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Über die Universalität der Französischen Sprache: Mit einem Vorwort von Dany Laferrière
Über die Universalität der Französischen Sprache: Mit einem Vorwort von Dany Laferrière
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eBook86 Seiten1 Stunde

Über die Universalität der Französischen Sprache: Mit einem Vorwort von Dany Laferrière

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Über dieses E-Book

"… Europa hat eine Macht erlangt, die in der Geschichte unvergleichlich ist: die vielen Hauptstädte, die Vielzahl und die Schnelligkeit seiner Expeditionen, der öffentliche und der private Verkehr haben es zu einer großen Republik werden lassen …"
Der Satz stammt nicht etwa aus einer Werbebroschüre zur Europawahl, sondern von Antoine de Rivarol (1753-1801) und aus dem Jahr 1783. Allerdings mit dem Zusatz: "… die sich für eine Sprache entscheiden muss" – schließlich spricht er von der weltweiten Gültigkeit der französischen Sprache. Das Thema war übrigens von der Berliner Akademie in ihrer Ausschreibung für den Wettbewerb von 1783 so vorgegeben. Rivarol gewann damals den ersten Preis und wurde mit einem Schlag europaweit berühmt. In Frankreich steht die Rede bis heute auf den Lehrplänen, jetzt erscheint sie erstmals in deutscher Sprache, denn auch die Berliner Akademie verhandelte damals auf Französisch. Diese Preisrede ist noch heute nicht nur hochaktuell durch ihre treffenden Beschreibungen der verschiedenen europäischen Kulturen und ihrer Sprachen, sie verbirgt ihre polemische Vehemenz hinter einem mitreißenden Humor, ist elegant und flüssig geschrieben und bietet damit einen großen Lesegenuss.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum16. März 2017
ISBN9783884235614
Über die Universalität der Französischen Sprache: Mit einem Vorwort von Dany Laferrière

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    Buchvorschau

    Über die Universalität der Französischen Sprache - Antoine de Rivarol

    Rivarol

    Dany Laferrière

    Gedanken zur Rede

    »Über die Universalität der französischen

    Sprache« von Antoine de Rivarol

    DIE HERKUNFT

    Von Rivarols Rede über die Universalität der französischen Sprache aus dem Jahr 1783 habe ich mein Leben lang Gutes und Schlechtes gehört. Aber bis heute hatte ich sie nie gelesen. In meiner Jugend war es wohl zu früh, da ich zu sehr mit den Geschichten beschäftigt war, die mir Neuland eröffneten. Danach war es zu spät, denn jede Propaganda ist mir verdächtig, seit eine Diktatur mich damit bombardierte die meinte, so ihre Berechtigung beweisen zu müssen.

    Wenn wir Bücher verpassen, liegt es oft an unserem eigenen Tempo. Was wir lesen, hängt viel mehr vom Zufall ab als vom Zeitgeschmack. Außerdem lebte ich in Haiti, zu Anfang der turbulenten Siebziger Jahre, als der Indigenismus, eine lokale Form der Négritude, neu erstarkte, und er empfahl, der französischen Sprache den Rücken zu kehren. Das Kreolische stand damals hoch im Kurs. Wir droschen auf die französische Sprache ein – aber nicht auf die Klassiker, die diese Sprache hervorgebracht hat – wir waren ja nicht verrückt! Der Cid, das Lieblingsstück der haitianischen Jugend, wurde sehr gut ins Kreolische übersetzt, während dies bei der subtileren Andromache misslang. Daraus schlossen wir, dass unsere heldische Natur Corneille näher stand als Racine. Einige, die empfänglicher waren für die Feinheiten Racines, suchten die Schuld beim Übersetzer (man zeigte auch mit dem Finger auf die Regie) statt beim Autor. Eine wütende Debatte entzündete sich an den Begriffen »Natur« und »Kultur«. Ist es möglich, Gefühle zu empfinden, die der eigenen Natur entgegengesetzt sind? Um ihr Ziel zu erreichen, so dachten wir damals, musste jede fremde Kultur den Weg über die Volkssprache nehmen.

