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Lapislazuli: Im Zeichen des Omega 1
Lapislazuli: Im Zeichen des Omega 1
Lapislazuli: Im Zeichen des Omega 1
eBook461 Seiten6 Stunden

Lapislazuli: Im Zeichen des Omega 1

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Über dieses E-Book

Nostradamus Tucker's Suche nach den magischen Steinen
Ein über 2000 Jahre altes Amulett taucht aus den Untiefen der Zeit wieder auf. Ein Anhänger in Form eines Omegas. Omega, das Zeichen für das Ende ... aber das Ende wovon? Ist die Jahrtausende währende Spanne menschlicher Willkür und Gewalt fast vorbei? Oder befindet sich die Welt kurz vor der Katastrophe?

Die Omega Trilogie besteht aus drei eigenständigen Romanen, die in ihrer Gesamtheit eine aufregende Reise zum vitalen Wissen der Menschheit darstellen. Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit verschmelzen in einem Fantasy Feuerwerk aus Krimi, Historien-Roman, Helden-Epos, Science Fiction Story, Familien-Saga und Schauergeschichte.

Der große Reiz der Omega Romane besteht darin, dass es Jo Arnold auf einzigartige Weise gelingt fantastische Begebenheiten in realen Umgebungen anzusiedeln. Man fragt sich ein ums andere Mal, was ist erfunden an ihren Geschichten und was gibt es wirklich?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. Sept. 2017
ISBN9783863321055
Lapislazuli: Im Zeichen des Omega 1
Autor

jo Arnold

Jo Arnold wurde 1968 in Mannheim geboren und studierte zwischen 1989 und 1994 amerikanische und spanische Literatur, sowie Sprachwissenschaften und Wirtschaft in Gießen. Nach dem Umzug in die USA 1995 folgte ein Masters Abschluss in BWL an einer Universität in Michigan und eine Stelle im mittleren Management bei einer Werbe- und Promotionagentur in Detroit. 1997 Heirat in den Vereinigten Staaten und Rücksiedlung nach Deutschland. Sprung in die Selbstständigkeit als Geschäftsführerin einer eigenen Agentur und parallel Unterrichtserteilung an einer Schule für Erwachsenenbildung in Mannheim. 2002 und 2004 Geburt der beiden Söhne. Aufgabe der Agentur und Aufbaustudium zum Gymnasiallehrer. Seit 2006 unterrichtet Jo Arnold Englisch und Spanisch an einem Gymnasium in Südhessen. Jo Arnold ist Mitglied beim Syndikat und den Mörderischen Schwestern. Sie lebt mit ihrer Familie im Odenwald.

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    Buchvorschau

    Lapislazuli - jo Arnold

    Gleichgewicht.

    Ω 1 Ω

    Es war die bizarrste Aufmachung, die Tucker seit langer Zeit gesehen hatte. Bedachte man die Kreise, in denen sich N. D. Tucker bewegte, hieß das etwas. Der Mann stand lächelnd auf der anderen Seite der Scheibe und winkte ihm zu. Einen Moment lang glaubte sich Tucker einem Wesen aus der frühen Raumschiff Enterprise Serie gegenüber. Einem dieser kleinen grünen Männchen , die eindeutig als schlecht verkleidete Schauspieler zu erkennen waren.

    Der Unbekannte trug einen langen braunen Ledermantel mit Fransen und bunten Perlen verziert und eine Art Fliegermütze, die über und über mit eng anliegenden, dunkelblau schillernden, kurzen Federn gespickt war.

    Ein Einbrecher? dachte Tucker perplex, einer der Sorte New Yorker Stadtstreicher?

    Tucker suchte unwillkürlich nach einem mit Plastiktüten und alten Dosen gefüllten, verbeulten Einkaufswagen in der Nähe der Gestalt und musste über die Absurdität dieses Gedankens lächeln. Der Fremde lächelte ebenfalls und fing an, wild zu gestikulieren. Ein kurzer Blick nach links durch die offene Tür zeigte Tucker, dass die kleine Leuchtdiode der Alarmanlage in der Vorhalle stupide grün blinkte. Die Sensoren der Hightech Sicherheitsanlage hatten kein unbefugtes Betreten des Geländes gemeldet.

    Der Kerl mit der Federkappe war offensichtlich unbehelligt über den drei Meter hohen, schmiedeeisernen Zaun gestiegen. Er war siebenhundert Meter bis zum Haus gelaufen, ohne eine der Laserschranken auszulösen. Dann war er um die Villa gegangen und dabei allen am Haus angebrachten Videokameras ausgewichen. Jetzt stand er in voller Lebensgröße winkend und grinsend vor Tuckers Glasschiebetür zum Wohnzimmer.

    Er wartete darauf, dass seine drei Hunde aufspringen und anschlagen würden. Nichts geschah. Die riesigen Shilo-Schäferhunde räkelten sich weiter auf dem Teppich vor der Couch. Tucker starrte den seltsam gekleideten Mann noch eine weitere Sekunde lang an, dann nahm er den Kopfhörer, dem leise klassische Musik entströmte, vom Kopf und die Beine vom Couchtisch. Er stieg ungeschickt über zwei der riesigen Hunde hinweg und näherte sich dem Fenster.

