seine Lippen nehmen konnte und ganz sanft daran saugte, wobei er gleichzeitig mit seiner Hand über die Innenseite ihrer Oberschenkel fuhr. Sie begann, leise zu stöhnen, spreizte ihre Beine und er spürte ihre feuchte Wärme. Er streichelte und küsste sie weiter, bis sie sich ihm entgegendrängte, seinen Kopf zwischen ihre Hände nahm und ihn zu sich heranzog. Er genoss es, in sie einzudringen, bewegte sich langsam zuerst und sah, dass sie dabei ihre Augen geschlossen hatte. Er legte seinen Kopf ganz nah an ihren und begann, sich schneller zu bewegen, da hörte er plötzlich, dass sie etwas rief.

    Was ist denn, dachte er. Was ruft sie denn da? Bis er merkte, dass es gar nicht ihre Stimme war, sondern eine sehr viel hellere. Mein Gott, der Junge, dachte er. Verdammt, was will der denn hier, gerade jetzt und dann auch noch im Schlafzimmer seiner Mutter? Von einem Moment zum anderen hörte er auf, sich zu bewegen, blieb einfach ruhig liegen, über Tanja gebeugt, die ebenfalls wie erstarrt dalag. Zwei, drei endlos lange Sekunden verrannen, dann hörte Anselm wieder die Stimme des Jungen.

    „Mama, ich hab Hunger!"

    Nervensäge, dachte Anselm, warum musste er ausgerechnet jetzt damit kommen? Warum konnte er mit seinem blöden Hunger nicht noch ein paar Minuten warten? Das machte der doch absichtlich.

    Tanja schien Ähnliches zu denken, jedenfalls zögerte sie, bevor sie den Kopf hob.

    „Thomas, lass uns jetzt allein, sagte sie mit einer Stimme, der Anselm deutlich den unterdrückten Ärger anmerkte, „ich komme ja gleich, dann mache ich dir etwas Leckeres.

    Anselm konnte nicht sehen, wie der Kleine reagierte, aber er spürte, dass er noch in der Schlafzimmertür stand.

    „Geh jetzt, fuhr Tanja mit flehender Stimme fort, „du siehst doch, dass Mama jetzt …

    … nicht kann, dachte Anselm. Du siehst doch, dass Mama gerade beschäftigt ist! Er musste sich das Lachen verkneifen. Nein, nicht peinlich, dachte er, sondern lächerlich war diese Situation. Aber er wollte nicht lachen, denn er wusste, dass er damit alles verderben würde, was sich zwischen ihm und Tanja abspielte. Endgültig. Endlich hörte er Schritte, die sich entfernten.

    Was jetzt, dachte Anselm. Soll ich etwa so tun, als wäre nichts gewesen? Soll ich weitermachen, als wäre der Kleine gar nicht da gewesen? Er spürte, dass es nicht ging, dass es bei ihm nicht mehr ging.

    Tanja hatte es auch gemerkt. Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und küsste ihn sanft.

    „Sei ihm nicht böse, sagte sie. „Er hat die Scheidung nicht überwunden. Irgendwie hängt er noch immer an seinem Vater. Er will einfach nicht wahr haben, dass er uns verlassen hat.

    Sie schwieg, er wusste auch nicht, was er sagen sollte. Es stimmte ja, sie konnte wirklich nichts dazu.

    „Ich habe Verständnis, wenn es jetzt nicht mehr geht", sagte sie leise.

    Die Formulierung gefiel ihm nicht. Sie klang gerade so, als ob er überhaupt nicht mehr könnte, aber darum ging es gar nicht. Wer konnte schon mit einer Frau schlafen, wenn plötzlich deren halbwüchsiger Sohn in der Tür stand und zusah. Da musste man ein besonders hart gesottener Typ sein und so einer war er nicht.

    Er wälzte sich auf die Seite und starrte zur Decke. Sie ließ ihn in Ruhe. Erst nach ein paar Minuten hob sie ihren Kopf, blickte ihn an und lächelte.

    „Bis dahin, sagte sie, „bis Thomas kam, war es schön, Anselm. Ja, so schön, wie ich es lange nicht mehr erlebt habe.

    Er blickte sie an – ihre Augen verrieten ihm, dass sie es ernst meinte.

    „Wir holen es nach, fuhr sie fort, „schon bald. Das heißt, wenn du es möchtest. Noch immer sah sie ihn lächelnd an. „Möchtest du?"

    Er zögerte noch einen Moment, bevor er nickte. So, wie sie ihn anlächelte, reizte sie ihn wieder. Er küsste sie. Und während seine Zunge nach ihrer tastete, hörte er plötzlich in der Wohnung Ballergeräusche. Der Junge, dachte er, jetzt hatte er sich in seinem Zimmer vor den Computer gesetzt und eines seiner Ballerspiele angestellt. Jetzt war er beschäftigt, wer weiß wie lange.

