Missverstehen Sie mich richtig!: Ein satirisches Lexikon
Von Martin Buchholz
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Martin Buchholz
Martin Buchholz ist Filmemacher für ARD und ZDF, Songpoet und Referent. In seinen Texten und Liedern erzählt der Theologe und Grimmepreisträger Geschichten mitten aus dem Leben.
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Buchvorschau
Missverstehen Sie mich richtig! - Martin Buchholz
2015
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Aber – ein Wörtchen, das ich mitzureden habe
Ungezählte Male taucht dieses kleine, unscheinbare Wörtchen »aber« in diesem Machwerk auf. Es ist das Wörtchen, das ich mitzureden habe. Zwei Sätze, mit einem »aber« verbunden, sind Gegen-Sätze, aber keine totalen Widersprüche. Aus eheweiblichem Munde gesprochen, hört sich das für mich zuweilen so an: »Du bist zwar ein Arsch, aber ich liebe dich trotzdem.« Einerseits eine offen ausgesprochene Liebeserklärung, andererseits eine ausgesprochene Gemeinheit. Doch was zwischen mir und meiner Liebsten gelegentlich an verbalem Aber-Witz tobt, geht Sie überhaupt nichts an. Ich hoffe, Sie haben das überlesen.
Hier eine andere, weniger private Liebeserklärung im Zwar-aber-Sound: »Ich hab’s zwar nicht so doll mit meinem Vaterland, aber ich liebe meine Muttersprache.« Zwar – das hieß im alten Deutsch ze ware – in Wahrheit. Aber ist hergeleitet von aba – weg, ab, hinfort. Weg damit! Dieses zweifelnde Widerwort war stets denen zuwider, die im Namen der Herrschenden die herrschende Meinung ansagten. Eine uralte Tradition bei Regierungssprechern. Deren Verkündigungen hat man zu glauben und nichts als zu glauben. Denn sie sprechen die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Und wer es wagt, ein ungläubiges Aber einzuwenden, der ist dem Aber-Glauben verfallen.
Aber selbst so ein Aber-Glauben muss nicht ewig währen. Man kann auch davon bekehrt werden – vorausgesetzt, man ist ein mit-regierender Sozialdemokrat. Wie oft haben wir es schon erlebt: Wann immer die CDU/CSU etwas fordert, das früheren Kernaussagen der Sozialdemokratie diametral entgegengesetzt ist – so hört man von der SPD zunächst ein verquältes »Ja, aaaber«.
Und bei der Schlussabstimmung heißt dieses »Ja, aaaber« garantiert: »Aaaber jaaa!«
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Abfackeln – so macht man die Politik heiß
In gewissen kahlhirnigen Kreisen ist das Abfackeln eine bewährte Methode, um vaterländischen Politikern Feuer unter ihrem Gesäß zu machen, damit deren mitfühlendes Verständnis weiter angeheizt wird für die brennenden Bedürfnisse einer nazi-onalen abendländischen Volksgemeinschaft.
(→ Asylrecht – längst schon ausgeräuchert)
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Abhärtung – nur was für Kaltduscher
Also sprach Zarathustra: »Gelobt sei, was hart macht!« Dieser Spruch zeugt eher vom schwer durchweichten Bregen des Herrenmenschen Nietzsche. Für kruppstahlharte Zuchtmeister wurde er aber zum wichtigsten Dogma bei der Aufzucht von deutschen Nachwuchs-Helden.
Mein Opa Oskar war auch so ein Hart-Macher. In meiner Knabenzeit, als ich noch ein hilfloses Objekt der deutschen Erziehungsberechtigung war, wurde ich des Öfteren in den Schulferien bei ihm zwangsinterniert. In irgendeinem brandenburgischen Kaff an der Spree war das. Mein Großvater war ein strenggläubiger Evangele der fundamentalistischen Art. Ein protestantischer Ayatollah. Nur der Wortlaut der Bibel galt für ihn. Er wollte noch nicht einmal vom Affen abstammen. Das war mir auch ganz recht. Ich wollte gar keine gemeinsamen Vorfahren mit ihm haben.
Opa Oskar wollte aus mir nicht nur unbedingt einen frommen Knaben machen, sondern zugleich auch einen richtigen Jungen. Das war ich offenbar nicht. Ich sei viel zu weibisch, meinte er, also ein falscher Junge.
Ich weiß nicht, ob mein Opa den alten Platon kannte. Wohl eher nicht, denn den hatte es nie ins Brandenburgische verschlagen. Jedenfalls hätten sich die beiden gut verstanden. Denn wie hat es Platon angedroht: Jene Männer, die sich zu Lebzeiten nicht mannhaft zu beherrschen wissen, werden zur Strafe nach ihrem Tode als Weiber wiedergeboren.
