Jannis schöne Hemden und Kostas Füße im Fass: Reiseimpressionen aus Kretas Süden, oder eine Liebeserklärung an Kamilari
Von Dieter Freywald
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Rezensionen für Jannis schöne Hemden und Kostas Füße im Fass
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Buchvorschau
Jannis schöne Hemden und Kostas Füße im Fass - Dieter Freywald
Fass
Reiseimpressionen aus Kretas Süden
Warum nicht gleich mit einem Vorurteil beginnen? Den Norden Kretas gibt es einfach nur deshalb, damit der Süden der Insel von Flughafen und Fährhafen verschont wird. So lautet mein nicht ganz ernst gemeintes Klischee. In der nördlichen Küstenregion wimmelt es in den meisten Dörfern und Städten nur so von Hotelhochburgen, Tavernen mit griechischem Fastfood und Läden mit scheinbar notwendigem Touristenramsch. So ist zumindest mein Eindruck nach gelegentlichen Fahrten in den Norden. Ist das wirklich Griechenland, ist das Kreta? Ich stelle mir vor, wer hier mit verbundenen Augen „ausgesetzt wird, könnte nicht sagen, ob er auf Kreta, Mallorca oder einer der anderen vielbesuchten Mittelmeerinseln gelandet ist. Ich erinnere mich nur zu gerne daran, als ich vor ein paar Jahren, genüsslich einen Frappé trinkend, auf der Terrasse einer Taverne in Kalamaki am Strand saß, die Bemerkung eines Pärchens hörte: „hier ist ja nichts los, im Norden gibt’s mehr Discos und Bars.
Richtig, dachte ich, genau darum bin ich hier im Süden. Nicht der Pauschaltourismus, keine Bratwurst und kein Schnitzel auf der Speisekarte, und permanente Animation mag ich ebenfalls nicht. Was ja aber nun nicht heißt, ein Besuch von Chaniá oder Réthimnon zum Beispiel würde sich nicht lohnen. Natürlich, den einen oder anderen Ausflug mache ich auch und bin dabei durchaus angetan vom venezianischen Hafen und der Altstadt Chaniás. Besonders beeindruckend ist auf jeden Fall hier die Markthalle, in der frischer Fisch, Gemüse und Obst angeboten werden. Aber auch feilschende Käufer und Händler sind anzutreffen, und ein Gemisch der unterschiedlichsten Gerüche und Geräusche verleiten zum Schauen, Probieren und Kaufen. Den übrigen Teil der Stadt erlebe ich eher als trist und grau.
Deshalb bleibt es dabei, dass für mich nach nur einer Stunde Fahrt von Heraklion nach Kamilari Urlaub auf Kreta erst so richtig beginnt. Und auch die Fahrt geht inzwischen sogar etwas leichter und schneller, seit es die neue Umgehungsstraße bis kurz vor Agia Varvára gibt. Mit fest eingeplanten EU-Fördermitteln geht dann, wenn sie komplett fertig gestellt ist, eine gut ausgebaute Asphaltstraße runter bis nach Moires. Vor ein paar Jahren, ich hatte kurz zuvor erst von dieser neuen Straße gehört, hätte ich die Auffahrt auf den ersten Teilabschnitt fast verpasst. Es war so miserabel ausgeschildert, dass ich sie nur im Vorbeifahren erahnen konnte und vorbei fuhr. Wir sind dann auf dem Hinweg nach Kamilari, unserem Zielort, wieder die alt bekannte Strecke durch die Dörfer gefahren. Auch wenn es jetzt, wie gesagt, einfacher ist, der Abzweig ist jetzt übergangslos und man kann durchfahren wie auf einer Autobahn gen Süden, vermisse ich doch etwas. Das Eintauchen in die Landschaft, ein sich langsam wieder Eingewöhnen, bleibt sozusagen auf der Strecke.
Doch noch einmal von Vorne.
Nicht das erste Mal frage ich mich, warum um Himmels Willen klatschen Menschen Beifall, wenn sie nach einem Flug irgendwo landen? Der Pilot macht doch nur seinen Job. Sei’s drum, nach gut drei Stunden Flugzeit von Hamburg aus, sind wir in Heraklion gelandet. Wenn ich jetzt im September aus dem Flugzeug steige, werde ich von einem Duft, gut, ich muss gestehen, es ist eher ein Geruch, der in der Luft liegt, empfangen, der seinesgleichen sucht. Ich meine, den Geschmack des salzigen Meeres zu spüren, ich rieche bereits erdig trockenen Boden. Fast ist es so, als hörte ich schon die Zikaden, das Brechen der Wellen. Es bleibt nicht viel Zeit, mich einzuriechen, es geht in die Ankunftshalle, die trotz einiger Veränderungen in den letzten Jahren die Anmutung einer Fabrikhalle hat, die kurz vor dem Abriss steht. Das Warten auf das Gepäck bedarf meist eines Höchstmaßes an Geduld, denn es bleibt ungeklärt, warum die Koffer vom Flieger bis zum Kofferband regelmäßig lange brauchen und es daher mit schweißtreibender Wartezeit verbunden ist, das Urlaubsgepäck in Empfang zu nehmen. Gott sei Dank ist das Gerangel um die Gepäckwagen Geschichte, inzwischen gibt es ausreichend davon. Wir haben nun auch einen dieser vierrädrigen Transporthilfen ergattert und endlich ist es soweit. Wir schnappen uns unsere Koffer und rauf damit! Nichts wie raus hier, wir schnappen unser Gepäck und begeben uns hinüber auf die andere Straßenseite zu den Parkplätzen der Autovermieter.
