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Lukas Resetarits - Kabarett und Kottan: Geschichten aus meinem Leben - Vorwort von Josef Hader
Lukas Resetarits - Kabarett und Kottan: Geschichten aus meinem Leben - Vorwort von Josef Hader
Lukas Resetarits - Kabarett und Kottan: Geschichten aus meinem Leben - Vorwort von Josef Hader
eBook253 Seiten2 Stunden

Lukas Resetarits - Kabarett und Kottan: Geschichten aus meinem Leben - Vorwort von Josef Hader

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Über dieses E-Book

Seit dem Nationalfeiertag 1977 steht Lukas Resetarits als Solo-Kabarettist auf der Bühne. Er erntete dafür viel Lob, viel Empörung und sämtliche dafür relevante Würdigungen - vom Salzburger Stier bis zum Deutschen Kleinkunstpreis.
In etlichen Rollen von "Kottan" bis "Burschi Leitner" im "Kaisermühlenblues" schrieb er Film- und Fernsehgeschichte. Dabei inspirierte er internationaleZeitungskritiker zur Vergabe unterschiedlicher Kosenamen : Eine Zeitung nannte ihn "un second Pierre Richard", eine andere einen "milchrahmstrudelgemästeten Ottakringer Wohnküchen-Redford". Wie in seinem Bestseller "Krowod" erzählt Lukas Resetarits auch im zweiten Teil seiner Memoiren packende und amüsante Hintergrundgeschichten. Fritz Schindlecker setzt sie in den zeitgeschichtlichen Rahmen und in literarische Form.
"Ich durfte mit Lukas Resetarits heuer auf der Bühne das eine oder andere aus seinen Kinder- und Jugendtagen besprechen, und merke jetzt, das war eine kleine Probe auf diese Prosa. Da ist ordentlich was draus geworden, Zeit- und Ortsgeschichte unaufdringlich eingemischt.
[…].
Lesen Sie das Buch, und hoffen Sie mit mir auf eine Fortsetzung."
(Armin Thurnher, Falter, zu Lukas Resetarits – Krowod)
Über 12.000 verkaufte Exemplare des ersten Bandes "Lukas Resetarits - Krowod!
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum13. Sept. 2023
ISBN9783800080038
Lukas Resetarits - Kabarett und Kottan: Geschichten aus meinem Leben - Vorwort von Josef Hader
Autor

Lukas Resetarits

Lukas Resetarits wurde am 14. Oktober 1947 in Stinatz/Burgenland geboren. Er ist einer der erfolgreichsten österreichischen Kabarettisten und Schauspieler.

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    Buchvorschau

    Lukas Resetarits - Kabarett und Kottan - Lukas Resetarits

    ES IST BITTE FOLGENDES …

    … der, der was eigentlich heute da sein sollte, ist noch nicht da … ich weiß auch nicht, ob er kommen wird … Ich bin schon do, jo … Owa ich bin nur der reine Billeteur … der Kartenabreißer …

    Rechts Mitte Links

    Einen Tag vor dem österreichischen Nationalfeiertag 1977 herrschte im „Kleinen Theater im Wiener Konzerthaus" hektische Stimmung.

    Mit Kärntner Akzent äußerte sich der Vortragende zur politischen Lage im südlichsten österreichischen Bundesland wie folgt:

    „Ortstofeln aufstölln, jugoslawische! Homa bis heit kane ghobt, und hot trotzdem noch a jeda hamgfundn! Mia kennan do net als Intanationalistn dem slowenischen Nationalismus nochgebn!

    Wal mia seima nämlich a offene Partei. Sehgn S’, dewegn bin i so a ibazeigta Sozialist!"

    „Sozialist" war das Stichwort für ein Blackout.

    Doch die wenigen Scheinwerfer des „Kleinen Theaters" fokussierten allesamt weiter den Darsteller, der sichtlich zornbebend in Richtung des Beleuchters starrte. Der rührte keinen Finger.

    „Das war das STICHWORT!!!", brüllte Regisseur Dieter Haspel in den kleinen Raum, so laut, dass die Wände wackelten.