    Der Mann winkte ihn heran und nickte in einem fort. Tucker hob die Hand und wollte zurückwinken. Er hielt sich selbst nur mit Willensanstrengung davon ab. »Bist du irre?«, fragte er sich selbst. »Du willst einem Einbrecher winken?«

    Aber das war noch nicht alles. Tucker wollte diesem Unbekannten die Tür öffnen. Er wollte es wirklich. Er musste einfach wissen, wer er war. Es war völlig egal, wie er bis zu ihm vordringen konnte und ob er gefährlich war.

    Nein, gefährlich sieht er nicht aus, dachte Tucker und schüttelte den Kopf, um wieder zu sich zu kommen. Dann ging er mit drei schnellen, bestimmten Schritten zur Glastür. Das riesige Fensterelement glitt lautlos zur Seite, als er den Hebel umlegte.

    »Wer sind Sie und wie kommen Sie auf mein Grundstück?«, blaffte er den Fremden an.

    »Mein Name ist Tomáz. Ich muss mit Ihnen sprechen.« Der Mann hatte eine sanfte, leise, aber unglaublich klare Stimme.

    Es war deutlich zu hören, dass Deutsch nicht seine Muttersprache war, aber es war auch kein greifbarer Akzent zu definieren. Tucker blickte ihn abweisend an, was ihm überraschend schwer fiel. Irgendetwas ging von diesem Mann aus, das seine sonst so souveräne Art, mit Menschen umzugehen, erschütterte.

    Mit seinen achtunddreißig Jahren und der beruhigenden Anwesenheit mehrerer Millionen Euro auf seinen Konten, hielt sich N. D. Tucker für eine gefestigte Persönlichkeit. Er stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen. Ein Frauentyp, hauptsächlich dank seines Geldes, da machte Tucker sich nichts vor. Sein Aussehen war eher durchschnittlich. Ein Meter fünfundachtzig, weder durchtrainiert noch wabbelig, mit guten Proportionen, aber eben nichts Besonderes. Genauso wenig wie seine braunen Haare. Straßenköterbraun, dachte er manchmal, wenn er sich im Spiegel musterte. Ebenso unspektakulär waren die braunen Augen über einer leicht nach unten geschwungenen Nase in dem ovalen Gesicht. Trotzdem war er zufrieden mit sich. Er hatte wenigstens noch alle Haare, im Vergleich zu vielen seiner Altersgenossen, und er sah höchstens aus wie achtundzwanzig, fand er.

    Tucker bildete sich ein, gut mit Menschen umgehen zu können und durch seine direkte Art, die Dinge anzugehen, respektiert zu werden. Er wirkte immer kompetent und selbstbewusst. An große Gefühle glaubte er nicht und blieb lieber reserviert. Ihm war bewusst, dass er dadurch anderen mit einer gewissen Kälte entgegentrat, was seiner Meinung nach aber zwischenmenschlichen Beziehungen keinen Abbruch tat.

    Überließ man die Beschreibung den wenigen anderen Personen, die Tucker gut genug kannten, um ein Urteil über ihn zu fällen, fiel das Ergebnis weniger schmeichelhaft aus. Die meisten hielten ihn für einen überheblichen, oft unhöflichen, schroffen Menschen, der andere leicht vor den Kopf stieß. Niemand wagte allerdings Tucker dies offen zu sagen. Dafür war er zu reich.

    Tucker starrte den Eindringling an. Er hat mich einfach überrascht, versuchte er sich selbst zu beruhigen.

    Seine barsche Stimme hatte die Hunde alarmiert und alle drei kamen Schwanz wedelnd zur offenen Terrassentür, schnüffelten dem Fremden im Vorbeilaufen an den Füßen und verschwanden dann im dunklen Garten. Tucker blickte ihnen ungläubig hinterher. Drei Sekunden später schrillte die Alarmanlage ohrenbetäubend los, als einer der Hunde von den Sensoren erfasst wurde. Tucker wurde aus seiner Erstarrung gerissen, wirbelte herum und rannte in die Vorhalle, in der er hektisch einige Tasten auf dem Zahlenfeld an der Wand drückte. Der Lärm erstarb.

    Als Tucker in das Wohnzimmer zurückkehrte, hatte es sich Tomáz auf der Couch bequem gemacht und goss sich gerade ein Glas von Tuckers Rotwein ein.

    »Ein spanischer Rioja. Sie haben einen guten Geschmack, Señor Tucker. Und das sage ich nicht nur, weil ich Spanier bin.«

    »Wer sind sie?«, fragte Tucker erneut und registrierte dabei, dass er überhaupt nicht beunruhigt war. Tomáz schien auf der Couch ein völlig natürlicher Anblick zu sein. Er drehte dem Fremden den Rücken zu, griff sich ein zweites Weinglas aus der Hausbar und setzte sich in den Sessel gegenüber seines unverhofften Besuchers.

    Tomáz grinste ihn mit einem Mund voller weißer Zähne an. Ein überraschend jugendliches Lächeln in dem gebräunten, von tiefen Falten durchfurchten Gesicht. Irgendwie schienen auch seine klaren dunkelbraunen Augen fehl am Platz. Tucker schätzte Tomáz auf mindestens siebzig Jahre. »Die Zähne mögen ein Gebiss sein, aber diese Augen?«

    Tucker fuhr mit der Analyse seines Gegenübers fort, während Tomáz noch einen genüsslichen Schluck aus seinem Glas nahm. Der Spanier war vielleicht 1,65 Meter groß und drahtig, soweit Tucker sehen konnte. Der seltsame Mantel verdeckte den größten Teil seines Körpers.

