Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Gold. Der Film der Nibelungen.: Eine Komödie.
Gold. Der Film der Nibelungen.: Eine Komödie.
Gold. Der Film der Nibelungen.: Eine Komödie.
eBook197 Seiten1 Stunde

Gold. Der Film der Nibelungen.: Eine Komödie.

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Liebe, Rache, Gewalt, Tod und Leidenschaft. Jeder intrigiert gegen jeden, jeder hat etwas zu verbergen. Ein Filmdreh vor dem Dom, bei dem der berühmte Königinnenstreit der Nibelungensage nicht nur vor der Kamera zu eskalieren droht, sondern auch hinter den Kulissen.

>Wie selbstbezogen leben wir eigentlich? Wo beginnt das Gemeinwesen in uns? Die Kosmen "Theater und Film" werden zur großen Bühne der Eitelkeiten und Ich-Sucht.< (Nico)
SpracheDeutsch
HerausgeberKorrektur Verlag
Erscheinungsdatum29. Juni 2016
ISBN9783950385489
Gold. Der Film der Nibelungen.: Eine Komödie.
Autor

Albert Ostermaier

Albert Ostermaier, geboren 1967, lebt in München. Er begann seine Autorenkarriere als Lyriker; der Gedichtband Herz Vers Sagen (1995) bedeutete seinen Durchbruch. Das erste 1993 geschriebene, 1995 uraufgeführte Stück Zwischen zwei Feuern. Tollertopographie gilt Ernst Toller. 2008 veröffentlichte er seinen ersten Roman Zephyr, 2011 folgte Schwarze Sonne scheine, 2013 Seine Zeit zu sterben und 2015 Lenz im Libanon. Er erhielt u.a. den Kleist-Preis, den Bertolt-Brecht-Preis und den Welt-Literaturpreis. Für die Nibelungen-Festspiele in Worms 2015 wurde er von Nico Hofmann als Autor und Kurator verpflichtet. Uraufführung des Stücks bei den Nibelungen-Festspielen Worms 2016

Ähnlich wie Gold. Der Film der Nibelungen.

Ähnliche E-Books

Darstellende Künste für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Gold. Der Film der Nibelungen.

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Gold. Der Film der Nibelungen. - Albert Ostermaier

    SCHWARZ

    I: GOLD

    PROLOG: Publikumsbeschimpfung

    Dreharbeiten vor dem Wormser Dom. Videoscreens. Trailer von Schauspielern, von Webcams überwacht Ein Regieturm. Kubik, der Regisseur, stürmt auf di Bühne, gefolgt von Weide, seinem Drehbuchautor.

    KUBIK

    Was wollen die Zuschauer hier? Habe ich gesagt, dass ich Zuschauer haben möchte? Lass die Tribünen räumen! Bin ich denn hier nur von Irren umstellt? Zuschauer! Wer hat sich denn diesen Schwachsinn ausgedacht?

    WEIDE

    Du.

    KUBIK

    Ich? Pass auf: Es gibt drei Regeln im Leben. Erstens: Es gibt immer ein Opfer. Zweitens: Sei es nicht.

    WEIDE

    Und drittens?

    KUBIK

    Drittens habe ich vergessen. Sag’ du es mir, für was bist du mein Autor.

    WEIDE

    Drittens: Drei Regeln sind eine zu viel.

    KUBIK

    Viertens: Schaff mir das Publikum hier raus! Wie sehen die denn aus? Soll mich das etwa inspirieren? Wo habt ihr denn diesen Haufen zusammengecastet? Aus der »Gala«? Ist das hier das Dschungelcamp, oder was? Schau dir doch nur an, wie die aussehen! Der da, da da vorne. Der sieht aus wie ein Politiker. Diese Krawatte, dieses Sakko! Wir sind doch nicht in den Achtzigern. Schulterpolster. Am Ende trägt er noch ein Lindenblatt auf dem Rücken. Hol mal die Kostümbildnerin. Nein, bei dem ist nichts zu retten. Der muss umbesetzt werden. Und die da, mein Gott, dieses Kleid! Wie soll ich mit diesem Kleid im Rücken arbeiten, kannst Du mir das erklären, Charlie? Habt ihr hier eine Runde Keuschheitsgürtel ausgegeben und dann die Schlüssel weggeschmissen, oder was? Ich wollte Zuschauer, keine Zurschausteller. Charlie, ich wollte Menschen, echte Menschen.

    WEIDE

    Was gehst du mir damit auf die Nerven, ich bin doch nicht dein Produzent. Sag es Konstantin. Wo ist Konstantin? Wahrscheinlich gibt er wieder irgendwelche Interviews.