    Sofort versenkte der Lichtmeister die Bühne eilfertig in tiefste Finsternis.

    „War gut?!", fragte er mit serbischem Akzent, während er nun nach dem Blackout wieder das Arbeitslicht einschaltete.

    Es war unfassbar. Der Kerl hatte bisher gezählte dreizehn-, gefühlte hundertmal bei dieser Generalprobe die Blackouts verschlafen. Und anstatt anständigerweise Selbstmord zu begehen, oder wenigstens den Zerknirschten zu spielen, stellte er immer wieder mit dämlichem Grinsen fest:

    „War gut?!"

    Doch jetzt platzte Lukas der Kragen. Er sprang von der Bühne und rannte hinaus in die winzige, etwa zwei mal drei Meter große Künstlergarderobe. Dort breitete er auf dem Boden die Livree aus und legte sich darauf. „Livree" hieß jenes Kleidungsstück, das die Kartenabreißer in den Wiener Hochkulturtheatern damals trugen. In diesem Outfit pflegte er in seinem ersten Programm in der Rolle eines Billeteurs den Publikumseinlass selbst vorzunehmen.

    Jetzt lag Lukas auf diesem elenden Bühnenkostüm und fühlte mit Schrecken, wie ihm der Zorn das Wasser in die Augen trieb. Schon nach wenigen Augenblicken entrang sich ein Schluchzen seiner Brust. In diesem Moment tauchte sein Bruder Willi auf. Der legte sich wortlos neben ihn auf den Boden und begann ebenfalls zu weinen. Bei Willi aber waren die Tränen keine Früchte des Zorns, sondern Ausdruck einer aus tiefster Seele kommenden brüderlichen Solidarität.

    So lagen die beiden bereits durchaus bühnenerfahrenen jungen Männer auf dem Garderobenboden des Konzerthauskellertheaters nebeneinander und heulten redewendungskonform gemeinsam wie die Schlosshunde.

    Warum taten sie das? Eine mögliche Erklärung dafür liefert ein altes Klischee. Dieses besagt, dass die meisten burgenländischen Kroaten, obwohl sie weder nah dem Neusiedlersee und schon gar nicht in Donaunähe geboren wurden, offenbar „nahe am Wasser gebaut seien".

    „Das ist kein Klischee, sagt Lukas. „Bei uns gibt’s viele Gründe zu weinen! Man kann das aus unglücklicher Liebe machen, aus glücklicher Liebe, aus unbändiger Freude und um die Trauer zu bändigen, aus furchtbarer Angst und aus nicht minder furchtbarem Zorn.

    In diesem Fall war es eindeutig Zorn, der sich allerdings auch allmählich mit einem gerüttelt Maß an Verzweiflung zu mischen begann.

    „Des Soloprogramm geht den Bach owe", sagte Lukas zu seinem Bruder.

    „Das wird schon, das krieg ma schon in den Griff!", erwiderte der.

    „Na! Ich bin a Kicker. I war immer a Teamspieler! A Solo zu machen war a blöde Idee!"

    Willi hatte diese Idee von Anfang an ausgesprochen gut gefunden. Es lag also nahe, dass er sie nun auch verteidigte.

    „Geh bitte! Vor drei Jahr hast du bei uns doch auch dauernd Soloauftritte hingelegt!"

    „Schon, erwiderte Lukas. „Aber da war i net alan auf der Bühne. Da ist die ganze Schmetter-Band rund um mich g’standen.

    FLASHBACK – drei Jahre vorher.

    DER STRASSENBAHNER ALS ZOOLOGE

    Die Schmetterlinge hatten gerade ihren damaligen Hit „500 Dollars zu Ende gespielt, als ein dynamischer hellblonder 26-jähriger angeblicher „Straßenbahner die Bühne betrat.

    Er machte zwischen den Songs das, was heutzutage auch hierzulande als „Stand-up-Comedy" bezeichnet wird: halb vorbereitete, halb im Dialog mit dem Publikum improvisierte Erzählungen, die den Zuschauern regelmäßig die Lachtränen wie kleine Bächlein aus den Augen fließen ließen.

