Jahre im September: Gedichte und Erzählungen
Von Marko Ferst
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Über dieses E-Book
Marko Ferst
Geboren 1970 in Rüdersdorf bei Berlin. Von 2000 bis 2004 Studium der Politischen Wissenschaften an der Freien Universität Berlin. Von 1990 bis 1997 die Vorlesungsreihe - Sozialökologie - an der Berliner Humboldt-Universität besucht, die von Rudolf Bahro geleitet wurde. 1994 die Ökologische Plattform im linkspolitischen Spektrum mitbegründet. Veröffentlichungen in Tages- und Umweltzeitungen. 2006 deutsch-polnischer Literaturpreis für Gedichte. Früherer Beruf Tischler/Bilderrahmer. 2010 wurde von ihm neu herausgegeben der Band - Morgen. Die Industriegesellschaft am Scheideweg - von Robert Havemann mit einem eigenen Essay.
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Buchvorschau
Jahre im September - Marko Ferst
„Was auch als Wahrheit oder Fabel
In tausend Büchern dir erscheint,
Das alles ist ein Turm zu Babel,
Wenn es die Liebe nicht vereint."
Johann Wolfgang Goethe
Inhalt
Kirschen
Septemberwärme
Atemlos
Spur nach Tilsit
Öland
Eine Palast-Phantasie
Monsanto
Bangladesh
Schloßpark Charlottenburg
Wellen branden
Max-Liebermann-Villa
Schneefrühling
Rechtschreibreform
Schwarze Plage
Kurswechsel
Jahrtausend-Linien
Beute
Generationen
Visitenkarte
Wolkenbruch
Von Buchara nach Samarkand
Erste Zeit
Auszug
Schokolade
Trockenzeit
Ostseegespräche
Finanz-Roulette
Teuro, Teuro!
Von mangelndem Willen zu europäischer Demokratie
Meine polnische Erfahrung
Im Ural
In der Tundra
Kontinentales Klima
Jagdtrieb
Wenige Minuten
Im Eismeer
Lamentate
Arabischer Wandel
Verfaßtes Versagen
Frauenschicksale
Besondere Treffer
Kriegsmission
Die Gestalt wandelt sich
Zeit der Wölfe
Meine Poetik
Barack Obama in Berlin
Die Farbe Ocker
Die verzwickten Folgen von Kriegslust
Räume
11. Sinfonie
Blaue Zypresse
Halbinsel
Jüterboger Impressionen
Krumme Lake
Molveno
Geister mit Schleimspur
Partnachklamm
Winterlos
Väterchen Frost
Spitzbergen
Eiswelten
Von dort kippt alles
Zug der Wikinger
Kleine Liebesgeschichte
Nachspeise
Israelische Piraterie
Vom nahöstlichen Wahn
Gazakrieg
Zwischenstand
Quälerei
Fibromyalgieschub
Ohne Flügel
Existentiell
Schachmatt
Danach
Beobachtet
Verloren
Der Schwerbeschädigten-Ausweis
Hochstimmung
Akupunktur
Die Operation
Schwarze Lady
Für die Liebe
Prekär
Danziger Notizen
Russische Gastfreundschaft
Das Treibhaus öffnen
Blickwinkel
Zivilisation im Spätstadium
Todesboten
Countdown
Die zweite Wirklichkeit
Gereimte Haiku
Festspruch
Gruß
Freiheit in Verantwortung
Was nicht bedacht wird
Organisierte Verantwortungslosigkeit
Hochgebirge
Die Andenfrucht
Szenario der Macht
MH-17: Spuk im Kreml
Nicht nur in Paris
Syrisches Totenfeld
Dämmerlicht
Anfrage an Sergej Lawrow
Wie man Naturschutz aushebelt
Schlüsse
Bayrische Amokläufe
Hartzerei
So ist es
Korruptes Staatspersonal
Schäubleschäum
Amerikanische Horchposten
Machtergreifung
Erich Fried
Wortwechsel
Hexenstand in Prag
Silvester
Wegweiser
Nicht mehr da
Dvorák am Berg hören
Herbstbögen
Usedom
Stadt hinter den Schären
Hinterlassen
Borschtsch
Ufa
Ungebucht
Schlafland
