Ein Quantum Toast
Von Judith Stadlin
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Buchvorschau
Ein Quantum Toast - Judith Stadlin
Foto: Michael van Orsouw
Judith Stadlin
Ist ein Multitalent; ausgebildete Bühnenfachfrau, Liveliteratin, Germanistin und Musikwissenschaftlerin (lic. phil. I), Schriftstellerin, Schauspielerin, Sprecherin, Regisseurin, Kabarettistin und Dozentin. Sie verfasst Bücher, Theaterstücke, Libretti, Theatertouren, Hörspiele und Radiotexte. Sie erhielt mehrere Preise und Stipendien. Sie ist Teil des Bühnenduos Satz & Pfeffer, das in Zug eine namhafte Lesebühne betreibt. «Ein Quantum Toast» ist nach dem erfolgreichen Mundartbuch «Häschtääg zunderobsi» ihr zweites Buch bei Zytglogge.
www.judithstadlin.ch
www.satzundpfeffer.ch
«Müsste ich ein Quantum Senf zu Judith Stadlins neuem Buch geben — das sind wunderbar lautmalerische und lustvoll erzählerische Texte in helvetischem Deutsch und im Zuger Dialekt, der literarisch noch nicht so ausgezehrt ist wie andere Schweizer Idiome.»
Bänz Friedli, Autor und Kabarettist, Zürich
«Judith Stadlin schafft es, eine bewundernswerte Beobachtungsgabe mit Wortwitz und Sprachspiel unter einen Hut zu bringen. Wow! Mir bleibt Bewunderung und ein Hauch Neid ;-).»
Jonny Fischer, Comedian
«Niemand jongliert so kunstvoll und akrobatisch mit Wörtern wie Judith Stadlin. Ihr frecher, witziger, geistreicher Umgang mit der Sprache fasziniert mich. Sie zerlegt Sätze und Aussagen, bis sie in Einzelteilen daliegen, wie ein noch nicht montiertes Möbel. Und Judith Stadlin zaubert sie wieder zusammen.»
Blanca Imboden, Schriftstellerin
MIT EXTRA FILMMATERIAL
über 30 Videoclips der Autorin integriert als QR-Codes
Judith Stadlin schreibt so, wie wir heute reden. Nur lustiger!
Warnung: Dieses Buch enthält Humor. Die gewiefte Spoken-Word-Autorin spielt auf originelle Weise mit Wörtern und Beobachtungen des Alltags. Sie öffnet uns den Blick fürs Komische, wo wir es nicht erwarten. Ob es ums (politisch) korrekte Schreiben geht oder um Missverständnisse beim Übersetzen; ob Hotlines das Thema sind oder allerhand Babylonisches auf dem Campingplatz – immer geschieht dies mit Stadlins typischem Wortwitz. Und mit mehr als 30 gefilmten Texten. Ein Kino im Kleinformat!
Berlin, Netlounge.
Ich muss viele Blätter kopieren.
Anschliessend schlägt der junge Mann an der Theke mir vor, all die kopierten Blätter zu tackern. Ich überlege, was das heissen könnte: tackern. Ich finde es nicht heraus und frage.
Er lacht und zeigt mir den Bostitch.
«Ach so, Sie meinen den Bostitch?», sage ich, «ja, gerne!»
«Bostic?», fragt er, «sind Sie aus Kroatien?»
TitelDie Autorin und der Verlag danken herzlich für die Unterstützung:
Bürgergemeinde Cham
Hürlimann-Wyss Stiftung Zug
Der Zytglogge Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2024 unterstützt.
© 2023 Zytglogge Verlag, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Angelia Schwaller
Korrektorat: Jakob Salzmann
Covergestaltung: Monica Kummer
E-Book-Produktion: CPI books GmbH, Leck
ISBN E-Book: 978-3-7296-2396-5
www.zytglogge.ch
«Mit Humor kannst du’s nicht länger, aber besser!»
Tyduj Nildaz
Inhalt
Lizenz zum Lachen
(quasi das Vorwort)
Liebe Leserin bis Leser.
Sie haben dieses Buch aufgeschlagen, denn
Sie möchten sich unterhalten lassen.
Von mir und meinen Texten.
Sehr gerne werde ich Sie unterhalten!
Weil das Wort Unterhaltung das Unten in sich drin hat, meinen manche Leute,
Unterhaltung sei minderwertig.
Sobald etwas unterhaltsam sei, sei es fragwürdig.
Das ist Unsinn!
In einem Buch und auf der Bühne
kann es nie zu viel Unterhaltung geben.
Höchstens zu wenig!
Das, was in diesem Buch erzählt wird, sollen Sie verstehen,
ohne vorgängig sieben Workshops absolviert zu haben …
Weil Unterhaltung niederschwellig ist,
wird sie gerne mit tiefem Niveau gleichgesetzt.
Ja, einer Kunst, die Spass macht, wird gerne nachgesagt,
sie sei keine Kunst.
Doch wissen Sie was?
Kunst ist umso besser, je unterhaltender sie ist,
und sie ist umso unterhaltender, je besser sie ist!