Vor diesem femme-fatalen Geschick versuchte mich Opa Oskar zu bewahren, als er mir keine Verweichlichung durchgehen lassen wollte. Denn Verweichlichung hieß auch für ihn: Verweiblichung.
»Sei ein Mann!« Der ständige Tagesbefehl meines Opas Oskar klingt mir noch in den Ohren. Die Frage, ob ich überhaupt ein Mann sein wollte, kam da erst gar nicht auf. Mit gruftigem Nachhall höre ich die Stimme des Groß- und Übervaters: »Du musst lernen, hart zu sein gegen dich selbst.«
Zur Zeit meiner Pubertät zerrte er mich jeden Abend kurz vor dem Schlafengehen unter die Gartenpumpe, und dann musste ich zehn Minuten lang einen Schwall eiskalten Wassers über mich ergehen lassen. Abschreckung nannte er das. Eine Methode, die man sonst eher bei Frühstückseiern anwendet. Jedenfalls weiß ich seither, was Masochismus ist.
Inzwischen bin ich allerdings ein entwickelter Masochist. Weiß ich doch, dass sich ein Masochist am brutalsten dadurch straft, dass er sich selbst die Strafe verweigert. Also dusche ich jeden Morgen warm.
Gut, dass mein Großvater diese Schmach nicht mehr erleben musste. Dabei hat er sich doch solche Mühe gegeben, mir auf einem wahrhaft männlichen Lebensweg voranzuhelfen.
(→ Helden – wollt ihr ewig leben?)
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Abholen – ein demokratischer Party-Service
Nehmen wir an, ein richtig friedlicher Sonntagmorgen wäre in deutschen Gauen angebrochen und Sie lassen sich von diesem Anbruch nicht weiter stören, weil Sie endlich einmal richtig ausschlafen können. Doch plötzlich wummert es an der Wohnungstür. Und weil Sie gerade das unkommunikativste Wesen auf dem ganzen Erdenrund sind, ziehen Sie sich das Kopfkissen über beide Ohren und wälzen sich unter die Daunen. Und so passiert Unerhörtes: Ein Splittern, ein Holzen, ein Krachen! Die Axt vorm Haus erspart den Wohnungsschlüssel. Ein Einsatzkommando verschafft sich ohne weitere Einladung freien Eintritt in ihre Behausung. Brutal werden Sie von Ihrer Matratze gezerrt – und der Ihnen eventuell beigelagerte Partner bzw. die beigelagerte Partnerin (Nichtzutreffendes bitte streichen) gleich mit. Im eindeutig klargetexteten Amtston wird Ihnen der Befehl zugebellt: »Leisten Sie keinen Widerstand! Ziehn’se sich was über. Sie werden abgeholt!«
Und dann fällt es Ihnen ein – nicht siedend heiß, sondern nudistisch unterkühlt, wie Sie da nackt und bloß vor Ihrer Staatsmacht stehen: »Oh, Scheiße, heute ist ja irgend’ne Wahl!« Und in den Wochen zuvor ist Ihnen oft genug von parteilicher Seite angedroht worden: »Wir müssen den Wähler da abholen, wo er ist.« Sie hätten drauf hören sollen. Jetzt sind Sie dran.
Allerdings stellt sich für die Staatsgewalt in jedem Einzelfall die entscheidende Frage: Wo ist der Wähler am Wahlsonntagmorgen? Schließlich kann er überall sein. Wenn Sie an diesem Morgen gar nicht bei sich zu Hause im eigenen Bette gelegen hätten, sondern irgendwo aushäusig, wäre es schwierig geworden für den Abschlepp-Dienst.
Bei den Parteien hat man deshalb ständig Angst, dass der Wähler fremdgehen könnte. Dann müssen die Fahnder vom Abhol-Service immer erst bei der NSA in Amerika um Amtshilfe bitten, denn dort weiß man natürlich, wo Sie als Schläfer Ihre Koordinaten gerade gebettet haben. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema.
(→ Datenschutz – am sichersten im Vorratsspeicher)
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Alpha-Tiere – rechte Ochsen
Führungskräfte, die einer Herde vorantrotten, nennen sich gern Alphatiere. Alpha, der erste Buchstabe im griechischen Alphabet, leitet sich her von Aleph. So benannten die Erfinder unserer Schrift, irgendwo im alten Phönizien, das Zeichen, das am Anfang stand. Der wichtigste Wirtschaftszweig war damals die Viehzucht und so stellten die phönizischen Alphabetisierer das für sie Wichtigste voran. Das Wichtigste war der Aleph, auf gut Deutsch: der Ochse. Heute ist der Ochse nicht mehr das Wichtigste, sondern der Wichtigste – eben ein Alpha-Tier.
