Alles Walzer: Der Opernball von A bis Z. Mit einem Vorwort von Karl Hohenlohe und Illustrationen von Michael Pammesberger
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Über dieses E-Book
Er ist Staatsaktion und Society-Bühne, Medien-Rummelplatz und Dschungelcamp für Frackträger: der Wiener Opernball. Seit 20 Jahren kommentiert Christoph Wagner-Trenkwitz mit Karl Hohenlohe den Opernball für den ORF und hat ihn durchaus lieben gelernt. Doch bietet der Ball der Bälle viel zu viele Gelegenheiten, um auf pfiffige Kommentare und die eine oder andere Respektlosigkeit zu verzichten. So präsentiert der scharfzüngige Beobachter die witzigsten Hoppalas und Bonmots, hochnotpeinlichsten Auftritte und modische Fehltritte, die besten Seiten-, Ein- und Ausblicke der vergangenen Jahre: der Opernball von Antike bis Zukunft, von Adlmüller bis Zilk, von Alles bis WalZer ...
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Buchvorschau
Alles Walzer - Christoph Wagner-Trenkwitz
Geleitschutz
von Karl Hohenlohe
Was den Opernball anbelangt, gilt Christoph Wagner-Trenkwitz als Hunderttausendsassa. Niemand sonst wo in Wien kennt die Damen und Herren vom Orchester, von der Tanzriege und der Pfadfinder- Gruppierung vulgo Platzanweiser so gut wie er. Als Experte der floralen Prachtentfaltung des Balles ist er weit über die Bundesländer hin berüchtigt. Die Sängerinnen, das Köchelverzeichnis, Hymnen, Ballhistorie, Partituren und Komponisten sind sein Zuhause. Wer, wenn nicht er kann also ein profundes Opernballbuch schreiben?
Ich kann zu den Lebensumständen von CWT nur wenig sagen – sein Alter, sein Gewicht, sein Deodorant sind mir fremd. Wir haben uns im vorigen Jahrhundert auf einem Flohmarkt für kasachische Miniaturdampfmaschinen in Łódź das erste Mal gesehen und seither nicht aus den Augen verloren.
Wagner-Trenkwitz hat mir einmal erzählt, er hätte bei der Weltausstellung in der Rotunde (1873, ich kann nicht länger über sein wahres Alter schweigen) in einem Blumenfachgeschäft ausgeholfen, ich nehme an, sein ungeheuerliches Pflanzenwissen stammt aus dieser Zeit.
Immer schon war es mir ein Anliegen, ihn zu fördern, ihm unter die Arme zu greifen und ihm den Sinn des Lebens ein wenig näherzubringen: Ich habe ihn das Service beim Ping-Pong gelehrt, war bei den Turmspringer-Kursen dabei und habe ihn zu den ersten Ikebana-Steckkursen begleitet.
Nun wird er von der langen Leine gelassen, zum ersten Mal in seinem Leben muss sich Christoph Wagner-Trenkwitz mutterseelenalleine beweisen. Zehntausende haben mich gewarnt, es wäre noch zu früh, er wäre der Aufgabe, allein ein Opernballbuch zu kreieren, niemals gewachsen, aber ich weiß es besser. Ich habe die Eigentümer der kritischen Stimmen niedergeschlagen und plötzlich ist Ruhe eingekehrt.
Natürlich plagt mich die Sorge, er würde, so wie ich, Bianca Jagger mit der Mutter von Mick Jagger verwechseln, Tulpen als Rosen benennen und Caruso für einen Autoverleiher halten.
Letztendlich bin ich aber voll berechtigter Hoffnung, dass er seine Leistung auch ohne seinen Mentor abrufen kann und die kommenden Seiten – wenn nicht von Pulitzer, so zumindest von diesen Dynamitleuten in Schweden – gewürdigt werden.