Denn die Tatsache,
dass es viel fragwürdige Unterhaltung gibt,
macht die Unterhaltung an sich nicht fragwürdig!
Selbst der grosse Molière sagte:
«Ich besitze keinen höheren Ehrgeiz,
als mein Publikum zu unterhalten.»
Und der Herkunfts-Duden meint:
Unterhalten bedeute,
die Existenz einer Person oder einer Sache sichern.
Sehen Sie, indem ich Sie unterhalte, sichere ich Ihre Existenz!
Und das Tolle:
Sie unterhalten mich auch!
Wirklich!
Selbst wenn Sie die allergrössten LangweilerInnen wären.
Sie sichern meine Existenz,
indem Sie meine Geschichten lesen oder ihnen lauschen,
– und indem Sie dafür bezahlen.
Was kann es Besseres geben:
Ich sichere Ihre Unterhaltung
und Sie sichern meinen Unterhalt!
Eine klassiche Win-win-Situation.
Herrlich!
(PS: Was denken Sie, wie oft kommt in diesem Text
der Wortteil unterhalt vor?
Die Antwort lautet: 20-mal.
Beim Schreiben vertippte ich mich allerdings 20-mal!
Ich schrieb immer:
unterhlat.
Doch nur 18-mal habe ich es korrigiert.)
Somit wünsche ich Ihnen nun:
Gute Unterhlatung!
Piotrchens Mondfahrt
(Fassung Zuger Dialekt)
Chönd Si Russisch? Ich leider nid. Ich cha verhältnismässig wenig Sproche.
Uf dere Wält gäbs schyns nämmli momentan 7097 gsprochni Sproche. Früener, i de Urzyt, sygids no 20 000 Sproche gsy.
Wäg dere Abnahm vo de Sprochevillfalt hed d UNESCO de «internationali Tag vu de Muetersproch» erfunde – «zur Förderung sprachlicher und kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit».
Muetersproch?
Das Wort gohd devo uus, dass d Mueter diheimen isch – und redt. Und de Vatter uf d Pirsch gohd – und schwygt.
Si gsehnd, s Wort Muetersproch isch liecht tendänziös, so i Sache Glychstellig und Rägebogegsellschaft und Diversität und Villfalt. Drum hed mers dur de Begriff Erschtsproch ersetzt. Wils cha sy, dass emol d Mueter uf d Jagd gohd (nach wilde Tier oder Ehr oder Gäld) und schwygt, und dass de Vatter diheime au emol öppis seid zu de Chind.
Bi dene guet 7000 Sproche, wos no gid, weis ich nid, öb do alli Dialäkt, nume scho die vo de Schwiiz, mitzellt sind. Ich vermuete, si sygid nid deby.
Und de isch natürli d Frog, öb Schwiizerdütsch überhaupt e eigni Mueter-, aso Erschtsproch syg. Oder öb si eifach zum Dütsche ghöri.
– Die Frog chönd d Wüsseschaftler schyns nid klar beantworte.¹
Ich meinti aber, wenn jede Dialäkt i allne Länder uf de Wält als eigni Erschtsproch definiert wäri, de chiemtid mer uf wyt meh als 7097 Sproche.
Anyway. Uf jede Fall sygis eso, dass vu dene no gredte Sproche d Hälfti au scho wider vom Uusstärbe bedroht sygi!
Do dezue ghörid jetz hundertpro au alli üsi Dialäkt!
A dere Entwicklig bin ich sälber tschuld, gnau wie au Si!
Säg ich öppe im Sportgschäft a de Zürcher Bahnhofstrooss, ich suechi e grüene Baueletampf?
Hoischid Si z Basel im Hiltl e Portion Gumelstunggis?
Kei Ahnig, was Si serviert überchiemtid, aber allwäg chuum e Täller Härdöpfelstock … und mich füerti de Sportartikelverchäufer dänk au nid straight zum Gstell mit de Zipfelchappe. Wil … mer verstöcht üs eifach nid, wemmer i de Schwiizer Grossstadt settigi lokali Wörter bruuchti! Drum probierid mers dete gar nid erscht mit üsne Dialäktuusdrück.
Und gnau drum machid mier immer wider de Spagat zwüsched em Dialäkt-Dänke und de verbale Simultanübersetzig is Quasi-Dütsche. Oder is allgemein verständliche Swinglisch².
Wemmer redid, wämmer nämmli vor allem verstande wärde und nid hauptsächlich üsi Härkumft betone oder uf eme Dialäktuusdruck umeryte. Drum passid mier alli (wie die meischte Mänsche uf de Wält) üs de Sproch vom Stärchere, vom Grössere aa. Und das, wo mer jede Tag z Züri sägid, öppe «Wohnzimmer» statt «Stube», «foode» statt «z Mittag ässe» und «google» statt «überlegge», das sägimer de mit de Zyt au diheime z Gräche, z Steine oder z Arbon. Und sogar z Zug, wo einewäg e grosse Teil vom Volch Änglisch oder Russisch redt.