Führungskraft ist also Ochsenstärke. Nur leider fehlt dem Ochsen etwas zu wirklicher Potenz. Solche Andeutung versteht der Ochse allerdings als eine hodenlose Gemeinheit.
Wie sang es schon der junge Mozart in einem frühen Lullaby-Song (im Original nicht ganz jugendfrei): »Bona nox, bist a rechter Ochs.«
Und rechte Ochsen haben wir auch heute noch zur Über-Genüge.
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Alt-Achtundsechziger – schon wär’s, wenn man’s noch wäre
Ein paar Wochen nach dem Mauerfall – im Januar 1990 – bin ich zum ersten Mal im deutschen Osten aufgetreten, und zwar in Leipzig. Die »Leipziger Volkszeitung« hatte zuvor ein Fahndungsfoto von mir veröffentlicht und in der Bildunterschrift ihre Leser gewarnt: »Der Alt-Achtundsechziger Martin Buchholz kommt in die Stadt.« Ich kam nach Leipzig: Die Straßen menschenleer, alle Geschäfte mit Brettern vernagelt. Die Bürger hatten sich in den Häusern verrammelt. Aber einige ganz Mutige haben sich dann doch in die Vorstellung getraut. Und danach kam dann eine ältere Dame auf mich zu, eine Ossin – möglicherweise auch kommunistisch genetisch vorbelastet, also eine Gen-Ossin –, und die meinte: »Herr Buchholz, ich habe in der Zeitung gelesen, dass Sie ein Alt-68er sind. Da muss ich ganz ehrlich sagen: Für 68 haben Sie sich gut gehalten.« Und damals war ich noch nicht einmal 60.
Das ist nun weit über 25 Jahre her. Von einem Alt-68er kann bei mir – seufzjammerstöhn! – schon längst keine Rede mehr sein.
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Alternative – für Deutschland?
Wenn man von einer Alternative spricht, ist damit eine andere Möglichkeit gemeint, eine Ersatzlösung. Als ich zum ersten mal von einer »Alternative für Deutschland« hörte, fragte ich mich verwundert, welche Ersatzlösung diese Leute denn alternativ anstelle Deutschlands anstreben? Nordkorea? Weißrussland? Wohl eher nicht. Da gibt es viel zu viele Ausländer, die man erst einmal ausweisen müsste. Und es bliebe die Frage: Wohin mit denen? Nun ja, wenn die AfDler aus Deutschland weg wären, böte sich für diese Ausländer natürlich Deutschland als Alternative an.
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Alternativlos – keine Qual mehr mit der Wahl
Ein Begriff, der alternativlos das Begreifen verhindern soll – nämlich das Begreifen von Zusammenhängen und von demokratischen Möglichkeiten. Die angebliche Alternativlosigkeit duldet keinen kritischen Einwand: Mal ist die Alimentation notleidender Deutsch-Bänker alternativlos, mal die pangermanische Spar-Diktatur in Rest-Europa, dann wieder die Ausweitung der a-sozialpolitischen Herumhartzerei. Und, und, und.
Alternativlos soll heißen, dass man keine andere Wahl hat, was logischerweise bedeutet, dass man überhaupt keine Wahl hat. Nun kennt die derzeitige (und offenbar allzeitige) Kanzlerin diesen Zustand noch aus ihren realsozialistischen FDJ-Tagen. In der DDR hatte man schließlich auch keine Wahl. Eine alternativlose Errungenschaft, die Angela Merkel in die realkapitalistischen Zeiten erfolgreich hinüberzuretten versuchte.
Und die meisten Wähler haben inzwischen auch begriffen, wovon die Kanzlerin schon lange überzeugt ist – eben, dass sie absolut alternativlos ist.
Eine post-demokratische Regierungsform: der alternativlose Absolutismus.
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Amateur – aber liebend gerne
Die heilige Dreieinigkeit von Schimpf, Scham & Schande komme über den, der kein Profi ist in seinem Gewerbe, sondern »nur ein Amateur«. Der Profi ist eigentlich ein Pro-fessor, ein öffentlicher Verkünder. Einer, der ein gemeinsames Bekenntnis kundtat, eine Kon-fession, ein Glaubensbekenntnis.