    Tomáz blickte Tucker über das Glas hinweg direkt in die Augen. Etwas, das die wenigsten Leute taten.

    »Was wissen Sie über dieses Haus, in dem Sie seit Ihrer Kindheit leben?« Er begleitete seine unvermittelte Frage mit einer ausladenden Geste, bei der er seinen ausgestreckten Arm im Halbkreis schwang.

    Vom zentralen Wohnzimmer aus hatte man durch drei breite, offene Türen freien Blick auf die Vorhalle, das Speisezimmer und Tuckers Schlafzimmer. Die Villa war nicht außergewöhnlich groß, im Gegenteil, aber dafür exklusiv ausgestattet und eingerichtet. Es gab keinen zweiten Stock und nur eine kleine Küche. Das Wohnzimmer war seit den jüngsten Umbaumaßnahmen der größte Raum und nahm mit knapp zweihundert Quadratmetern fast die Hälfte des Wohnraumes ein. Außerdem gab es noch eine kleine Bibliothek und zwei Gästezimmer mit Bad.

    »Weshalb wollen Sie das wissen?« Tucker war ehrlich überrascht.

    »So kommen wir nicht weiter.« Tomáz lächelte tadelnd. »Ich habe nicht sehr viel Zeit, Señor Tucker. Sie sollten meine Frage beantworten, statt mir eine Gegenfrage zu stellen.«

    »Das kann nicht ihr Ernst sein!«, brachte Tucker mühsam hervor. Er hatte das Gefühl kurz vor einem nervösen Lachanfall zu stehen. »Sie dringen in mein Haus ein, sagen mir nicht, wer Sie sind und erwarten von mir, dass ich Ihre Fragen beantworte. Wie wäre es, wenn ich die Polizei rufe und Sie deren Fragen beantworten?«

    Tucker taten die Worte fast im selben Moment Leid, in dem er sie ausgesprochen hatte. Was war nur mit ihm los? Er kannte den Kerl vor sich nicht einmal. Warum wollte er seine Gefühle nicht verletzen? Er rühmte sich doch sonst so gern wegen seiner Kaltschnäuzigkeit.

    Tomáz machte ein beleidigtes Gesicht. Tucker fühlte sich sofort schuldig. Er kannte sich selbst nicht mehr.

    »Na schön«, sagte Tomáz. »Mein Name ist Tomáz la Piedra und ich bin ein Druide des alten Reiches. Ich bin hier, um Ihnen Ihre Bestimmung zu enthüllen.«

    Diesmal fing Tucker wirklich an zu lachen. »Ein spanischer Druide, ja? Klar, mein Freund. Wissen Sie denn nicht, dass Druiden lange weiße Rauschebärte haben und mit einer goldenen Sichel bei Vollmond Misteln von alten Eichen schneiden? Das kann man in jedem Asterix-Comic nachlesen. Und vielen Dank, aber meine Bestimmung wartet in Frankfurt auf mich.«

    »Ich weiß, Sie sind ein erfolgreicher Börsenmakler, aber Ihren Reichtum verdanken Sie doch in Wirklichkeit ihrem Großvater, oder?«

    Tucker suchte vergebens nach einer Spur von Gehässigkeit in Tomaz’ Stimme. Es war allseits bekannt, dass Tucker mehr Verluste als Gewinne an der Börse machte. Er hatte sein Vermögen ererbt, und es war oft genug Grund für Neid und Anfeindungen. Er hatte sich fast schon an die vielen Stimmen gewöhnt, die ihn seit seiner, zugegeben wilden Jugend, als unfähigen Sohn aus reichem Hause bezeichneten.

    »Und jetzt sagen Sie mir, was sie über Ihr eigenes Haus wissen«, riss Tomáz Tucker aus seinen Gedanken.

    Tucker zuckte zusammen und sah Tomáz an. Dieser erwiderte seinen Blick mit einer durchdringenden Gelassenheit, die Tucker keine andere Wahl ließ, als zu antworten.

    »Mein ziemlich exzentrischer Großvater hat diese Villa vor etwa 100 Jahren in Marokko abreißen lassen, um sie hier wieder aufzubauen, soweit ich weiß. Meiner Meinung nach passt sie wie die Faust aufs Auge in diese Landschaft, aber mein Großvater hatte immer mehr Geld als Geschmack.«

    Tatsächlich hatte Tuckers Großvater das Grundstück, oder besser die Grundstücke, auf denen die Villa stand, gekauft, lange bevor die UNESCO die Region zum Geopark erhoben hatte. Dieser Teil Süddeutschlands war außergewöhnlich pittoresk. Eine sanfthügelige Mittelgebirgslandschaft mit üppigen Mischwäldern, meandernden Bachläufen und satten, grünen Wiesen. Tucker hatte auf unzähligen Reisen fast jeden Winkel der Welt gesehen, aber er kam immer wieder gern nach Hause. Hier war es einfach schön, gleich zu welcher Jahreszeit. Der generell milde Sommer wurde abgelöst von einem farbenfrohen Herbst und dieser von einem schneereichen Winter. Das Frühjahr ließ manchmal zu wünschen übrig, aber selbst Tucker wusste, dass man nicht alles haben kann. Meistens war jedoch auch der Frühling sonnig und blumig bunt.

