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Die gefälschte Göttin: Erzählung
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eBook88 Seiten1 Stunde

Die gefälschte Göttin: Erzählung

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Über dieses E-Book

Naß wie ein Meerschwamm betritt der Gelehrte Stellach Xenodochion, seit Schliemanns Tagen von den Deutschen "das Gasthaus zur schönen Helena" genannt, hört von einer Ausgrabung, die nach Athen geschafft werden soll. Stellach will die Statue um jeden Preis für sein Museum. So beginnt ein Verwirrspiel um Original und Fälschung, die archäologische Jagd nach einer antiken Göttin, einem Erzweib im sonnigen Griechenland. Die gefälschte Göttin ist eine melancholisch-heitere Erzählung, perfekt und pointiert gemeißelt von Kurt Kluge, der auch Bildhauer und Erzgießer war und seine Schriftstellerkarriere erst als fast Fünfzigjähriger begann. Sein erfolgreichster Roman Der Herr Kortüm (1938) gilt als literarische Besonderheit im 20. Jahrhundert, zeichnet er doch eine "lebendige, abseitige Sonderlingsgestalt" (Fricke/Klotz), wie sie sonst nur von Autoren früherer Epochen, z.B. Jean Paul, Charles Dickens oder Wilhelm Raabe, bekannt sind. Noch mehr als seine Romane stehen die heiter-besinnlichen Erzählungen und Novellen Kurt Kluges stofflich im Zusammenhang mit seinem Künstlerberuf.
SpracheDeutsch
HerausgeberEdition Loreart
Erscheinungsdatum20. Nov. 2013
ISBN9783955776251
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    Buchvorschau

    Die gefälschte Göttin - Kurt Kluge

    Inhaltsverzeichnis

    Titelseite

    Die gefälschte Göttin

    Über den Autor

    Impressum

    Hinweise und Rechtliches

    Kurt Kluge

    Die gefälschte Göttin

    Erzählung

    Edition Loreart

    Die gefälschte Göttin

    Im strömenden Regen eines späten Septemberabends mußte der Doktor Stellach, Beauftragter eines großen ausländischen Antikenmuseums, sein trockenes Abteil der eben fertig gebauten argolischen Eisenbahn verlassen und mißmutig in einem zähen Schlammbett entlangwaten, das ihm der Stationsbeamte als die richtige Straße nach Charwati bezeichnet hatte. Der Gedanke an Regenwetter war Stellach bei den Reisevorbereitungen in Athen nicht gekommen: Wochen, Monate hindurch hatte er, im gnadenlos weißen Sonnenlicht wandelnd, den unendlich feinen Staub Griechenlands geschluckt und nach Wasser gestöhnt, nach feuchten Wolken wenigstens - jetzt hatte er Wasser!

    Es plätscherte auf der zerweichten Straße, trieb Blasen auf den Pfützen, quietschte in seinen Stiefeln und trommelte auf seinen Hut, dessen Krempe trübselig herabhing. Der durchnäßte Gelehrte schob die Brille auf die Stirn - er war kurzsichtig, aber bei solchem Unwetter vermochte er ohne Gläser immer noch ein wenig mehr zu sehen: rechts vom Wege schien sich ein Maisfeld auszubreiten, links ein Ölbaumgarten. Unruhig spähte Stellach in das zerfließende eintönige Grau: war der dunkle Schatten dort drüben ein Regenschwaden oder vielleicht doch schon der Eliasberg?

    „Zeit wäre es, seufzte Stellach und stopfte sein Taschentuch zwischen Hals und Kragen, damit das Wasser nicht zu ungehemmt aus der Huttraufe den Rücken hinabrieseln konnte. „Wenn der verdammte Dunststreif der Hagios Elias ist, muß der ermordete Agamemnon gleich halblinks davor liegen. Ein gemütliches Gelände. Dieses Sauwetter paßt dazu. Jawohl, Orest und die Blutflecken in der Badstube - Stellach schauerte zusammen - „es regt sich, kommt heran - nein, was sich da bewegt, sind verkrüppelte Ölbäume im Winde."

    Er blieb stehen und sah lange in den Nebel: Hinter den Ölbäumen andre Baumschatten ... aber das Breite, Langgestreckte, das - ja, das mußten Dächer sein! Wo Dächer sind, wohnen auch Menschen, und Mensch, gut oder böse, ist besser als Gespenst - wenigstens in diesem heillosen Erdenwinkel.

    Stellach hatte sich nicht getäuscht. Er stand am Dorfeingang. Der Wind blies noch einmal Regenschwaden gegen den fremden Mann, der sich hereinwagte in diesen von Göttern und Menschen verfluchten Bezirk, um seine weißen Schreiberhändchen auf die Zyklopenblöcke mit den undeutlichen dunklen Flecken zu legen. Aber Stellach scheute nicht wieder zurück: das größere unter den Dorfhäusern mußte nach der Beschreibung jenes Xenodochion sein, das die Deutschen seit Schliemanns Tagen das Gasthaus zur schönen Helena nennen.