    Plötzlich spürte er eine Erregung wie vorhin, er war selbst überrascht darüber, genauso wie sie. Als er sich plötzlich auf sie legte, konnte sie nur ein leises „Oh" murmeln, während er wieder in sie eindrang und dabei sicher war, dass er sich nicht noch einmal stören lassen würde. Da konnte passieren was wollte.

    Später saßen sie in der Küche zusammen. Sie hatte dem Jungen Nudeln gekocht, aber er hatte so gut wie nichts davon gegessen. Anselm wunderte sich nicht darüber. Von wegen Hunger, es war doch schon vorher klar gewesen, worum es ihm wirklich gegangen war.

    Für sie beide hatte sie Tee gekocht, grünen, den Anselm seit einiger Zeit bevorzugte. Sie saßen sich am Tisch gegenüber, schlürften den Tee und schauten sich an.

    Plötzlich fing sie an zu lachen.

    „Komisch war das schon", sagte sie.

    Er musste nicht fragen, was sie meinte.

    „Wir beide im Schlafzimmer und plötzlich der Junge in der Tür."

    Er konnte ebenfalls ein Lachen nicht unterdrücken.

    „War auch für mich neu, sagte er. „Aber du solltest darüber nicht spotten. Was ist, wenn er jetzt einen seelischen Schaden kriegt? Daran denkst du wohl gar nicht.

    Sie prustete noch lauter los. „Vom Beobachten der Liebe oder von seinen Ballerspielen?", fragte sie dann. Er sah, dass sie wieder ernst wurde.

    Stimmt, darüber müsste sie sich eher Gedanken machen, dachte er. Über die stumpfsinnige Ballerei des Jungen am Computer. Obwohl, wer konnte wissen, was so ein Junge dabei empfand, wenn er seine Mutter in flagranti erwischte. Welchen seelischen Schock das auslösen konnte. Anselm wusste es nicht, er war kein Psychologe.

    Er sah auf die Uhr. Es war kurz nach zwölf mittags, Samstagmittag, genauer gesagt. Er hatte sein Handy ausgeschaltet, um vor unangenehmen Anrufen sicher zu sein. Das war zwar gegen die Vorschriften, aber er wollte sich das schöne Gefühl, ein freies Wochenende vor sich zu haben, nicht nehmen lassen.

    Spätestens in gut drei Stunden würde er von Münster nach Hause fahren. Er würde dabei die Radioübertragung der Bundesligaspiele hören. Borussia war in Abstiegsgefahr. Völlig überraschend war die Mannschaft in den Tabellenkeller abgerutscht, obwohl vor der Saison ein UEFA-Cup-Platz als Ziel ausgegeben worden war. Heute musste gegen Frankfurt, einen Mitkonkurrenten um den rettenden 15. Tabellenplatz, gewonnen werden. Unbedingt musste ein Sieg her, sonst fürchtete Anselm um sein Hobby an den Wochenenden. Was blieb davon noch übrig, wenn Borussia in der zweiten Liga spielte? Aber so weit wollte er nicht denken. Erstmal wollte er die Begegnung mit Tanja genießen, mit der Tochter seines ermordeten Kollegen Schreibers, die er bei der Fahndung nach dessen Mörder kennen gelernt hatte. Sie war es gewesen, die ihn noch mal nach Münster gelockt hatte und irgendwie war es dabei passiert. Es war eine jener Situationen gewesen, von denen man im Nachhinein nicht sagen konnte, wie genau sie abgelaufen waren. Irgendwie halt und trotz des Zwischenfalls mit dem Jungen hatte er sie genossen.

    Aber auf die Frage, ob er nun eine feste Beziehung mit ihr wollte, hätte er trotzdem keine Antwort gewusst. Ja, es war schön, mit ihr zusammen zu sitzen, Tee zu trinken und zu reden. Es war schön, die Nähe einer Frau zu spüren wie schon lange nicht mehr, aber sie war ja nicht allein. Sie hatte diesen Jungen, der ihn vorhin, als er gekommen war, kaum begrüßt hatte und der ihm danach im schönsten Moment die Stimmung vermiest hatte. Beinahe jedenfalls. Wollte er das überhaupt – eine Frau mit einer halbwüchsigen Nervensäge zur Freundin haben? Könnte er dafür die Geduld aufbringen, geschweige denn die Verantwortung übernehmen?

    Ach was! Er merkte, wie er leicht den Kopf schüttelte. Was dachte er da? So weit war es noch lange nicht. Sie hatten sich ja gerade erst kennen gelernt. Er sollte nicht den zweiten oder dritten Schritt vor dem ersten bedenken.

    „Woran denkst du?", fragte sie.

    „An nichts."

    Sie sah ihn fragend an.

    „An nichts gibt es nicht."

    „Naja, ich denke daran, dass ich gleich nach Hause muss. Ich muss das Wochenende nutzen, um meine Bude in Ordnung zu bringen. Das habe ich schon viel zu lange vor mir hergeschoben."