    Die Villa stand erhöht über dem Dorf am Rand des Waldes. Zwischen den Bäumen war einer von Tuckers Lieblingsplätzen gewesen. Als Kind war er oft allein in den Wald gegangen und hatte dort gespielt. Es fiel nicht schwer, sich dort im Bodennebel zwischen den uralten Bäumen einen Hobbit oder Troll vorzustellen. Manchmal war Tucker Robin Hood, der einer Kutsche in einem der alten Hohlwege auflauerte, oder er war ein Musketier, der eine edle Lady aus den Händen von Straßenräubern befreite. Ja, als Kind hatte er diesen Wald geliebt. Wann war er eigentlich das letzte Mal in seinem Wald spazieren gegangen? Jetzt, im späten Frühjahr waren die Bäume besonders schön.

    Zum zweiten Mal wurde Tucker von Tomáz aus seinen Gedanken aufgeschreckt. Es war sonst gar nicht seine Art so abzuschweifen. Tucker gab sich Mühe, sich auf Tomáz zu konzentrieren.

    »Haben Sie sich nie gefragt, wie alt dieses Haus wirklich ist?«, fragte Tomáz in diesem Moment.

    »Mein Großvater und mein Vater haben viel im Innenbereich renoviert und erneuert. Ich hatte nie Grund, über das Alter dieses Baus nachzudenken«, wich Tucker aus.

    »Haben Sie sich nie Gedanken über das Mosaik auf dem Boden im Esszimmer gemacht? Oder über die Marmorstatuen in der Vorhalle? Was ist mit den handgemachten Terrakottafliesen auf dem Küchenfußboden, oder den tragenden Steinsäulen vor dem Eingang ...?« Tomáz setzte an, seine Auflistung noch weiter auszuführen, aber Tucker hob abwehrend die Hände.

    »Verstehen Sie doch, ich bin hier aufgewachsen. All diese Dinge, dieses Haus waren stets um mich. Ich habe ihr Alter nie gesehen. Sie sind einfach schon immer da!«, Tucker wurde unruhig. Was wollte dieser Spinner von ihm? Wieso war es ihm so wichtig, wie alt das Gebäude war? Woher wusste er so viele Einzelheiten über das Innere des Hauses?

    »Ich bin nicht ganz sicher, aber ein paar hundert Jahre wird es wohl schon sein«, sagte er vage.

    Tomáz wiegte den Kopf leicht: »Einige Teile Ihres Hauses sind sogar noch älter.«

    »Noch älter! Woher wollen Sie das wissen?«, Tucker merkte, wie seine Unruhe zunahm.

    »Ein paar tausend Jahre würde es eher treffen«, Tomáz drehte sein Weinglas im selben Rhythmus, in dem er seinen Kopf von rechts nach links wippte.

    Tucker lachte unsicher: »Klar, wahrscheinlich erzählen Sie mir als Nächstes, dass es das Wohnhaus Christi war, oder etwas ähnlich Haarsträubendes? «

    »Soweit würde ich nun nicht gehen. « Tomáz grinste. »Vor allem glaube ich nicht, dass Jesus in einer römischen Villa hätte wohnen wollen, oder was meinen Sie? «

    »Langsam ist das hier nicht mehr witzig! Sagen Sie mir, was Sie glauben, mir sagen zu müssen und dann verschwinden Sie!«, fuhr Tucker Tomáz an und verspürte drei Sekunden lang Genugtuung.

    Tomáz seufzte resignierend.

    »Na schön, also, hier die Kurzversion: Dieses Haus stand ursprünglich in einer kleinen, aber wohlhabenden römischen Siedlung im Norden des heutigen Marokko. Das exakte Baujahr ist natürlich nicht mehr nachzuweisen. «

    »Nicht mal für einen Druiden?«, fragte Tucker bissig, nur um sich unter Tomáz‘ vorwurfsvollem Blick sofort wieder wie ein Trottel zu fühlen.

    Tomáz fuhr fort: »Geschätzt wird, dass das ursprüngliche Haus, auf dessen Grundmauern dann noch vier weitere erbaut wurden, von denen dieses schließlich hierher verbracht wurde, um fünfzig nach Christus entstanden ist.«

    Tucker starrte Tomáz mit offenem Mund an.

    »Ihre Villa in ihrem jetzigen Zustand wurde zirka 300 n. Chr. errichtet für den damaligen Wächter des Steins, oder besser als Aufbewahrungsort für den Stein. Die nächsten tausend Jahre war der Stein dort sicher. Über zwanzig Generationen wurde er bewacht, dann kam die Sahara und schluckte die ganze Siedlung. Ihr Haus und mit ihm der Stein verschwanden unter Tonnen von Sand. «

    Tucker, der bis zu diesem Moment mit amüsierter Faszination zugehört hatte, konnte nicht mehr an sich halten.

    »Warum hat der Wächter denn den ominösen, wertvollen Stein im Haus gelassen, als die Wüste kam? Hat sich eine Düne an ihn herangeschlichen und einfach überrumpelt?«

    Wieder erntete er einen missbilligenden Blick von Tomáz und ärgerte sich darüber, dass er sich wie ein Schuljunge fühlte.

    Tomáz antwortete wider Erwarten: »Der damalige Wächter traf die Entscheidung, den Stein im Haus zu lassen. Er ging davon aus, dass er unter dem Sand sicher sei.«

    »Aber dann kam mein Großvater ein halbes Jahrtausend später, buddelte alles wieder aus, verpflanzte das Haus mitsamt Stein 2000 Kilometer weiter nach Norden und seitdem hat die internationale Druidenvereinigung ein Problem?«, witzelte Tucker.