    Keine Frage – der junge Mann war für die Bühne geboren.

    Und deren Bretter, die angeblich die Welt bedeuten, standen in diesem Fall im Wiener Folkclub „Atlantis, dem damaligen Mekka der „Folknics und der gerade im Entstehen begriffenen Liedermacherszene.

    Die Schmetterlinge gab es damals schon seit gut vier Jahren. Ihre Musik war anfänglich stark von der US-amerikanischen Folk- und Countrymusik beeinflusst gewesen. Seit Kurzem nannten sie ihren neuen Musikstil „Madrigal-Rock".

    Was Rockmusik ist, das wissen wir.

    Aber what the heck ist ein Madrigal?

    „Das Madrigal ist ein mehrstimmiges Vokalstück meist weltlichen Inhalts und eine wichtige musikalische Gesangsform der Renaissance und des Frühbarock."

    So weit Wikipedia.

    Im Fall Schmetterlinge bedeutete dies, dass sie zu rhythmisch akzentuierter Musik meist sehr komplexe Chorsätze sangen. Die „weltlichen Inhalte" stammten meist von dem großartigen Wiener Poeten Heinz R. Unger.

    Damals, als dieser angebliche Straßenbahner auf der „Atlantis-Bühne erschien, spielten in der Band folgende Musiker: die aus Großbritannien stammende Lead-Vokalistin Pippa Armstrong-Tinsobin, die von Lukas’ Bruder Willi – bezugnehmend auf ihre schlanke Erscheinung – gerne „Bin-so-dünn genannt wurde, sowie der Gitarrist und Keyboarder Georg Herrnstadt. An der Leadgitarre wirkte Herbert Tampier, am Bass und am Akkordeon Erich Meixner. Leadsänger war Willi Resetarits, der auch auf den Congas trommelte und für die Conférencen sorgte.

    An jenem Abend kündigte er während des Konzerts einen „Straßenbahner an, „der in seinen Urlauben weltweit als Tierforscher tätig ist.

    Der Straßenbahner erklomm die Bühne und erzählte von seinen Abenteuern und wie er sie finanzieren konnte. Er sei sehr sparsam, sagte er und die internationale Vernetzung des Welt-Straßenbahnertums ermögliche es ihm, kostengünstig zu reisen. Sämtliche Straßenbahnnetze von Kairo bis Neu-Delhi stünden ihm kostengünstig zu Verfügung. Und in die jeweils anliegenden Wüsten- oder Dschungellandschaften dringe er dann per pedes oder per Anhalter vor.

    „Welche exotischen Tiere hast du denn als Hobby-Tierforscher damals dem Publikum nähergebracht?"

    Lukas lächelt und meint: „Jede Menge. Die drei interessantesten waren die Brüllameise, die Mörderdrossel und Muntjak, der reißende Zwerghirsch."

    „Und die gibt’s wirklich, die Viecher?", frage ich interessiert. Denn ich bin im Bereich der Flora und Fauna ein absoluter Analphabet.

    „Den Muntjak gibt es, erwidert Lukas. „Die beiden anderen sind frei erfunden.

    Und was machte die drei so besonders?

    „Die Mörderdrossel, so weiß es Lukas zu berichten, „war auf dem afrikanischen Kontinent beheimatet. Sie gehörte zur Familie der ‚Zeckenpecker‘. Das sind jene Vögel, die häufig auf den Köpfen von Elefanten sitzen und dort Zecken und andere insektenartige Tiere aus der dicken Haut herauspicken. Das ist eine Symbiose zwischen Zeckenpeckern und Dickhäutern: Die Elefanten werden von den lästigen Parasiten befreit und die munteren Vöglein finden in den Insekten proteinreiche Nahrung!

    „Ja, das kennen wir aus der beliebten Sendereihe ‚Universum‘!, sage ich und füge mit einem leichten Anflug von Ungeduld hinzu: „Und was ist jetzt das Neue an dieser Mörderdrossel, verglichen mit den anderen Zeckenpeckern?