Jahre im September
Neue Sichten
Erzählungen
Arktische Begegnung
Das Speziallager
Veröffentlichungen
Zeittafel
Kirschen
Hoch oben hängen sie
man rechnet in Prozenten
nicht in Sicht ist die Ernte
Saftige Kirschenkost
und Steine spucken
Revolutionen sind unkalkulierbar
Manche Preise lassen
sich nie bezahlen
die Stare schnappen zu
Im Winter blühen
weiß nur die Träume
Septemberwärme
Himmel und Eichelhäher
im Blätterfall
entschwindet Eisvogelblau
unter Wasser
entrindete Erle
unentwegtes Biberwerk
mit Schwung
geöffnetes Schleusentor
der Kahn fährt weiter
Fischtreppen
für die Aufsteiger
erste alte Spreearme
wieder intakt
seggegrün umfaßt
Habichtsaugen fliegen zu
frischer Beute
lila Eisenkraut ragt hervor
Unterer Spreewald
Atemlos
Rote Zeilen
ferne Briefe
Sommerstrahlen
öffnen aus
Vergangenem
Du bist mir
eingepflanzt
das Schicksal
trägt unsere Worte
zum Ausgang
Dein trauriges
Gesicht
blickt mir
noch immer nach
ewig brennt
so ein Abschied
Noch immer
zurückkehren wollen
doch die Füße
sind mir gebunden
etwas schleicht oft
zu dir zurück
Es erkennt die
Fakten nicht an
und beruft sich
auf die Liebe
Spur nach Tilsit
Goldner Ahorn
leuchtet über die Wiesen
bunte Leiber weit entfernt
grasend und liegend
die Kirchruine
in nachgebauter Miniatur
zwischen Baumdickicht
nah am Ufer
In Blankensee
das Sudermannsche Schloß
hinterm Torbogen
Galerie mit Kaiserköpfen
weiße Holzbrücken queren
im waldüberspannten Park
irgendwo eine Säule
am Wasser
seine Lesebühne blieb
dem Erbauer verwehrt
Segeln nach Tilsit
leben nur noch auf Abruf
ausgeheckt von der Rivalin
Indre wittert den Mordplan
jedoch überraschend zündet
neue Liebe beim Ausflug
blau und führerlos
kentern sie
an der gefährlichen Stelle
Ostseewasser
er bindet ihr noch
rettende Binsen an
nur sie kehrt zurück
in Sudermanns Litauen
Öland
Hellgraue
Sommernächte
Sandstein, Schiefer, Kalkgestein
hunderte Windmühlen
im Miniformat
Heidewelt
Buckelbrücke mit langem Rüssel
über sechs Kilometer
nachts beleuchtet
Steinwallzäune durchziehen
baumkarges Grasland
getrockneter Kuhdung
in Weidewäldern
hier ist das Schaf zu Hause
der Elch nur selten
Rotbraun mit weiß,
gelbweiß, grauweiß
wie Holzhäuser
überall in Schweden
auch Steingebautes
Rehe zu sehen
vom Frühstückstisch aus
Land der Rundburgen
Kinder zielen mit Pfeil und Bogen
Strohmatte mit Kreisen
Schweine und Schwalben
im Dorf hinter Mauern
graue Steinwände mit Schilfdach
so wie einst vor langer Zeit
Wie Wale strecken sich
Rundfelsen aus Wellen
über hundert Kilometer
von Spitze zu Spitze
vom langen Erik zum langen Jan
Leuchtzeichen für Schiffe
Mächtige Mauern
die Brandgeloder widerstanden
wehrhaft angelegt
das Borgholmer Schloß
doch nach Süden
rückte die Grenze
zu Dänemark
und neue Zeiten kamen
es blieb eine Ruine
nebenan Solliden-Villa
königliche Sommerresidenz
Ostseeblick
mit Park
Nicht überall
ist Festland zu sehen
wie von Geisterhand
tauchen nachts manchmal
verstreute Lichter auf
vom anderen Ufer
und schwinden wieder
Eine Palast-Fantasie
Der Mond verspricht Silber
in Weiß singt sie dir
vom Lichterhimmel herunter
von Bühne zu Bühne
das Leuchten und Blinken
zaubert tausendfach