    »Im Ansatz gar nicht so verkehrt«, Tomáz lächelte den völlig verblüfften Tucker an, »aber ganz so einfach war es nicht. Die Wüste zog weiter und die Siedlung kam um 1860 wieder zum Vorschein. Sie war eine Sensation in den archäologischen Kreisen dieser Zeit. Selbst Schliemann war kurzfristig dort. Die Häuser waren teilweise so gut erhalten, dass man direkt hätte einziehen können, was Ihr Großvater im Grunde genommen ja auch getan hat. Damals hielt man es noch nicht so streng mit Dingen, die eigentlich in ein Museum gehören, und was sollte man auch mit so vielen Häusern anfangen? Also verkaufte man Ihrem Großvater die Villa bereitwillig. Viele der anderen Häuser verfielen innerhalb der nächsten fünfzig Jahre oder wurden von den Einheimischen als Baumaterial weiterverwendet und sind heute nur noch geschliffene Mauerreste und Steinmosaike im Sand.« Tomáz schüttelte bedauernd den Kopf. »Von daher sind wir Ihrem Großvater eher dankbar.«

    »Wir?«, hakte Tucker nach.

    »Die internationale Vereinigung der Druiden«, Tomáz grinste übers ganze Gesicht. Im ersten Moment war Tucker zu baff über diesen Beweis von Humor von Seiten des selbst ernannten Druiden, um zu reagieren, aber dann lachte er lauthals. Die Befreiung, die er dadurch empfand, konnte er kaum in Worte fassen. Als er sich wieder beruhigt hatte, sagte Tomáz mit ernstem Gesicht zu ihm. »Wir sind nicht alle Druiden. Einige von uns nannten sich Schamane, Hexer, Seher, Deuter, Zauberer, Wahrsager oder Prophet, und wir sind ausnahmslos Männer. Über die Generationen hat man uns viele Namen gegeben. Gegenseitig nennen wir uns Wächter

    Wenn Tucker geglaubt hatte, bisher seinen Ohren nicht trauen zu können, brachte ihn diese letzte Erklärung Tomáz‘ zu der Überzeugung, wirklich nicht richtig zu hören.

    »Eine sexistische Männervereinigung, die seit mehreren tausend Jahren einen Stein hütet?«

    Er merkte, wie der anfängliche Ärger wieder in ihm aufkam. »Was hatte es mit diesem kuriosen Stein denn auf sich, dass er einen Wächter benötigte?«

    »Benötigt«, berichtigte ihn Tomáz. »Der Stein existiert noch und braucht wieder einen Wächter.«

    »Ah ja, und der sind dann wohl Sie und Sie glauben, der Stein ist noch irgendwo hier im Haus, richtig? Aber da werde ich Sie enttäuschen müssen. Ich kenne dieses Haus, egal wie alt es ist, bis in den letzten Winkel, und hier gibt es keine unentdeckten Geheimverstecke mit Steinen darin, okay?«

    Tomáz sah Tucker verdutzt an. »Ich bin bereits der Wächter eines Steines, ich kann nicht die Verantwortung für einen zweiten Stein übernehmen. Ein Stein kann zwei oder mehr Wächter haben, aber ein einzelner Wächter kann nicht über zwei Steine wachen. Nein, Sie sind der Wächter des Steins, und das schon seit dem Tod ihres Vaters vor drei Jahren.«

    Diesmal blieb Tucker endgültig die Spucke weg.

    Ω 2 Ω

    Aber ich bin weder ein Druide, noch ein Hexer oder Ähnliches«, Tucker lachte unsicher, als er sich von seiner Verblüffung erholt hatte.

    »Noch nicht«, Tomáz war für Tuckers Geschmack ein wenig zu ernsthaft.

    »In Ordnung.« Tucker gelang es nur mit Mühe, ruhig zu bleiben. »Mal angenommen, es gibt diesen Stein wirklich hier im Haus, weshalb sollte ich sein Wächter sein?«

    Die innere Unruhe und mit ihr die Unaufmerksamkeit kehrte wieder zurück. Tucker ging in Gedanken die letzten drei Jahre durch und suchte nach irgendeinem Stein in seiner jüngsten Vergangenheit. Tomáz erzählte währenddessen etwas von emotionaler Verbundenheit und seelischer Ausgeglichenheit. Tucker konnte nicht folgen und wollte es auch nicht. Ein Wissen, das er nicht ganz zu greifen vermochte, wie ein Wort, das einem auf der Zunge liegt, hielt seine Aufmerksamkeit gefangen und machte ihn rasend. Er kam einfach nicht darauf. Am liebsten hätte er sich die Haare gerauft.