    „Darauf wollte ich ja gerade kommen!, meint Lukas ein wenig ungnädig und fügt dann hinzu: „Im Zuge der Evolution, deren Existenz in jüngerer Zeit von Großexperten der Schwurbelei abgestritten wird, hat die Mörderdrossel einen derart harten Schnabel entwickelt, dass sie mit ihren Schnabelhieben die lederharte Elefantenhaut durchstoßen und bis zum Blut des Großsäugers vordringen konnte.

    „Und daraufhin hat der Elefant mit seinem Rüssel die Drosseln blitzartig gepackt, zum Maul geführt und zusammengefressen?"

    „Nein!, erwidert Lukas. „Dann würde sie ja nicht Mörderdrossel heißen. Umgekehrt ist es gelaufen: Die Vöglein wurden nicht gefressen, sondern haben sich vom Blut des Elefanten ernährt. Ganzen Schwärmen von Mörderdrosseln soll es gelungen sein, durch dieses Blutabsaugen Elefanten sogar zu töten! Die von der Großwildjäger- und Elfenbeinverarbeitungslobby in Umlauf gebrachte These, der afrikanische Elefant sei weniger durch die Wilderer und Jäger vom Aussterben bedroht als vielmehr durch das massenhafte Auftreten der Mörderdrossel, diese These muss wohl trotzdem als unhaltbares Gerücht bezeichnet werden. Wenngleich man sagen muss, fügt Lukas mit listigem Lächeln hinzu, „zum Teil wurde meine damalige Mörderdrossel-Theorie schon bestätigt. Einige dieser kleinen Vöglein, welche die Elefanten von der Madenplage befreien, sollen tatsächlich so nebenbei auch Blut von den Dickhäutern absaugen. Umbringen tut die das natürlich nicht. So etwas Ähnliches wie lästig juckende Gelsenstiche werden die Elefanten aber vielleicht davon schon auch kriegen."

    Das nächste Tier, das Lukas in seiner damaligen zoologischen Vortragsreihe vorstellte, die Brüllameise, hatte ebenfalls eine Mutation im darwinschen Sinne hinter sich.

    Dazu Lukas: „Vor Tausenden von Jahren, als diese besonders kleine Ameise vom Aussterben bedroht war, entwickelte sie eine höchst interessante Selbstschutzfähigkeit: Immer dann, wenn sich ihr ein Fress- oder auch ein Zusammentret-Feind näherte, stieß sie ein derart ohrenbetäubendes Gebrüll aus, dass der Feind sofort davonlief oder gar vor Angst starb!"

    Das dritte Tier, das der Tramway-Tierexperte beschrieb, war der Muntjak.

    Über die chinesische Version dieses speziellen Hirschtyps – der in der Lukas-Variante übrigens besonders stark ausgebildete Reißzähne besitzen soll – weiß Wikipedia unter anderem Folgendes zu berichten:

    „Die Art kommt in der zentralen und südlichen Volksrepublik China sowie in Taiwan vor (…) Der Chinesische Muntjak erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 70 bis 80 cm, zuzüglich eines 12 bis 13 cm langen Schwanzes und eine Schulterhöhe von 45 bis 50 cm."

    Man kann also in der Tat mit Fug und Recht von einem sehr kleinen Hirschen reden. Trotzdem lieferte er sich in den Erzählungen des Tramway-Zoologen meist siegreiche Auseinandersetzungen mit einer der gefährlichsten Raubkatzen, dem Tiger.

    Momenterl! Trifft dies auch auf den Chinesischen Muntjak zu? Oder anders gefragt: Gibt’s in China überhaupt Tiger?

    Einmal mehr weiß Wikipedia die Antwort:

    „Der Südchinesische Tiger (Panthera tigris amoyensis), auch Amoytiger, ist eine sehr seltene Unterart des Tigers. Nach WWF-Angaben gibt es, wenn überhaupt, nur noch ein paar vereinzelte Individuen in freier Wildbahn. Seit mehreren Jahrzehnten wurde er wissenschaftlich belegbar nicht mehr gesichtet."

