Auf Frachtschiffen die Welt entdecken: Meine schönsten Erlebnisse auf See und an Land
Von Henning Köhlert
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Über dieses E-Book
Henning Köhlert
Der ehemalige Realschullehrer für Englisch und Sport Henning Köhlert hat seit seiner Pensionierung zahlreiche Reisen auf Containerschiffen unternommen. Er berichtet in Büchern und Vorträgen von seinen Reisen über die Weltmeere. Frachtschiffreisen vermitteln authentische Eindrücke über die moderne Seefahrt, bieten spektakuläre Aussichten auf zum Teil historischen Routen und gewähren Einblicke in das Leben der Seeleute an Bord. Dieses Buch beinhaltet eine Auswahl der schönsten Passagen, der interessantesten Landgänge, ergänzt mit kurzweiligen Geschichten und Erlebnissen des Autors.
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Buchvorschau
Auf Frachtschiffen die Welt entdecken - Henning Köhlert
Endlich an Bord
Wie bei allen Reisen ist die Vorfreude auf das, was einen erwartet, natürlich riesengroß. Man kann es kaum erwarten, dass es endlich losgeht. Bei Frachtschiffreisen allerdings geschieht noch Einiges, bevor das Schiff ablegt.
Vorbereitungen und Anfahrt
Die Vorplanung einer Frachtschiffreise ist für mich immer ein wesentlicher Bestandteil. Sie steigert meine Vorfreude enorm. Dazu gehört das Verfolgen des Schiffes auf marinetraffic.com, das die aktuelle Position des Schiffes, besonders aber die Einlauf- und Auslaufzeiten in den Häfen dokumentiert. Wenn man diese Daten mit denen der anderen Schiffe auf dieser Route vergleicht, kann man sich ein ziemlich genaues Bild machen, wie lange die Aufenthaltsdauer in den Häfen sein könnte. Aber mit 10 Jahren Erfahrung bin ich mir im Klaren, dass die Wirklichkeit später ganz anders aussehen kann.
Je näher das Schiff meinem Einstiegshafen rückt – bei meinen ersten Frachtschiffreisen war der Starthafen immer Hamburg, Burchardkai – desto kürzer werden die Intervalle, in denen ich im Internet recherchiere. Da ich nur 10 km von der Elbe entfernt wohne, „begrüße" ich oft mein Schiff bereits vom Lühe-Anleger aus kurz vor der Einfahrt in den Hamburger Hafen.
Die Santa Cruz vor dem Lühe-Anleger
Dann ist es soweit, es geht endlich los. Die Anfahrt von zu Hause bis zum Containerterminal ist kurz, die Formalitäten an der Anmeldung sind unbürokratisch und schnell erledigt, dann geht es mit dem Shuttlebus bis ans Schiff. Das ist bereits ein erster Höhepunkt der Reise. Jedes Mal kommt es mir vor, als ob der Fahrer extra für mich eine Besichtigungstour durch den Terminal unternimmt:
Wir umkurven riesige Containerstapel, die sich rechts und links auftürmen, immer wieder müssen wir an Kreuzungen und Einmündungen anhalten, weil die hochaufgeschossenen Van-Carrier Vorfahrt haben, logisch, Cargo first! Das letzte Stück kriechen wir fast am Kai entlang. Jetzt gilt mein Blick nur noch den Stahlkolossen dicht neben uns. Ich versuche, Namen zu lesen, Größe abzuschätzen, das gelingt nicht immer. Dann sind wir da. Ich lade mein Gepäck aus und bestaune zum ersten Mal mein Schiff aus der Froschperspektive.
Links die Schiffswand, rechts der Ladekran, voraus die steile Gangway – da muss ich rauf.
Jetzt muss ich nur noch irgendwie die steile, wackelnde Gangway hinaufkommen, mit Koffer, Reisetasche und kleinem Rucksack. Das ist ein Kraft- und Balanceakt. Wenn ich Glück habe, kommt mir vielleicht der Wachhabende entgegen und nimmt mir den Koffer ab.
Geschafft, ich bin oben an Deck. Zuerst muss ich mich im Wachbuch eintragen, da begrüßt mich auch schon der wachhabende Offizier und geleitet mich ins Schiffsoffice. Sie wollen gleich den Reisepass haben, oft auch die Versicherungsunterlagen mit der 24-Stunden-Rufnummer, mein Ticket interessiert jedoch niemanden, ein Foto für den Schiffspass wird auch noch schnell angefertigt. Danach führt man mich auf meine Kammer, so werden die Kabinen im Seemannsjargon genannt. Ab jetzt bin ich mir überlassen.