    KUBIK

    Charlie, ich habe gesagt: Burgunder. Burgunder, Charlie. Nicht Hunnen.

    WEIDE

    Ich hör mir das nicht länger an, Kubik. Ich bin doch nicht dein Castorp-Behälter. Konstantin! Schafft mir diesen Choleriker vom Hals, sonst mach ich Drachenfutter aus ihm. Das ist ja der nackte Wahnsinn.

    KUBIK

    Charlie, du bist ein Genie, ja! Charlie, ich muss dich küssen. Das ist die Lösung: Die sollen sich alle ausziehen, hörst du? Alle nackt. Ein nacktes Publikum, ja das geht. Da die Königinnen, die sich die Haut abziehen, und dort die Zuschauer nackt. Die nackte Wahrheit. Kümmere dich drum. Wenn ich wiederkomme, will ich, dass sie alle nackt sind. Die Wahrheit ist nackt. Was Lars von Trier kann, kann ich schon lange. Stell dir das Bild vor, die Kamera schwenkt langsam und dann die Zuschauertribüne voller frierender Nackter, Tattoos, Narben, Piercings, Silikon, Waschbrett- und Bierbäuche. Und alle lachen. Alle müssen lachen. Lachen Brünhild aus. Prob das mit ihnen. Tödliches Gelächter. Ja, das will ich. Gut. Was für eine geniale Idee: Zuschauer. Und wir brauchen Blut, Eimer voll Blut, Tierblut, echtes Tierblut, nicht dieses Ketchup. Es muss nach Blut riechen.

    WEIDE

    Im Kino riechst du nichts außer kaltem Schweiß.

    KUBIK

    Sie müssen es riechen, du siehst es in ihren Gesichtern, Siegfriedtöter. Und der Dom in rotem Licht. Hol mir alle Schauspieler her. Nur Karina und Lotte nicht. Die sollen in ihren Wohnwagen bleiben. Die dürfen nicht raus, verstehst du. Die hungern wir aus. Hungrige Wölfinnen. Und dann lassen wir sie auf die anderen und die Zuschauer los. Wie viele Stunden warten sie jetzt schon?

    WEIDE

    Das ist chinesische Folter.

    KUBIK

    Was ist Regie anderes als die Lizenz zu quälen? Und was machen sie? Sie lieben mich dafür und sterben vor Eifersucht, wenn ich die eine mehr quäle als die andere.

    WEIDE

    Mich quälst du auch.

    KUBIK

    Du bist eine gequälte Natur, Charlie. Du bist das einzige Genie hier, aber keiner kapiert es, und ich sag es keinem. Nur dieses Drehbuch ist Dreck, verstehst du. Und ich bin hier, um aus deinem Klumpen Dreck Gold zu machen. Ich will, dass du mir die Königinnenszene neu schreibst. Jetzt. Schreib sie auf Hagen und Siegfried um. Hagen ist Brünhild und Kriemhild Siegfried. Wir lassen alles von Männern spielen. Wie bei Shakespeare.

    WEIDE

    Ich war immer davon überzeugt, dass es einem Menschen erlaubt sein sollte, eine Sache gründlich zu versauen.

    KUBIK mit Blick auf das Publikum

    Die sind ja immer noch nicht ausgezogen!

    VIDEO 1: GERMANIA

    Kubik mit Weide, Trauer und Carmen, gibt ein Zeichen. Dunkel. Der Screen fährt hoch, Goldflimmern, Unschärfe. Das Gold verfinstert sich, langsam werden Schemen, dann Konturen, schließlich Berlin sichtbar: das Olympiagelände, Macht in Stein, alles ist zu groß, bedrohlich, der Zuschauer wird immer kleiner. Kamerafahrten wie bei Horrormovies, das Auge des Verfolgers. Ein großes, unendlich großes Feld in der Dunkelheit, man sieht die Königinnen, wie sie durch das Gelände irren, panisch, zerstört, stolpernd, stürzend, mit in den Himmel gestreckten Händen wie Furien, unerlöst. Die Kamera kommt ihnen immer näher, bis sie sie fasst in dem Moment, wo sie sich überraschend treffen. Aus dem in Schrecken erstarrten Bild taucht der Schriftzug »Gold«. Dann: »Der Film der Nibelungen«. Ein Schrei. Dann Schnitt: der spielende Ortlieb auf einem Stück ,Tarkowski’-Rasen im BASF-Gelände. Ende des Einspielers.