Sonja und Jannis, wir holen bei ihnen unser Fahrzeug für den Urlaub bereits seit vielen Jahren, warten schon auf uns. Auch das wie immer, das Auto ist startklar, der Vertrag muss nur noch unterschrieben werden. Das hat inzwischen viel Vertrautes für mich. Natürlich ist mir bewusst, es gehört zum Geschäft. Dennoch, man fühlt sich beinahe wie unter Freunden, wenn man bei der Ankunft gefragt wird, „wie war das letzte Jahr? Geht’s gut? Wo hast Du Deinen Strohhut?" Im letzten Oktober, als ich Gisela zum Flughafen brachte und anschließend das Auto zurück gab, unterstreicht dieses beschriebene Gefühl ein Erlebnis noch deutlicher. Für Jannis war es vollkommen klar, dass er dafür Sorge tragen würde, dass ich die Busstation im Zentrum erreichen konnte. Seine Tochter wurde beauftragt, mich dort hin zu kutschieren. Was für mich umständlich und mit viel Zeitaufwand verbunden gewesen wäre, nun war es plötzlich ganz einfach. Diese Erinnerung bleibt, auch dann, wenn ich jetzt wieder vor Sonja stehe, ein wenig mit ihr plaudere, den Wagen in Empfang nehme und mich auf den Weg begeben will. So, jetzt aber noch das Gepäck verstauen und los geht’s.
Fast eine Stunde hat’s dann aber doch bis zur Abfahrt insgesamt gedauert. Aufbruch nach Kamilari. Nach dem Flughafen geht’s auf die Schnellstraße Richtung Chaniá, die sich zwischen weniger schönen Wohngebieten Heraklions hindurchschlängelt. Wir nehmen dann die Abfahrt mit Hinweis nach Moires (Mires ausgesprochen). Links und rechts nun teils hochmoderne, teils heruntergekommene Autohäuser, einige Supermärkte, die etwas abseits der Straße liegen. Genau genommen eine Art Industrie- und Gewerbegebiet, das wir nun durchfahren. Dann öffnet sich die Landschaft. Häuser, Geschäfte treten in den Hintergrund und die Straße wird breiter. Es geht ab hier jetzt quasi „ab durch die Mitte", denn unser Ziel liegt eben genau dort. Im Süden Kretas und dort eben in der Mitte. Es ist, als würden wir inzwischen beinahe jede Kurve kennen. Zugegeben, das war nicht von Anfang an so leicht, schließlich ist es für mich mit meiner mal mehr und mal weniger ausgeprägten Höhenangst auf den kretischen Straßen manchmal ziemlich haarig. Rechts der Abgrund, unbefestigt, Kurven, die nicht enden wollen. Ab und an habe ich gedacht, nein, nicht weiter und musste, wollte dennoch. Es ist kaum zu glauben, unübersichtliche Straßen mit vielen Kurven, trotzdem werden wir überholt. Ich lasse mich nicht mehr so sehr beeindrucken und fahre in einem, inzwischen den ortsüblichen Gepflogenheiten angepassten Tempo weiter.
Wir erreichen Agia Varvára. Ein lang gestrecktes Dorf, geografischer Mittelpunkt der Insel. Wichtigste Querverbindung zwischen der Nord- und Südküste. Gleich nach Agia Varvára (Richtung Süden) hat man einen wunderbaren Rundblick auf die Messará-Ebene, die Straße schraubt sich dann langsam hinunter.
Im letzten Jahr war es noch so, dass hier die Schnellstraße, die von Heraklion hierüber in die Messará-Ebene führt, endete. Um ehrlich zu sein, ich bin immer nur durch diesen Ort gefahren, nie habe ich angehalten. Ein Straßen-Städtchen, so die Anmutung. Links und rechts der Durchfahrtsstrasse, welche sich ein wenig ansteigend hier hindurch windet, zahllose Tavernen und Geschäfte. Fast zu jeder Tages- und Nachtzeit scheinen die Einwohner hier auf der Straße, vor ihren Häusern, in den Geschäften, vor den Kafénia unterwegs zu sein. Den Mittelpunkt bildet die Kirche und an dieser muss man immer vorbei, will man nach Heraklion, oder eben hinunter in den Süden. Mit etwas „Pech" erwischt man vielleicht einen Tag, an dem eine Hochzeit stattfindet, dann gibt es fast kein Durchkommen mehr. Wer jetzt sein Flugzeug erreichen will, hat nicht wirklich gute Karten. Nein, es reizt mich nicht zum Anhalten, auch nicht an dem relativ neuen griechischen Fast-Food-Imbiss, der linker Hand am Ortsausgang Richtung Moires entstanden ist.
Dann, nach nur wenigen Kilometern sind wir in Apo Molina. Na, nicht direkt, wir passieren den Abzweig zu diesem kleinen Bergdorf, auch an der LKW-Waage, die sich an der rechten Straßenseite befindet, erkennbar. Vor zwei oder drei Jahren waren wir mit Kostas hier. Plastikkisten voll mit Weintrauben für Wein und Raki mussten geholt werden. 600 Kilo rote Trauben. Meine Güte, war das eine Matscherei. Norbert und ich standen auf der Laderampe von dem uralten Pick-up von Manolis und haben die Trauben in Plastiksäcke und andere Behältnisse umgefüllt. Das Ganze war fast eine Art Familienausflug. Kostas, sein Onkel, ein Cousin, Kostas Mutter, Norbert aus Österreich sowie Gisela und ich. Schweißnass, verschmiert wie wir alle waren, sind wir nach beendeter Aufladeaktion mit dem Pick-up zur beschriebenen Waage gefahren und dann ging es hinunter nach Kato Molina (wörtlich: unteres Molina, und Apo Molina heißt dann eben oberes Molina). Hier