Die Aapassig und Vereinheitlichung passiert uf de Wält zwar mängisch mit Gwalt³, meischtens passiert die Aapassig a ne Sproch aber ohni Zwang.
Ja: Grossi und starchi Natione füerid zu sprochlicher Homogenität! Drum redid hüttzutags d Hälfti vu de Mänsche uf de Wält eini vu de zäh meischtgredte Sproche! Mier Mänsche sind Härdetier und sicher hilft au d Digitalisierig und d Globalisierig mit, die sprochlichi Kommunikation z vereinheitliche.
Di drüü meischtgredte Sproche uf de Wält? Änglisch, Mandarin-Chinesisch und Spanisch. Dütsch erschynt erscht a 13ter Stell und Italiänisch a 19ter.
Jetz chönnt mer vermuete, eini, wo Zugerdütsch schrybt, so wien ich, heig e Mission. Mer chönnt vermuete:
… Ich weli d Globalisierig stoppe! … De chinesischi Wältmärchtvormarsch torpediere! … Ich weli, dass weder Google no Facebook myni Dialäktsätz tscheggid! … Dass d CIA mich digital nid chöng überwache!
– Ja, klar, das wäri als Näbeneffekt vom Dialäktschrybe gar nid schlächt.⁴ Aber de Grund für myni Dialäktstorys isch das nid.
Ich wett nämmli Gschichte verzelle – und deby verstande wärde!
Wie chiems ächt use, wenn d CIA myni Teggscht würdi übersetze? Oder de russisch Gheimdienscht?
Für ne möglichi Antwort mues i churz echli uushole:
Es gid e zugerdütsche Teggscht vo mier, de heisst «Bi Wädelmond»⁵. Es isch es Gschichtli über zwee Manne – e Ruech und e Süffel – wo bi Vollmond Chritz mitenand überchömid.⁶
Won ich letschti emol de Film mit dere Gschicht uf em Netz gsuecht ha zum de Link wyterschicke, bin ich zuefelig uf ne Syte cho, wo gheisse hed «Deutsche Sprache.ru». Jesses, ich ha nid schlächt gstuunnet: Det isch myn Zugerdütsch-Teggscht schriftlich übersetzt gsy uf Russisch!
Ich verstohne jo äbe leider keis Wort Russisch. Aber, keis Problem – wil praktischerwys isch det de russisch Teggscht wider zruggübersetzt gsy – uf Hochdütsch!
Zum Erfahre, was ich de Russinne und Russe do für nes Gschichtli verzellt ha, hätt ich eigentlich nume müesse d Zruggübersetzig uf Dütsch läse.
Gnau das han ich probiert! Und bi verschrocke:
Wow, ich säge Ihne! Won ich die Übersetzig vom Russisch zrugg is Dütsche gläse ha, han ich gemerkt, was die Story über de Wädelmond für nes rysigs … sägimer «Interpretationspotenzial» hed!
Es Byspil: De eifachi Dialäktsatz
«De Schlawyner isch überstellig worde und hed de Gütterler verhündelet und gmöögget, er söll kei Spargimänter mache»⁷
hed dur d Übersetzig unfassbari Dimensione aagno. D Übersetzig isch nämmli eso usecho:
«Schlawyner hätten wie Monster, so Ricardo.
Flut die Politik Müll!
Für Oslo passiert sie Kabinettsumbau Ringsgwandl, was in der Folge schlief.»
Momänt emol! … Chömid Si no druus? Oder ehnder nid? –
Wüssid Si was? Ich au nid! Und das isch zimmli erstuunlich, wil schliesslich bin ichs, wo de Ursprungstext gschribe ha …
Obacht, im nögschte Byspil wirds grad no tragisch:
«Eine Freundin ging dank billiger Chemicals inc. in eine Steckdose.»
Gsehnd Si s au?
I mym Teggscht steckt meini – das han ich dank dere Secondhand-Übersetzig erchännt – Induschtriekritik, tragischi Liebi, Kunscht-, Politik- und Gsellschaftskritik und au no Religiös-Spirituells.
Churz: luuter Theme, won ich kei grossi Ahnig ha devo. Dezue chund kunschtvoll verklausulierti Symbolik, Sport, Filmgschicht und Sience Fiction!⁸
Do nomol en Uusschnitt us de automatische Übersetzig vom Zugerdütsche – via Russisch – is Hochdütsche. Lönd Si sich die Logarhithmus-Poesie uf de Zunge vergoh:
«Der Grosse stösst im Capital ab und der letzte Brief verkörpert ist der kleine.
Verbrechen oder vertrieben – das Spenderherz ist Courage!
Und reinigten sie die Akuten, dass es nur so kracht.»
Sünd und schad isch nume, dass settigi interessanti Sätz kei Mänsch verstohd!⁹
Dass mier das nid passiert han ich mich entschlosse, i dem Buech e Grossteil vo de Gschichte uf Dütsch z schrybe. Es paar Gschichte chammer i beidne Sproche läse, und es paar sind nume uf Dialäkt druckt.