Den Abend des abgesagten Opernballs 2021 werden wir selbstverständlich gemeinsam in unserem Homeoffice vulgo Home-Chamber alias Heim-Kammerl verbringen. Wir werden ins Leere kommentieren und hoffentlich genauso viel Spaß haben, wie Sie beim Weiterblättern.
Vorbemerkung
Zum Wiener Opernball Ausgabe 2005 schufen Hohenlohe und Wagner-Trenkwitz (die im Folgenden liebevoll Kari & Christoph genannt werden) eine Fernsehdokumentation, die den Titel Das heitere Opernball-ABC trug. Natürlich dachten wir an Robert Lembkes Heiteres Beruferaten und andere TV-Klassiker, als wir uns an die Arbeit machten. Wir scherzten unter dem Buchstaben D etwa über Düsseldorf (das nichts mit dem Ball zu tun hat) und brachten beim Stichwort »Damenwahl« einen pfeifenden und schnaubenden Damen-Wal ins Bild.
Natürlich dachten wir nicht daran (wir haben überhaupt nie so viel gedacht), den von optischen Effekten lebenden und damit sehr opernballgemäßen Beitrag jemals in schriftliche Form umschmieden zu müssen. »Der Opernball von A bis Z, also von Abendrobe bis Zylinder, von Antel bis Zilk, von Antike bis Zukunft, von Anabolika bis Zugluft und von Androsch bis Zawinul«, so tönte es damals (ohne dass wir sicher von einem Ballbesuch der Jazzlegende Joe Zawinul wussten).
Einige Monate später (aber nicht viele, es war noch vor der Weltherrschaft von Dr. Google) wurde uns ein Lexikonartikel ( Literatur am Ende des Buches) von überschaubarer Länge abverlangt. Anstatt uns fasslicher Ernsthaftigkeit und ernsthafter Fasslichkeit zu befleißigen, schufen wir ein kleines ABC, das gewissermaßen die Keimzelle des vorliegenden Buches war.
Natürlich geht es auch in diesem nicht immer mit ernsten Dingen zu, vieles fehlt, anderes hätte ich mir (und Ihnen) ersparen können, manches wird extrem subjektiv, anderes unerträglich objektiv sein … doch nun genug der Rechtfertigungen!
Mein Dank gilt dem grandiosen Michael Pammesberger – ihm ist es zuzuschreiben, dass Sie dieses Buch auch genießen werden, wenn Sie kein Wort davon lesen –, der umsichtigen und stets hilfreichen Lektorin Madeleine Pichler sowie, last and least, Karl Hohenlohe: Er hat ein poetisches Vorwort geschrieben und kann sich ohne sonstigen Aufwand in aller Seelenruhe darüber freuen, der meistgenannte Mensch in diesem neuen Standardwerk zu sein.
Mögen Sie ebenfalls Freude an dem Bändchen haben und mögen uns am letzten Donnerstag vor dem Aschermittwoch noch viele Opernbälle erfreuen!
Christoph Wagner-Trenkwitz
Rijeka, im Oktober 2020
A–Z
Absage, die
Was für ein deprimierender Beginn unseres Opernballphabets! Aber es muss sein: Regierungsvertreter ließen uns Mitte September 2020 wissen, dass die »Mutter aller Virenschleudern« (dieser Begriff stammt allerdings von Journalist Hans Rauscher) im Februar 2021 nicht stattfinden kann. Von »Society-Schock« und »Winter-Blues« war in den Medien zu lesen, da aber auch der Ballverliebteste aller Baumeister »Verständnis« zeigte, wie die Tiroler Tageszeitung exklusiv meldete, fügte man sich in das »coronabedingt« (= mein zurzeit bestgehasstes Wort) Unausweichliche.
Der neue Direktor Bogdan Roščić sprach sein ehrliches Bedauern aus; insgeheim war er vielleicht auch einer Sorge ledig und dachte, gut bis 2022 auf sein Opernballdebüt warten zu können. Für die Zeit bis dahin formulierte Hans Rauscher einen guten Tipp: »Wenn es dann aber wieder geht, vielleicht in der nächsten Saison, könnte sich der Direktor ja überlegen, wie man den Opernball wieder zu einem wirklich eleganten Wiener Ereignis macht.«
Bisherige (Fast-)Nichtabhaltungen des Balls werden unter den Schlagworten Chronik beziehungsweise Karajan abgehandelt.