    Eine Erinnerung stieg in ihm hoch. Und plötzlich war es da, das Begreifen. Tomáz war entweder verstummt, oder Tucker hörte nichts mehr. Aus Gedankenwirbeln tauchte das Bild eines Amuletts auf. Ein altes unansehnliches Ding. Riesengroß, wie ein gedrungenes, nach unten offenes Hufeisen. Nein, wenn er genauer darüber nachdachte, ähnelte es eher dem griechischen Zeichen Omega. Aus irgendeinem minderwertigen Metall, mit leeren runden Löchern über die ganze Form angeordnet. Leer, bis auf eines. Im Zenith, an der höchsten Stelle des Omegas war ein glatter, perfekt kugelförmiger Diamant gefasst. Tucker hatte vor diesem Stein noch nie einen Diamanten in einer solchen Form gesehen. Er sah eher aus wie eine Glasmurmel, da ihm der typische Schliff fehlte, der einen Diamanten zum funkelnden Schmuckstück macht. Er war überaus ungewöhnlich und groß. Tucker erinnerte sich, dass er sich darüber gewundert hatte, warum sein Großvater den wundervollen Stein in dem schäbigen Amulett belassen hatte, statt ihn in Amsterdam schleifen zu lassen. Schließlich hatte er sich nicht weiter Gedanken darüber gemacht. Sein Großvater war für seine Verschrobenheit bekannt, und Tucker hatte schon als Kind aufgehört, seine Beweggründe zu hinterfragen. Insgeheim war er zu dem Schluss gekommen, dass Nifrit Tucker oft gar keinen Grund für sein Handeln hatte, oder wenn doch, nur den, andere damit zu ärgern. Alter macht biestig, zu diesem Ergebnis war er inzwischen noch ein zweites Mal gelangt, nachdem sein Vater sich und vor allem ihn mit seiner Alzheimererkrankung gequält hatte.

    Ein Kratzgeräusch drang bis in Tuckers Bewusstsein vor, und er schüttelte die unangenehmen Erinnerungen ab. Die Hunde waren von ihrer nächtlichen Grundstückpatrouille zurück und standen schwanzwedelnd vor der Glastür. Tucker öffnete ihnen, während seine Überlegungen zu dem Amulett zurückkehrten. Wo war es? Wann hatte er es zum letzten Mal gesehen? Das musste Jahre her sein. Er kam zu keinem befriedigenden Ergebnis. Als er leicht frustriert aufsah, bot sich ihm eine Szene, die einer gewissen Komik nicht entbehrte.

    Tomáz hatte sich bequem in das Ledersofa zurückgelehnt und die Beine, die lang an dem ansonsten gedrungenen Körper wirkten, unter den gläsernen Couchtisch gestreckt. Rechts und links zu seinen Füßen hatten sich die Hunde niedergelassen und himmelten ihn mit heraushängenden Zungen an. Tucker drängte sich das Bild eines englischen Lords auf, der mit seinen treuen Hunden vor dem Kamin sitzt. Nur die qualmende Pfeife fehlte, stattdessen hatte sich Tomáz sein Glas nachgefüllt, wie Tucker überrascht feststellte, und er drehte es langsam zwischen seinen Handflächen. Er sah Tucker mit einem leisen Lächeln an: »Sie erinnern sich.«

    Es war eine Feststellung, keine Frage.

    »Ich bin nicht sicher«

    »Doch, das sind Sie.« Wieder eine Feststellung.

    »Na schön, aber ich weiß nicht, wo der Stein ist.« Tucker wunderte sich, wie viel Bedauern er darüber empfand.

    »Haben Sie schon mal im Safe nachgesehen?« Tomáz lächelte immer noch.

    Tucker hätte alarmiert sein sollen. Woher wusste er vom Safe? Wahrscheinlich ging er davon aus, dass es in einem Haus wie diesem einen Safe geben musste. Schließlich war er sehr wohlhabend. Womöglich war das ganze vorangegangene Gespräch nur eine clevere Finte gewesen, um Tucker einzuwickeln und ihn dazu zu bringen, den Safe zu öffnen. Tomáz war doch nur ein Dieb, wenn auch ein äußerst einfallsreicher. Aber Tucker fühlte sich trotz dieser Überlegungen keineswegs beunruhigt, vielmehr wollte er sofort zum Safe im Schlafzimmer und nachsehen.

    »Gehen Sie ruhig und sehen Sie nach«, sagte Tomáz in diesem Moment, »die Jungs und ich werden hier warten.«

    Die Hunde, die sich sonst sofort an Tuckers Fersen hefteten, wenn er von einem Raum in den anderen ging, hingen mit ihren Blicken noch immer wie gebannt an Tomáz. Tucker verspürte einen eifersüchtigen Stich, ging dann aber willig ins Schlafzimmer.

    Er fand das Amulett in einem einfachen dunkelgrünen Samtbeutel, der mit einem weißen, pulvrigen Kristallstaub gefüllt war. Er hatte über vier Jahre immer wieder an diesem Beutel vorbeigeguckt, obwohl er den Safe, mehr oder weniger regelmäßig, mindestens zweimal im Monat öffnete. Seltsam? Er schloss den altmodischen Zahlenschlosskasten, der anschließend hinter der Wandtäfelung verschwand. Als er sich umdrehte, blieb sein Blick kurz auf dem antiken Tonrelief an der gegenüberliegenden Wand hängen. Zwei Knaben mit lockigem Haar standen dem römischen Göttervater Jupiter gegenüber und sahen ihn herausfordernd an. Das schwere Tonbild wurde von Metallklammern gehalten, die in der Wand verankert waren, und wurde geschickt indirekt von unten beleuchtet. Wie alt es wohl war? Tucker hatte sich darüber tatsächlich noch nie Gedanken gemacht, und ein unbekannter Teil von ihm schämte sich mit einem Mal dafür. Er hasste Ignoranz. Langsam drehte er sich um, ging zur Tür und zurück ins Wohnzimmer.

    Tomáz saß in unveränderter Haltung da, nur sein Weinglas war nicht mehr ganz so voll, und die Hunde waren verschwunden. Tucker konnte sie in der Küche geräuschvoll Wasser trinken hören. Tomáz‘ Blick war auf die griechische Inschrift geheftet, die über dem Durchgang zum Schlafzimmer eingemeißelt war.