Eintragen ins Wachbuch der Santa Cruz
Das alles geht so schnell. Eben war ich noch draußen auf der Straße vor dem Hafen, jetzt, auf dem Schiff, bin ich in einer vollkommen anderen Welt. Darauf muss ich mich erst einmal einstellen, auf die neue Umgebung, ungewohnte Abläufe, unbekannte Leute um mich herum, die Enge des Schiffes, alles ist anders. Es ist immer das gleiche Gefühl, ob auf einem Megafrachter oder einem kleinen Feederschiff, doch inzwischen kenne ich das schon.
Zuerst schaue ich mich in meiner Kammer um. Was bietet sie? Sofa, Schreibtisch, Sessel, Couchtisch, Kühlschrank, TV-Gerät, reichlich Stauraum in Schränken und Kommoden. Das ist Standard, und je nach Buchung gibt es einen abgetrennten Schlafbereich. Die Nasszelle mit Waschbecken, WC und Dusche ist meistens recht eng.
Im Hafen und auf der Elbe
Allein schon an Bord im Hamburger Hafen zu sein, ist ein besonderes Erlebnis. Wenn man sich draußen auf die Brückennock begibt, hat man aus rund 40 Meter Höhe einen fantastischen Rundblick: Direkt vor der eigenen Nase die Ladearbeiten, die anderen festliegenden Schiffe, das riesige Containerdepot mit den umherflitzenden Van-Carriern, der Blick auf die Autobahn, das andere Elbufer bis hin zu den Landungsbrücken und der Elbphilharmonie.
Zwei Schlepper nähern sich dem Schiff, wir legen gleich ab. Jetzt nichts wie rauf auf die Brücke; von dort hat man den besten Blick und bekommt alle Kommandos mit. Doch man muss sich zurückhalten, um die Schiffsführung bei ihrer verantwortungsvollen Arbeit nicht zu stören.
Der Hafenlotse verlässt uns schon auf Höhe Blankenese, unser Schiff nimmt Fahrt auf. Auf Backbord sind Hallen und Landebahn von Airbus nicht zu übersehen, ebenso wenig die Sietas Werft am Este Sperrwerk. Etwas später kommt der Lühe-Anleger mit vielen Ausflüglern. Nur ein kurzes Stück weiter folgt die ehemalige Seefahrtsschule in Grünendeich mit ihrer kleinen Aussichtsplattform auf dem Dach. Ich erinnere mich an den Blick von dort auf die auf Grund gelaufenen CSCL Indian Ocean.
Fotos folgende Seite:
Das Containerdepot vom Burchardkai mit den agilen Van-Carriern Blick Richtung Elbbrücken
Blick elbabwärts, links die Airbuswerke, rechts im Hintergrund das Kohlekraftwerk Wedel
Im Februar 2016 war das 400-Meter-Schiff CSCL Indian Ocean auf der Elbe gegenüber der Seefahrtsschule auf Grund gelaufen. Erst nach sechs Tagen konnte es freigeschleppt werden. Der Grund wurde später gefunden: Ein falsche Verkabelung hatte zu einer Blockade des Ruders geführt.
Das havarierte Schiff auf der Elbe. Der Schiffsverkehr war nur gering beeinträchtigt.
Schiffe konnten den Hafen Hamburg fast ungehindert anlaufen, aber während dieser Tage herrschte im Alten Land Ausnahmezustand. Tausende von Schaulustigen kamen an die Elbe, um das Riesenschiff aus der Nähe zu betrachten. Dabei blockierten sie mir ihren PKW die engen Zufahrtsstraßen im Alten Land.
Dann kommt die Kuppel vom Atomkraftwerk Stade, das abgebaut wird, Stader Sand und wenig später der Industriehafen Bützfleth und Dow Chemical. Alles markante Punkte, die mir bekannt sind, doch der Anblick vom Wasser aus ist auch für mich als Bewohner des Kreises Stade nicht alltäglich.