    Gut. Es ist fast fünfzig Jahre her, dass Lukas seinen Straßenbahn-Wildtierexperten ins Leben rief. Damals kann durchaus noch der eine oder andere Südchinesische Tiger die freie Wildbahn durchstreift haben. Und der war dann – zwar keine leichte, aber doch – eine Beute für den cleveren oder, wie es der Engländer sagen würde: den smarten Zwerghirsch.

    Wie er das tat, das haben wir schon im Schlusskapitel des Buches „Krowod" beschrieben, in dem sich Lukas an seine Kindheit und Jugend erinnert.

    Sollten Sie dieses Buch nicht haben oder Ihnen die packende Muntjak-Geschichte nicht mehr präsent sein – was kaum vorstellbar ist –, dann gibt’s hier jetzt ein Dacapo:

    „Wenn sich so ein Muntjak auf Tigerjagd machte, dann hatte er zuerst ausgekundschaftet, wo sich der nächste Tigerwechsel befand, erzählt Lukas. „Sobald sich der Tiger nähert, verbeißt sich der Zwerghirsch zuerst in seine Genitalien, dann in seine Gedärme. Wenn der Tiger daraufhin in Panik flüchtet, lässt der Muntjak immer noch nicht los. Das Hirschlein macht das erst, wenn die Gedärme komplett abgewickelt sind, das Raubtier zu Boden fällt und ihm nicht mehr gefährlich werden kann.

    Zurück in die Künstlergarderobe des Kleinen Theaters.

    Lukas erhob sich vom Boden, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und schnäuzte sich. Willi stand ebenfalls auf, als ein breit grinsender Dieter Haspel aus dem Theatersaal kam.

    „Alles nur ein Missverständnis!", sagte er. Dabei wedelte er mit dem Manuskript für den Kabarettabend herum – und zwar mit jenem, in das der aus Rumänien stammende Beleuchter mit serbischem Migrationshintergrund die Blackouts eingetragen hatte.

    Überall dort, wo man ihm gesagt hatte, dies sei das „Stichwort für ein Blackout, hatte er sich eine Bleistiftnotiz gemacht: „STIHWORD. Er wartete also jedes Mal verzweifelt darauf, dass der Schauspieler auf der Bühne „Stichwort" sagte – was dieser aber leider nie tat. So kam das Blackout immer erst dann, wenn Dieter Haspel zuerst sanft rügend, später dann zornerfüllt brüllend das Zauberwort in Richtung Beleuchterkammerl geschleudert hatte.

    Zur Ehrenrettung des Mannes an den Scheinwerfern muss festgehalten werden, dass er kein Profibeleuchter war, sondern der Saalwart des Kellertheaters. Davon ausgehend, dass ein Kabarett-Soloprogramm keine aufwendige Lichtshow benötigte, hatte man aus Einsparungsgründen auf einen Profi verzichtet.

    Jetzt war das Missverständnis aufgeklärt und die Generalprobe konnte weitergehen. Dem Saalwart fiel ein Stein vom Herzen. Den anderen Beteiligten auch.

    In der darauffolgenden Nacht stellte sich bei Lukas allerdings wieder Panik ein. Er hatte kein Vertrauen in seine „Solokarriere". Das Ganze war aus der Not geboren und keineswegs der krönende Abschluss einer langen Planung.

    Begonnen hatte alles im Frühsommer, etwas mehr als ein Jahr zuvor.

    IN DER ARENA IST DER BÄR LOS

    Der ORF-Wetterbericht hatte für das kommende Wochenende Schönwetter vorhergesagt. Und tatsächlich strahlte an diesem Sonntag, dem 27. Juni 1976, die liebe Sonne am azurblauen Himmel, als neben Wiens legendärem Naschmarkt eine Open-Air-Veranstaltung stattfand.