    TRAILER 1: KARINA BERGMANN, KRIEMHILD BERLIN

    Sie ist die Beste. Sie ist eine fantastische Mutter. Weißt du? Sie ist eine Mutter für all diejenigen, die Liebe brauchen. Das hat Trauer wirklich gesagt, das hat er zu Kubik gesagt. Die beste Mutter für alle, die Liebe brauchen. Nur weil ich alle auf den Mund küsse. Beste Mutter. Für wen? Für alle, die Liebe brauchen. Wenn er wüsste. Aber er weiß doch, dass ich meinen Sohn nicht sehen darf. Das geht niemand etwas an, weshalb ich ihn nicht sehen kann. Da ist jedes Interview sofort zu Ende. Gut, nicht, weil ich das Sorgerecht, nein, ich hätte das Recht, mich zu sorgen, ich sorge mich um alle, aber… Wir haben eine Vereinbarung, sein Vater und ich. Ich würde ihn jetzt gerne anrufen, meinen Sohn. Seine Stimme hören. Er ist jetzt sicherlich schon ein kleiner junger Mann. »Du bist das Beste, was mir auf dieser Welt passiert ist seit mein Sohn weg ist. Du bist mein kleines Baby. Du bedeutest mir wahnsinnig viel. Es ist schön dass es dich gibt«, habe ich zu Mohammed gesagt. Irgendjemand muss sich ja um diese blutjungen Schauspieler kümmern. Er wusste nicht mal, wie man Kokain nimmt: »Du musst es in einem Rutsch hochziehen. Richtig inhalieren, ganz schnell. Genauso. Auch wenn es brennt. Tut gut oder? Das geht gleich in den Hals. Ja? Das ist der Flash, das ist das Beste daran. Gleich nochmal das andere Nasenloch.« Dann wollte der Kleine einen Schluck Wasser trinken, ich hätte ihm die Flasche geben sollen, er lag auf meinem Schoß, der süße Bengel. Ich brauch 'nen Schluck Wasser, flehte er, bettelte er und wollte schon an meiner Brust saugen. »Nochmal«, drängte ich ihn. »Erst danach bekommst du einen Schluck. Einen Schluck von allem, was du magst.« Ich kümmere mich eben. Ich habe nicht meinen Sohn für das Schauspiel, für den Film geopfert. Ich kann Kriemhild so gut verstehen. Sie haben ihr alles genommen. Ortlieb, ihren Jungen, den hat sie gar nicht gekannt, den haben sie ihr entfremdet, von der Brust weggezogen an Hagens Brust oder sonst was von Hagen. Hagen war Ortliebs Mutter, denk ich mir. Deshalb lässt sie Hagen Ortlieb töten. Sie kann nicht anders, sie ist kaputt. Sie wollte alle lieben, alle, die Liebe brauchen, aber alle wollen nur Rache, Geld, Gold, Gier. Sex, das »Nibelungenlied« ist auch nur Sex, alles sexuell. Die ganzen Schwerter, Drachen, Ritter. Mein Gott, als ich das las, habe ich das Schlimmste befürchtet. Aber die Rolle, da konnte ich nicht nein sagen. Das ist meine Rache, habe ich mir gesagt, endlich. Darauf hast du gewartet. Aber ich habe dennoch gehofft, dass es in eine andere Richtung geht, dass es nicht rauskommt. Was? Ich denke immer, jeder weiß es. Jeder Blick, jedes Flüstern, jedes Lächeln weiß ich, meine Garderobiere weiß es, meine Maskenbildnerin, Siegfried weiß es. Gut.

    Ich habe Pornos gedreht. Pornos, ja. Als Kubik sagte, er wolle die Nibelungen als Porno drehen, hätte ich mich fast übergeben müssen und hätte ihm ins Gesicht gekotzt. Ob er es weiß? Nein, niemand weiß es. Vielleicht wäre es eine Befreiung. Endlich keine Angst mehr. Ich gebe Scheumer ein Interview, exklusiv, ich war ein Pornostar. Ich habe das Geld gebraucht, ich war jung, ich wurde ausgebeutet, missbraucht, sie haben mich unter Drogen gesetzt. Ich war ein Opfer, meine Eltern hatten mich verkauft. Nein, die Nummer kauft mir keiner ab, nicht einmal Scheumer. Soll er sich etwas ausdenken, eine Story, Herzschmerz. Die Frauen fühlen mit und die Männer geilen sich dran auf, dass ich nicht mehr eine Heilige bin, sondern sie sich alles vorstellen dürfen. Sie werden alle Pornos durchsuchen, um mich zu finden. Erst der Schock, dass ich in dieser Kunstkacke die Kriemhild spiele und dann auch noch das: sie hat Pornos gedreht. Keiner wird mehr über diesen Film oder

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1