Klare Sicht auf Cuxhaven …
Die Fahrt geht gleichmäßig weiter, voraus kreuzt die Fähre Wischhafen – Glückstadt, das Kernkraftwerk Brokdorf ist schon vom Weitem zu sehen, gefolgt vom Eingang des Nord-Ostsee-Kanals. Hier, wo die Elbe scheinbar breiter wird, findet ein Lotsenwechsel statt, dafür verlangsamen wir kurz unsere Fahrt. Ich freue mich über die klare Sicht auf Cuxhaven mit Hafenanlagen und Kugelbake und später sogar auf Helgoland. Das ist ein fantastischer Schlusspunkt, denn wir haben die Elbe verlassen, die Nordsee hat uns in Empfang genommen, was man gleich am stärkeren Seegang merkt.
…und heute auch auf Helgoland
Ein typischer Tag an Bord
Bei meinen Vorträgen taucht häufig die Frage auf: Was machen Sie den ganzen Tag lang an Bord? Detaillierte Antworten geben meine ausführlichen Reiseberichte. Doch einen guten Einblick gibt die Schilderung eines „typischen Tages auf See".
Der Tag beginnt mit dem Frühstück in der Offiziersmesse meistens zwischen 7:30 und 8:30 Uhr. Halten Sie möglichst die Essenszeiten ein, da der Steward, der für Sie zuständig ist, auch viele andere Dinge erledigen muss. Anschließend können Sie sich auf die Kommandobrücke begeben, um Aktuelles über Fahrtroute, Wetterlage oder Besonderheiten an Bord zu erfahren. Erfragen Sie, ob es an dem Tag interessante Passagen gibt, welche anderen Schiffe zu sehen sind. Der wachhabende Offizier gibt ihnen gern Auskunft. Oder genießen Sie einfach die fantastische Aussicht, geschützt von der Brücke oder im Wind an der Seite auf der freien sogenannten Brückennock.
Bei gutem Wetter folgt oft ein Rundgang draußen auf dem Upper Deck um das Schiff. Da gibt es immer etwas zu entdecken, besonders für Landratten wie mich: Entweder an Bord (technische Anschlüsse und Apparate) oder auf See (Fische, Vögel, Wellen) oder auch die unterschiedlichsten Arbeiten an Deck.
Ein neues Seil wird auf die Winde gezogen
Mein Lieblingsplatz ist vorn am Bug, im Seemannsjargon die Back. Dort ist es unerwartet ruhig; kein Lärm von Kühlaggregaten und Motoren, von Wind und Wellen. Mein Tipp für Frachtschiffreisende: Unternehmen Sie regelmäßig Rundgänge, auch mal zwei oder drei Runden in flottem Tempo und benutzen Sie die Treppe und nicht den Lift, so können Sie die reichlichen Kalorien vom Essen gut abbauen.
Die Offiziersmesse auf der Hatsu Crystal
Der Speiseplan: kräftige Hausmannskost
Das Mittagessen um 12:00 Uhr kommt schneller, als man denkt: Es gibt verschiedene Salate als Vorspeise, Suppe, einen kräftigen Hauptgang und Nachtisch. Mein Tipp: Teilen Sie dem Steward mit, dass Sie nur eine kleine Portion möchten; glauben Sie mir, die ist groß genug. Nach dem Essen ist Zeit für eine Ruhepause. Auf See werden Sie viel müder sein und ein größeres Schlafbedürfnis haben als an Land (die frische Luft, das ständige Rollen des Schiffes, die ungewohnte Umgebung).
Um 15:00 Uhr ist für alle Kaffeepause; für Sie auch früher oder später. Erfragen Sie, wo es einen Kaffee gibt, oder wo Sie sich ihn zubereiten können. Auf See haben Sie viel Zeit. Überlegen Sie vorher, wie Sie diese gestalten wollen. Fotografieren Sie? Führen Sie ein Tagebuch? Lesen Sie gern? Oder genießen Sie einfach nur Sonne und Wind und lassen „die Seele baumeln"?
Das Abendessen wird sehr zeitig eingenommen, Sie haben einen langen Abend vor sich. An Bord gibt es mehrere Fernsehgeräte und DVD-Player. Sie können auch in der Lounge den Abend mit den Offizieren verbringen oder im Mannschaftsraum mit der Crew. Mein Tipp: Gehen Sie im Dunkeln auf die Brückennock und bestaunen Sie den Sternenhimmel. Auf See ist es nachts dunkler, als es an Land sein kann.
Regelmäßig gibt es obligatorische Alarmübungen. Darüber werden