Alias
Im Laufe der Jahrzehnte hat unser Fest viele schmückende Beinamen erhalten. Allzu gern gedroschen und reichlich banal: »der Ball der Bälle« (wozu eigentlich die Wortabstände? Man spricht es doch auch »BallderBälle«) und »Staatsgewalze«, womöglich noch im »vielleicht schönsten Ballsaal der Welt«. Die Elegante Welt (ein Periodikum, das aus verständlichen Gründen nicht mehr existiert) schrieb 1968 etwas tiefergehend vom »Staatsakt im Dreivierteltakt«.
Glauben Sie ja nicht, dass der Volksstimme, dem Organ der Kommunistischen Partei Österreichs, nichts Positives zu unserem Event eingefallen wäre: »Jetzt ist der Opernball der schönste Hausball Wiens.«
Kari & Christoph bemühen sich, um nicht Vielgesagtes dauernd wiederzukäuen, andere Umschreibungen zu finden: Von einem »Zeltfest der Hautevolee« war die Rede – obwohl wir ja wissen, dass die Mehrzahl der Ballbesucher*innen* Menschen wie Du und Ich sind, und erst recht die Mehrzahl der Ballbetrachter*innen vor den TV-Geräten; aber die vage Hoffnung, sogenannte »Prominente« (zu Deutsch: »Herausragende«) aus dem Menschengewurl herausragen zu sehen, will nicht schwinden. Der Begriff »Mittelding zwischen Staatsbegräbnis und Avatar« hat den Honorar-Verantwortlichen des ORF maßlos amüsiert, ohne dass sich dies auf unsere Gagen niedergeschlagen hätte. Als »Dschungelcamp für Frackträger« bezeichneten wir das Fest sowie angesichts der 364 Tage währenden Vorfreude als »Aller Tage Abend«. Wir erinnerten uns auch einmal an die Arche Noah: »Von jeder Tierart ein Pärchen, das hier der Sintflut entgegenfeiert.«
Sabine Schiechl hat im Untertitel ihrer 2001 erschienenen Diplomarbeit den Opernball mit einem anderen klugen Alias umschrieben: »… kulturtheoretische Überlegungen zu einer erfundenen Tradition als ruhendem Pol im Wandel der Zeit«. Egon Friedell wieder meinte einstmals, in Österreich werde man nur dann berühmt, wenn man etwas auffällig nicht tut. Da sich ein auffälligeres Nichts als der Wiener Opernball kaum vorstellen lässt, könnte man ihn auch so charakterisieren (ich tat es in meiner Anekdotensammlung Schon geht der nächste Schwan): »Eine Spitze, größer als der dazugehörige Eisberg«.
Dem letzten Vorkriegsopernball im freien Österreich, 1938, widmete die Neue Freie Presse eine ganze Seite (und die waren damals groß). Sie schwärmte von einem »Empfang, den das repräsentative und mondäne Wien sich selber gibt«, geprägt von dem »harmonischen Dreiklang: Frauenschönheit, Modekunst und Walzerrhythmus. Ein Abend, an dem man sozusagen alle Augen voll zu tun hat …«.
Anlässlich seines 85. Geburtstages im Sommer 2020 fand der ehemalige Staatsoperndirektor Ioan ( dieser) Holender eine andere blumige Umschreibung: »Der blöde Opernball.« So kann man es natürlich auch sehen, oder lieber wie Lotte Tobisch: »Ich weiß nicht, von wem der Satz stammt, der Opernball sei die wichtigste Nebensache der Welt, aber irgendwas ist schon wahr dran.«
*Breaking News: Es gibt ein drittes Geschlecht! Sollten Sie das von mir erfahren,