Und ich bekenne, ich bin kein Bekennender, viel mehr ein Fragender. Ich bin auch kein Professor. Ich habe noch nicht einmal einen Doktortitel, obwohl ich ständig plagiiere – allerdings nur bei mir selbst (ansonsten mit Quellenangabe). Also bin ich kein Profi, sondern ein Amateur. Und das bin ich gerne. Ist doch der Amateur (her- und angeleitet von amare, also vom Lieben) ein Liebhaber. Geschmäht, aber nicht verschmäht – zumindest nicht von seiner Liebsten. Als Liebhaber betreibe ich meine Wortwerkerei aus Liebhaberei, aus Liebe zur Sprache. Und das tue ich liebend gern. Lieben ist nun mal ein Tu-Wort.
Doch wer das Berufliche mit Liebesangelegenheiten vermischt, verhält sich unprofessionell. Als Profi, als Verkünder, hat man der Sprache mächtig zu sein, man hat sie zu beherrschen und nicht zu lieben. Ein Machthaber kann nun mal kein Liebhaber sein. Deshalb gehört es sich auch nicht, mit der Sprache zu spielen, wie ich es so schamlos tue. Mein Wortspiel ist ein Liebesspiel, zugleich ein Lustspiel. Wenn ich es in aller Öffentlichkeit mit der Sprache treibe (und sie tut es gleichermaßen umtriebig mit mir), dann ist das ein- und zweideutig ein unsittliches Verhalten. Denn im öffentlichen Sprachraum ist es Sitte, der Sprache immer wieder Gewalt anzutun. Dass sie tagtäglich vergewaltigt wird, stört keinen amtlichen Sittenwächter. Ich finde, unsere Sprache, die Schöne, hat viel mehr Liebe und Zärtlichkeit verdient. Ich weiß, so peinlich gefühlvoll redet man nicht als Profi. Doch, wie gesagt und geschrieben: Ich bin ja nur ein Amateur.
(→ Manneswort – logisch gemault)
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Anfang – etwas verspätet
Dem Alphabet ist es geschuldet, dass der Anfang an dieser Stelle relativ spät dran ist. Allerdings spielt nicht nur das ABC, sondern auch meine Vorsicht bei dieser Verspätung eine Rolle. Denn der, der etwas anfängt, kann hinterher schwer unter Anklage geraten. Das fängt schon im Kinderzimmer an mit der lauthals geplärrten Anschuldigung: »Aber der hat angefangen!« Das wollte ich mir nicht von Ihnen vorwerfen lassen.
Deshalb schleicht sich der Anfang mit deutlicher Verzögerung in dieses Buch. Aber das haben Anfänge so an sich. Meist fragt man sich ja erst hinterher: Wie hat das eigentlich alles angefangen?
»Wehret den Anfängen!« Ein Imperativ, der immer zu spät kommt – nämlich dann, wenn die Anfänge schon längst passé sind und die Fortsetzung mit ihren Folgen kaum noch zu stoppen ist.
Außerdem: Warum sollte man mit Anfängen überhaupt so abwehrend umgehen? Heißt es doch: »Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.« Hermann Hesse wird für diesen Satz in Lyrik-Kursen der Volkshochschulen heftig beseufzt – meist von nicht mehr ganz anfänglichen Mädels, die zwecks Sinnsuche auch gerne mal was Besinnliches in Endreimen absondern.
»Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.« Oft genug ist es ein fauler Zauber.
(→ Sinnsuche – ziemlich vergebens)
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Anfangen – mit rein gar nichts
Anfängen sollte man grundsätzlich misstrauen. Das fängt schon in der Bibel an. »Am Anfang« (griechisch Genesis) stand der Herrgott bekanntlich vor dem Nichts. Mehr war da nicht. So hat ER eben mit Nichts angefangen. Eine Creatio ex nihilo, eine Schöpfung aus dem Nichts heraus, nennen das die Theologen. Da war also nichts als Nichts.
Allerdings war der göttliche Schöpfer offenbar schon da. Sonst hätte ER ja nichts mit dem Nichts anfangen können. Andererseits: Wenn ER schon da war, kann das mit dem angeblichen Nichts nicht so ganz stimmen. Schließlich ist so ein Gott mehr als nur ein Nichts. Also muss schon vor dem angeblich nichtigen Anfang ein Etwas da gewesen sein, und zwar ein göttliches Etwas. Mithin war der Anfang kein Anfang. Aber wer so nachfragt, dem bescheinigt ein gläubiger Mensch bestenfalls einen Urknall. (Nebenbei stellt sich beim Urknall dasselbe Problem wie bei der Genesis: Wie kam der Urknall zustande? Was war davor? Wo lag der Anfang vor dem Anfang? Kann es überhaupt einen Anfang geben?)