    Εξουσία und αδάμαστος stand dort. Tucker drehte sich um und sah ebenfalls nach oben.

    »Wissen Sie, was das bedeutet?«, fragte Tomáz versonnen.

    »Das beschreibt den Größenwahn meines Großvaters. Er hat es über dem Eingang zu seinem ehemaligen Reich eingravieren lassen. Die Übersetzung lautet Allmacht und Unbezwingbarkeit«, antwortete Tucker. Er konnte einen Anflug von Bitterkeit nicht zurückhalten. »Nur noch eine unpassende Geschmacklosigkeit mehr!«

    Am Tisch angelangt, setzte er sich neben Tomáz, etwas, das er nicht einmal bei den wenigen engen Freunden tat, die er hatte. Tucker hatte sonst ein großes Bedürfnis nach Abstand, aber zu Tomáz fühlte er sich regelrecht körperlich hingezogen. Tucker lachte über diese Idee in sich hinein, das änderte aber nichts an der Tatsache. Er schüttelte den Inhalt des kleinen Säckchens auf den Tisch und das Amulett rutschte auf einem Puffer aus Staub fast schwerelos heraus. Tomáz lehnte sich nach vorne und studierte das Objekt eingehend. Er nahm ein wenig Kristallpulver zwischen die Finger und rieb sie aneinander. Er nickte zufrieden. Dann sah er das Omega an.

    »Nicht besonders beeindruckend, was?«, meinte Tomáz. »Aber das war der heilige Gral angeblich am Anfang auch nicht.«

    »Am Anfang?« Tucker spürte, wie die Unruhe, die ihn seit Beginn dieses abstrusen Gesprächs immer wieder erfasste, erneut in ihm hoch kroch.

    »Na, Sie sehen doch wohl auch, dass hier Einiges fehlt, oder?«, Tomáz deutete auf die Löcher. Es waren neun, wie Tucker mit einem Blick feststellte. Nicht sieben, oder dreizehn, nichts Symbolträchtiges, einfach neun Öffnungen von denen acht leer und eine mit einer glänzenden durchsichtigen Kugel gefüllt war.

    »Sie müssen diese Löcher schließen, Señor Tucker. Das ist Ihre Bestimmung«, sagte Tomáz vehement.

    »Ach, und das war‘s schon? Und wo finde ich Ihrer Meinung nach jemanden, der mir aus übergroßen Diamanten die teuersten Murmeln der Welt macht? Gesetzt den Fall, ich finde noch acht weitere Riesenklunker und kann sie dann auch noch bezahlen. Auch meine Möglichkeiten sind begrenzt, wissen Sie. Ich bin reich, aber nicht Krösus.«

    »Nicht Diamanten, Señor Tucker. Sie müssen die fehlenden Steine finden und an ihre Plätze setzen. Ihr Stein ist der erste und der mächtigste. Meiner ist der letzte, aber die anderen sieben Steine müssen wieder gefunden werden.«

    Also doch die Zahl Sieben, dachte Tucker kurz, dann sagte er: »Na, dann geben Sie mir doch schon mal Ihren und dann sehen wir weiter.«

    Tomáz hörte auf zu lächeln. »Ich wache über den letzten Stein. Erst, falls Sie alle anderen Steine wieder finden, kann ich Ihnen meinen Stein geben.«

    Das Wort falls war Tucker nicht entgangen.

    »Ich bin ganz Ihrer Meinung, wenn Sie denken, dass das ein hoffnungsloses Unterfangen ist«, sagte er zu Tomáz.

    Tomáz nickte und schüttelte gleich darauf den Kopf. »Nicht alle Wächter sind von der Idee begeistert, dass die Steine wieder vereint werden sollen, Señor Tucker. Schließlich werden diese Steine seit Generationen von ihren Wächtern gehütet. Sie haben Angst, ihre Berufung zu verlieren und sie befürchten, dass wir den Zeitpunkt falsch gewählt haben. Es mag sein, dass sich Ihnen der eine oder andere in den Weg stellen wird.«

    »Wenn Sie wissen, wer die anderen Wächter sind und wo sich die sieben fehlenden Steine befinden, warum erledigen Sie das dann nicht selbst?«, fragte Tucker, obwohl er die Antwort schon erahnte.

    »Ich kenne die anderen Wächter nicht, und ich weiß nicht, wo sich die anderen Steine befinden. Wir kommunizieren seit Beginn der Wacht anonym miteinander, um unseren Auftrag nicht zu gefährden und um keinen von uns in Versuchung zu führen.«

    »Versuchung? Tomáz, die Steine mögen ja einiges Wert sein, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei allen um Edelsteine handelt! Sie sind sicherlich nicht den Aufwand wert, sieben andere Personen zu bestehlen oder womöglich Schlimmeres.« Tucker sah Tomáz kopfschüttelnd an.

    »Der Wert dieser Steine hat nichts mit Geld zu tun, Señor Tucker.«

    »Irgendwie wusste ich, dass Sie das sagen würden«, meinte Tucker. »Und was hat es mit diesen Steinen dann auf sich?«

    »Das werden Sie erfahren, während Sie nach ihnen suchen.«

    »Und warum sollte ich das tun wollen?«, fragte Tucker störrisch.

    »Weil es Ihre Bestimmung ist, Nostradamus Tucker!«

    Tucker ignorierte, dass er mit seinem vollen Vornamen angesprochen wurde, obwohl er das hasste.