    Das Ganze nannte sich „Anti-Schleifer-Fest und neben anderen Künstlern traten hier die Schmetterlinge und die Kabarettgruppe „Keif auf. Bei dieser Truppe spielte damals neben Erich Demmer, Alfred Rubatschek, Erwin Steinhauer und Wolfgang Teuschl auch Lukas. Er hatte ein Jahr zuvor Erich Bernhard ersetzt.

    Dieses Fest richtete sich nicht gegen die ehrbare Berufsgruppe der Messer- und Scherenschleifer, sondern gegen Bundesheerausbildner, die Jungmänner so übereifrig trainierten, dass diese gesundheitliche Schäden davontrugen.

    Zwei Jahre davor war ein besonders krasser Fall bekannt geworden: In der Julius-Raab-Kaserne in Mautern an der Donau war der Präsenzdiener Kurt Wandl bei einer Übung zusammengebrochen. Er starb am nächsten Morgen. Die Obduktion ergab, dass er einen Hitzeschlag erlitten hatte. Der Ausbilder und seine Vorgesetzten wurden vor Gericht gestellt, weil sie zu spät für ärztliche Hilfe gesorgt hatten. Die Strafen nach der Verurteilung fielen äußerst glimpflich aus.

    Nachdem damals wieder einige Fälle von „Schleiferei" bekannt geworden waren, sollte dieses Fest die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Missstände im Heer lenken.

    Einige wesentliche demokratische Reformschritte in Richtung moderner Demokratie hatte die SPÖ-Alleinregierung bereits durchgesetzt:

    Im Jänner 1976 war das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch insofern geändert worden, als der „Ehemann nicht mehr alleiniges Familienoberhaupt war; dies bedeutete zumindest eine rechtliche Gleichstellung der Frau. Und die ist im heutigen Rechtsverständnis ja wohl eine Grundvoraussetzung für das, was wir als „liberale Demokratie verstehen; im Gegensatz übrigens zu jener Staatsform, die in Orbáns Ungarn als „illiberale Demokratie und in Putins Russland als „souveräne Demokratie bezeichnet wird. Beide Konzepte lehnen Gender-Gleichstellung genauso ab wie das Einräumen von Freiheiten der sexuellen Orientierung und definieren sich bewusst als „Gegenmodelle zur „westlichen, sprich: liberalen Demokratie, der sie „Dekadenz" unterstellen.

    Aber zurück ins Jahr 1976, zum „Anti-Schleifer-Fest".

    Dort sollte nämlich neben dem Protest gegen die Übergriffe bei der Soldatenausbildung zusätzlich auch noch eine „Initialzündung" für etwas anderes stattfinden.

    Einige Zeitzeugen berichten, Lukas habe damals nicht nur bei „Keif an dieser Veranstaltung mitgewirkt, sondern auch als Moderator durch das Programm geführt. Und dabei habe er am Schluss zu einem „Spaziergang zum Auslandsschlachthof aufgerufen.

    Andere Quellen hinwiederum schwören Stein und Bein, sein Bruder Willi habe zur Besetzung der „Arena" aufgerufen.

    Was stimmt nun?

    „Richtig ist, dass ich Moderator bei dem ‚Anti-Schleifer-Fest‘ war", erzählt Lukas. „Zum Spaziergang habe ich auch aufgerufen – genauso wie der Willi und andere Künstler. Unsere Ausführungen wurden übrigens penibel von Herren mitgeschrieben, die man sofort als Staatspolizisten erkennen konnte. Denn sie notierten sich auffällig alles mit unauffälligen, kleinen Bleistiften auf unauffällige, kleine Notizblöcke. Aber selbst ohne diese zwergenhaften Notizgeräte wären sie für die routinierte Demonstrantin und ihr männliches Pendant unschwer als Beamte der Staatssicherheit erkennbar gewesen: Denn sie alle waren in grelle Schockfarbenhemden gehüllt, um sich als jugendliche Protestierer zu tarnen. Schockfarbenhemden waren aber damals längst aus der Mode. Die Einzigen, die sie trugen, waren Undercover-Polizisten.

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