Ein seltsamer Held: Der grandiose, unbekannte Victor Adler
Von Robert Misik
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Über dieses E-Book
Robert Misik macht in einem biografischen Großessay diese zentrale Figur der österreichischen Geschichte an- und begreifbar, er lässt Person und Lebenswelt dieses zugleich sehr österreichischen und extrem unösterreichischen Politikers wieder aufleben. Eine historische Schlüsselfigur wird wiederentdeckt.
Robert Misik
Robert Misik, geboren 1966, ist Journalist und politischer Schriftsteller und schreibt regelmäßig für die Berliner »tageszeitung«, »Die Zeit«, die »Neue Zürcher Zeitung« und den Wiener »Falter«. Zahlreiche Preise, etwa der Bruno-Kreisky-Förderpreis, 2010 Journalist des Jahres in der Kategorie Online. 2009 Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik. Autor zahlreicher Bücher, zuletzt erschienen im Picus Verlag »Was Linke denken«, »Ein seltsamer Held«, »Herrschaft der Niedertracht«, »Die neue (Ab)Normalität«, »Putin. Ein Verhängnis« (2022).
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Buchvorschau
Ein seltsamer Held - Robert Misik
I. Wir wollen nicht gemütlich sein!
»Das letzte Wort des gemütlichen Wienertums ist: ›Verkauft’s mei Gwand, i bin im Himmel!‹ Der grundlose Optimismus, wechselnd mit zu Exzessen neigender Aufgeregtheit, das ist die Stimmung, die durch den Alkohol gefördert wird und die niemand so gefährlich ist als den Österreichern, die ohnehin erblich belastet sind mit gemeingefährlicher Duselei. Wir wollen nicht gemütlich sein, sondern unsere ganze Arbeit will, dass die Arbeiter ungemütlich werden.« So schrieb Victor Adler 1902 in einem Aufsatz mit dem krachenden Titel »Nieder mit der Gemütlichkeit«. In ihm ging es vordergründig um den Kampf gegen den Alkoholismus, einen Kampf, von dessen Sinnhaftigkeit Adler sich übrigens erst lange überzeugen lassen musste. Sein erster Reflex war eher gewesen, dass das Verdammen des Alkohols bei den Arbeitern Abwehr auslösen würde, Ärger auf die, die ihnen etwas wegnehmen, verbieten wollen. Ein lustfeindlicher Verbotsonkel wollte Adler nicht sein.
Aber Adler ließ sich überzeugen, dass viel zu viele Arbeiterfamilien vom Alkohol zerstört werden und viele Arbeiter sich, anstatt für ihre Rechte zu kämpfen, in den Rausch flüchten. Freilich, dieser Text von Adler ist ohnehin nur vordergründig ein Text über den Alkohol und zugleich auch ein Text über das »Wienerische«. Wienerisch oder österreichisch, gemütlich, unernst, bier- und gefühlsselig, all das wollte Adler nicht sein. Er wollte wirken, handeln, eine Spur hinterlassen, etwas tun, dieses rückwärtsgewandte Österreich modernisieren. Adler wollte eine geradezu ortsuntypische Entschiedenheit verkörpern. »Was wir erzielt haben«, schrieb er schon 1893 an seinen Freund, den in London lebenden Marx-Mitstreiter Friedrich Engels, »erreichten wir dadurch, dass wir nicht Österreicher sind, oder vielmehr uns als Nichtösterreicher maskierten, dass wir nicht schlampert, nicht flackernd, nicht sprunghaft und schnell ermüdet waren«. Kurzum: Dass Adler und seine Mitstreiter einen Plan hatten und den energisch, aber auch mit Geduld verfolgten, etwas, was dem zugeschriebenen Nationalcharakter, der bis heute als leichterregbar, aber ebenso leicht wieder als ablenkbar gilt, so überhaupt nicht entsprach.
Adler war, schrieb der Schriftsteller Hermann Bahr einmal, »der erste wahrhaft kluge Mensch, dem ich auf meinem Weg begegnet bin. Nämlich einer mit einem stichhältigen Verstand, der sich durch keinen Affekt je verwirren ließ.« »Unsere Partei«, schrieb einer von Adlers Mitstreitern in einer Erinnerung an die frühen Zeiten, »war und ist eine unwienerische Partei … In dem Sinne, dass alles Sumperhafte, das Sich-Gehenlassen und jede falsche Sentimentalität abgelehnt wurde.« Mögen die herrschenden Eliten überall ein wenig dumm und kurzsichtig sein, so seien sie es in Österreich besonders, war Adler überzeugt. »In Österreich ist es nun einmal so, dass man die Dummheiten freiwillig macht; wenn aber etwas Vernünftiges geschehen soll, dann will man dazu gezwungen werden.«
II. Der Zustand des Halbvergessens
Die Figur Victor Adler interessiert mich seit einiger Zeit. Weil wir in diesem Land ohnehin zu wenige Helden haben. Helden im Sinne von: positiven, identitätsstiftenden historischen Figuren. Held in einem pathetischen Sinne war Adler ohnehin nicht, weder war er äußerlich ein Gigant, noch ein grandioser Volkstribun, noch hat er eine große Tat vollbracht im Sinne der einen, einzigartigen Großtat. Als Redner hat er eher durch seinen Ernst und seine Bedächtigkeit gewirkt als durch rhetorische Wucht. Er war auch von feiner Ironie, und wie jeder gute Ironiker hatte er immer auch einen ironischen Blick auf sich selbst, was erfahrungsgemäß ja keine gute Voraussetzung dafür ist, sich in die Superman-Pose zu werfen.
Aber trotz oder gerade wegen dieser Eigenschaften ist Adler wahrscheinlich der größte Österreicher der politischen Geschichte. Ja, das »wahrscheinlich« können wir gut und gerne weglassen. Der Superlativ ist schon richtig gewählt. In der Geschichte dieses Landes ist Adler die größte, wichtigste, bedeutendste Figur.
Und dennoch ist er irgendwie vergessen. Nicht in dem Sinne, dass man nichts über ihn wüsste oder völlig vergessen wäre, dass er existierte. Das nicht. Der Name ist so irgendwie bekannt. In Favoriten ist der Viktor-Adler-Markt nach ihm benannt, es gibt Denkmäler und auch einen Gemeindebau; nicht nur Eingeweihte wissen, dass Adler die Sozialdemokratie gegründet hat, und dass er als Armenarzt begann, ist auch nicht völlig unbekannt. Vielleicht gibt es heute einige Hunderttausend Österreicher und Österreicherinnen, denen der Name »irgendetwas« sagt. Aber der Punkt ist eben, dass es über das »irgendetwas« selten hinausgeht. Adler? »Das war doch irgend so ein Guter«, so ein Sozi aus einer Zeit, wo man noch Hochachtung vor Sozis haben konnte. Das ist so ziemlich das, was auch politisch und historisch informierte Leute über Adler wissen. Spezialisten wissen noch ein paar Details. Viel mehr ist es aber nicht. Das ist schon recht seltsam bei einem Mann, der eigentlich als der große Titan der österreichischen Geschichte gelten müsste.
Es ist aber noch etwas anderes, was mich beim Nachdenken über Adler immer wieder irritierte. Wir mögen das eine oder andere von ihm wissen, wir haben aber kein wirklich akkurates »Bild« von ihm – und zwar weder im metaphorischen noch im buchstäblichen Sinne. Adler wirkte in einer Zeit vor der totalen Durchmedialisierung. Wir wissen nicht, wie er war, oder wir haben kaum einen Zugang, uns selbst ein Bild zu