    Diese Geisteshaltung machte uns nicht gerade empfänglich für den universalistischen Diskurs von Rivarol. Ich habe sogar gehört, wie ein junger Haitianer am Siedepunkt einer Diskussion im Institut Français von Port-au-Prince einem Redner aus Paris, zurief: »Monsieur, würden Sie bitte Ihre Zunge aus meinem Mund nehmen!« Der Saal explodierte. Nach diesem Moment der Heiterkeit kehrte man zu dem alten Streit zurück, der die Sprache mit der Kolonisation verknüpft. Die einen sagten, das Französische sei unsere Kriegsbeute, die anderen meinten, wir müssten uns endlich von diesem Überrest aus der Kolonialzeit befreien. (Keine Kolonialmacht hat je die Sprache eines Kolonisierten übernommen, einzig Rom hat das Griechische adoptiert). Genau in diesem Moment musste ich Port-au-Prince verlassen, um in Montreal in einen anderen Streit zu geraten, wieder betraf er die französische Sprache, aber diesmal befand sie sich in der unterlegenen Position. Nicht mehr das aufständische Kreolisch, sondern das Englische war hier der Gegner, der seine Überlegenheit darin zeigt, dass er sie nicht einmal zu beweisen versucht. Wole Soyinka hat das ausgedrückt, als er die Diskussion um die Négritude abschloss mit dem Satz: »Ein Tiger verkündet nicht seine Tigritude, er stürzt sich auf sein Opfer und verschlingt es.« Ich schlug mich sofort auf die Seite des Französischen, das ohne Wenn und Aber zu meiner Sprache wurde.

    Eines Morgens kaufte ich mir eine Schreibmaschine, eine alte Remington 22. Auf ihr habe ich in Montreal, Port-au-Prince und Miami Romane getippt, die von meinen Erlebnissen als Exilant, Reisender, Leser und Schriftsteller in Amerika handeln. Die Eroberung des Alphabets lässt mich nicht mehr los, im Nahkampf mit der Maschine erzähle ich immer weiter. Unter meinen Fingern ist eine völlig neue Grammatik aufgeblüht. Es hat mich sehr berührt, alles in einer Sprache ausdrücken zu können, die nicht die meiner Mutter ist. Nach vielen durchwachten Nächten habe ich gelernt, dass man nicht in seiner Muttersprache schreibt, sondern in einer neuen Sprache, die sich aus Ängsten, Tinte, Blut und Festtagen des Innenlebens speist. Die Zeit für 25 Bücher ist meinem geselligen Leben gestohlen, ich schrieb sie alle in der französischen Sprache, die ich in Haiti lernte. Fast überall auf der Welt stellen mir Leute, auch wenn sie kein Wort Kreolisch kennen, immer wieder die Frage, warum ich nicht in meiner Muttersprache schreibe. Damit Sie es lesen können, möchte ich häufig antworten, aber ich will niemand zu nahe treten. Zuweilen wirft man mir auch in Haiti vor, nicht auf Kreolisch zu schreiben. Allen, die meine Texte gerne in ihrer Sprache lesen möchten, kann ich nur sagen, sollen sie mich doch übersetzen, denn jedes Buch träumt davon, eine neue Haut zu bekommen. Aber all dies beweist, dass der alte Streit um die Sprache auch heute noch explosiv ist.

    DAS DILEMMA

    Bis jetzt habe ich Vorworte gemieden, aus Furcht, ich könnte das gleiche – wenn auch glänzende – Schicksal wie Thomas Lechaud erleiden, der während seines langen Lebens als Literat nur Vorworte geschrieben hat. Bei jedem neuen Gedichtband war ganz Port-au-Prince auf das Vorwort von Thomas Lechaud gespannt. Ich habe nur zwei geschrieben, das erste für eine Gedichtsammlung von Schulkindern aus dem Süden Haitis, da mich ihre Treuherzigkeit trotz der verwüsteten Landschaft rührte. Nach dem Desaster des Erdbebens sprachen die jungen Dichter nur vom Geschmack der Früchte und von der Zartheit der Blüten. Das zweite Vorwort stellte ein Buch vor mit Berichten und Analysen über dieses schwierige, chaotische und aufregende Land.

    Und nun das Angebot, ein Vorwort zu der Rede zu schreiben, die Rivarol, wie ich annehme, vor der Berliner Akademie gehalten hat, und die schon im Titel das Universum umspannt. Was ist von diesem Auftrag zu halten, ist er gut gemeint oder eine Falle? Wenn ich Rivarols Ansichten teile, mache ich mich in den Augen all derjenigen verdächtig, die meinen, dass der Sieg der französischen Sprache auf ihre Kosten ging. Zu diesen Unzufriedenen, die man hauptsächlich in den ehemaligen Kolonien findet, kommt die große Zahl der Gegner einer Monokultur im Mutterland, die auf ihrem Siegeszug fast alle Regionalsprachen Frankreichs ausgelöscht hat. Wenn ich hingegen Rivarol mit flammenden Worten niedermache, werden gewisse Nostalgiker des Sprachimperiums sich fragen, was ich im Raum der französischen Literatur zu suchen habe. Ich nehme den Auftrag dennoch an, und sei es nur zu dem Zweck, die berühmte Rede genauer zu betrachten.

    DAS HOTEL

    Ich lese gerne im Flugzeug, schreibe aber besser im Hotelzimmer. Ständig unterwegs, bin ich

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