    „Was hilft mir das Gasthaus zur schönen Helena, dreimal verflucht - was hülfe mir Helena selber? Ich bin naß wie ein Meerschwamm, und meine Handtasche steht beim Stationsvorsteher!" rief Stellach verzweifelt.

    Um nicht das Zerweichen auch seines wenigen Gepäckes erleben zu müssen, hatte Stellach die Reisetasche in der Stube des Bahnhöfchens zu treuen Händen des Beamten zurückgelassen und klinkte nun, ohne irgendein trockenes Kleidungsstück bei der Hand zu haben, die Haustür des Xenodochions auf. Mit einem Blick ließ sich das ganze Erdgeschoß des langgestreckten Gebäudes erfassen: wie in den antiken Wohnstätten ging dieser Raum durchs ganze Haus. Am einen Ende flackerte das Herdfeuer und beleuchtete - die einzige Lichtquelle im Gemach - ein Wandbrett mit Weinflaschen und Gläsern: es war richtig. Stellach befand sich im Gasthaus von Charwati. Zwei Wegebiegungen weiter, und er hätte in den Trümmern der Burg von Mykenä gestanden.

    Mehr verzweifelt als erschöpft bemerkte Stellach die beiden Mädchen kaum, die am Herde geschafft hatten und nun erstaunt innehielten, um den triefenden Fremdling anzustarren, der wie eine Wassergottheit plötzlich aus der rauschenden Regennacht aufgetaucht war. Der gelehrte Mann aber sank auf die Bank an der Tür nieder und gab langsam, fast mit Genuß, eine sehr unwissenschaftliche Vorrede von sich: „Himmelkreuzbombenschockdonnerwetter."

    „Sei bedankt für den Gruß, willkommen, Herr", beantwortete das eine der Mädchen in klangvollem Neugriechisch die ihr unverständliche Anrede aus dem dunklen Norden der Welt.

    Stellach beschränkte seinen Dank auf einen grunzenden Urlaut und sah stumpfsinnig zu, wie im ungewissen Herdlicht das Wasser des Himmels schimmernd von ihm ablief, auf die Bank tropfte, von der Bank auf den Estrich rieselte und auf diesem Estrich in unheimlich kurzer Zeit einen ansehnlichen Teich um seine Stiefel herum erzeugte.

    „Was nun?" - Stellach spiegelte sich in diesem Teich.

    Aber sein eigener Anblick schien ihn gar nicht zu befriedigen: „O Helena, wie komme ich zu einem trocknen Hemde!"

    Diese Anrufung Helenas half ganz unerwartet: „Ja, Herr? fragte das Mädchen, hing den Wasserkessel in den Kettenhaken und kam näher: „Woher kennst du mich?

    Leider fühlte der nasse Gelehrte jetzt eben bei einer unvorsichtigen Bewegung der Überraschung, wie eiskalt sein nasses Hemd an ihm klebte. Steif und starr hielt er die Arme vom Leib und murmelte: „Verdammt."

    „Er versteht unsere Sprache nicht, sagte Helena zu dem anderen Mädchen, das am Herd stehengeblieben war. „Der arme Mann. Er ist ganz naß. Komm, Herr - Helena zog ihn an seiner Rockklappe vom Sitz hoch.

    Stellach verstand und sprach zwar ausgezeichnet Neugriechisch, aber in seinem derzeitigen Stumpfsinn fühlte er beim Aufstehen nichts als das niederträchtig naßkalte Anklatschen seiner Kleidung - er dachte gar nicht daran, in diesem eines Gelehrten unwürdigen Zustande zu denken, sondern beschränkte sich auf möglichste Vermeidung einer Verschiebung des nassen Hemdes auf seiner armen Haut und stelzte steifbeinig hinter Helena her.

    Die Treppe zu den oberen Räumen führte außen am Haus hoch. Es regnete immer noch. Der Hof stand voll Wasserlachen. Vorsichtig tastete Stellach die ungefüge Treppenleiter hinauf und tappte in eine stockdunkle Kammer, deren Türe ihm Helena öffnete. Sie zündete eine Kerze an, schlug die bunte Ziegenhaardecke des Bettes auf und lief geschäftig hinaus. Stellach sah sich um. Die Fensterläden waren fest geschlossen. Nur eines der Fenster besaß noch Glasscheiben. Seufzend klopfte Stellach an den nackten Holzladen, knurrend zog er eine Schachtel mit zerweichten Zigaretten aus der Rocktasche und richtete vorwurfsvoll und ernstlich die Frage an Gott, was denn jetzt eigentlich werden solle. Helena schien es zu wissen -

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