    Er war sich nicht sicher, ob sie ihm die Erklärung abnahm, aber sie tat es.

    „Du hast ja auch kaum Zeit dazu, antwortete sie. „ich weiß ja noch von Papa, wie das ist in eurem Beruf.

    Er nickte. So viel Verständnis tat ihm gut. Bei Birthe wäre das anders gewesen. Die hatte immer auf gleiche Anteile bei der Hausarbeit gepocht, egal wie belastet Anselm durch seinen Beruf war. Eigentlich fand er Birthes Position richtiger, aber irgendwie gefiel ihm die von Tanja besser. Vielleicht war er doch ein Chauvi, wie seine Mitarbeiterin Sibel es manchmal behauptete.

    Sie stand auf und legte sanfte Schlagermusik auf, was ihm jetzt wirklich zu weit ging. Jazz oder Oldies, vielleicht auch Klassik, das konnte er ertragen. Aber nicht diese Schnulzen. Beim Musikgeschmack müsste sie sich auf jeden Fall ändern, dachte er und musste wieder grinsen. Jetzt war er sogar schon beim vierten Schritt vor dem ersten.

    Sie fragte ihn, was er morgen vorhabe, dann, wenn er seine Wohnung aufgeräumt hätte.

    Er zögerte. Sollte er so schnell wiederkommen? War das nicht alles zu überstürzt? Aber warum nicht, dachte er dann. Die Nervensäge müsste sich eben an ihn gewöhnen. Und er sich an sie. Er rechnete nach. Wenn er morgen lange schlief, danach durch den Werner Stadtwald joggte, was mal wieder dran wäre, könnte er gegen Mittag in Münster sein. Warum nicht? Ein familiärer Sonntagnachmittag, das wäre mal was Anderes.

    In dem Moment klingelte das Telefon. Anselm hätte hinterher nicht sagen können, warum er plötzlich ein unangenehmes Gefühl hatte, aber er hatte es sofort. Dabei konnte er gar nicht gemeint sein mit dem Anruf – es wusste ja niemand, dass er hier war. Trotzdem beobachtete er gespannt, wie Tanja zum Sideboard ging, nach dem Hörer griff und sich meldete. Im nächsten Moment blickte sie ihn an und reichte ihm den Hörer.

    „Für dich."

    Er glaubte, nicht richtig gehört zu haben.

    „Warum denn für mich?"

    Sie zuckte mit den Schultern.

    Ungläubig starrte auf den Hörer, dann meldete er sich.

    „Da bist du ja endlich, rief eine Stimme. „Na, Gott sei Dank!

    Anselm wusste gleich, dass es Rautert war, sein Chef. Verdammt, wer hatte ihm verraten, dass er hier war? Anselm war so verwirrt, dass er völlig vergaß zu fragen, wer Rautert auf die Idee gebracht hatte, ausgerechnet hier anzurufen.

    „Bist du noch da?", rief Rautert.

    „Ja, was ist denn?"

    „Was soll schon sein? Einer ist ermordet worden, in einer Villa im Dortmunder Süden. Glaubst du, sonst würde ich dich suchen? Ein bekannter Bauunternehmer, Marko Knäpper. Vielleicht kennst du ihn."

    „Marko Knäpper? Nie gehört?"

    „Na, dann wirst du ihn ja kennen lernen – so weit man eine Leiche noch kennen lernen kann – meine ich natürlich."

    „Jetzt sofort?"

    „Wann denn sonst? Du stellst vielleicht Fragen. Irgendwie bist du wohl durcheinander, was?" Er kicherte kurz, was Anselm verunsicherte. Was wusste Rautert über ihn und vor allem woher?

    „Los, beeil dich! Sommerweg 5. Eine kleine Seitenstraße im Süden, lässt Wermann dir ausrichten. Und lass demnächst dein Handy eingeschaltet!"

    Anselm drückte das Gespräch weg.

    „Hast du irgendwem verraten, dass ich hier bin?", fragte er Tanja.

    Sie schüttelte den Kopf. „Nein, niemandem."

    Dann war völlig unerklärlich, wie Rautert auf seine Spur gekommen war. Hatte er vielleicht eine Sonderfortbildung in Sachen Personenfahndung durchlaufen? Anselm trank noch den letzten Schluck von seinem Tee, dann stand er auf.

    „Ich muss gehen." Er merkte selbst, wie resigniert seine Stimme klang.

    Sie nickte. „Ich hab es schon geahnt. Dann wird es wohl nichts mit morgen, oder?"

    Er zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Eigentlich geht es nicht, dass mir schon wieder ein Wochenende komplett kaputt gemacht wird. Ich werde mich melden."

    Sie gab ihm noch schnell einen Kuss, bevor er die Wohnung verließ.

    „Pass auf dich auf", sagte sie. „Seit dem Mord an Papa

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