    »Na schön, nehmen wir einmal für einen Moment an, dass ich tatsächlich derjenige bin, der auf die Suche nach diesen Steinen gehen muss. Wie soll ich das Ihrer Meinung nach anfangen?« Tucker hob die Hände in Hilfe suchender Geste. »Wofür halten Sie mich denn, Tomáz? Für einen Verschnitt aus Indiana Jones und James Bond? Ich muss Sie enttäuschen. Ich bin weder ein athletischer Archäologieprofessor, noch ein smarter britischer Geheimagent.«

    Tomáz sah ihn lächelnd an. »Niemand hat gesagt, dass Sie die Steine allein finden sollen.«

    Ω 3 Ω

    Kassandra Rudolph lag nach einem extrem langen Tag in der Badewanne mit einem Glas eiskalten Apfelsaft auf dem Wannenrand und einem schnulzigen, halb durchweichten Liebesroman in der linken Hand. Der Schaum der Badelotion schwamm in dicken Flocken auf dem heißen Wasser. Ihre Haut hatte einen fast krebsroten Ton. Ihre langen schwarzen Haare hatte sie hochgesteckt, und die Enden der Strähnen baumelten in die Wanne und kräuselten sich. Ihr Kopf ruhte auf einer Nackenstütze und auf ihrem schmalen Gesicht mit den grauen Augen lag ein entrücktes Lächeln. Auf ihrer hohen Stirn standen Schweißperlen. In dem kleinen Bad waberte heißer Nebel und der große Ganzkörperspiegel war komplett beschlagen.

    Kassandra ging es richtig gut. Dieses Vollbad einmal die Woche war ihr kleiner Urlaub in einem sonst vom Stress regierten Leben und die Kitschromane eine Flucht aus der Realität, die sie normalerweise schätzte. Niemals hätte sie irgendjemandem gegenüber zugegeben, Groschenromane zu lesen. Eigentlich war es ihr peinlich, aber sie waren, wie ihre Vorliebe für Science-Fiction, ein Überbleibsel aus ihrer Teenagerzeit. Sie gehörten seit dieser Phase hormoneller Verwirrung zu ihrem Vollbad wie der eisgekühlte Saft. Die Geschichten waren immer wieder die gleichen: Frau sucht und findet Mann, oder umgekehrt, sie werden glücklich, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Einfaches Strickmuster mit Erfolgsgarantie. Kassandra liebte es, wieder und wieder in die Rolle der schmachtenden Liebenden zu schlüpfen und sich ihren Ritter in glänzender Rüstung vorzustellen. Meistens kehrte sie erst wieder in die Wirklichkeit zurück, wenn ihr Badewasser so kalt war, dass sie zu frieren begann. Auf diese Weise hatte sie sich schon unzählige Erkältungen geholt, aber von ihrer Badegewohnheit wollte sie nicht lassen.

    Das Telefon klingelte. Kassandra warf einen Blick auf den Radiowecker über dem Waschbecken. 23:47 Uhr. Anrufe aus dem Büro bis zehn Uhr abends waren durchaus keine Seltenheit, aber um fast zehn vor zwölf? Mit einem resignierten Seufzer legte Kassandra das zerfledderte Paperback auf die Seite und stemmte sich aus der Wanne hoch. Dabei stieß sie das Saftglas von der Kante. Erschrocken sog sie die Luft ein, als das Glas auch schon auf den siebziger Jahre Fliesen zersplitterte und sich sein Inhalt über den Boden ergoss.

    Na perfekt, dachte Kassandra und stieg vorsichtig über die Splitter hinweg. Nicht vorsichtig genug. Auf halbem Weg zur Tür trat sie mit dem linken Fuß in eine kleine Glasscherbe. »Aua! Verdammt!« Unflätige Flüche von sich gebend, hüpfte Kassandra nackt und tropfend, auf einem Bein ins dunkle Wohnzimmer. Auf ihrem hoppelnden Zickzackkurs stieß sie sich den großen Zeh des unverletzten Fußes an einer Stehlampe. Neue Schmerzenslaute und noch wütendere Flüche waren das Ergebnis. Als sie endlich das Telefon erreichte und gerade nach dem Mobilteil griff, hörte es auf zu klingeln. Einen Moment lang starrte Kassandra den Hörer an, dann griff sie zu und pfefferte ihn mit einem frustrierten Aufschrei quer durch den Raum auf das Sofa gegenüber. Sie ließ sich auf den großen Ohrensessel fallen, der neben der Telefonbasis stand. Die Fernsehfernbedienung bohrte sich ihr schmerzhaft in den nackten Po. Das war der letzte Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Kassandra zerrte die Fernbedienung mit einem schmatzenden Geräusch unter sich hervor und schrie das Hassobjekt aus Leibeskräften an.

    Nachdem sie sich wieder unter Kontrolle hatte, und die unbändige Wut verraucht war, stand sie auf. Sie machte das Licht an und ging ins Bad zurück, um sich ein Handtuch zu holen. Dabei hinterließ sie feuchte, blutige Fußabdrücke auf dem cremefarbenen Wohnzimmerteppich und den Fliesen.

    Klasse! Auch das noch! dachte Kassandra. Sie trocknete sich schnell ab und unterzog dann die Schnittwunde am Fuß einer kurzen Untersuchung. Nichts, was ein bisschen Jod und ein Pflaster nicht beheben würde. Kassandra war generell nicht besonders wehleidig. Sie machte sich mehr

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