Anfangen: auf Alt-Germanisch ana-fahan, das heißt: etwas an-fassen. Dieses alte Verb fahan lebt in Begriffen wie fähig und Fähigkeit weiter: Einer, der zufassen kann, ist eben fähig.
Der An-Faher, der An-Fasser, der An-Fänger, braucht etwas Fassbares, was er in An-Griff nehmen kann. Wenn da anfangs angeblich nur das Nichts ist, hat er auch nichts Greifbares, nichts An-Fassbares, also nichts An-Fängliches. Das Un-Fassbare ist zugleich etwas Un-Anfängliches.
Nicht zu fassen, der An-Fang.
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Arbeitnehmer – gemeine Wesen im Gemeinwesen
Massenhaft tönt und stöhnt ein Klagelied durch deutsche Lande. Hunderttausende von Menschen jammern, dass man ihnen die Arbeit weggenommen habe. Aber, bitte sehr, wer ist denn daran Schuld, wenn jemand die Arbeit gemeinerweise weggenommen wird? Logischerweise sind es jene, die sie den anderen wegnehmen. Diese gemeinen Wesen heißen deshalb – Arbeitnehmer.
Hingegen sind es die Arbeitgeber, die uns die Arbeit geben. Soll heißen: Sie lassen ihre Arbeit uns verrichten, indem sie herzensgut darauf verzichten. Mehr an Umverteilung kann man von den Arbeitgebern nun wirklich nicht verlangen. Sie sind keine Klasse; sie haben Klasse. Schon deshalb ist es bösartig, hier einen Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital zu konstruieren.
Natürlich existiert ein gewisser Unterschied, aber der existiert eben ganz natürlich, also in keiner Weise gesellschaftlich. Er liegt nicht in der sozialen Klasse, sondern in der biologischen Masse, genauer: in der Erbmasse, in den Genen.
Das haben neuere biologische Forschungen endgültig erwiesen. Der genetische Beweis ist einfach zu führen. Nehmen wir zum Beispiel den schon erwähnten Arbeitnehmer, auch als Kapitalist bekannt. Warum wohl heißt der Kapitalist Kapitalist? Ganz klar: Weil er Kapital hat.
So! Und was ist das Kapital? Ebenso klar: In den meisten Fällen ist es ererbt. Also: Das Kapital ist eine Erbanlage. Es ist reineweg genetisch bedingt.
Jeder Kampf gegen das Kapital ist mithin etwas Widernatürliches, ja fast schon so etwas wie eine Gen-Manipulation. Das sollte jeder Arbeitnehmer bedenken – und einstimmen in das Hohelied auf die Arbeitgeber:
Es ist das Geben seliger denn Nehmen.
Und wir Arbeitnehmer sollten uns was schämen.
(→ Kapitalisten – bitte nicht weinen)
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Arbeitslose – alles faule Schmarotzer
Das verhartzte Heer der Arbeitslosen ist ständig auf Empfang geschaltet: eben Hartz-IV-Empfänger. Der Staat beschenkt sie in seiner Güte mit Arbeitslosengeld II, also mit Almosen zweiter Güte. Von diesem Geld kauft sich der Arbeitslose dann die BILD-Zeitung, wo er nachlesen kann, dass er eigentlich gar kein Arbeitsloser ist, sondern ein Arbeitsscheuer. Und wo BILD recht hat, hat BILD recht: Es gibt in diesem Lande viel zu viele Arbeitsscheue. Das Arbeitslosengeld, das diese Arbeitsscheuen beziehen, nennt man allerdings Dividende.
(→ Job-Center – wo man die Arbeit los ist
→ Kapitalisten – bitte nicht weinen!)
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Asylrecht – längst schon ausgeräuchert
Während ich dies schreibe – im Frühjahr 2015, brennen mal wieder Asylheime in Deutschland. Mal in der nahöstlichen Tundra, mal in der wildwestlichen Geisteseinöde. Dann hört man von deutschen Ortschaften, die bis dahin kaum jemand gekannt hat und die eigentlich auch keiner kennen muss. Es gibt zu viele solcher Orte in Deutschland. Und es gibt zu viele brave Bürger, die den Brandstiftern gerne auch noch ein paar Liter aus ihrem Benzintank spendieren würden.
Aber schließlich muss man Verständnis haben »für die Ängste der Bevölkerung«. So hörte man es immer wieder nach den Zusammenrottungen von Dresdner Abendländlern. Und wenn dann mal wieder ein Ausländer-Wohnheim in Flammen aufgeht – dann haben diese Vor- und Nachläufer