Federleichtes Schwingen
große Goldflügel zu grünen Federn
dann im Fluß von Kufen
hellblau wehen sie übers Eis
Nebel unter Stoffgebilden
Harte, schnelle Rhythmen:
Ice Block
Zu schnappt die Messerfalle
ist das Seil verbrannt
der Akrobat entwindet sich
schnell genug ins Nichts
taucht auf im Publikum
Schwanensee mit Rücklichtern
Fahrräder umkreisen den Tanz
weiß und rot im Dunkel
Tschaikowskis Ton-Balustrade
gleitet über in moderne Rhythmen
Musiktöne als Regenspur
Takt um Takt ins Naß getanzt
an Seilen schwingen
mit rotem und blauen Licht
Blödelzauber verrät seine Tricks
Fehlen nur Claire Waldoff
und Helga Hahnemann
Ikonen verflossener Bühnenjahre
oder ein neuer Star
die längste Girlreihe Europas
spannt ihre Choreographien auf
Revue „Qi" im Berliner Friedrichstadtpalast 2008
Monsanto
Mit verdrehten Genen
vielleicht erfand der Konzern
diese bestimmte Maissorte
nur um das Wachstum
der Weltbevölkerung
zu stoppen?
Wenn davon künftig
Menschen unfruchtbar werden
und nicht nur die gefütterten Schweine
würde sich die Menschheit
schnell reduzieren lassen!
Für solche ökologische Wohltat
lohnt es sich schon
störende Leute herauszukanten
aus Zulassungsbehörden
im Netzwerk treuer Vasallen
auch mißliebige Journalisten
und ihre Sendungen kaltzustellen
Bis Monsanto
Land für Land
die Agrarminister selbst nominiert
und die eigenen Gesetze beschließt
ist es dann nur noch
ein kleiner Schritt
Ihre Rechtsanwälte
bekommen das schon hin
Bangladesh
Da kommen sie immer wieder
reißen ihren Schlund auf
schlingen den Boden
fruchtbare Krume
jene Meeresfluten
zehren an Blech und Hütten
dringen immer tiefer
mit ihrem verderbenden Salz
Da kommen sie immer wieder
die Angststände steigender Pegel
es zerbricht und schlingt Menschen
die Tage des Reis sind gezählt
und es fehlt der eigene Grund
jenseits von Flachzonen
die ein Versprechen sein könnten
stattdessen diktieren Abbrüche
aus allen Poren dringt Armut
mehr als je zuvor
Noch lassen sich
die Schuldtitel nicht einklagen
in Deutschland, Amerika, Frankreich
China oder anderswo
in den Sündenpfuhlen
den Brutstätten steigender Wasser
jenen Ländern
die jedes Gericht
und jede Gerechtigkeit
zu purem Gespött machen
Es kommt Rat, Flut
und großes Schweigen
Emporstreben
Sich bilden, sich aufbauen
seine eigene Meinung werden
nicht zum Kitt der Systeme
sich fügen, sich einpassen
es reichte noch nie
nur auf stillen Fluren zu flüstern
ein paar Sätze zum Abendbrot
Niemand spricht davon
sich als Freiwild preiszugeben
aber das Wort will geachtet sein
und Satz für Satz gebunden
brüchigen Verhältnissen
das Vertrauen zu entziehen
sich die Macht zu nehmen
für eine andere Sicht
Position zu bekennen genügt nicht
selbst muß man sich befreien
aus all den beschränkten Winkeln
emporstreben und sich zurücknehmen
nicht Resonanzboden sein
für ideologische Sirenen
das eigene Medium etablieren
wachsen in der Spur
die vergehen wird
Schloßpark Charlottenburg
Weißgeebnet
Wiesen und Teiche
hellblaues Belvedere
Spuren um Spuren
in Eis frostverkrustet
nur kleine Brücken und Tiefen
verraten die Wasserläufe
Schienenschläge im S-Bahntakt
die kupfergrüne